Kennen Sie den?

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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Fr 29. Mär 2013, 12:12

stine hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wie Nanna schon schrieb, der soziale Rang verändert die Hormonproduktion.
Hier hätte ich dann doch gerne ein paar Beispiele.
Am besten aus dem Leben gegriffen.

Wie gesagt: Führungskräfte benehmen sich selbstbewusster und risikobereiter, sobald sie ihre Führungsposition erklommen haben. Sie haben signifikant weniger Stresshormone im Blut und deutlich mehr Testosteron. Der Umbau des Hormonhaushalts kommt immer nach dem Erreichen der höheren sozialen Position, es ist also nicht so, dass diese Leute schon vorher viel Testosteron im Blut haben und deshalb sozial schneller aufsteigen (sieht man ja auch an sozial eher weit unten rangierenden Testosteronbolzen auf Harleys, dass das in keinem Zusammenhang steht), sondern dass sie aufsteigen und sich ihr Hormonhaushalt daran anpasst, dass sie jetzt als Führungsfigur im sozialen Mikrokosmos offensiver und proaktiver agieren müssen.

Auch das berühmte erzwungene Lächeln am Morgen in den Spiegel für mindestens eine halbe Minute - auch wenn man sich gar nicht fröhlich fühlt - führt dazu, dass Glückshormone freigesetzt und Stresshormone abgebaut werden und man sich dann anschließend tatsächlich besser fühlt. Ebenso, hier verweise sich nochmal auf das (englische) TED-Video von ujmp, beeinflusst bereits das Einnehmen von dominanten Positionen für etwa zwei Minuten den Hormonhaushalt signifikant: Im Schnitt 20% mehr Testosteron und weniger Stresshormone. Man kann sich also, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes aufrecht durch's Leben geht, gezielt selbstbewusster machen, auch wenn man sich anfangs nicht so fühlt, einfach indem man sich bei seinem körpereigenen Dealer ganz bewusst mit den entsprechenden Hormonen eindeckt.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » Fr 29. Mär 2013, 13:24

Ja, die Beschreibung ist viel lebensnäher, danke.

Und es gibt Beispiele aus zig Bereichen. Um zu heimlichen Hauptthema – Geschlechterrollen – zurückzukehren, Frauen reagieren in bestimmten Situationen gemäß den Erwartungen (z.B. schlecht einparken), auch dann, wenn sie unter anderen Bedingungen dazu in der Lage wären. D.h. man übernimmt Klischees nicht selten, weil sie existieren (und natürlich auch die betreffende Gruppe dieses Bild im Kopf hat). In Japan kannst Du ohne Druck und ohne rot zu werden, gegen ein Dutzend unausgesprochener Erwartungen verstoßen, wenn Du sie gar nicht kennst.

Das kann man durchaus auch nutzen. Bspw. hat man Putzfrauen, die körperlich hart arbeiten und darunter litten, mal erzählt, dass sie doch eigentlich ganz gut dabei sind. Sie haben Bewegung, sind fitter als viele andere Frauen gleichen Alters und man zeigte ihnen weitere Vorteile auf und die Frauen fühlten sich tatsächlich besser. Das ist natürlich nicht grenzenlos belastbar, man kann dem Sklaven nicht sagen, er müsse nur lächeln und an seine Fitness denken, dann sei das alles kein Problem, das ist immer die Gefahr wenn Ansätze monokausal werden. Alles Gene, alles Psyche, alles soziales Rollenspiel, alles Herrschaftsinstrument und so weiter.

Auch pseudovielfältige Ansätze bringen nichts: Weil ich so viel Testotsteron habe, bin ich so durchsetzungsstark und darum sozial so weit oben und darum zu mächtig.
Ebenso lächerlich wirkt derjenige, der sich das Verhalten der „Mächtigen“ antrainiert und kerzengerade, mit durchdringendem Blick und festem Händedruck, seine hypermaskuline Schneise durchs Leben schlägt. Es bedarf dann oft eines Kindes, das bemerkt, dass der Kaiser ja nackt ist.

Dennoch eines lehren uns die Beispiele: Vieles was als Diagnose („so ist es“) erscheint, ist eher eine Erwartungshaltung. Wer das erkennt, gewinnt eine neue Perspektive, allerdings besteht auch hier die Gefahr es zu weit zu treiben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Fr 29. Mär 2013, 14:08

Okeyokey!
Und warum sollen nun Frauen dem steigenden Hormonspiegel nach der Geburt ihres Kindes bewusst entgegensteuern?
Überhaupt, wenn der Hormonhaushalt bewusst gesteuert werden kann, warum dann gegen soziale Strukturen im Familienformat?

Also doch alles nur der momentanen wirtschaftlichen Mode entsprechend?

:lookwrong: stine
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » Fr 29. Mär 2013, 14:44

stine hat geschrieben:Und warum sollen nun Frauen dem steigenden Hormonspiegel nach der Geburt ihres Kindes bewusst entgegensteuern?
Überhaupt, wenn der Hormonhaushalt bewusst gesteuert werden kann, warum dann gegen soziale Strukturen im Familienformat?

Also doch alles nur der momentanen wirtschaftlichen Mode entsprechend?


Soll'n se ja gar nicht, was mich angeht.
Da bin ich durchaus auf Seiten derer, die die Wildheit von Jungen nicht als auszutreibenden Fehler ansehen.
Ich bin gegen die Unterdrückung von Jungen in den frühen Jahren der Erziehung, in denen ihnen überwiegend aggressionsgehemmte Frauen begegnen.
Ich bin der Meinung, dass die Sprach- und Sozialkrempellastigkeit der Schulen Mädchen einseitig bevorzugt.

Ich bin durchaus der Meinung, dass die statistisch deutlich unterschiedlich verteilten Hormone einen Einfluss auf den Menschen haben. Und so weiter. Aber das nicht zu leugnen, bedeutet auf der anderen Seite nicht, einem Biologismus oder irgendwelchen zementierten Rollenbildern das Wort reden zu müssen.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Fr 29. Mär 2013, 14:53

Vollbreit hat geschrieben:Ich bin durchaus der Meinung, dass die statistisch deutlich unterschiedlich verteilten Hormone einen Einfluss auf den Menschen haben. Und so weiter. Aber das nicht zu leugnen, bedeutet auf der anderen Seite nicht, einem Biologismus oder irgendwelchen zementierten Rollenbildern das Wort reden zu müssen.

Also immer schön in der Mitte herum gondeln - nur ja nicht Stellung beziehen, da könnte es was auf die Mütze geben.

LG stine
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Fr 29. Mär 2013, 18:26

In der Mitte gibt's offenbar was von dir auf die Mütze, was hat man also gewonnen? ;-)
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 29. Mär 2013, 18:54

stine hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, Humor zeichtet sich oft durch die Karrikatur des Lebens aus. Über Klischees lachen zu können bedeutet auch, sie weniger ernst zu nehmen, auch wenn man irgendwie der Meinung wäre, sie würden irgendwie der Realität entsprechen oder haben es mal getan.
Oha! Woher der Sinneswandel?

Kein Sinneswandel, du bist einfach nicht witzig (zumindest lache ich nicht über deine Witze, wenn ich über etwas im Zusammenhang mit dir lache). Mario Barth scherzt auch nicht darüber, dass Frauen geschlagen werden. Es gibt Grenzen des guten Geschmacks.
Nanna hat geschrieben:Wenn es so wäre, dass Männer statistisch gesehen häufiger in Führungspositionen landen, weil sie biologisch angetrieben aggressivere Tendenzen haben, dann habe ich nichts dagegen, dass es mehr Männer im Managment gibt. Mir geht es nicht darum, künstlich Geschlechterparität herbeizuführen. Das einzige, was ich will, ist, dass jede qualifizierte Frau ins Managment kann, genauso wie jeder qualifizierte Mann Kindergärtner werden können muss.

