Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leisten?

Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Di 28. Aug 2012, 16:51

Nanna hat geschrieben:Die Statistik in Wilkinsons Buch ist umstritten, aber die Diskussion wird auf recht prominentem wissenschaftlichen Niveau geführt, so dass man das Buch zumindest ernst nehmen sollte. Einschätzungen findet ihr unter http://en.wikipedia.org/wiki/The_Spirit ... #Reception.


Na ja, wie halt jeder Versuch anhand von Korrelationen auf Kausalitäten rück zu schließen. Immerhin werfen die Autoren hier einen Knochen in die Diskussion, an dem man nagen kann und keine rein theoretischen und ideologiegetriebenen Überlegungen ("kommt ein Agrarigeniuer zu 100 Bauer ... :kopfwand: ). Das ist dann doch schon mal immerhin eine Diskussionsgrundlage.

Wenn Dich meine Meinung interessiert: Ich denke schon, dass die Daten relativ monokausal interpretiert wurden. Sicher sind andere Aspekte und Kofaktoren vorhanden, die man stärker berücksichtigen könnte. Die Datengrundlage ist aber ziemlich gut und ich muss sagen, dass meine Meinung durch das Buch doch nicht unerheblich beeinflussst wurde.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Nanna » Di 28. Aug 2012, 18:41

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Für mich scheint eines der zentralen Probleme hier zu sein, dass der Markt zwar effizient Preise festsetzen, aber keine soziale Fairness erzeugen kann.

Da sind wir beide nun wieder bei unserem alten Problem. Wer darf für alle verbindlich festlegen, was "fair" ist? Du? Ich? Ein Politbüro? Eine Mehrheit? Dann sind wir wieder bei dem Thema mit den beiden Wölfen und dem Schaf, die übers Abendessen abstimmen...

Mir impliziert deine Aussage zu sehr, dass Fairness eine willkürlich festzulegende Größe wäre und es nur darauf ankäme, wer sie (nach welchen Interessen) definiert. Aber je länger ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr Vertrauen habe ich in die Auffassung, dass es universale, nur in engen Grenzen verhandelbare Standards gibt, wie z.B. die Menschenrechte. Natürlich sind diese auch menschengemacht, aber eben nicht anhand willkürlicher Kriterien oder entlang von interessenspolitischen Motiven. Die Menschenrechte werden heute von sehr vielen Menschen auf der Welt, wahrscheinlich sogar einer Mehrheit anerkannt, was ich insbesondere deshalb bemerkenswert finde, weil sich darunter Menschen aus gänzlich verschiedenen Kulturkreisen befinden. Du kennst ja auch die kulturunabhängigen ökonomischen Experimente, wo beispielsweise Leute aller Kulturen Nachteile in Kauf nehmen, wenn sie dafür einen Betrüger abstrafen können, obwohl das aus einer strikt marktrationalen Sicht nicht sinnvoll ist. Es scheint also recht tief verankerte, universale und kulturunabhängige Bedürfnisse nach bestimmten Grundformen von Moral und Fairness zu geben und die werden in allgemeinen Normen wie den Menschenrechten ausformuliert.

Es gibt darüberhinaus philosophische Theorien, die sich mit Methoden der Fairnessbestimmung auseinandersetzen, z.B. Rawls' Theory of Justice oder Habermas' Diskurstheorie. In beiden Fällen könnten z.B. die Wölfe nicht über das Abendessen abstimmen ohne das Schaf zu fragen, wenn sie die Regeln fairer Verhandlungsprozesse nicht verletzen wollten. Für die Regeln gibt es ihrerseits eigene Begründigungen und Rechtfertigungen (z.B. können Wölfe und Schaf laut Habermas gar keine freie Gesellschaft formen, wenn die Integrität aller Beteiligten nicht unverletzlich garantiert ist, d.h. wenn das Schaf als potentielles Abendessen diskutabel wäre). Das ist eben alles nicht willkürlich und viele der Begründungsfiguren sollten sogar für jemanden nachvollziehbar sein, der derart radiakal realpolitisch denkt wie du. Insofern gebe ich es noch nicht auf, dass wir da einen modus vivendi finden könnten, der uns beiden zusagt. Wir sind ja noch jung. ;-)

Zappa hat geschrieben:Wenn Dich meine Meinung interessiert: Ich denke schon, dass die Daten relativ monokausal interpretiert wurden. Sicher sind andere Aspekte und Kofaktoren vorhanden, die man stärker berücksichtigen könnte. Die Datengrundlage ist aber ziemlich gut und ich muss sagen, dass meine Meinung durch das Buch doch nicht unerheblich beeinflussst wurde.

Deine Meinung interessiert mich, und ich teile sie übrigens auch (vorläufig, weil ich über das Buch bisher nur Rezensionen gelesen habe).
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Mi 29. Aug 2012, 14:51

Nanna hat geschrieben:Es gibt darüberhinaus philosophische Theorien, die sich mit Methoden der Fairnessbestimmung auseinandersetzen, z.B. Rawls' Theory of Justice oder Habermas' Diskurstheorie. In beiden Fällen könnten z.B. die Wölfe nicht über das Abendessen abstimmen ohne das Schaf zu fragen, wenn sie die Regeln fairer Verhandlungsprozesse nicht verletzen wollten. Für die Regeln gibt es ihrerseits eigene Begründigungen und Rechtfertigungen (z.B. können Wölfe und Schaf laut Habermas gar keine freie Gesellschaft formen, wenn die Integrität aller Beteiligten nicht unverletzlich garantiert ist, d.h. wenn das Schaf als potentielles Abendessen diskutabel wäre). Das ist eben alles nicht willkürlich und viele der Begründungsfiguren sollten sogar für jemanden nachvollziehbar sein, der derart radiakal realpolitisch denkt wie du. Insofern gebe ich es noch nicht auf, dass wir da einen modus vivendi finden könnten, der uns beiden zusagt. Wir sind ja noch jung. ;-)


