Wertefundamentalismus - Wertebegründung - Werterelativismus

Beitragvon Andreas Müller » Fr 4. Mai 2007, 00:45

Ja, übertreiben wir es nicht. Das war offenbar ein Missverständnis und ostfriese wollte niemanden provozieren. Schlafen wir mal drüber, hat keinen Sinn, das so spät auszufechten. Schaut euch lieber die Musikvideos an, habe ich sorgfältig ausgewählt. :up:
Andreas Müller
 
Beiträge: 2671
Registriert: So 10. Sep 2006, 23:17

Beitragvon Sisyphos » Fr 4. Mai 2007, 07:53

Das ist aber eine unangenehme Sache.

Ich denke, wir sollten generell darauf achten, etwas kompakter zu argumentieren.

Wenn Diskussionen auf diese Art mündlich geführt würden ("Er sagte, dass du sagtest, dass ich behauptete, es sei so gewesen...") bekäme ich Kopfschmerzen.
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon gavagai » Fr 4. Mai 2007, 08:22

Sisyphos hat geschrieben:Wenn Diskussionen auf diese Art mündlich geführt würden ("Er sagte, dass du sagtest, dass ich behauptete, es sei so gewesen...") bekäme ich Kopfschmerzen.
Servus Sisyphos,
da hast du schon recht. Doch eine mündliche Diskussion hat halt sehr viele Vorteile gegenüber einer in Internetforen: sofortige Erwiderung; Tonart; schnelle Zwischenklärung von Begriffen usw. Dies muss man in Foren durch andere Mittel ausgleichen.
Ich finde die konkrete Bezugnahme auf Argumente des Partners durch Zitat iunerlässlich. Insofern war mir die Vorgehensweise Ostfrieses angenehm und angemessen. Es fördert die Präzision.
IMO ist es eine Lösung unter Berücksichtigung beider Seiten: man spricht in einem Post möglichst wenig Themen an und bleibt beim Thema. Betrifft sicher auch mich, da ich immer versuche, auf alle Einwände einzugehen. Damit wird es dann im Hin und Her der Meinungen oft ziemlich lang.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon Max » Fr 4. Mai 2007, 11:52

Diese Diskussion über das Zitieren ist schon der Brüller. In einer Woche werdet ihr - das will ich stark hoffen! - darüber lachen.

ostfriese, bitte lösche einfach die älteren Zitate in solchen Zitateverschachtelungen beim Posten. Damit dürfte das Problem (und die Diskussion) beendet sein. Du wirst selbst gemerkt haben, dass diese Verschachtelungen etwas unschön sind und auch unnütz. Eine klare Struktur ist wichtig und letztlich nur in deinem Anliegen.

Klaus, sei bitte etwas nachsichtiger. Man kann Dinge auch zweimal sagen. (Beim dritten Mal wird es dann eher kritisch.) Zumal hat ostfriese deine Bitte einfach erst nach seinem Post gelesen. Und so schlimm waren die Posts auch nicht. Man hätte auch einfach die inneren Zitate löschen können.

PS: Ihr könnt ja einen Thread aufmachen, in dem es darum geht, möglichst große Verschachtelungen zu erstellen...
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Beitragvon HF******* » Fr 4. Mai 2007, 12:11

Ruhig Blut :^^:
Wie wäre es mal wieder mit einem Chat-Abend?
HF*******
 
Beiträge: 2651
Registriert: Do 19. Okt 2006, 11:59

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 13:02

Max hat geschrieben:ostfriese, bitte lösche einfach die älteren Zitate in solchen Zitateverschachtelungen beim Posten. Damit dürfte das Problem (und die Diskussion) beendet sein. Du wirst selbst gemerkt haben, dass diese Verschachtelungen etwas unschön sind und auch unnütz. Eine klare Struktur ist wichtig und letztlich nur in deinem Anliegen.

Max, wenn Du genau hinsiehst, wirst Du bemerken, dass ich nicht grundsätzlich schachtele. Sondern nur dort, wo es für das Verständnis unerlässlich ist. Meine Zitatverschachtelungen (in der Antwort an gavagai ohnehin nur eine) sind sorgfältig durchdacht, keine davon unnütz!!