Nun, ich frage mich, ob es nicht auch zur Qualifikation gehört, sich vorzudrängeln. Aber ich will mich in diesem Punkt auf keinen Streit einlassen, es gibt auch gute Argumente dagegen.
Nanna hat geschrieben:Pauschalverdacht aufgrund des Geschlechts oder irgendeines anderen primordialen Merkmals ist der wahre Feind, nicht "die Männer" oder "die Frauen".

Hat meine Zustimmung, zumindest insofern als das ein Verdacht das Verhalten negativ beeinflusst und Chancen nicht einräumt. Letztlich können wir nicht grundsätzlich vorurteilsfrei sein, jedoch ist es wichtig, es dabei bleiben zu lassen und jemanden deswegen (solange man denjenigen oder diejenige nicht kennt) schlechter zu behandeln als andere, bis man sich sein Urteil aufgrund der Erfahrung mit der speziellen Person und nicht nur ausgewählten Archaetypen, die mögliche Ähnlichkeiten aufweisen, bildet.
Nanna hat geschrieben:Natürlich ist das ein wechselseitiges System, das schon so lange am Laufen ist, dass man Ursache und Wirkung nicht mehr auseinander halten kann.

Äh, nein. Unsere Spezies hat seit den ersten Anzeichen einer Kultur kaum eine biologische Veränderung durchgemacht, die Biologie hat sich nicht durch kulturelle Zwänge verändert. Die meisten unserer genetisch festgelegten Verhaltensmuster waren auch fraglos vor der Kultur vorhanden (Vergleiche mit den nächsten Verwandten, die per definitionem keine Kultur aufweisen. Auch Australopithecus und andere nach ihm wiesen keine Kultur auf, haben jedoch aus dem Gencode zu schließen viele unserer Verhaltensweisen gehabt (-oder wir unterscheiden uns kaum von ihnen, bis auf die Intelligenz und die Interpretation unserer Prädispositionen)). Nenn mir einen Punkt in dem die Kultur nachhaltig in die Biologie unserer Spezies eingegriffen hat und nicht umgekehrt unsere Prädispositionen nicht die Kultur bedingten! Es ist jedenfalls kein Henne-Ei-Problem, wenn man seine nahem Verwandten ohne Kultur beobachtet und klare Parallelen im Verhalten sieht.
Nanna hat geschrieben: Deshalb sind ja auch viele Studien, die festgestellt haben wollen, dass Männer und Frauen zu einem bestimmten Verhalten neigen und das deshalb "natürlich" sei, solcher Käse, weil man nach Jahrtausenden der Geschlechterbilder nicht mehr genau sagen kann, ob das Verhalten jetzt auf Kultur oder Natur basiert - und meines Erachtens darf man das auch nicht zu krass auseinanderhalten, auch wenn es schon sinnvoll ist, analytisch zwischen beiden zu unterscheiden.

Klar kann man einiges auseinanderhalten. Wenn wir schon bei etwas sehr spezifischem anfangen wollen, können wir unser Sexualverhalten nehmen. Die Hodengröße, der sexuelle Dimorphismus im Vergleich zu anderen Primaten zeigt uns deutlich, dass "die Natur" uns zu vergleichsweise monogamen Wesen macht. Aus diesem spezifischen Verhalten ergeben sich wiederum Umrisse für weitere Organisationsformen innerhalb einer Gruppe/Familie, die verlängerte Brutpflege (die sich nebenbei auch aus dem aufrechten Gang ergibt). Alles biologische Notwendigkeiten oder Konsequenzen.
Nanna hat geschrieben:Risikofreude ist z.B. auch eine Eigenschaft, die sich entwickelt, sobald Leute hohe soziale Ränge einnehmen dürfen, selbst wenn die Leute vorher deutlich vorsichtiger waren (statistisch gesehen, nicht auf den Einzelfall schließen!). Sind also so viele Männer risikofreudiger, weil es in ihrem Hormonhaushalt begründet liegt, oder führt, zumindest zu einem erheblichen Anteil, auch das Rollenbild dazu, dass sie sich so verhalten, u.a. weil sich ihr Hormonhaushalt in Folge der Position im sozialen Mikrokosmos anpasst? Halte ich für eine prinzipiell schwierig zu entscheidende Frage, die einen zumindest dazu anhalten sollte, vorsichtig mit Geschlechterbildern zu sein.

Was du da beschreibst ist lediglich eine positive Rückkopplung, kein Einflussfaktor der Kultur. Ein psychologisches Phänomen, welches ohne entsprechende Prädisposition nicht funktionieren würde.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Fr 29. Mär 2013, 23:26

Nanna hat geschrieben:In der Mitte gibt's offenbar was von dir auf die Mütze, was hat man also gewonnen? ;-)

Die Mitte ist halt stets der bequeme Standpunkt. Aber in manchen Dingen möchte ich nicht lavieren müssen :wink:

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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 30. Mär 2013, 12:59

Darth Nefarius hat geschrieben:Unsere Spezies hat seit den ersten Anzeichen einer Kultur kaum eine biologische Veränderung durchgemacht, die Biologie hat sich nicht durch kulturelle Zwänge verändert. Die meisten unserer genetisch festgelegten Verhaltensmuster waren auch fraglos vor der Kultur vorhanden (Vergleiche mit den nächsten Verwandten, die per definitionem keine Kultur aufweisen. Auch Australopithecus und andere nach ihm wiesen keine Kultur auf, haben jedoch aus dem Gencode zu schließen viele unserer Verhaltensweisen gehabt (-oder wir unterscheiden uns kaum von ihnen, bis auf die Intelligenz und die Interpretation unserer Prädispositionen)). Nenn mir einen Punkt in dem die Kultur nachhaltig in die Biologie unserer Spezies eingegriffen hat und nicht umgekehrt unsere Prädispositionen nicht die Kultur bedingten! Es ist jedenfalls kein Henne-Ei-Problem, wenn man seine nahem Verwandten ohne Kultur beobachtet und klare Parallelen im Verhalten sieht.

[...]Wenn wir schon bei etwas sehr spezifischem anfangen wollen, können wir unser Sexualverhalten nehmen. Die Hodengröße, der sexuelle Dimorphismus im Vergleich zu anderen Primaten zeigt uns deutlich, dass "die Natur" uns zu vergleichsweise monogamen Wesen macht. Aus diesem spezifischen Verhalten ergeben sich wiederum Umrisse für weitere Organisationsformen innerhalb einer Gruppe/Familie, die verlängerte Brutpflege (die sich nebenbei auch aus dem aufrechten Gang ergibt). Alles biologische Notwendigkeiten oder Konsequenzen.