Ich hatte die Diskussion in ähnlicher Form schon mal woanders. Das Problem ist, das der Mensch dazu neigt sich selbst und seine Fähigkeiten systematisch zu überschätzen. Umfragen der Marke "Ordnen sie ihre relativen Autofahrkünste auf einer linearen Skala von 1 bis 10 ein", liefern ein Durchschnittsergebnis von über 7. Das aber kann nicht sein, weil der Durchschnitt nicht besser sein kann, als der Durchschnitt. :mg:
Das führt dazu, dass in den allermeisten Fällen die eigene Bezahlung als unadäquat empfunden wird, solange irgendjemand anders mehr oder auch nur das gleiche bekommt.
Und deswegen ist Fairness ein sehr subjektives Konzept. Jedenfalls sobald man mit diesem Konzept den akademischen Elfenbeinturm verlässt. Ein Spieler des FC Bayern der 5 Millionen € im Jahr verdient, fühlt sich möglicherweise unfair behandelt, weil er seiner Meinung nach genauso gut ist wie Schweinsteiger, der 10 Mio. kassiert. Was die Putzfrau vom FC Bayern dazu sagen würden, wär allerdings wieder eine andre Frage. Es wird immer genau ein Zehntel einer Gesellschaft geben, die "die oberen 10%" darstellen, egal wie du die Gesellschaft konstruierst. Und du solltest nie vergessen, dass diese Gesellschaft immer im Wettbewerb mit andren Gesellschaften steht. Letztlich aber, wie Marx einst richtig erkannte alles eine Machtfrage.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Mi 29. Aug 2012, 21:07

provinzler hat geschrieben:Freilich


Frank - und frei(((wil)l)-ich)

:2thumbs:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Mi 29. Aug 2012, 21:27

Zappa hat geschrieben:
Na ja, wie halt jeder Versuch anhand von Korrelationen auf Kausalitäten rück zu schließen.


..und warum wirfst Du dann diesen Schrott hier rein?

Mit Korrelationen kann ich auch 'empirisch beweisen', das Muttermilch kokainsüchtig macht! Denn (fast) alle Kokainsüchtigen haben einmal in ihrem Leben Muttermilch getrunken!

So what? :applaus:


Zappa hat geschrieben:und keine rein theoretischen und ideologiegetriebenen Überlegungen ("kommt ein Agrarigeniuer zu 100 Bauer ... :kopfwand: ). Das ist dann doch schon mal immerhin eine Diskussionsgrundlage.


Pseudowissenschaftliches Greschwätz soll also hier also Diskussionsgrundlage dienen, während das Prinzip nach dem sich private Genossenschaften 'frewillig' selbst organisiert haben eine "ideologiegetriebene Überlegung sein soll? Wie abgehoben muss man sein, das man nicht mehr erkennen vermag, das freiwillige Übereinkünfte einen höheren Wohlfühlfaktor (und geringeren Neidfaktor) generieren, als angeordneter Zwang? :irre:

Wie verblendet darf man den als Empfänger staatlicher Alimentation "argumentieren"? Wie konnte die Menschheit blos jahrtausende ohne Anweisungen von Blendern überleben? Welcher zwischenmenschlicher Katastrophen bedarf es noch?

Nicht derjenige der als erster rhetorisch die Ideologiekeule gegenüber anderen schwingt ist automatisch 'nicht' der verblendete Ideologe'!


Zappa hat geschrieben:Wenn Dich meine Meinung interessiert: Ich denke schon, dass die Daten relativ monokausal interpretiert wurden. Sicher sind andere Aspekte und Kofaktoren vorhanden, die man stärker berücksichtigen könnte. Die Datengrundlage ist aber ziemlich gut und ich muss sagen, dass meine Meinung durch das Buch doch nicht unerheblich beeinflussst wurde.


Dann lass uns doch an Deinen "monokausalen Interpretationen" teilhaben, - bislang lieferst Du nichts als hohle Phrasen, für die Dich kein Bauer freiwillig an seiner Genossenschaft beteiligen lässt.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Do 30. Aug 2012, 17:16

Gandalf hat geschrieben: ..und warum wirfst Du dann diesen Schrott hier rein?


Weil es immer noch besser ist ("Hypothesen generieren" Du weist schon?) als einfach mal völlig faktenfrei von der Kante zu ziehen. Schrott ist was ganz anderes (z.B. Behauptungen, für die man noch nicht mal statistische Korrelationen nachweisen kann)!

Deine "freiwilligen Übereinkünfte", "ideale Gesellschaften", die Mär vom "Geld entstanden als Tauschmittel", etc. pp. sind alles (neo)liberale Märchen, die Du lediglich dazu nutzt Potemkinsche Dörfer als Ausflugsbasis für deine "Argumentation" zu zimmern; das Thema hatten wir ja schon zur Genüge.

Wenn Dich die Thesen in dem Buch ernsthaft interessieren, können wir gerne auf Basis des Links von @nanna darüber diskutieren (übrigens interessante Feature von Wikipedia, kannte ich noch nicht!). Die Hauptthese habe ich ja schon geliefert: Egale Gesellschaften sind freier, gerechter, gesünder, glücklicher etc. pp.

Im Übrigen zeugt es sehr davon, wie du tickst, wenn Du ein Buch von Wissenschaftlern mit explizit wissenschaftlichen Anspruch, dass Du nicht gelesen hast (und wohl auch nicht lesen willst und wirst), als "Pseudowissenschaftiches Geschwätz" abkanzelst (sic!). Du polemisierst hier doch nur rum und ziehst alles in den Dreck, was nicht in dein Weltbild passt!

Aber was erzähl ich das einem Überzeugungstäter ...
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Do 30. Aug 2012, 18:20

Zappa hat geschrieben:Wenn Dich die Thesen in dem Buch ernsthaft interessieren, können wir gerne auf Basis des Links von @nanna darüber diskutieren (übrigens interessante Feature von Wikipedia, kannte ich noch nicht!). Die Hauptthese habe ich ja schon geliefert: Egale Gesellschaften sind freier, gerechter, gesünder, glücklicher etc. pp.

Die Frage ist halt nur, selbst wenn diese These stimmen sollte, inwiefern rechtfertigt das die Anwendung von Gewalt, um diesen Zustand herzustellen? Da Steuern letztlich mit Waffengewalt beigetrieben werden, fallen sie unter Gewaltanwendung. Und spätestens hier wirds halt wieder individuelles Empfinden, wo die Grenze zu ziehen ist. Sollte eine Studie z.B. ergeben, dass Gesellschaften ohne Rothaarige glücklicher sind, würde das die Eliminierung aller Rothaarigen rechtfertigen? Oder eine Gesellschaft in der Frauen kein Eigentum haben? Oder eine Gesellschaft ohne Atheisten?
Und wer darf das festlegen?
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Do 30. Aug 2012, 18:46

provinzler hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Wenn Dich die Thesen in dem Buch ernsthaft interessieren, können wir gerne auf Basis des Links von @nanna darüber diskutieren (übrigens interessante Feature von Wikipedia, kannte ich noch nicht!). Die Hauptthese habe ich ja schon geliefert: Egale Gesellschaften sind freier, gerechter, gesünder, glücklicher etc. pp.

Die Frage ist halt nur, selbst wenn diese These stimmen sollte, inwiefern rechtfertigt das die Anwendung von Gewalt, um diesen Zustand herzustellen? Da Steuern letztlich mit Waffengewalt beigetrieben werden, fallen sie unter Gewaltanwendung.


Die von mir zitierte These ist zuerst einmal eine Antwort auf die These von @Gandalf, dass staatliche Steuerung Unfrieden schafft. Das genaue Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Deine These, dass Steuern letztendlich mit Waffengewalt eingezogen werden, klingt auch reichlich überzogen-populistisch. Wenn Du es so auf die Spitze treiben willst, dann von mir aus. Genauso, wie die Schulpflicht, die Straßenverkehrsordnung, das Vertragsrecht etc. pp. letztendlich mit Waffengewalt durchgesetzt wird.

Nur frage ich Dich: Was ist daran falsch? Das es in einer so komplexen Gesellschaft wie der unseren Regeln geben muss, an die sich jeder halten muss und das der Staat das Gewaltmonopol innehat, ist eine politische Praxis, die sich in Generationen als die beste heraus gestellt hat.

Um deine Frage aber konkret zu beantworten: Die Rechtfertigung für diese Praxis ist, dass andere Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch mehr Gewalt, Unfrieden, Ungerechtigkeit etc. produzieren. Frei nach dem Motto: "Die soziale Marktwirtschaft ist die schlechteste aller Wirtschaftsformen, außer alle andern".
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Do 30. Aug 2012, 20:46

Zappa hat geschrieben:Nur frage ich Dich: Was ist daran falsch? Das es in einer so komplexen Gesellschaft wie der unseren Regeln geben muss, an die sich jeder halten muss und das der Staat das Gewaltmonopol innehat, ist eine politische Praxis, die sich in Generationen als die beste heraus gestellt hat.

Ich wollte lediglich die klare Aussage treffen, dass es klare und eindeutige Grenzen geben muss, was auch eine noch so große Mehrheit nicht tun darf. Ich würde sagen, dazu gehören auch klare Grenzen inwieweit sich eine Regierung in private Entscheidungen einmischen darf. Und genau diese Grenzen werden sukzessive aufgeweicht, seit Jahrzehnten. Wo man diese Grenze ziehen will, ist letztlich Geschmackssache. In gewisser Weise sorgt der Wettbewerb zwischen verschiedenen Staaten da auch für einen gewissen Korrekturmechanismus über die Migration.
Zum Stichwort "sozialer Marktwirtschaft" empfehle ich dir im Übrigen mal Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" zu lesen. Der Begriff wurde im Laufe der Jahrzehnte regelrecht vergewaltigt...
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Do 30. Aug 2012, 21:23

provinzler hat geschrieben:Ich wollte lediglich die klare Aussage treffen, dass es klare und eindeutige Grenzen geben muss...

Da haste wahr, aber definier die erstmal zu aller Gefallen :mg:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Nanna » Do 30. Aug 2012, 21:32

provinzler hat geschrieben:Ich wollte lediglich die klare Aussage treffen, dass es klare und eindeutige Grenzen geben muss, was auch eine noch so große Mehrheit nicht tun darf. Ich würde sagen, dazu gehören auch klare Grenzen inwieweit sich eine Regierung in private Entscheidungen einmischen darf.

Hier musst du aber auch anerkennen, dass die Bürger im Gegenzug ein Einmischungsrecht in staatliche Entscheidungen und bestimmte Schutzgarantien besitzen, die über die Judikative auch mithilfe des Gewaltmonopols beschützt werden. Natürlich können (und werden ;-)) wir uns ausgiebig über das Verhältnis des einen zum anderen streiten, aber entscheidend wäre doch schonmal, sich auf diesen grundlegenden Tausch zu einigen: Staat und Bürger tauschen gegenseitig Einmischungsrechte und Schutzgarantien und profitieren von den symbiotischen Effekten, die sich daraus ergeben. Der Bürger erhält physische und rechtliche Sicherheit und ein verlässliches Regelwerk sowie die Unterstützung einer höheren Instanz im Falle von Konflikten mit anderen Bürgern. Der Staat, repräsentiert durch Bürokratie und Regierung, erhält zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität Eingriffsrechte in das Privatleben der Bürger, die aber Grenzen haben, welche wiederum Gegenstand demokratischen Diskurses und demokratischer Abstimmung sind.

provinzler hat geschrieben:Und genau diese Grenzen werden sukzessive aufgeweicht, seit Jahrzehnten.

Das müsste man jetzt empirisch nachprüfen, ich würde das von meiner subjektiven Einschätzung her nämlich nicht so sehen, schon gar nicht in Deutschland. In einzelnen Bereichen mag das so sein, insbesondere in der Sicherheitspolitik, wobei da vor allem der technische Fortschritt der Katalysator zu sein scheint. Im Familienrecht und der Ausübung der Demokratie sehe ich aber eher ein Zurückweichen des Staates, indem immer mehr private Entscheidungen über den eigenen Lebensstil vom Staat unberührt bleiben (man denke an das Verbot von Homosexualität und "Kuppelei" oder die Abhängigkeit der Frau vom Mann, da hat sich richtig was pro-freiheitliches getan). Durch die 68er und später die Internetgeneration ist der modus operandi der Demokratie mehrfach in Frage gestellt und sind immer wieder scharfe Forderungen nach mehr Selbst- und Mitbestimmung formuliert worden. Die Polizei haut, anders als vor 40 Jahren, bei Demonstrationen nicht mehr blind drauf, sondern ist in Deeskalation und Gewaltvermeidung geschult und demonstrieren darf man mittlerweile für so ziemlich alles.

Wo siehst du unter'm Strich eine Verschlechterung der Bedingungen?

provinzler hat geschrieben:Wo man diese Grenze ziehen will, ist letztlich Geschmackssache.

Nein, das ist es überhaupt nicht. Es ist Verhandlungssache im Rahmen eines demokratischen Diskurses, der gewissen Grundanforderungen gerecht werden muss, damit er überhaupt als solcher gelten kann.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Do 30. Aug 2012, 22:37

@Nanna:

Es werden heuer viel mehr Einzelheiten vorgegeben. Nimm bloß mal das Arbeits- und Vertragsrecht. Es gab Zeiten, da konnte ein Handwerksmeister noch gefahrlos eine Stelle in der Zeitung annoncieren ohne geich einen Rechtsanwalt mit der Formulierung beauftragen zu müssen oder alternativ dutzende berufsdiskriminierte Kläger im Genick zu haben. Musst du Leute ausstellen, schreibt dir der Behördenapparat vor, nach welchen Kriterien das zu geschehen hat. Die hauptsächlich dafür erforderliche Leistung ist das Lebensalter. Völlig sachfremde Entscheidungsgründe werden aufoktroyiert. Demnächst muss man zur Besetzung eines vakanten Vorstandspostens in einer AG wohl die richtigen Geschlechtsorgane haben. Auch in die Familien will man sich immer mehr einmischen ("Luftherrschaft über den Kinderbetten"). Und vom Bürokratiemonster EU mit seinen geistigen Exkrementen (Gurkenkrümmung, Glühbirnenverbot :mg: ), will ich gar nicht erst anfangen...
Es hat schon einen Grund, warum sich die Zahl der Staatsdiener in Deutschand verzehnfacht hat in den letzten 100 Jahren, obwohl das Militär reduziert und die Zahl der Aktenträger und Laufburschen gesunken ist. Die Bevölkerung ist im Unterschied dazu nur sehr unwesentlich gestiegen. Die Staatsquote hat sich vervielfacht, also allein die auf diesem Weg veranstaltete Einmischung (über die Ressourcenverteilung) ist massiv gestiegen.

Ich maße mir auch nicht an, zu bewerten ob es heute besser oder schlechter ist. Es ist anders. Und es wird in 50 Jahren anders sein als heute. Und ich vermute sogar, dass sich einige Entwicklungen in der Tendenz sogar wieder umkehren werden, respektive das sogar bereits unbemerkt der Öffentlichkeit getan haben. Ein Blick in die Geschichte legt das nahe. Geschichte lief noch nie linear, sondern immer mit Brüchen. Letztlich bleibt mir als Individuum ohnehin nix andres übrig, als im gegebenen Umfeld das beste draus zu machen. Ein "früher hatten die Ochsen größere Köpfe" ist genauso unsinnig wie das umgekehrte "mann waren die damals alle doof", das bei uns beides gerne zelebriert wird. Ich versuche zunehmend, solche Entwicklungen mehr zu analysieren um sie antizipieren zu können, als sie groß zu bewerten.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Fr 31. Aug 2012, 18:11

provinzler hat geschrieben:Es werden heuer viel mehr Einzelheiten vorgegeben. Nimm bloß mal das Arbeits- und Vertragsrecht. Es gab Zeiten, da konnte ein Handwerksmeister noch gefahrlos eine Stelle in der Zeitung annoncieren ohne geich einen Rechtsanwalt mit der Formulierung beauftragen zu müssen oder alternativ dutzende berufsdiskriminierte Kläger im Genick zu haben.


Du hast nicht ganz unrecht, dass heute einiges bürokratisch übertrieben wird, aber dahinter stecken ja oft auch mühsam erkämpfte Rechte. Das Arbeitsrecht - das ich persönlich als Arbeitgeber auch zu rigide empfinde - schützt ja grade die Schwachen, soll Ungleichheiten ausgleichen und möglichst Rechtsgleichheit ermöglichen. Das ist ein hohes Gut!

Ich bin mal als Vertreter einer großen Institution von einem einfachen Arbeitslosen verklagt worden (letztendlich zu Unrecht). Kannst Du ermessen, was das für eine Gesellschaft an Fortschritt bedeutet, wenn eine "arme Sau" ein "großes Tier" so problemlos vor den Kadi zerren kann? Ich habe das ehrlich gesagt ziemlich ehrfürchtig und demütig als die Macht des Rechtsstaates wahrgenommen. Für so ein Recht "auf Augenhöhe" sind natürlich Vorschriften und Verfahrensregeln notwendig, die auch mal nerven und über das Ziel hinausschießen können, aber verzichten sollten wir auf den Anspruch nicht.

Und mal im Ernst und im Klartext: Die Ideologie einer freien Gesellschaft, in der die Menschen als gleichberechtigte Bürger nebeneinander die gleichen Rechte genießen und den gleichen Pflichten nachkommen, ist infantiler Unsinn. Nur ein starker Rechtsstaat ermöglicht es u.a. "einfachen Leuten" ihre Rechtsansprüche auch durchzusetzen. Dafür bedarf es Vorschriften, Steuern, Institutionen und einer Bürokratie. Man kann diesbezüglich sicherlich übertreiben, sollte aber bei der Kritik an den Auswüchsen niemals den Sinn hinter diesen Dingen vergessen!
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon mat-in » Sa 1. Sep 2012, 08:37

Zappa hat geschrieben:Und mal im Ernst und im Klartext: Die Ideologie einer freien Gesellschaft, in der die Menschen als gleichberechtigte Bürger nebeneinander die gleichen Rechte genießen und den gleichen Pflichten nachkommen, ist infantiler Unsinn. Nur ein starker Rechtsstaat ermöglicht es u.a. "einfachen Leuten" ihre Rechtsansprüche auch durchzusetzen. Dafür bedarf es Vorschriften, Steuern, Institutionen und einer Bürokratie. Man kann diesbezüglich sicherlich übertreiben, sollte aber bei der Kritik an den Auswüchsen niemals den Sinn hinter diesen Dingen vergessen!
Man kann auch frei und gleichberechtigt leben, ohne in Anarchie zu verfallen. Regeln und Gesetze sind an sich sehr Sinnvoll und ich bin überzeugt das es nicht mal auf Familienebene lange gut gehen würde ohne. So reif ist "der Mensch" leider nicht und wird es auch - aus sicht eines Neurobiologen - nie werden. Daher brauchen wir diese Regeln.
Das Problem ist, wenn der Rechtsstaat Stück für Stück keiner mehr ist. Wenn er seinen Bürgern wichtige Frieheiten nimmt, sie überwacht, aushorcht, ohne Begründung Tagelang einsperrt und seine Polizisten (und demnächst wohl auch die Bundeswehr) nicht mal Nummern tragen damit man sich beschweren könnte wenn man ungerecht behandelt wurde. Wenn der Rechtsstaat seine Rechte nicht auf dem Willen und der Moralvorstellung der Bürger sondern auf Wirtschaftlichen Interessen gründet (vergewaltigte und ermordete 9-järige haben eben keine so große Lobby wie die Musik/Filmindustrie, daher sind die Strafen auch so unterschiedlich). Wenn es den "lenkern des Rechtsstaates" nur noch darum geht so zu lenken das ihre Taschen voll werden und man trotzdem möglichst beim nächsten mal noch wiedergewählt wird. ... das alles sind Probleme die einen Rechtsstaat aushöhlen.
Eine Demokratie braucht selbstständig denkende, kritisch denkende Bürger die ihre Meinung frei äußern dürfen und ernst genommen werden und der Staat muß auf diese Bürger eingehen. Natürlich ist es eine Illusion in einem Staat in dem die Hälfte der Bürger unterdurchschnittlich intelligent ist ;) alle Mitmenschen zu solch Idealen Bürgern zu erziehen, aber im Moment machen wir bewußt das Gegenteil dessen was für eine Wehrhafte Demokratie nötig wäre: Wir zeigen den Leuten das es scheiß egal ist wen sie wählen, das es bequemer ist zu hause zu hocken statt zu wählen. Das auch fürhende Politiker zu wichtigen abstimmungen (Meldegesetz) nicht hingehen, weil gerade Fußball läuft... und noch dazu haben wir ein Bildungsystem das enorm begünstigt auswendig zu lernen und nachzuplappern und das möglichst so, daß man dann in der Industrie zu gebrauchen ist und in Rekordzeit ausgebildet wurde. Wir machen uns da einiges kaputt damit...

Zum Thema an sich zurück:
Mit dem Etat unseres Afghanistaneinsatzes (10 jahre für 17 Milliarden) kann man das Buget der Hochschulen exakt verdoppeln (2008: 1.7 milliarden vom Staat an die Hochschulen). Das ist inklusive den Bundeswehruniversitäten und Hogwarts an der Oder. Das wir Fossile Energien trotz Klimakrise fördern (weltweit 500 milliarden Euro im Jahr!) ist einfach nur bizarr.

Es ist immer eine Frage was wir uns leisten wollen und nicht was wir uns leisten können.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » So 2. Sep 2012, 18:53

Zappa hat geschrieben:Du hast nicht ganz unrecht, dass heute einiges bürokratisch übertrieben wird, aber dahinter stecken ja oft auch mühsam erkämpfte Rechte. Das Arbeitsrecht - das ich persönlich als Arbeitgeber auch zu rigide empfinde - schützt ja grade die Schwachen, soll Ungleichheiten ausgleichen und möglichst Rechtsgleichheit ermöglichen. Das ist ein hohes Gut!

Teilweise schaffst du aber mit Einzelfallgerechtigkeit auch wieder gewaltige Probleme. Beispiel: Kapitalgedeckte Lebensversicherungen. Der Verbraucherschutz hat in den letzten Jahren zunehmend durchgesetzt, dass aufgelaufene Bilanzreserven (in den letzten Jahren durch die sinkenden Zinsen massiv gestiegen) bei Kündigung ausgekehrt werden. Die gearschten sind dann wenn die Zinsen wieder steigen diejenigen, die ihre Versicherung bis Laufzeitende gehalten haben. Hier wird unter der ursprünglichen Intention des Verbraucherschutzes, Vertragsnichteinhaltung belohnt, und Vertragstreue bestraft und die Gruppe der Kündigenden Kunden profitiert per Gerichtsbeschluss auf Kosten derjenigen die dabei bleiben.
Letztlich ist die Sache halt einfach: Jeder tut letztlich das, wovon er glaubt, dass es ihm am meisten nützt. Ob nun monetär oder für den "moralischen Tank" ist für die Nutzenbetrachtung egal. Wenn ich gewisse strukturelle Probleme oder problematische Anreizstrukturen (=spätere Probleme) sehe, spreche ich das an, die Entscheidungen fallen aber letztlich auf Basis individueller Nutzenkalküle von Politikern. Und welcher Farbe sich die dann kleiden ist eigentlich auch egal, da helfen auch keine neuen Parteien...
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Mo 3. Sep 2012, 20:36

mat-in hat geschrieben:Man kann auch frei und gleichberechtigt leben, ohne in Anarchie zu verfallen. Regeln und Gesetze sind an sich sehr Sinnvoll und ich bin überzeugt das es nicht mal auf Familienebene lange gut gehen würde ohne.


Lass Dich nicht von der gezielten 'Desinformation' macher Staats-Gläubigen hier blenden, die schon manchmal Propandacharakter annimmt

"Anarchie" ist keinesfalls gleichbedeutend mit Unordung und Chaos oder gar Terrorismus, wie manche hier schon behaupteten. Das wäre Anomie

Anarchie nach wikipedia:

Allen obigen Anarchien gemeinsam ist per Definition die Abwesenheit von Herrschaft, die als repressiver Modus von Macht verstanden werden kann.[1] Demnach sind bestimmte Machtverhältnisse wie die Beeinflussung durch freiwillig angenommene Autoritäten (Mentoren, Trainer, Berater, etc.) mit Anarchie vereinbar, werden aber nicht durch Repression erzwungen. Insbesondere existiert in Anarchien keine lenkende Zentralgewalt, also kein Staat. Bekannte Anarchien sind dennoch von sozialen Normen und Regeln geprägt, unter anderem zur institutionalisierten Abwehr der Entstehung von Herrschaft.



Alle 'nicht-eingetragenen Vereine' sind "nach obiger Definiton also "anarchisch" strukturiert. Da sie keine eigenen Rechtsperönlichkeit haben, ist jedes Mitglied des Vereins für sein tun (acuh 'für den Verein') selbst verantwortlich und kann diese Verantwortung auch nicht auf Dritte abwälzen. Wennt der Vorstand eines nicht-e.V. eine "Musik bestellt", dann muss er diese auch selbst bezahlen, wenn die anderen nicht mit einverstanden sind. Daher kommen solchen "Handlungen und Ausgaben zu Lasten und auf Kosten Dritter" in diesen Vereinen praktisch auch nicht vor.

Und selbstverständlich herrscht in diesen Verein weder Chaos noch "Gesetzlosigkeit". Im Gegenteil: Diese Art von 'Selbstorgansiation' bildet die Stütze unser Gesellschaft. So sind z.B. immer noch die meisten Vereine auf dem Land, einschließlich der Freiwillige Feuerwehren und der meisten politischen Parteien(!) (Ausnahme:CSU) als nicht-eingetragene Vereine konstituiert.

(Auf Grund externer staatlicher und bürokratischen Repressionen, sind allerdings immer weniger bereit, Verantwortung für ihre Positionen im Verein zu übernehmen)
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Mo 3. Sep 2012, 21:56

Zappa hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben: ..und warum wirfst Du dann diesen Schrott hier rein?


Weil es immer noch besser ist ("Hypothesen generieren" Du weist schon?) als einfach mal völlig faktenfrei von der Kante zu ziehen. Schrott ist was ganz anderes (z.B. Behauptungen, für die man noch nicht mal statistische Korrelationen nachweisen kann)!


Du hast immer noch nicht "die Bohne" verstanden wie wissenschaftliche Erkenntnistheorie nach Popper funktioniert - gelle?


Zappa hat geschrieben:Deine "freiwilligen Übereinkünfte", "ideale Gesellschaften", die Mär vom "Geld entstanden als Tauschmittel", etc. pp. sind alles (neo)liberale Märchen, die Du lediglich dazu nutzt Potemkinsche Dörfer als Ausflugsbasis für deine "Argumentation" zu zimmern; das Thema hatten wir ja schon zur Genüge.


ja hatten wir - Wie entsteht denn nun das, was beim Tausch 'gilt'?

Zappa hat geschrieben:Wenn Dich die Thesen in dem Buch ernsthaft interessieren, können wir gerne auf Basis des Links von @nanna darüber diskutieren (übrigens interessante Feature von Wikipedia, kannte ich noch nicht!). Die Hauptthese habe ich ja schon geliefert: Egale Gesellschaften sind freier, gerechter, gesünder, glücklicher etc. pp.

Im Übrigen zeugt es sehr davon, wie du tickst, wenn Du ein Buch von Wissenschaftlern mit explizit wissenschaftlichen Anspruch, dass Du nicht gelesen hast (und wohl auch nicht lesen willst und wirst), als "Pseudowissenschaftiches Geschwätz" abkanzelst (sic!). Du polemisierst hier doch nur rum und ziehst alles in den Dreck, was nicht in dein Weltbild passt!

Aber was erzähl ich das einem Überzeugungstäter ...


Nein, - 'pseudowissenschaftlichen Schrott' kann ein Popperianer schon von weiten "riechen" - und zwar an der Art wie er aufbereitet ist, - da kann man sich beruhigt die nähere Betrachtung ersparen, da 'grundsätzlich' kein Erkenntnsigewinn zu erwarten ist. Nicht weil es etwa meiner ideologischen Ausrichtung entspricht, die Du gerne hineininterpretiert sehen möchtes, sondern weil Deine Vorgehensweise von induktiven Schlüssen geleitet ist, die noch nie zu etwas taugten. (außer zur Selbstbestätigung und Ideologisierung)

Und zwar
1) Korrelationen können 'Muster' aufzeigen, die eine Betrachtung lohnenswert erscheinen lassen - mehr aber auch erst mal nicht. In einem Fall schon gar nicht: Wenn zu vermuten ist, da Ideologen diese "gefunden" haben. Eher bekommst Du Deine Suppe mit der Gabel ausgelöffelt, als mit Statistiken etwas beweisen zu können.

2) Du führst die Empirie ins Feld. Diese mag zwar in der Soziologie einen hohen Stellenwert haben, - diese ist aber (imho) 'keine Wissenschaft' !
(Nicht umsonst laufen derzeitig auch hitzige Diskussione darüber inwieweit z.B. die DEUTSCHE Wikipedia von Ideologen unterwandert ist. Gerade "soziologische Themen" über Feminismus und "Gender" weichen z.T deutlich von der "englischen" wikipedia ab)

Zur Empirie selbst findet man bei wikipedia folgendes Bild:
Bild

Statt "Popper" findet man hier nur den "induktiven Schluss" - der eine vorher erdachte Ideologie zur "wissenschaftlichen Theorie" zu erheben versucht. ein K.O. Kritierium, wenn man wissenschaftlichen Anspruch auf Erkenntnisgwinn erhebt!
In der popperschen Epistemologie kommt dieser induktive Schluss, der zu einer Theorie führt überhaupt nicht vor!

http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus
Popper kam zu der Auffassung, dass Induktion nicht existiert.[3] Er stellte fest, dass die Annahme, dass es induktiv bestätigende Beobachtungen gäbe, die konträre Beobachtungen ausschließen oder unwahrscheinlich machen, deduktiv zu Widersprüchen führt.[4]

Bei Popper werden 'a priori' Annahmen gemacht (die denkbar: auch von einem Zufallsgenerator erzeugt werden), um zu probalistische Aussagen zu kommen, die anschließend überprüft werden können (Wie z.B. die Annahmem, das freie Vereinbarungen mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Wohlgefühl unter den Beteiligten bewirken als Zwang, der möglicherweise nur eine Seite befriedigt)

Dein Fehler den Du begehst: Da Empirie auf Grund des Induktionsproblems sehr ideologieanfällig ist, vermutest Du offenbar aus "Gewohnheit" auch bei der 'a priari' Annahme ein solche. Was sie aber nicht ist. In der Popperschen Erkenntnsitheorie sind sogar 'Axiome' selbst nur vorläufige Theorien! Meine Annahmen über die Freiwilligkeit können also durchaus in Frage gestellt werden - wenn sie Ergebnisse produzieren, die der Voraussage widersprechen.

Bei Deinen induktiven Schlüssen ist das nicht möglich. denn aus einer Korrelation hast Du nur das Ergebnis präsentiert, dass Du nur auf Grund einer Ideologie vorher festgelegt haben konntest (die "monokausalen Ursachen" die Du behauptet hast, hast Du ja immer noch nicht geliefert. - Daher vermute ich weiter, das sie ganz einfach auch nicht existieren.)

Zitat: "Staatliche Umverteilung ist also gut für alle und fördert das soziale Zusammenleben."

Und nun kommen die Fragen, die sofort erkennbar machen, warum Deine These "stinkt" und es nicht wert ist, sich mit ihr zu beschäftigen:

Woraus ergibt sich das an welchem Punkt der Korrelation, die Du vorne angestellt hast????
Warum ist nur staatliche Umverteilung gut und nicht Private?
In einem anderen Thread, wurde thematisiert, das das staatliche Zwangs-Geldsystem ein wesentlicher Umverteilungsfaktor von "unten nach oben" ist.
Wenn also der Staat (der unbestritten das Zwangsgeldsystem protegiert) selbst dafür verantwortlich ist, das es zu großen Einkommensunterschieden kommt (siehe die emprisch nachweisbare Millionärszunahme unter der rot-grünen Regierungszeit), wieso fördert das in diesem Fal das soziale Zusammenleben (merkst Du Deine Widersprüche denn überhaupt nicht?)
In Sozialistischen Diktaturen haben wir wohl die stärkste staatliche Umverteilung. Nach Deiner Behauptung müsste also in Nordkorea die Beste aller Welten verwirklicht sein!?
(Wahrscheinlich ist sie das auch: Wenn man eine "empirische Untersuchung" durchführt und die Bevölkerung im Beisein staatlicher Aufpasser befragt - was wird die "Umfrage" für ein Ergebnis liefern? :kettensaege2: )
..und und und
Zappa hat geschrieben:und ich muss sagen, dass meine Meinung durch das Buch doch nicht unerheblich beeinflussst wurde.


Ja das merkt man :ohm:
Wie abgehoben muss man sein, um nicht die deduktiv erkennbaren Widersprüche, die sich in (D)einer Ideologie auftun, auch als solche zu erkennen?

(BTW dieser "Methodenstreit" (u.a. auch weiche/harte Wissenschaften; empirische Forschung / Popper) geht schon über 100 Jahre - ohne das er wohl kurzfristig gelöst wird - auch von uns nicht)
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon mat-in » Di 4. Sep 2012, 10:54

@Gandalf
Ein sehr guter Freund von mir ist überzeugter Anarchist. Mit ihm bin ich nach nächtelangen Gesprächen an dem Punkt angekommen, das wir unterschiedlicher Meinung sind, ob das funktionieren kann, weil wir ein unterschiedliches Menschenbild haben. Es glaubt da an Eigenschaften die in ihm zweifelsohne vorhanden sind (kritisch denken, Mäßigung, auf den Vorteil aller bedacht), die ich aber aus wissenschaftlicher Sicht (und meiner Alltagserfahrung) so leider nicht allen Menschen um mich herum zusprechen kann. Diese Form zu leben wird von zwei Dingen kaputt gemacht: 1) Das "sich da nicht einmischen wo es einen nicht betrifft" bei globalen Problemen keine Lösung ist. Wir müssen uns in die CO2 Produktion von China einmischen, denn wir bewohnen den selben Planeten. und 2) setzt es - leider muß ich sagen - ein viel zu positives, aufgeklärtes Menschenbild voraus. Menschen sind so nicht.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Di 4. Sep 2012, 17:29

@Gandalf: Kann ich deinem angestrengten Entlastungsangriff entnehmen, dass Du keinerlei Fakten für deine These angeben kannst?
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon webe » Mi 5. Sep 2012, 20:34

ich möchte eines hier nochmals fethalten und unterstreichen:

Einer von vielen sozialausgerichteten Demokraten erwünschter Demokratischer Sozialismus konnte bisher noch in keinem Staat aufgebaut werden. Daher sind von eigenkapitalvergrössungssüchtigen Demokraten immer Staaten als jene Soziallistische vorgestellt, die mit dem demokratischen Soziallismus nichts gemeinsames hatten oder haben.
Auch die NSDAP hatte die Bezeichnung Nazinalsozilistische Arbeiterpartei in sich und war eine Rechtspartei, trotz dem Strasser-Flügel.

Die SPD zählt sich auch als Linkspartei, was sie aber in Wirklichkeit nicht ist, eher ein CDU-Abklatsch. :explodieren:

Eine linke und demokratische Republik, in der Banken, Energie und Grossindustrie vergesellschaftet sind, hätte durchaus mehr Sinn und Ehrlichkeit zuverschenken als das heutige politische System, in der ein selbständiger Friseurmeister mehr Steuern bezahlt, als ein Grosskonzern.

Darum muss die Fragestellung lauten:
Wie lange müssen wir und können wir und sollen wir die Grosskapitalisten, Steuerbetrüger und Lobbysten leisten? :kopfwand:
Wenn ein Staat sich keine Wohlfahrt, Menschlichkeit, mehr leisten kann, dann wird es Zeit, dass er aufgelöst wird! :dow

Gandolf:
Zitiere mal bitte jene Kräfte, die hier im Staat Sonderstellungen haben, die die wirkliche Wohlfahrt als Kapitalist erleben und erzwingen-nicht immer auf die Kleinen herumhacken, denn in Summa Summa kostet uns die Versorgung von den Grossköpfigen weit mehr als die Hartzopfer.

Beispiel:
Viele Unternehmer, auch Gastwirte, zahlen ihre Angestellten so niedrig, dass der Staat, wir Steuerzahler, noch jene Arbeitende zubeschussen müssen, während ihre Unternehmer sich auch als Gastwirt zweimal Urlaub leisten und Jagdpacht mieten, unsw..
Wer seine Angstellte nicht ordentlich bezahlen will und kann, dem ghört der laden dicht gemacht! Solche hocken auf dem sozialen Netz als fette Nimmersattkröten!Darunter zählen auch die Leiharbeiteragenturen.


-dies sollte man so sagen dürfen!-
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