Und wenn irgendjemand irgendeine "Zitatschachtel" überflüssig findet, soll er den Zitierenden konkret darauf ansprechen, dann kann man das sachlich klären. Den ganzen Beitrag zu löschen ist jedenfalls nichts anderes als eine Entgleisung und ein gegen jede Netiquette verstoßender Machtmissbrauch des Administrators.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 13:42

Ich habe eben eine PN an gavagai geschrieben mit einigen wesentlichen Punkten aus meinem gelöschten Beitrag.

Da sie sich nun nicht mehr direkt auf unsere zerschlagene Diskussion beziehen, fehlt der Rote Faden, den der wohlgeordnete gelöschte Beitrag hatte. Dennoch kann es vielleicht nicht schaden, wenn ich den Inhalt der PN hier auch poste. gavagai kann sich dann überlegen, ob er hier antworten möchte oder über PN. Und die anderen können natürlich auch kommentieren. =)


Hallo gavagai,

ich habe nicht vor, meinen gesamten gelöschten Beitrag zu rekonstruieren, würde nur die wesentlichen Punkte nochmal benennen:

1. Ich benutze den Fundamentalismus-Begriff genau wie Du, hier lag offenbar nur ein Missverständnis vor. Einig sind wir uns auch bzgl. des Naturalistischen Fehlschlusses und darin, dass nicht alle moralischen Überzeugungen gleich akzeptabel sind.

2. Wenn ich von "dem" ethischen Standpunkt spreche, ist damit nicht "eine" moralische Position gemeint, sondern die prinzipielle Entscheidung, sich überhaupt die moralische Frage "Was soll ich tun?" zu stellen. Einzelne moralische Urteile folgen nicht aus Naturgegebenheiten, aber dass wir uns die moralische Frage überhaupt stellen, ist eine Folge der Tatsache, dass wir Präferenzen haben.

3. Auch Du kannst wissenschaftliche Theorien nicht letztgültig empirisch falsifizieren, niemand kann das. Denn alle Welterfahrung unterliegt mentaler Rekonstruktion und Interpretation. Also muss im Falle eines Widerspruchs zwischen Theorie und Empirie nicht die Theorie, sondern kann auch die (ihrerseits theoriehaltige) Deutung der Erfahrung falsch sein. Die vermeintliche Falsifikation wäre dann gescheitert.

4. Die Suche nach "good reasons" ist nicht die Suche nach Fundamenten, sondern eher die Suche nach Verknüpfungen für ein möglichst tragfähiges Netz. Deshalb vermied ich den irreführenden deutschen Begriff "Grund". Zumal Du unterstelltest, ein "Grund" sei immer ein Fundament. Das trifft aber nicht zu, denn diese unglückliche Metapher ist als Modell für eine logische Prämisse schlicht untauglich.

5. Der universale Gültigkeitsanspruch einer Ethik (als eines moralischen Systems) ist unabhängig davon, ob sich diese Ethik auf irgendein Fundament stützt oder nicht. Genau genommen gilt sogar: Jedes behauptete Fundament gefährdet diesen Anspruch, da es sich der Kritik irrationalerweise entzieht.

Gruß, ostfriese
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon gavagai » Fr 4. Mai 2007, 15:55