Zusatz für diejenigen, die möglicherweise verwirrt sind: Auch wenn unsere direkten Vorfahren schon ausgestorben sind, kann man aus deren Anatomie (und bald bestimmt auch aus dem Gencode, wenn es nicht schon heute möglich ist) Rückschlüsse auf das Verhalten ziehen. Die Beckenstruktur, Größenvergleiche und anderes lassen Rückschlüsse im Zusammenhang mit Werkzeugen zu. Soetwas wie Lagerfeuer (also verkohltes Holz in unnatürlicher Anlagerung mit Steinen, eventuell bei einem Skelett liegen), Waffen, Kleidung, Kultgegenstände sind Hinweise auf eine Kultur. Somit lässt sich gut feststellen, was zuerst da war und ob es nach den ersten Funden von kulturellen Besitztümern auch eine Veränderung der Biologie gab. Mir ist aufgefallen, dass einige nicht zögern sich lächerlich zu machen, wenn sie einfach mal leugnen, dass bestimmte Erkenntnisse nicht möglich seien, weil sie das Vorgehen der Forscher nicht kennen und dachte, dass dies erwähnt werden müsse.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Sa 30. Mär 2013, 16:47

Danke für die Einführung ins anthropologische Banalwissen. Allein wenn man sich die Vielfalt der indigenen, also wenig durch historische Prozesse modifizierte - vulgo: ursprüngliche -, Kulturen ansieht, wo es von Völkern, die nicht zählen können, über Völker, die nicht wissen, was Krieg ist, über Völker, bei denen es zum guten Ton gehört, dem Gast Sex mit der Partnerin anzubieten bis hin zu Matriarchaten so ziemlich alles an Abgefahrenheiten gibt, sollte man ein wenig vorsichtiger sein, alles aus den Grundregeln der Biologie herleiten zu wollen. Die Biologie gibt nur grobe Regelhaftigkeiten vor, aus denen sich endlose kulturelle Varianten bilden lassen (vergleichbar einem Spiel mit banalen Regeln wie Schach oder Go, die höchst vielfältige und unterschiedliche Strategien zulassen).
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon provinzler » Sa 30. Mär 2013, 21:41

Nanna hat geschrieben: über Völker, bei denen es zum guten Ton gehört, dem Gast Sex mit der Partnerin anzubieten bis hin zu .


Sind das nicht Völker, die so abgeschieden leben, dass sie Genpoolauffrischungen ganz besonders dringend brauchen? Wär dann ja auch wieder ein ganz konkreter biologischer Sinn dahinter. Korrigiert mich wenn ich falsch liege. Hab da irgendwie sowas im Hinterkopf...
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » So 31. Mär 2013, 00:19

So kann man das deuten, klar. Man kann es auch vor dem Hintergrund der Abwesenheit bzw. verminderten Relevanz patriarchalischer Wirtschaftsverhältnisse deuten, bei denen eine perfekt reine Erblinie bedeutend ist, weil Generationen häufig zugunsten der Folgegeneration verzichten und generell das Erbe im Patriarchat eine große Rolle spielt. Vielleicht ist den abgeschiedenen Völkern auch einfach langweilig.
Im o.g. Fall geht es um eine Sitte bei bestimmten Inuitstämmen, die zwar stark aber nicht komplett isoliert leben/gelebt haben. Generell gibt es bezüglich Treuevorstellungen bei vielen indigenen Völkern von mitteleuropäischen Idealen weit entfernte Konzepte. Wir sind häufig zu schnell darin, die Selbstverständlichkeiten der eigenen Kultur als "natürlich" anzusehen, auch wenn ein Großteil davon erlerntes Verhalten ist. Dass die Biologie gewisse Vorstrukturierungen vornimmt, ist ja ganz unbestritten. Aber man kann nicht aus der Kenntnis der Biologie die Kultur ableiten. Wäre das möglich, hätten wir weltweit eine Einheitskultur und die haben wir nunmal nicht. Wir teilen gewisse, sehr abstrakte Basisvorstellungen und -wünsche aber abgesehen davon gestalten wir unsere Deutung der Realität äußerst verschieden aus.

Mir geht es einfach insgesamt zu schnell, bei jedem kulturellen Phänomenchen gleich "das ist biologisch sinnvoll" zu schreien. Teilweise wird da auch überabstrahiert und alles mit weit gefassten, je nach gewünschtem Ergebnis sehr amorph anpassbaren Begriffen belegt, die im Zweifel in jeder denkbaren Konstellation das Ergebnis "ist biologisch sinnvoll" ausspucken. Nicht jede Varianz ist aber immer gleich ein pseudogöttlicher Plan der Natur. Und selbst wenn, der naturalistische Fehlschluss springt einem ja mit Pauken und Trompeten mitten ins biologisch optimierte Gesicht.
Manche Sachen sind halt einfach nur Moden und Gebräuche, die sicherlich auf einer Metaebene irgendwie im Zusammenhang mit Gruppenfitness (Zusammenhalt, Vorhersehbarkeit der sozialen Ordnung, Aussortieren von Trittbrettfahrern, wasweißich...) interpretiert werden können, aber das ist eben nicht die einzige und nicht immer die entscheidende Ebene für die Bewertung einer Sache.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Julia » So 31. Mär 2013, 07:35

Nanna hat geschrieben:Keiner hier ist für die Verharmlosung von Vergewaltigung.

Ja dann hört doch bitte einfach damit auf.

Ich finde diese Mischung aus Misogynie, Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen, Dämonisierung von Frauen und den ständigen Beteuerungen, dass hier alles in Ordnung ist und niemand Gewalt verharmlosen will, mehr als befremdlich.
Und ja, ich finde es alarmierend, dass das hier salonfähig ist.

Ich empfehle zum Abschluss auch noch dieses Paper als fundiertere Alternative zu Matussek:
Joan S. Meier, "A Historical Perspective on Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation", Journal of Child Custody, Vol. 6, No. 3, pp. 232-257, 2009
http://papers.ssrn.com/sol3/Delivery.cf ... 40&mirid=1
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » So 31. Mär 2013, 08:25

Julia hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Keiner hier ist für die Verharmlosung von Vergewaltigung.

Ja dann hört doch bitte einfach damit auf.


Da braucht niemand mit aufzuhören, weil gar keiner damit angefangen hat.
Wer ist denn hier für die Verharmlosung von Vergewaltigung? Da sind Dir wohl Deine Maßstäbe etwas verrutscht.

Julia hat geschrieben:Ich finde diese Mischung aus Misogynie, Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen, Dämonisierung von Frauen und den ständigen Beteuerungen, dass hier alles in Ordnung ist und niemand Gewalt verharmlosen will, mehr als befremdlich.
Und ja, ich finde es alarmierend, dass das hier salonfähig ist.


Und ich finde es befremdlich, dass Du als einzige – soweit ich das bisher sehe – eine allgemeine Freude an der Gewalt gegen Frauen diagnostizierst.
Wenn man versucht darauf hinzuweisen, dass es durchaus auch Männer gibt, die unter notorisch aggressiven oder kalt berechnenden Frauen leiden, ist das vermutlich für Dich die Dämonisierung von Frauen. Für mich ist es die andere Seite einer gesellschaftlichen Realität, die Du m.E. ausblendest, ohne Gründe dafür anzugeben. Werden denn ausschließlich Frauen von Männern schlecht behandelt?

Ich habe dieselbe Diskussion schon unter exakt anders herum definierten Vorzeichen gelesen. Wieso leugnest Du, dass es so etwas gibt?
Du bist da in meinen Augen ideologisch unterwegs, was leider dazu führt, dass Du Deinem berechtigten Anliegen einen Bärendienst erweist und zwar nicht weil Du kämpferisch auftrittst, sondern im hohen Maße einäugig.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » So 31. Mär 2013, 10:55

Nanna hat geschrieben: Allein wenn man sich die Vielfalt der indigenen, also wenig durch historische Prozesse modifizierte - vulgo: ursprüngliche -, Kulturen ansieht, wo es von Völkern, die nicht zählen können, über Völker, die nicht wissen, was Krieg ist, über Völker, bei denen es zum guten Ton gehört, dem Gast Sex mit der Partnerin anzubieten bis hin zu Matriarchaten so ziemlich alles an Abgefahrenheiten gibt, sollte man ein wenig vorsichtiger sein, alles aus den Grundregeln der Biologie herleiten zu wollen.