ostfriese hat geschrieben:1. ... Einig sind wir uns auch bzgl. des Naturalistischen Fehlschlusses ...
2. ...
Völlige Zustimmung. Soweit wollte ich das Thema gar nicht treiben. Ich wollte nur klarstellen, dass der Naturalistische Fehlschluss eine unwiderlegten Befund (seit spätestens David Hume) ist. Unsere Präferenzen geben dagegen eine gute Begründung für eine Ethik ab. Genau deshalb kann es (da jeder wohl andere Präferenzen hat; wenn auch viele Überschneidungen) durchaus unterschiedliche ethische Positionen = Werterelativismus geben. Diese sind dann wiederum nicht für alle gleich akzeptabel (sonst wäre ja der Ausgangspunkt: andere Präferenzen witzlos). Angela Merkels Ethik ist für mich nicht akzeptabel; Günther Becksteins ebenso wenig. Usw.
ostfriese hat geschrieben:3. Auch Du kannst wissenschaftliche Theorien nicht letztgültig empirisch falsifizieren, niemand kann das.
Hier hast ein du ein "letztgültig" hinein geschwindelt. Ich behaupte nur, dass ich wissenschaftliche Theorien falsifizieren kann. Die Theorie des Kaffeesatzlesens habe ich empirisch falsifiziert. Es wäre schlimm, wenn man das nicht könnte. Ernsthafter: die wissenschaftliche Theorie des Phlogiston wurde empirisch falsifiziert.
ostfriese hat geschrieben:... Die vermeintliche Falsifikation wäre dann gescheitert.
Klar. Wenn der Falsifikationsversuch scheitert, dann ist es keine Falsifikation. Aber es gab und gibt Falsifikationen von wissenschaftlichen Theorien. Z.B. habe ich soeben die Theorie, dass alle Gegenstände auf der Erde zum Mond fallen, widerlegt.
ostfriese hat geschrieben:4. Die Suche nach "good reasons" ist nicht die Suche nach Fundamenten, sondern eher die Suche nach Verknüpfungen für ein möglichst tragfähiges Netz. Deshalb vermied ich den irreführenden deutschen Begriff "Grund". Zumal Du unterstelltest, ein "Grund" sei immer ein Fundament.
Nein. Keinesfalls ist ein Grund immer ein Fundament. Ein Grund, der nicht weiter begründet wird (da evident; da man nicht mag; da ihm alle zustimmen; da man diesen Grund als nicht begründungs-notwendig hält etc.) ist IMO ein Fundament. Gute Gründe können ein Netz sein; es kann aber auch 1 Grund sein. Dass ich gerade hier eine beige Tastatur sehe, ist 1 exzellenter Grund dafür, zu behaupten: Hier ist eine beige Tastatur.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 17:03

Unter Falsifikation verstehe ich eine letztgültige Falsifikation. Andernfalls wäre es nur ein -- möglicherweise irrtümliches -- "Für-falsch-Halten".

Das "letztgültig" ist daher nicht "hineingeschwindelt", sondern ganz entscheidend für die Analogie zwischen der Falsifikation wissenschaftlicher Theorien und der Zurückweisung ethischer Normen. Es gibt keine letzte Sicherheit darüber, dass Kaffeesatzlesen nicht funktioniert. Sondern nur sehr gute Argumente dafür. Exakt genauso sieht es mit der Geltung gewisser Normen aus. Es gibt keine unumstößliche Begründung dafür, dass wir nicht doch besser alle nach Mekka beten. But very good reasons...
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon gavagai » Fr 4. Mai 2007, 18:25

ostfriese hat geschrieben:Unter Falsifikation verstehe ich eine letztgültige Falsifikation. Andernfalls wäre es nur ein -- möglicherweise irrtümliches -- "Für-falsch-Halten".
Ist jetzt z.B. die Phlogiston-Theorie nach deinem Kriterium eine letztgültige Falsifikation?

Aber egal, wie immer deine Antwort ausfällt: ich stimme dir zu: letztgültige Falsifikation in deinem Sinne gibt es nicht. Als ich von Widerlegung sprach, meinte ich diejenige, die in den Wissenschaften tagtäglich üblich ist. Damit ist das Kaffeesatzlesen (wenn du willst: derzeit und nicht letztgültig) widerlegt. Auch die Theorie, dass fallende Äpfel in der Erde verschwinden, ist nach meiner Lesart von "widerlegen" widerlegt.
Ok, ich lese gerade, für dich ist Kaffeesatzlesen noch nicht widerlegt. Einverstanden. Aber in diesem strikten Sinne, habe ich wiederum "widerlegen" nicht gebraucht. Meine These ist weiterhin: empirische Theorien kann man widerlegen = falsifizieren.
Was mir jetzt auffällt: irgendwie haben sich die Rollen vertauscht. ich verteidigte einen Werterelativismus, kam dabei auf die warnung vorm Naturlaistischen Fehlschluss und jetzt verteidigst du einen viel stärkeren Relativimus: Naturwissenschaftliche Theorien könne man nicht widerlegen. Damit giesst du Wasser auf die Mühlen jedes Astrologen, Vogelflugbeschauers etc. Ich dagegen sehe eine Trennung zwischen seriöser Wissenschaft (mit Theorien, die bisher noch nicht falsifiziert wurden) und Pseudowissenschaft, mit Theorien, die längst widerlegt wurden (und Wissenschafthistorie, auch mit widerlegten Theorien; z.B Phlogiston oder élan vital).
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 18:47

gavagai hat geschrieben:Damit giesst du Wasser auf die Mühlen jedes Astrologen, Vogelflugbeschauers etc.

Nein. Mir genügen ja die "good reasons" der Wissenschaft, und ich würde auch allen anderen sagen: Sie müssen uns genügen, weil mehr prinzipiell nicht geht.

Aber dasselbe würde ich eben auch in Bezug auf moralische Urteile vertreten: Das Beste, was wir erhoffen können, sind gute Argumente; und auf diese sollten wir uns dann aber auch verlassen (so lange, bis sie durch bessere ersetzt werden), anstatt die Möglichkeit einer streng rationalen Ethik generell in Frage zu stellen. Dafür sehe ich nämlich genau so wenig Anlass wie für die Infragestellung der wissenschaftlichen Methode.

Und hier liegt vielleicht noch unsere Differenz. Wobei ich einräume, dass die "good reasons" in den Wissenschaften viel leichter und eindeutiger zu haben sind als in ethischen Fragen. Das liegt vor allem an unserer komplexen Welt, in der die Folgen von Regeln und daraus abgeleiteten Handlungen enorm schwer zu kalkulieren sind.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon gavagai » Fr 4. Mai 2007, 20:43

ostfriese hat geschrieben:
gavagai hat geschrieben:Damit giesst du Wasser auf die Mühlen jedes Astrologen, Vogelflugbeschauers etc.

Nein. Mir genügen ja die "good reasons" der Wissenschaft, und ich würde auch allen anderen sagen: Sie müssen uns genügen, weil mehr prinzipiell nicht geht.
nein. Es ist gerade anders herum: du kannst noch so oft einen schwarzen Raben sehen, der good reason reicht nicht zur Bestätigung der Theorie "Alle Raben sind schwarz". Aber 1 roter Rabe reicht um diese Theorie zu widerlegen.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 22:31

Doch, die good reasons müssen uns genügen, auch bei der Falsifikation. Es mag good reasons dafür geben, den roten Raben nicht für eine Täuschung zu halten, aber er könnte nichtsdestoweniger eine sein. Es bleibt dabei (und das ist in der modernen Wissenschaftstheorie Konsens):

Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Möglichkeit der Verifikation und jener der Falsifikation.

Dass Existenzaussagen "erst recht" nicht falsifizierbar und Allaussagen "erst recht" nicht verifizierbar sind, hat hiermit nichts zu tun und ändert daran rein gar nichts. Es scheint allenfalls so, weil wissenschaftliche Theorien im Regelfall Allaussagen sind...
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon Andreas Müller » Fr 4. Mai 2007, 22:51

Ich bin schon gespannt, wann ihr mit diesem Postmodernisten die Gedult verliert. Nach einem Semester Cultural Studies bin ich mir sicher, dass diese Philosophie eine neue Religion ist und meiner Ansicht nach die nervigste und eine der gefährlicheren. Ihre Vertreter stehen allem skeptisch gegenüber, nur ihrer eigenen Philosophie nicht und Widerlegungen bauen sie entweder in ihr Weltbild ein oder bezeichnen sie als "dogmatisch" oder "szientistisch" oder ein anderes -istisch. In "Intellectual Impostures" gibt es eine schöne Parabel gegen den Unsinn, hier leicht abgewandelt:

Ein Bauer namens Hans ist davon überzeugt, dass sein Stall nur für ihn existiert, weil die einzige Möglichkeit, die Welt zu erkennen, auf subjektiver Wahrnehmung basiert. Dass all die anderen Bauern seinen Stall auch sehen können, interessiert Hans nicht. Einer seiner Kollegen reißt ein Brett aus der Stallwand und schlägt es Hans auf den Rücken. Der Schmerz existiert nur für ihn, meint er, objektiv gibt es ihn gar nicht. Hans entscheidet sich dazu, seine Produktion, den Abbau seines Feldes und das Melken seiner Kühe, auf eine Person umzustellen, weil für seine Familie all diese Dinge nicht existieren, sondern nur für Hans. Als seine Familie am Verhungern ist, erklärt ihn seine Frau für verrückt und verlässt ihn. Hans wird als Dorftrottel der Gemeinde verlacht.

Früher hätte man Leute wie Hans ausgelacht, doch wenn heute ein Philosoph daher kommt und den selben Unsinn von sich gibt, dann kann er damit sehr viel Geld machen und Anhänger um sich scharen, die genau so verrückt sind wie er.
Andreas Müller
 
Beiträge: 2671
Registriert: So 10. Sep 2006, 23:17

Beitragvon ostfriese » Fr 4. Mai 2007, 23:19

Autor, wenn mich nicht alles täuscht, zweifelt gavagai ebenso wenig an den Methoden der Wissenschaft (und an der Zuverlässigkeit ihrer Erkenntnisse*) wie ich. Der Unterschied liegt darin, dass ich den pankritischen Rationalismus auch im Bereich der Ethik für die bestmögliche Methode halte, während gavagai daran offenbar Zweifel hat.


*... zu denen u.a. auch Aussagen darüber gehören, auf welche unserer Anschauungen und Sinneswahrnehmungen wir uns verlassen können und auf welche nicht.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon Andreas Müller » Fr 4. Mai 2007, 23:42

Sorry, dann habe ich den falschen Relativismus kritisiert. Hab seine threads nicht gelesen, keine Nerven dafür.
Andreas Müller
 
Beiträge: 2671
Registriert: So 10. Sep 2006, 23:17

Beitragvon Sisyphos » Sa 5. Mai 2007, 08:48

Ich habe den Begriff Relativismus hier auch zunächst falsch verstanden, ihn nämlich mit Beliebigkeit/Gleichgültigkeit assoziiert, was ich ablehnte. Der Werterelativismus, wie er sich hier für mich herauskristallisiert hat, ist eine Bezeichnung dafür, dass Werte aufgrund von unterschiedlichen bzw. sich in weiten Teilen auch überschneidenden Bedürfnissen ausgehandelt werden.

Meine Gedanken darüber, dass sich Ethiken räumlich differenziert experimentell in der Praxis des Zusammenlebens entwickeln, dass Ethik also evolutionär gedacht werden kann, wurden damit eigentlich sogar bestärkt.
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon Andreas Müller » Sa 5. Mai 2007, 08:50

Ne, Werterelativismus ist was anderes.
Andreas Müller
 
Beiträge: 2671
Registriert: So 10. Sep 2006, 23:17

Beitragvon Sisyphos » Sa 5. Mai 2007, 08:52

Nun, ich kann nur betonen, dass ich nie systematisch Philosophie studiert habe und hier eigentlich nur als Laie an der Diskussion teilnehme... :mg:
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon gavagai » Sa 5. Mai 2007, 09:16