Ich habe nicht behauptet, dass wir uns absolut gleich verhalten, unsere Gene bieten großen Spielraum, aber du hast mehr oder weniger direkt behauptet, dass diese Variationen im Verhalten durch die Kultur als gleichwertige - vielleicht sogar gleichzeitige oder sogar vorstehende Ursache im Vergleich zu der biologischen ist. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Hinweis auf die Gemeinsamkeiten im Verhalten, was das Geschlecht betrifft und dann auf die Biologie als gewichtigsten Einflussfaktor hinzuweisen und so wie du zuerst diese Bedeutung fast zu negieren und dann noch halbherzig zurückrudernd die Kultur als evolutionären Faktor zu nennen, der bereits unsere Biologie beeinflusst hätte.
Die Biologie gibt nur grobe Regelhaftigkeiten vor, aus denen sich endlose kulturelle Varianten bilden lassen (vergleichbar einem Spiel mit banalen Regeln wie Schach oder Go, die höchst vielfältige und unterschiedliche Strategien zulassen).

Richtig, aber wir kümmern uns jetzt auch nicht um den Unterschied zwischen indigenen Völkern, sondern zwischen dem uralten Problem der Geschlechter, welches immer wieder die gleichen Konflikte über die Kulturen hinweg aufweist. Somit ist es weniger relevant welches Volk Sex zur Begrüßung anbietet als zu wissen, welche Hormone welches Beziehungsverhalten begünstigen. Geschlechter sind keine Erfindung der Kultur, sie ist viel zu jung, um einen relevanten Einfluss auf unser natürlich festgelegtes Verhalten auszuüben und wir gewiss auch noch in Zukunft nicht als gleichwertige Ursache wie die Biologie zu betrachten sein (außer vielleicht in irgendwelchen pesudohumanistischen Foren, deren jedes zweite Mitglied sich vom Kunstbegriff des Biologismus diostanziert :wink: ).
provinzler hat geschrieben:Sind das nicht Völker, die so abgeschieden leben, dass sie Genpoolauffrischungen ganz besonders dringend brauchen? Wär dann ja auch wieder ein ganz konkreter biologischer Sinn dahinter. Korrigiert mich wenn ich falsch liege. Hab da irgendwie sowas im Hinterkopf...

Jeder Kontakt würde mit großer Wahrscheinlichkeit so eine Gruppe umbringen, da auch ihr Immunsystem sich nicht den globalen Krankheiten angepasst hat. Ihre einzige, verzweifelte Chance ist es, den Kontakt in einer Welt, die immer kleiner wird, zu meiden. Das zeigt wiederum, was die bessere Überlebensstrategie war: Austausch, gelegentlicher Krieg und Handel oder unkreative Isolation und Unwille zum Fortschritt.
Nanna hat geschrieben:Dass die Biologie gewisse Vorstrukturierungen vornimmt, ist ja ganz unbestritten. Aber man kann nicht aus der Kenntnis der Biologie die Kultur ableiten. Wäre das möglich, hätten wir weltweit eine Einheitskultur und die haben wir nunmal nicht. Wir teilen gewisse, sehr abstrakte Basisvorstellungen und -wünsche aber abgesehen davon gestalten wir unsere Deutung der Realität äußerst verschieden aus.

Man kann aus unseren Prädispositionen viele, nicht eine Kultur ableiten. Dadurch verliert dieser Faktor nicht seine Relevanz und kann als gleichwertig zur Kultur betrachtet werden. Vielfalt, Spielraum ist schon immer ein Konzept der Biologie gewesen und deine Schlussfolgerung, dass wir eine Einheitsstruktur haben müssten, wäre der Einfluss so gewichtig, zeigt wieder wie wenig du von der Biologie verstehst.
Nanna hat geschrieben:Manche Sachen sind halt einfach nur Moden und Gebräuche, die sicherlich auf einer Metaebene irgendwie im Zusammenhang mit Gruppenfitness (Zusammenhalt, Vorhersehbarkeit der sozialen Ordnung, Aussortieren von Trittbrettfahrern, wasweißich...) interpretiert werden können, aber das ist eben nicht die einzige und nicht immer die entscheidende Ebene für die Bewertung einer Sache.

Das erste echte Argument, wenn auch kein gutes. Es steht dir frei, ein Problem oder eine Fragestellung zu betrachten und anzugehen wie du willst, jedoch wird die Relevanz einer Betrachtungsweise durch deinen Unwillen, sie anzunehmen, nicht geschmälert. Ein Priester kann gern seine Bibel bemühen, um nach der Vielfalt des Lebens zu fragen. Ein Wissenschaftler wird seine Methodik, Wissen, Beobachtung und Experimente dazu bemühen. Was mehr Früchte trägt steht außer Zweifel für die Menschheitsgeschichte. Der Erfolg und die Resultate geben einem Konzept recht (wie in der Evolution). Mag sein, dass für einige bestimmte Konzepte zu abstrakt sind oder zu viel Spielraum lassen, paradoxerweise führen aber diese Konzepte zu handfesten Resultaten.
Julia hat geschrieben:Ich finde diese Mischung aus Misogynie, Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen, Dämonisierung von Frauen und den ständigen Beteuerungen, dass hier alles in Ordnung ist und niemand Gewalt verharmlosen will, mehr als befremdlich.
Und ja, ich finde es alarmierend, dass das hier salonfähig ist.

Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun (abgesehen davon, dass ich deiner Beobachtung nicht zustimme)? Sollen alle schreiben, dass sie gerade vor ihrem Laptop heulen? In einem Forum kann man auch zu schwierigen Themen eine nötige Distanz aufbauen, das kann für empathischere oder betroffene Menschen schwierig wirken, aber es ist allemal konstruktiver als übertriebene Emotionalität. Ich kann ja verstehen, dass dir die Bekundungen nicht ausreichen, aber mehr Ausdruck an Beileid kannst du im anonymen Netz nicht erwarten. Ich denke, es würde geschmacklos wirken, wenn jeder dann noch das als nicht-sprachliche empathische Äußerung hinzusetzen würde: :cookie:
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » So 31. Mär 2013, 14:07

Julia hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Keiner hier ist für die Verharmlosung von Vergewaltigung.

Ja dann hört doch bitte einfach damit auf.

Mit... was genau jetzt? Ist 'ne ernst gemeinte Frage, ich hab offen und ehrlich keine Ahnung, was du meinst.

Julia hat geschrieben:Ich finde diese Mischung aus Misogynie, Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen, Dämonisierung von Frauen und den ständigen Beteuerungen, dass hier alles in Ordnung ist und niemand Gewalt verharmlosen will, mehr als befremdlich.
Und ja, ich finde es alarmierend, dass das hier salonfähig ist.

Das was hier genau salonfähig ist? Könntest du auf entsprechende Stellen hinweisen, die illustrieren, was du meinst? Oder zumindest erklären, wie du zu deiner Ansicht über die Diskussion hier kommst? Denn sorry, von außen betrachtet wirkt es auf mich vor allem so, als würde ein Großteil dessen, was du hier bemängelst, aufgrund einer Erwartungshaltung in deinem Kopf entstehen.

Julia hat geschrieben:Ich empfehle zum Abschluss auch noch dieses Paper als fundiertere Alternative zu Matussek:
Joan S. Meier, "A Historical Perspective on Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation", Journal of Child Custody, Vol. 6, No. 3, pp. 232-257, 2009
http://papers.ssrn.com/sol3/Delivery.cf ... 40&mirid=1

Nicht jetzt, aber sehe ich mir an, versprochen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht behauptet, dass wir uns absolut gleich verhalten, unsere Gene bieten großen Spielraum, aber du hast mehr oder weniger direkt behauptet, dass diese Variationen im Verhalten durch die Kultur als gleichwertige - vielleicht sogar gleichzeitige oder sogar vorstehende Ursache im Vergleich zu der biologischen ist. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Hinweis auf die Gemeinsamkeiten im Verhalten, was das Geschlecht betrifft und dann auf die Biologie als gewichtigsten Einflussfaktor hinzuweisen und so wie du zuerst diese Bedeutung fast zu negieren und dann noch halbherzig zurückrudernd die Kultur als evolutionären Faktor zu nennen, der bereits unsere Biologie beeinflusst hätte.

Ne, ich glaube, da haben wir uns missverstanden. Ich behaupte nicht, dass wir uns aufgrund der Kultur biologisch nennenswert verändert haben (also klar, haben wir, allein solche Sachen wie Körpergröße oder Laktosetoleranz im Erwachsenenalter, aber davon reden wir ja gerade nicht). Ich denke vielmehr, dass wir nicht in dem Sinne "natürliches" Verhalten haben. Die Kultur gehört zur conditio humana, wir können nicht ohne sie überleben, zumindest nicht in größeren Sozialverbänden, weil wir die Instinkte für das "natürliche" Zusammenleben verloren haben bzw. durch unsere extreme Intelligenz schlichtweg ersetzt haben. Wir sind wie extrem vielfältig einsetzbare Rechner, die ohne einen Haufen Software aber nicht funktionieren.

Ich denke, dass unsere genetische Vorprägung uns extrem viel Spielraum lässt. Es mag zu 50-80% genetisch vorbestimmt sein, ob jemand intelligent ist, aber inwiefern er das Potential ausschöpfen kann und ob er es nutzt um Waffen oder Medizin herzustellen liegt nicht in den Genen begründet. Selbst ein dominanter Testosteronbolzen kann ein sehr loyaler Anführer oder ein brutaler Schläger werden, von der abstrakten Eigenschaft "dominant" folgt erstmal noch sehr, sehr wenig.

Darth Nefarius hat geschrieben:Geschlechter sind keine Erfindung der Kultur, sie ist viel zu jung, um einen relevanten Einfluss auf unser natürlich festgelegtes Verhalten auszuüben und wir gewiss auch noch in Zukunft nicht als gleichwertige Ursache wie die Biologie zu betrachten sein (außer vielleicht in irgendwelchen pesudohumanistischen Foren, deren jedes zweite Mitglied sich vom Kunstbegriff des Biologismus diostanziert :wink: ).

Ja, aber wir haben eben kein festgelegtes Verhalten. Oder hast du schonmal mitbekommen, dass Kinder ab einem gewissen Alter anfangen, Schwänzeltänze aufzuführen oder einheitliches Balzverhalten an den Tag legen? Zwischen der Datingkultur in NYC und arangierten Ehen in Afghanistan liegen jedenfalls Welten, eben weil unsere Biologie uns mit sehr wenig konkreten Anforderungen, wie wir unsere Bedürfnisse kulturell arrangieren sollen, in die Welt hinausschickt.

Offenbar hat man jetzt z.B. herausgefunden, dass die sexuelle Entwicklung sich in verschiedenen Bereichen unabhängig voneinander entwickelt, so dass es zustande kommen kann, dass jemand als biologischer Mann aber mit sexuellem Verlangen für Männer (also klassisch einem weiblichen Sexualverlangen) auf die Welt kommt. Die Erklärung scheint in irgendwelchen komplizierten Vererbungsregeln zu finden zu sein, mit denen du mehr anfangen kannst als ich (ZEITonline: Entwicklungsbiologie - Paps Tunte, Mamas Lesbe; keine Sorge, der Artikel enthält den Link zur eigentlichen Studie).
Wenn allein das schon bedeutet, dass wir irrsinnig viele (sogar biologisch begründbare) Varianten an Verhalten nur in diesem kleinen Ausschnitt des menschlichen Verhaltenrepertoires finden, dann hat es keinen Sinn, holzschnittartige Geschlechterrollen vorzuschreiben, weil die gegenüber dem, was die Biologie (!) an kulturellem Verhalten ermöglicht, hoffnungslos unterkomplex bleiben müssen.

Die Biologie zeigt uns dann maximal, welche Bausteine wir zur Verfügung haben, so wie das Periodensystem uns in der Chemie zeigt, was wir an Grundstoffen haben. Aber es muss dir keiner sagen, wie viele Moleküle und chemische Prozesse sich aus den paar Ausgangsstoffen bilden lassen. Und deshalb zieht auch keiner zur Erklärung der Struktur eines Wolkenkratzers ein Periodensystem heran, auch wenn niemand bezweifelt, dass ein Wolkenkratzer aus Atomen besteht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Man kann aus unseren Prädispositionen viele, nicht eine Kultur ableiten. Dadurch verliert dieser Faktor nicht seine Relevanz und kann als gleichwertig zur Kultur betrachtet werden. Vielfalt, Spielraum ist schon immer ein Konzept der Biologie gewesen und deine Schlussfolgerung, dass wir eine Einheitsstruktur haben müssten, wäre der Einfluss so gewichtig, zeigt wieder wie wenig du von der Biologie verstehst.

Du hast mal einen Bienenstock oder Ameisenhaufen beobachtet, oder? Da sehe ich sehr wohl eine Einheitsstruktur. Vielfalt mag ja in der Biologie wichtig sein, aber wir Menschen sind Hardcore-Pluralisten und das auch innerhalb unserer Spezies, nicht nur zwischen verschiedenen Spezies. Das ist meines Erachtens ein gewaltiger Unterschied und ein Alleinstellungsmerkmal. Eine solche Vielfalt an Verhalten gibt es schlichtweg nichtmal annähernd bei irgendeiner anderen Spezies.

Man kann aus so allgemeinen und vielfältig verwendbaren, schwammigen Prädispositionen, wie der Mensch sie hat, eben nicht Kultur ableiten - weder eine noch viele. Man kann retrospektiv erkunden, wie bestimmte biologische Bausteine, vielleicht auch mächtigere wie eben z.B. das Geschlecht, in den Aufbau von Kulturen hineinspielen, aber eine Ableitung im Sinne von Vorhersagbarkeit halte ich für nur extrem beschränkt möglich. Man kann sicherlich allgemeine Bahnen identifizieren, an denen Kultur entlangläuft und sich statistisch häuft und man kann sicherlich auch sehen, dass dem häufig genetisch/hormonell relativ fest verdrahtete Phänomene entsprechen, aber das lässt keine präzisen Arbeiten zu. Das ist wie mit einem Schülermikroskop auf einen Einzeller starren - grob erkennt man schon was, aber für präzise Analysen reicht das Instrumentarium nicht aus. Und das ist auch nicht der Job der Biologen, deshalb ist das auch nicht weiter schlimm.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Wissenschaftler wird seine Methodik, Wissen, Beobachtung und Experimente dazu bemühen. Was mehr Früchte trägt steht außer Zweifel für die Menschheitsgeschichte. Der Erfolg und die Resultate geben einem Konzept recht (wie in der Evolution). Mag sein, dass für einige bestimmte Konzepte zu abstrakt sind oder zu viel Spielraum lassen, paradoxerweise führen aber diese Konzepte zu handfesten Resultaten.

Wissenschaft ist da gut, wo sie erkennt, was sie mit ihren Konzepten erkennen kann, und was nicht. Wenn sie etwas nicht mit bekannten Konzepten entwickeln kann, braucht es neue. Kein Biologe macht Paarberatung und das auch seine guten Gründe. Man sollte wissen, wo die eigene Expertise liegt und dann seine Konzepte nicht anderen Disziplinen überstülpen. Mit Biologie, vielleicht abgesehen von etwas Schützenhilfe aus der Soziobiologie, aber auch da nur begrenzt, komme ich bei der Analyse von gesellschaftlichen Zusammenhängen nicht besonders weit. Genauso wenig kann ich mithilfe von Metallurgie allein ein Auto bauen oder gar eine Straßenverkehrsordnung schreiben, auch wenn das Wissen über Metalle für den Fahrzeugbau elementar ist.

Nicht immer alles so stark verallgemeinern, das ist unwissenschaftlich. Eingeschränkte Definitionen sind besser und theories of everything sind theories of nothing.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 1. Apr 2013, 15:03

Nanna hat geschrieben:Ne, ich glaube, da haben wir uns missverstanden. Ich behaupte nicht, dass wir uns aufgrund der Kultur biologisch nennenswert verändert haben (also klar, haben wir, allein solche Sachen wie Körpergröße oder Laktosetoleranz im Erwachsenenalter, aber davon reden wir ja gerade nicht). Ich denke vielmehr, dass wir nicht in dem Sinne "natürliches" Verhalten haben. Die Kultur gehört zur conditio humana, wir können nicht ohne sie überleben, zumindest nicht in größeren Sozialverbänden, weil wir die Instinkte für das "natürliche" Zusammenleben verloren haben bzw. durch unsere extreme Intelligenz schlichtweg ersetzt haben. Wir sind wie extrem vielfältig einsetzbare Rechner, die ohne einen Haufen Software aber nicht funktionieren.

In Ordnung, jedoch bestehe ich darauf hinzuweisen, dass die Software den Grenzen und Bedingungen der Hardware unterliegt. Interessant finde ich übrigens deine Erkenntnis, dass wir bestimmte Instinkte "ersetzt" haben. Scheint es dir nicht möglich, dass wir ähnliches bei der Moral hinbekommen könnten (die ohnehin ein fehlerhaftes halb-instinktgesteuertes aber unmenschliches Konstrukt ist)?
Nanna hat geschrieben:Ich denke, dass unsere genetische Vorprägung uns extrem viel Spielraum lässt. Es mag zu 50-80% genetisch vorbestimmt sein, ob jemand intelligent ist, aber inwiefern er das Potential ausschöpfen kann und ob er es nutzt um Waffen oder Medizin herzustellen liegt nicht in den Genen begründet. Selbst ein dominanter Testosteronbolzen kann ein sehr loyaler Anführer oder ein brutaler Schläger werden, von der abstrakten Eigenschaft "dominant" folgt erstmal noch sehr, sehr wenig.

Richtig, aber dann bitte Ursache und Wirkung nicht vertauschen oder davon reden, dass der Einfluss von Kultur und Evolution ein Henne-Ei-Problem wäre. In der Gewichtung mag das angehen, aber gewiss nicht in der Ursächlichkeit (also was zuerst da war).
Nanna hat geschrieben:Ja, aber wir haben eben kein festgelegtes Verhalten. Oder hast du schonmal mitbekommen, dass Kinder ab einem gewissen Alter anfangen, Schwänzeltänze aufzuführen oder einheitliches Balzverhalten an den Tag legen? Zwischen der Datingkultur in NYC und arangierten Ehen in Afghanistan liegen jedenfalls Welten, eben weil unsere Biologie uns mit sehr wenig konkreten Anforderungen, wie wir unsere Bedürfnisse kulturell arrangieren sollen, in die Welt hinausschickt.

Nun, die meisten Kinder versuchen irgendwann (obwohl es erstmal ineffizienter ist) auf 2 Beinen zu laufen, das Schreien als natürlicher Reflex bei einem Defizit ist auch Standard, ebenso das schnelle Lernen. Nebenbei würde ich die regelmäßigen Discobesuche und Feiern am Wochenende einiger durchaus als Balzverhalten deuten.
Ich habe übrigens (auch wenn ich das bestimmt schon angemerkt habe) nie behauptet, dass die biologischen Grundvorraussetzungen lediglich eine Option zulassen würden. Der Trick ist, möglichst viele Handlungsmöglichkeiten offen zu lassen, um Variabilität sicherzustellen. Das kann auch bedeuten, dass einander eventuell widersprechende Informationen im genetischen Code abgespeichert sind. Mir fällt gerade kein einzelnes Gen ein, aber am Beispiel des Waals kann man doch deutlich erkennen, wie flexibel die Evolution ist: Der Vorfahre war ein landlebendes Säugetier, jedoch gab es offensichtlich eine Präferenz zum Leben im Wasser und ohne die nötigen Mindestanforderungen im Genmaterial wäre das nichts geworden.
Nanna hat geschrieben:Offenbar hat man jetzt z.B. herausgefunden, dass die sexuelle Entwicklung sich in verschiedenen Bereichen unabhängig voneinander entwickelt, so dass es zustande kommen kann, dass jemand als biologischer Mann aber mit sexuellem Verlangen für Männer (also klassisch einem weiblichen Sexualverlangen) auf die Welt kommt. Die Erklärung scheint in irgendwelchen komplizierten Vererbungsregeln zu finden zu sein, mit denen du mehr anfangen kannst als ich (ZEITonline: Entwicklungsbiologie - Paps Tunte, Mamas Lesbe; keine Sorge, der Artikel enthält den Link zur eigentlichen Studie).
Wenn allein das schon bedeutet, dass wir irrsinnig viele (sogar biologisch begründbare) Varianten an Verhalten nur in diesem kleinen Ausschnitt des menschlichen Verhaltenrepertoires finden, dann hat es keinen Sinn, holzschnittartige Geschlechterrollen vorzuschreiben, weil die gegenüber dem, was die Biologie (!) an kulturellem Verhalten ermöglicht, hoffnungslos unterkomplex bleiben müssen.

Den Link werde ich mir noch angucken, aber ich habe davon schon gehört und fühle mich in meiner Haltung bestätigt. Jedenfalls musst du nicht immer darauf rumreiten, dass es keinen Sinn hat, holzschnittartige Geschlechterrollen vorzuschreiben. Wo habe ich das bitte getan? Es ging mir lediglich um die Bedeutung des biologischen Einflusses auf unser Verhalten (mag es noch so variabel sein, was sich aber auch aus der Variabilität der biologischen Grundlagen ergibt), welche du unterschlagen oder gering schätzen wolltest. Nimm mal die Scheuklappen weg, denn nicht jeder, der mit genetischer Prädisposition argumentiert, tritt für klassische, feste Geschlechterrollen ein. Mir fällt aus meinem Umkreis ehrlich gesagt niemand ein. Das ist wohl ein Klischee derjenigen, die den "Biologismus" fürchten.
Nanna hat geschrieben:Die Biologie zeigt uns dann maximal, welche Bausteine wir zur Verfügung haben, so wie das Periodensystem uns in der Chemie zeigt, was wir an Grundstoffen haben. Aber es muss dir keiner sagen, wie viele Moleküle und chemische Prozesse sich aus den paar Ausgangsstoffen bilden lassen.

Na, einige Moleküle sind durch die Elektronenkonfigurationen, Elektronegativitäten und anderen Faktoren wahrscheinlicher als andere. Also ermöglicht genaugenommen schon eine gute Kenntnis der Elemente auch die Vorhersage möglicher Moleküle (und den Bedingungen unter denen sie entstehen würden und stabil wären). Es ist jedenfalls kein Zufall, dass wir Kohlenstoff und nicht Silicium in organischen Molekülen verwenden, falls du darauf hinauswillst.
Nanna hat geschrieben:Und deshalb zieht auch keiner zur Erklärung der Struktur eines Wolkenkratzers ein Periodensystem heran, auch wenn niemand bezweifelt, dass ein Wolkenkratzer aus Atomen besteht.

Materialforschung ist wichtig für die Statik. Ein Bauingenieur muss rudimentäre Kenntnisse der Bausubstanz (und damit einiger Elemente, besonders einiger Metalle ) besitzen, um vorhersagen zu können, ob die Decke hält oder nicht.
Nanna hat geschrieben:Du hast mal einen Bienenstock oder Ameisenhaufen beobachtet, oder? Da sehe ich sehr wohl eine Einheitsstruktur. Vielfalt mag ja in der Biologie wichtig sein, aber wir Menschen sind Hardcore-Pluralisten und das auch innerhalb unserer Spezies, nicht nur zwischen verschiedenen Spezies. Das ist meines Erachtens ein gewaltiger Unterschied und ein Alleinstellungsmerkmal. Eine solche Vielfalt an Verhalten gibt es schlichtweg nichtmal annähernd bei irgendeiner anderen Spezies.

Auch der Grad an Variation ist durch unsere Biologie festgelegt. Je spezialisierter und angepasster eine Spezies ist, desto weniger Variation zeigt sie. Unsere Spezies ist relativ jung und stellt sich (was die Anpassung - also ein ausgeglichenes Verhalten mit der Umgebung) noch nicht gut an, auch wenn wir im Prinzip alles überleben und besiedeln können. Mutierte Bakterien können das auch, verenden aber relativ schnell, sofern sie nur auf einen Wirt spezialisiert sind und/oder zu aggressiv die Ressourcen ausbeuten. Die Variation war übrigens mal größer. Bedenken wir, dass andere Menschenspezies wie der Neanderthaler (quasi, bis auf wenige Homo sapiens-Bastarde) ausgestorben sind, so ist eigentlich die Abnahme der Variation ein Indiz für angepassteres Leben (was auch immer die Ursache für das Verschwinden so vieler parallel existierender Menschenspezies war). Das ist aber nur so ein Gedanke und kein Plädoyer für konformeres Verhalten, da es der Umwelt überlassen bleiben soll, was sich durchsetzt und nicht irgendwelchen kruden Deutungen.
Nanna hat geschrieben:Man kann aus so allgemeinen und vielfältig verwendbaren, schwammigen Prädispositionen, wie der Mensch sie hat, eben nicht Kultur ableiten - weder eine noch viele. Man kann retrospektiv erkunden, wie bestimmte biologische Bausteine, vielleicht auch mächtigere wie eben z.B. das Geschlecht, in den Aufbau von Kulturen hineinspielen, aber eine Ableitung im Sinne von Vorhersagbarkeit halte ich für nur extrem beschränkt möglich. Man kann sicherlich allgemeine Bahnen identifizieren, an denen Kultur entlangläuft und sich statistisch häuft und man kann sicherlich auch sehen, dass dem häufig genetisch/hormonell relativ fest verdrahtete Phänomene entsprechen, aber das lässt keine präzisen Arbeiten zu. Das ist wie mit einem Schülermikroskop auf einen Einzeller starren - grob erkennt man schon was, aber für präzise Analysen reicht das Instrumentarium nicht aus. Und das ist auch nicht der Job der Biologen, deshalb ist das auch nicht weiter schlimm.

Wir leiten ja nicht die Entstehung irgendeiner Kultur her, weder konkret noch ungefähr, sondern stellen fest, dass geschlechtsspezifisches Verhalten durch die Biologie zu einem relevanten Anteil determiniert ist (zumindest hoffe ich das, sobald du endlich genauer ließt, worauf ich eigentlich hinauswill). Dass dabei die genetischen Grundlagen selbst extrem variabel sind, ermöglicht erst ein vielfältiges Verhalten und soll keineswegs ein Plädoyer für Geschlechterrollen sein.
Nanna hat geschrieben:Wissenschaft ist da gut, wo sie erkennt, was sie mit ihren Konzepten erkennen kann, und was nicht. Wenn sie etwas nicht mit bekannten Konzepten entwickeln kann, braucht es neue. Kein Biologe macht Paarberatung und das auch seine guten Gründe.

Richtig, ein Psychologe, dessen Kenntnisse des öfteren auch auf neurobiologischen Erkenntnissen basieren, macht eine Paarberatung. :wink:
Mindestens durch die Hintertür ist mittlerweile die naturwissenschaftliche Sicht auf die Welt nicht wegzudenken.
Nanna hat geschrieben:Man sollte wissen, wo die eigene Expertise liegt und dann seine Konzepte nicht anderen Disziplinen überstülpen. Mit Biologie, vielleicht abgesehen von etwas Schützenhilfe aus der Soziobiologie, aber auch da nur begrenzt, komme ich bei der Analyse von gesellschaftlichen Zusammenhängen nicht besonders weit. Genauso wenig kann ich mithilfe von Metallurgie allein ein Auto bauen oder gar eine Straßenverkehrsordnung schreiben, auch wenn das Wissen über Metalle für den Fahrzeugbau elementar ist.

Nicht immer alles so stark verallgemeinern, das ist unwissenschaftlich. Eingeschränkte Definitionen sind besser und theories of everything sind theories of nothing.

Das lege ich dir auch nahe. Ich glaube, dass du einen ähnlichen Fehler wie Julia begehst, indem du mit einer gewissen Erwartungshaltung meine Behauptungen kommentierst. Um es nochmal auf den Punkt zu bringen:
Ich habe mich NIRGENDS für klare Geschlechterrollen eingesetzt.
Ich habe NIRGENDS behauptet, dass die Biologie monokausal für unser Verhalten verantwortlich ist.
Ich habe NIRGENDS versucht, eine Kultur aus der Biologie herzuleiten.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Mo 1. Apr 2013, 18:36

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Man kann aus so allgemeinen und vielfältig verwendbaren, schwammigen Prädispositionen, wie der Mensch sie hat, eben nicht Kultur ableiten - weder eine noch viele. Man kann retrospektiv erkunden, wie bestimmte biologische Bausteine, vielleicht auch mächtigere wie eben z.B. das Geschlecht, in den Aufbau von Kulturen hineinspielen, aber eine Ableitung im Sinne von Vorhersagbarkeit halte ich für nur extrem beschränkt möglich. Man kann sicherlich allgemeine Bahnen identifizieren, an denen Kultur entlangläuft und sich statistisch häuft und man kann sicherlich auch sehen, dass dem häufig genetisch/hormonell relativ fest verdrahtete Phänomene entsprechen, aber das lässt keine präzisen Arbeiten zu. Das ist wie mit einem Schülermikroskop auf einen Einzeller starren - grob erkennt man schon was, aber für präzise Analysen reicht das Instrumentarium nicht aus. Und das ist auch nicht der Job der Biologen, deshalb ist das auch nicht weiter schlimm.

Wir leiten ja nicht die Entstehung irgendeiner Kultur her, weder konkret noch ungefähr, sondern stellen fest, dass geschlechtsspezifisches Verhalten durch die Biologie zu einem relevanten Anteil determiniert ist (zumindest hoffe ich das, sobald du endlich genauer ließt, worauf ich eigentlich hinauswill). Dass dabei die genetischen Grundlagen selbst extrem variabel sind, ermöglicht erst ein vielfältiges Verhalten und soll keineswegs ein Plädoyer für Geschlechterrollen sein.

Interessant. Der durch Biologie relevante Anteil determiniert zwar, ist aber nicht kulturell verpflichtend.
Man kann also eine hormonelle und genetische Prädispositionen feststellen, aber sie soziologisierend bewusst ausschalten. Dann bräuchte man also auch einem Homosexuellen seine Dispsoition nicht zugestehen, wenn man zeitgleich einer Mutter ihre Disposition, sich selbst um ihren Säugling kümmern zu wollen und Brutpflege zu betreiben, auch nicht zugestehen möchte, weil das ja im Grunde das gleiche Argument wäre. Was kümmert uns unsere Natur, wenn wir kulturell umerzogen werden können.

Welche Disposition ist denn nun kulturtauglich?
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 1. Apr 2013, 19:14

stine hat geschrieben:Der durch Biologie relevante Anteil determiniert zwar, ist aber nicht kulturell verpflichtend.

Ne, der ist gewiss im Verhalten "verpflichtend" (wenn wir darunter unwillkürlich bindend verstehen). Allerdings - wie schon zig mal gesagt - gibt es nicht DIE EINE Prädisposition. Aber was soll das schon bedeuten? Ich würde jetzt aus einer Prädisposition zu Macho-Verhalten eines Mannes und seiner Liebe zu südländischem Essen nicht seine kulturelle Zugehörigkeit in Italien ansiedeln, wenn er aus Norwegen kommt. Die Kultur lässt an vielen Stellen fast so viel Spielraum wie die Biologie, also gibt es kaum Widersprüche (und wenn, dann werden sie gern zugunsten der Prädisposition ignoriert), die nicht aus der Welt zu schaffen wären.
stine hat geschrieben:Man kann also eine hormonelle und genetische Prädispositionen feststellen, aber sie soziologisierend bewusst ausschalten.

Nicht immer, aber grundsätzlich sind epigenetische Verschaltungen nichts unübliches; vielleicht ist das bei der Soziologisierung auch so. "Bewusst" würde ich das jedoch nicht nennen.
stine hat geschrieben:Dann bräuchte man also auch einem Homosexuellen seine Dispsoition nicht zugestehen, wenn man zeitgleich einer Mutter ihre Disposition, sich selbst um ihren Säugling kümmern zu wollen und Brutpflege zu betreiben, auch nicht zugestehen möchte, weil das ja im Grunde das gleiche Argument wäre.

Ja, die Übergänge sind da fließend. Aber ich erinnere mich an einen Fall von eineiigen Zwillingen: der eine war schwul, der andere nicht. Deren Sexualität hängt also von der Verschaltung (also der epigenetischen Modifikation) ab. Entweder ist das "homosexuell-Gen" beim einen deaktiviert und beim anderen nicht, oder das "heterosexuell-Gen" beim ersteren aktiviert und bei letzterem deaktiviert. In solchen Fällen könnte die Gesellschaft also offensichtlich tatsächlich eingreifen, wenn sie wollte (aber wohl nur solange nichts determiniert ist), jedoch bezweifle ich, dass es sich dabei nur um ein Gen handelt und es tatsächlich nur eine Verschaltung ist.
Das mit dem Säugling ist ne andere Ebene, wenn auch eine verwandte Fragestellung. Du rennst bei mir offene Türen ein, wenn du die unlogische Widerstrebung der Prädisposition kritisierst (unlogisch ist sie, wenn die Prädisposition nützlicher ist als die kulturelle Umerziehung), aber ich kann als angehender Wissenschaftler höchstens feststellen, was möglich ist und was nicht. Wie die Anti-Biologisten schon zu hauf angemerkt haben, ist der gesellschaftliche Einfluss der biologischen Erkenntnisse minimal (auch wenn der Einfluss der biologischen Faktoren wohl entscheidend ist).
stine hat geschrieben:Was kümmert uns unsere Natur, wenn wir kulturell umerzogen werden können.

Welche Disposition ist denn nun kulturtauglich?
Entscheiden wir das je nach Mode?

Nun, in verschiedenen Jahrzehnten war unterschiedliches bevorzugt: In den 80ern (also, soweit ich das einschätzen kann, nachdem was mir von dieser Zeit bekannt ist), war es wohl Mode, die Geschlechter in Kleidung, Schminke und Frisur wohl anzugleichen (ein guter Indikator sind immer irgendwelche prominente Personen, die als Vorbilder betrachtet wurden und werden), also waren wohl männliche Frauen und weibliche Männer in Mode (das mir unverständlichste Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts).
Sobald aber ein gut aussehender Schauspieler mit Bart auftaucht, ist diese Verweiblichung des Mannes und ähnliches wieder gegessen. Letztlich wird sich der gesamte Genpool kaum von solchen Schwankungen beeindrucken lassen, solange sie nur eine Generation betreffen und es danach sofort wieder umschwänkt. Ob diese Moden denn klug sind, ist eine andere Frage. Es richten sich ja wenige gern nach den achso bösen Prädispositionen, den natürlichen Trieben, nach dem Egoismus aus und ergänzen diese durch Verstand. Nein, das Rad muss immer wieder neu aber schlechter erfunden werden.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Mo 1. Apr 2013, 20:09

Darth Nefarius hat geschrieben:Du rennst bei mir offene Türen ein, wenn du die unlogische Widerstrebung der Prädisposition kritisierst (unlogisch ist sie, wenn die Prädisposition nützlicher ist als die kulturelle Umerziehung), aber ich kann als angehender Wissenschaftler höchstens feststellen, was möglich ist und was nicht. Wie die Anti-Biologisten schon zu hauf angemerkt haben, ist der gesellschaftliche Einfluss der biologischen Erkenntnisse minimal (auch wenn der Einfluss der biologischen Faktoren wohl entscheidend ist) (...) Letztlich wird sich der gesamte Genpool kaum von solchen Schwankungen beeindrucken lassen, solange sie nur eine Generation betreffen und es danach sofort wieder umschwänkt. Ob diese Moden denn klug sind, ist eine andere Frage. Es richten sich ja wenige gern nach den achso bösen Prädispositionen, den natürlichen Trieben, nach dem Egoismus aus und ergänzen diese durch Verstand. Nein, das Rad muss immer wieder neu aber schlechter erfunden werden.

Ich denke, dass wir hier (deine Abneigung gegen mich mal beiseite gestellt :veg:) ausnahmsweise einer Meinung sind.
Ich würde den Schlusssatz höchstens mit einem "nicht" ergänzen: Nein, das Rad muss immer wieder neu aber nicht schlechter erfunden werden.

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