ostfriese hat geschrieben:Autor, wenn mich nicht alles täuscht, zweifelt gavagai ebenso wenig an den Methoden der Wissenschaft (und an der Zuverlässigkeit ihrer Erkenntnisse*) wie ich.
Nun, da habe ich bei dir einen anderen Eindruck. Wer behauptet, die Phlogiston-Theorie sei noch nicht widerlegt, steht in krassem Widerspruch zur Wissenschaft und ihren Methoden.
ostfriese hat geschrieben:Der Unterschied liegt darin, dass ich den pankritischen Rationalismus auch im Bereich der Ethik für die bestmögliche Methode halte, während gavagai daran offenbar Zweifel hat.
Wie kommst du auf "offenbar"? Das Wort "pankritischen Rationalismus" kenne ich nicht mal, geschweige denn, dass ich dazu explizit Stellung bezog. (AFAIK fiel es hier im Thread bei dir jetzt zum 1.Mal).
Der kritische Rationalismus (ohne "pan") setzt fast schon gebetsmühlenartig (lies mal die Schriften von Popper und Albert) auf die Falsifikation. Dem neige ich stark zu.
Was der "Autor" unter seinem Postmodernismus versteht (und wen er von uns beiden (?) da darunter einordnete) weiß ich nicht. Ich muß aber auch zugeben, mit diesen neuen (für mich) Richtungen beschäftige ich mich nicht, da ich mit Rationalismus, Empirismus, kritischer Rationalismus, ... und Autoren wie Kant, Hume, Darwin, Frege, Russell, Popper, Quine, ... (kein Postmodernist darunter, vermute ich) genügend Denkfutter habe. Der "Autor" mag ja dieser Richtung anhängen, aber dann sollte er auch mal sagen, was diese Richtung zur (bisher unwiderlegten = keine Falsifikation :-)) These sagt: Aus Beschreibungen der Natur lassen sich keine ethischen Regeln ableiten (oder sich aus dieser Diskussion heraushalten).
Da hier - wie ich aus ein paar Beiträge ersah - einige Diskutanten sind, die Bunge / Mahner Über die Natur der Dinge gelesen haben, führe ich die als meine Mitstreiter ein und sage meine These mit deren Worte (vielleicht ist meine These zu verkürzt und prägnant für Leute, die noch wenig darüber nachdachten):
"In idealistischen Metaphysiken existieren Werte an sich, über und jenseits der Dinge. Dem Materialismus zufolge gibt es keine Werte an sich ... Werte existieren vielmehr nur dort, wo es Organismen gibt, die bestimmte Dinge, Zustände oder Prozesse bewerten, weil diese für sie selbst zuträglich (gut) oder abträglich (schlecht) sind. Was immer also wertvoll (oder wertlos) ist, ist es nur in Bezug aus betsimmte Organismen, die sich in bestimmten Zuständen befinden." (S. 173)

(Halt; beim Korrekturlesen merkte ich, dass ich hier zugunsten Bunge, Mahner, gavagai natürlich klarstellen muß: wir hängen nicht solch idealistischen Metaphysiken nach (wie anscheinend ein paar Mitdiskutanten hier); nur deshalb gilt für uns: Werte an sich oder in der Natur vorkommend, gibt es nicht. Platon und ein paar Mitdiskutanten hier sehen es anders, blieben aber bisher die Glaubhaftmachung schuldig.)
Das ist mit etwas mehr Worten die These um die es hier geht: Aus Beschreibungen der Natur lassen sich keine ethischen Regeln ableiten oder auch: Aus dem IST läßt sich kein SOLL ableiten oder Werte werden immer nur von Organismen postuliert.
Noch klarer (für manche Leser) sagen es Bunge /Mahner anschliessend, indem sie Werte als relationale Eigenschaften auffassen "a ist wertvoll für b" (S. 173; wobei b für einen Organismus steht). Und noch noch klarer und prägnanter: Eine Aussage wie "a ist wertvoll" ist sinnlos (S. 173). So knapp - und evtl. vor den Kopf stossend - wollte ich es wiederum niemand zumuten. Aber dazu gleich ein Praxisbeispiel: "Massenmord ist verwerflich" ist per se eine sinnlose Aussage; also Krampf. Damit ist auch klar, dass man darauf keine sinnvolle Ethik aufbauen kann. Die These David Humes Aus dem IST läßt sich kein SOLL ableiten wird von zeitgenössischen Denkern (Bunge, Mahner, gavagai ;-)) voll bestätigt. Damit bleibt auch der Sozialdarwinismus (der aus dem IST das SOLL ableitet) Krampf.
BTW 3 Zitate ist OK, oder?
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

VorherigeNächste

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste