Lasst uns aussterben

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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Mo 15. Nov 2010, 19:38

El Schwalmo hat geschrieben: ...warum 'Evolution' in diesem Sinn, auf die menschliche Gemeinschaft übertragen, kein naturalistischer Fehlschluss ist.


El Schwalmo ist da und redet vom naturalistischen Fehlschluss. Ich rechne mit dem baldigen Schließen des Threads (as always).
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mo 15. Nov 2010, 23:56

donquijote hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Die Frage an dich ist nur, wieso ist es so schlimm wäre, mal etwas nicht charakteristisches zu tun.

Weil es beim Leben - aus naturalistischer Sicht - um nichts anderes als die Kompetenzbewahrung (d.h. um Leben und Überleben) geht.

Mein Leben sieht anders aus. Viel Zeit und Energie geht drauf beim Serien gucken und Cola trinken. Darum geht es in meinem Leben also offenbar auch. Deine Begründung erscheint mir daher unstimmig. Menschen machen in ihrem Leben sehr viele Dinge, die nichts mit Kompetenzbewahrung zu tun haben. Wieso also nicht noch eine winzige weitere Tat, die nichts damit zu tun hat, nämlich aussterben?

donquijote hat geschrieben:Evolution entsteht durch den Versuch der Beteiligten, nicht auszusterben. Also ist dein Anliegen unsinnig.

Dein Argument würde nur stimmen, wenn Evolution die einzige Sinnquelle wäre. Da kommen wir wohl immer wieder an den Ausgangspunkt unserer Meinungsverschiedenheit zurück. Du behauptest, der einzig mögliche Sinn des Lebens sei Reproduktion, ich und MSS behaupten was anderes.

Wenn der klavierspielende Feuerwehrmann ein solches Talent hat, sagst du, gehört das anderen und sein Lebenssinn ist automatisch das Klavierspielen. Aber ist denn das sinnvoll in der Evolution? Ist Klavierspielen Reproduktion? Ein Klavierlehrer gibt was weiter, aber doch kein Konzertpianist. Den hört man sich doch nur an. Wie kannst du einerseits behaupten, dass der Sinn des Lebens vom Hauptmerkmal abhängt (dem Klaviertalent) und andererseits behaupten, dass nur Evolution und Reproduktion Sinn machen?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Di 16. Nov 2010, 01:53

ganimed hat geschrieben: Mein Leben sieht anders aus. Viel Zeit und Energie geht drauf beim Serien gucken und Cola trinken.

Ganz eindeutig Kompetenzbewahrung.

ganimed hat geschrieben: Du behauptest, der einzig mögliche Sinn des Lebens sei Reproduktion, ich und MSS behaupten was anderes.

MSS ist nicht so sehr weit von meiner Auffassung entfernt.

ganimed hat geschrieben:Wenn der klavierspielende Feuerwehrmann ein solches Talent hat, sagst du, gehört das anderen und sein Lebenssinn ist automatisch das Klavierspielen.

Sagte ich nicht.
ganimed hat geschrieben:Ist Klavierspielen Reproduktion? Ein Klavierlehrer gibt was weiter, aber doch kein Konzertpianist. Den hört man sich doch nur an.

Wie bitte? Zunächst einmal wird der Konzertpianist häufig üben. Das nennt man Reproduktion der eigenen (Klavierspiel)Kompetenzen. Ferner muss er auch essen etc. Auch deshalb gibt er Konzerte: Er braucht Geld, um seine Kompetenzen reproduzieren zu können. Dort spielt er Musik, die in den Köpfen der Menschen hängenbleibt. Seine Kunst bleibt hierdurch aktuell. Er reproduziert sie sozusagen. Dawkins sprach in diesem Zusammenhang von egoistischen Memen, leuchtet aber nicht ein. Wenn es das Publikum leid geworden ist, immer nur Bach zu hören, wird er sein Repertoire umstellen, damit er weiterhin Konzerte geben, Geld verdienen und seine Kompetenzen reproduzieren kann. Wie das im Extremfall aussehen kann, zeigt sehr schön der Film Sister Act. Wirst du bestimmt schon mal bei Cola gesehen haben:
Die Kirche inkl. Nonnen haben ihre Kompetenzen gegenüber der Gemeinde verloren. Niemand geht mehr in die Kirche und interessiert sich für sie. Da kommt die Whoopi Goldberg und modernisiert den Chor. Hierdurch bekommt man wieder Kontakt zu den Menschen der Gemeinde. Die Nonnen werden wieder ernst genommen: Reproduktion der Kompetenzen.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Di 16. Nov 2010, 20:17

Ich hatte Probleme mit dem Begriff Reproduktion. Nachdem ich nun ein wenig nachgelesen habe, wurde mir klarer, dass die Fortpflanzung nur eine Form von Reproduktion ist. Aussterben bedeutet, dass man auf diese Form verzichtet und sich auf die anderen Formen der Reproduktion beschränkt.

Klavier spielen, Cola trinken und Serien gucken wäre also zwar Reproduktion aber nicht Fortpflanzung.

Peter Mersch/Lena Waider hat geschrieben:Fragte man nach dem Sinn des Lebens, dann besteht der aus Sicht der Systemischen Evolutionstheorie vor allem im Erwerb und Erhalt von Lebensraumkompetenzen, d.h. letztlich im Leben und Überleben selbst. Aufgrund der Sterblichkeit von Lebewesen ist damit auch immer eine (teilweise) Weitergabe vorhandener Kompetenzen an andere verbunden.
(http://knol.google.com/k/lena-waider/systemische-evolutionstheorie)

Das kapiere ich nicht. Alles scheint logisch bis das Wort "Überleben" auftaucht. Erwerb und Erhalt von Lebensraumkompetenzen, das kann ich unterschreiben. Ich erhalte die Fähigkeit, Cola zu trinken (Geld zum kaufen, Geschmacksnerven, Zeit und Gelegenheit zum Trinken). Und ich erhalte mir diese Kompetenz (weil es mir schmeckt und ich daher ein Reproduktionsinteresse habe). Aber woraus folgt, dass ich die weitergeben muss/soll? Was geht es mich an, was andere trinken? Wieso folgt aus meinem Cola-Reproduktionsinteresse, dass ich Kinder haben muss? Diese Sinn-Folgerung erscheint mir unsinnig.

donquijote hat geschrieben:Gemäß der Systemischen Evolutionstheorie besteht der Sinn des Lebens darin, die vorhandenen Lebensraumkompetenzen zu erhalten (und auszubauen) und etwas davon an die Nachwelt weiterzugegeben, denn die eigenen wurden ja auch von den vorherigen Generationen erworben.

Deine Version der Sinnherleitung bereitet mir genau dasselbe Problem. Erwerben und Erhalten von Kompetenzen ist ok. Aber wieso Weitergabe? Die Weitergabe ist nur nötig, wenn es um genetische Kompetenzen geht. Aus dem Cola trinken (bzw. der Nicht-Fortpflanzungs-Reproduktion) ergibt sich keine Weitergabe, finde ich.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Di 16. Nov 2010, 23:42

ganimed hat geschrieben:Alles scheint logisch bis das Wort "Überleben" auftaucht. Erwerb und Erhalt von Lebensraumkompetenzen, das kann ich unterschreiben. Ich erhalte die Fähigkeit, Cola zu trinken (Geld zum kaufen, Geschmacksnerven, Zeit und Gelegenheit zum Trinken). Und ich erhalte mir diese Kompetenz (weil es mir schmeckt und ich daher ein Reproduktionsinteresse habe). Aber woraus folgt, dass ich die weitergeben muss/soll? Was geht es mich an, was andere trinken? Wieso folgt aus meinem Cola-Reproduktionsinteresse, dass ich Kinder haben muss? Diese Sinn-Folgerung erscheint mir unsinnig.

Du selbst musst keine Kinder haben, dies könntest du anderen überlassen. Aber du nimmst hier am Forum teil. Offenbar hast du ein Mitteilungsbedürfnis, möchtest deine Kompetenzen kundtun, ggf. in der Hoffnung, dass dich jemand versteht, und deinen Gedanken weiterentwickelt und weiterträgt. Und wer weiß, vielleicht würde man in 500 Jahren das gesamte menschliche Wissen auf Bronzetafeln unterbringen und diese in den Weltraum schießen, wo sie 5.000 Jahre später von einer fremden Spezies auf einer anderen Erde im Andromedanebel abgefangen würden, die das Wissen gierig in sich aufnehmen und weiterentwickeln würden. Die Erde selbst wäre in der Zwischenzeit längst von einem Kometen zerstört worden, den man leider nicht aufhalten konnte. Deshalb sah man sich zu dem Versenden der Bronzetafeln genötigt, eben um die menschlichen Kompetenzen noch irgendwie zu bewahren (jedenfalls das zu hoffen).
Auf allen Bronzetafeln wäre übrigens zu lesen: Eine Idee des großen Ganimed, der sie vor vielen Jahrhunderten erstmalig in einem Bright-Forum äußerte. Also wenn das mal kein Erhalt deiner Kompetenzen wäre ...
ganimed hat geschrieben:Deine Version der Sinnherleitung bereitet mir genau dasselbe Problem. Erwerben und Erhalten von Kompetenzen ist ok. Aber wieso Weitergabe? Die Weitergabe ist nur nötig, wenn es um genetische Kompetenzen geht. Aus dem Cola trinken (bzw. der Nicht-Fortpflanzungs-Reproduktion) ergibt sich keine Weitergabe, finde ich.

Siehe oben. Und was ist von Mozart noch übrig? Seine Gene? Ich denke, von seinen kulturellen Kompetenzen ist viel mehr da.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mi 17. Nov 2010, 18:47

Ich bin hier im Forum, zögere aber dennoch, deshalb jedem hier eine Cola zu spendieren. Es ging mir ja nicht um irgendwelche Kompetenzen sondern konkret um das Cola trinken. Das gebe ich nicht weiter und will es auch nicht. Ich erhalte diese Kompetenz nur, bis ich sterbe (wenn es sein muss intravenös).

Die systemische Evolutionstheorie beschreibt viele verschiedene Formen von Evolution. Mein Cola-Trink-Verhalten ist ebenso enthalten wie die biologische Evolution. Die Frage nun an dich: wieso folgt aus dieser Theorie, dass der Sinn des Lebens die Fortpflanzung bzw. die Weitergabe meiner Kompetenzen beinhaltet? Denn immerhin werden mit der Theorie auch zahllose Kompetenzen erfasst, die nicht weitergegeben werden.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ani-k » Mo 18. Jul 2011, 15:10

Um es mal mit Lem zu sagen: Der Mensch ist nicht durch Zufall entstanden und war auch nicht geplant. Der einzige Zweck ist es den Gencode weiterzugeben, der macht uns aus und wird durch unsere Liebe erhalten. Daraus folgt, dass wir nicht aussterben können, so lange wir lieben. Nun könnte man ja ein Gegenmittel entwickeln bzw. wie anfangs angebracht einfach alle kastrieren. Aber wozu? Der Mensch ist naiv und bereitet sich das Leid selbst, ebenso aber auch Glück. Man ist auch nicht gezwungen den Code weiterzugeben, aber das sollte jeder für sich entscheiden. Ich sehe bisher keinen Grund uns aussterben zu lassen, auf so eine Idee ist noch keine mir bekannte Spezies der Erde gekommen. Wir können anfangen an unseren Genen rumzuwerkeln oder virtuelle Intelligenzen zu entwickeln, die uns übertreffen. Aber letztendlich sind sie durch uns entstanden und führen unseren Stammbaum fort. Wer keinen Spaß am Leben hat soll von der Brücke springen und wer glaubt das Leben ist es nicht wert, keine Kinder zeugen. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung und stirbt er aus, ist es mir auch ziemlich egal, aber ich werde hier meinen Spaß haben so lange ich die Möglichkeit dazu habe ;)
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon stine » Mo 18. Jul 2011, 15:46

Hallo ani-k,
neu hier? Willkommen im Forum!

Darf ich fragen, nach was du im Netz gesucht hast, um ausgerechnet hier in diesem Thread zu landen?

:wink: stine
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mo 18. Jul 2011, 22:52

Hi ani-k, willkommen im Forum!

ani-k hat geschrieben:Der einzige Zweck ist es den Gencode weiterzugeben ... Ich sehe bisher keinen Grund uns aussterben zu lassen

Ich finde, du nennst einen Grund. Es ist entwürdigend, nur diesen einen Zweck zu haben, nur eine nützliche Hülle für unsere egoistischen Gene zu sein.

ani-k hat geschrieben:Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung und stirbt er aus, ist es mir auch ziemlich egal, aber ich werde hier meinen Spaß haben so lange ich die Möglichkeit dazu habe

Genau mein Reden. Mit Aussterben ist nicht gemeint, dass wir alle sterben sollen. Wir als Individuen sollten den Spaß maximieren. Aber das mit der Genweitergabe sollten wir lassen, den Genen eine lange Nase drehen und das entwürdigende Schauspiel Mensch insgesamt beenden. Finde ich jedenfalls immer noch.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon stine » Di 19. Jul 2011, 06:25

ganimed hat geschrieben:Wir als Individuen sollten den Spaß maximieren.
Findest du?
Dann mach mal.

:/ stine
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon KlausKa » Sa 6. Aug 2011, 07:46

Aussterben finde ich richtig. Bevölkerung langfristig reduzieren hat nur Vorteile. Wer sich noch vermehren will, sollte erst einer Prüfung unterzogen werden. Und der Pöbel muss zuerst weg.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Sa 6. Aug 2011, 08:10

Wie meinst du dies mit "muss weg"?
Gehört dies nur zu deinen pöbelnden Einzeilern mit denen du das Forum so gerne beglückst oder ist dies deine Meinung? Dann erkläre mal und begründe!
Und bedenke, das Forum dient als Kommunikations- aber auch als Diskussionsplattform. Nur provozierende "Einzeiler" hier rein stellen "ist nicht".
Verstanden?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Darth Nefarius » Do 24. Nov 2011, 16:19

Ganimed, ich verstehe dich nicht. Glaubst du, dass das Sterben kein Leid auslöst? Grundsätzlich hängt doch jeder an seinem Leben, auch wenn das ein evolutionsbedingter Trieb ist, na und? Ich habe nicht das geringste Bedürfnis zu sterben, oder, dass die Menschheit stirbt. Was soll denn der Grund sein, dass sie aussterben soll? Dass die Menschheit nicht leidet? Das Leben besteht aus Leid, aber weder du noch sonstwer hat was davon nicht zu leiden, denn ohne Leid ist man tot und nichts anderes. Es geht immer um Lust und Leid, jedes Motiv in unserer Handlungesweise als Mensch ist darauf ausgerichtet möglichst viel Lust und möglichst wenig Leid zu spüren (die Motive basieren auf den Trieben, aus den Motiven bildet sich jede Haltung und Aktion). Die Welt hat kein Bewusstsein, es ist mir scheissegal, ob sie zugrunde geht, aber nicht, ob ich oder die Menschheit dabei untergeht (der Mars ist ja auch noch da). Was ist dein Motiv, um der Menschheit ihre Existenz auszureden? Was verursacht dein Leid? Ist es wirklich das Leben der Menschheit? Sein Lebenswille? Dein Lebenswille ist doch verantwortlich dafür, dass du Glück in einigen Momenten empfindest und dich bis jetzt noch nicht von einer Brücke gestürzt hast, oder :selbstmord:
Als Naturalist habe ich nur eine Wahrheit: Ich will leben, was habe ich denn sonst? Was ist die Alternative? Das Nichts? Das Nichts kann so lange wie möglich auf mich warten.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon mat-in » Do 24. Nov 2011, 17:41

Ich könnte natürlich abwägen, ob mein Leben so viel Leid verursacht, daß es - eingeräumt das man dafür dem Leben anderer Lebewesen auch einen Wert zugestehen muß - nicht lebenswert ist.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 28. Nov 2011, 16:21

mat-in hat geschrieben:Ich könnte natürlich abwägen, ob mein Leben so viel Leid verursacht, daß es - eingeräumt das man dafür dem Leben anderer Lebewesen auch einen Wert zugestehen muß - nicht lebenswert ist.

Was soll das heißen? Dass du dein Leben abhängig machst von dem Leid, das es anderen zufügt? Nun, da müsstest du schon alles, was du bewusst oder unbewusst getan hast zurückverfolgen, denn alles hat Konsequenzen, abhängig davon, wann du aufhörst nach Konsequenzen zu suchen kommst du auf die eine oder andere Antwort. Wir könnten beispielsweise sagen, dass die Weltkriege "schlecht" waren, trotzdem wird unsere Existenz (sofern wir alle hier nicht vor 1914 geboren wurden) von diesen Geschehnissen abhängen, ob nun ein sowjetischer oder amerikanischer Soldat irgendwie in unserer Blutlinie zu finden ist, oder, ob einige Migrationswellen unsere Eltern zusammengebracht haben, wie es bei mir beispielsweise der Fall ist. Die Frage nach der Wirkung kann also immer wieder neu beantwortet werden, da die Zeit vorranschreitet.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mo 28. Nov 2011, 22:00

@Darth Nefarius: mit aussterben meine ich ja nicht, dass wir alle kollektiven Selbstmord begehen sollen. Am Leben hängen und es so lange, lustvoll und leidlos wie möglich führen, ist genau meine Devise. Mit Aussterben meinte ich ja nur, auf Nachkommen zu verzichten. Wieso soll man als Menschheit ewig so weitermachen und immer wieder kleine, süße Würmer in die Welt setzen und ihnen das Leben und seine Leiden aufbürden? Nur weil die Evolutionsspielregeln das vorschreiben?

Ich vermute nämlich, all die rational klingenden Gegenargumente, wieso die Menschheit doch bitteschön unbedingt überleben muss, sind alle nur das Resultat evolutionsbedingter Emotionen und Bedürfnisse in uns. Ich fände es daher rational eine Überlegung wert, sich irgendwann mal, muss ja nicht heute sein, von dieser genetischen Programmierung zu lösen und irgendwie "selbstbestimmter" das Ende unserer Spezies in netter Atmosphäre, weil geplant und gut vorbereitet, selbst herbeizuführen. Ansonsten gäbe es doch wieder diese postzivilisatorischen Endzeitszenarien, wo ein paar ausgemergelte Gestalten ums Überleben kämpfen bis der letzte Mensch irgendwo auf der Welt in einer erbärmlichen Höhle an Hunger und Krankheit verendet. So war es doch für die Neandertaler vermutlich auch. Das fände ich vermeidenswert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das Leben besteht aus Leid, aber weder du noch sonstwer hat was davon nicht zu leiden, denn ohne Leid ist man tot und nichts anderes.

Da hat man dich ja sehr effektiv abgerichtet. Du hast offenbar nicht nur gelernt, das Leiden als angeblich unvermeidbar hinzunehmen, sondern du setzt sogar eins drauf und definierst das Leiden als wesentliche und unabdingbare Voraussetzung für das Leben. Klingt pervers, ist es auch. Jeder, der dich regieren muss oder ausnutzen will, wird sich über so viel Entgegenkommen freuen.
Ich bin als Kind mit einer Art evangelischer Spaßbremse, Verzichtsethik und Leidensideologie konfrontiert worden. Sprüche wie "das Leben ist nunmal nicht immer einfach", "Leiden gehört dazu" oder "erst durch Leid und Trauer kann man wachsen und stärker werden" habe auch ich an den Kopf geworfen bekommen. Keine Ahnung wieso, aber bei mir hat das eher zu einer kritischen Gegenhaltung geführt. Der Reflex, dass man sich unwohl fühlt wenn es einem gut geht, scheint mir doch eher ungünstig zu sein.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 11:41

ganimed hat geschrieben:@Darth Nefarius: mit aussterben meine ich ja nicht, dass wir alle kollektiven Selbstmord begehen sollen. Am Leben hängen und es so lange, lustvoll und leidlos wie möglich führen, ist genau meine Devise. Mit Aussterben meinte ich ja nur, auf Nachkommen zu verzichten. Wieso soll man als Menschheit ewig so weitermachen und immer wieder kleine, süße Würmer in die Welt setzen und ihnen das Leben und seine Leiden aufbürden? Nur weil die Evolutionsspielregeln das vorschreiben?

Ich vermute nämlich, all die rational klingenden Gegenargumente, wieso die Menschheit doch bitteschön unbedingt überleben muss, sind alle nur das Resultat evolutionsbedingter Emotionen und Bedürfnisse in uns. Ich fände es daher rational eine Überlegung wert, sich irgendwann mal, muss ja nicht heute sein, von dieser genetischen Programmierung zu lösen und irgendwie "selbstbestimmter" das Ende unserer Spezies in netter Atmosphäre, weil geplant und gut vorbereitet, selbst herbeizuführen. Ansonsten gäbe es doch wieder diese postzivilisatorischen Endzeitszenarien, wo ein paar ausgemergelte Gestalten ums Überleben kämpfen bis der letzte Mensch irgendwo auf der Welt in einer erbärmlichen Höhle an Hunger und Krankheit verendet. So war es doch für die Neandertaler vermutlich auch. Das fände ich vermeidenswert.

Ausgemergelt zu sterben ist doch besser, als nie geboren worden zu sein. Wenn es jemandes Glück ermöglicht, dann soll er Kinder in die Welt setzen, das Leid wird er nicht verhindern können. Und ein direkt aus biologistischen Motiven abgeleitetes Denken ist viel unschädlicher, als eines, das sich von ihnen versucht zu lösen, das sehen wir in den Religionen, die sich oft durch iher Abscheu gegen alles Physische, Menschliche und Triebhafte auszeichneten. Auch bei Kants Pflichtethik gibt es eine gewisse Abscheu vor dem Eigennutzen und den Trieben, die schädlich ist.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 11:50

ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das Leben besteht aus Leid, aber weder du noch sonstwer hat was davon nicht zu leiden, denn ohne Leid ist man tot und nichts anderes.

Da hat man dich ja sehr effektiv abgerichtet. Du hast offenbar nicht nur gelernt, das Leiden als angeblich unvermeidbar hinzunehmen, sondern du setzt sogar eins drauf und definierst das Leiden als wesentliche und unabdingbare Voraussetzung für das Leben. Klingt pervers, ist es auch. Jeder, der dich regieren muss oder ausnutzen will, wird sich über so viel Entgegenkommen freuen.
Ich bin als Kind mit einer Art evangelischer Spaßbremse, Verzichtsethik und Leidensideologie konfrontiert worden. Sprüche wie "das Leben ist nunmal nicht immer einfach", "Leiden gehört dazu" oder "erst durch Leid und Trauer kann man wachsen und stärker werden" habe auch ich an den Kopf geworfen bekommen. Keine Ahnung wieso, aber bei mir hat das eher zu einer kritischen Gegenhaltung geführt. Der Reflex, dass man sich unwohl fühlt wenn es einem gut geht, scheint mir doch eher ungünstig zu sein.


Nein, es hat bei dir dieses kindische "aber das will ich nicht glauben" erhalten. Meine kritische Einstellung erwuchs gerade aus der Erkenntnis, dass Heilsversprechen große Lügen sind, der leidlose Himmel ist eine solche, das ewige Glück ist eine solche. Du sträubst dich nur gegen die Akzeptanz des Leids, darau erfolgt das beste Nährmedium, um jemandem das "ewige Glück" zu verkaufen, mich kann niemand ködern, da ich immer nach dem "Hacken" suche, du hast ihn bei deiner Idee nicht gesucht. Nehmen wir doch mal an, dass die Menschheit sich dazu entschließt, aber niemand kollektiven Selbstmord begehen soll, wie wird das wohl ablaufen? Die letzten werden nicht alle gleichzeitig sterben, nein sie werden immer noch abhängig von einander sein und den Tod des einzelnen betrauern, es wird ihnen immer schlechter gehen, da sie nicht vollkommen autark sein können und sein wollen, und was bleibt übrig? Ein Paar ausgemergelte, leidende, resignierte Gestalten. Wo siehst du da die Leidminderung? Denkst du, dass Resignation nicht an sich noch größeres Leid bedeutet?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Di 29. Nov 2011, 20:06

Darth Nefarius hat geschrieben:Ausgemergelt zu sterben ist doch besser, als nie geboren worden zu sein.

Wieso das denn? Nie geboren worden zu sein bedeutet doch eine völlig neutrale Glück/Leid-Bilanz zu haben. 0 Glück : 0 Leid. Untentschieden.
Ausgemergelt zu sterben und vorher elendig zu leben wird in den meisten Fällen vermutlich als negative Bilanz wahrgenommen. Also verloren.
Somit ist es also doch besser, nie geboren worden zu sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn es jemandes Glück ermöglicht, dann soll er Kinder in die Welt setzen, das Leid wird er nicht verhindern können.

Wie meinst du das? Jemand, der ein Kind nicht gebiert verhindert damit das spätere Leid dieses Kindes. Darüber sind wir uns sicher einig.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und ein direkt aus biologistischen Motiven abgeleitetes Denken ist viel unschädlicher, als eines, das sich von ihnen versucht zu lösen

Deine Aussage ist sehr pauschal und deshalb auch sehr falsch, denke ich mir. Man müsste sich doch schon noch anschauen, was bei einem bestimmten biologistischen Denken genau herauskommt. Wenn die Folge zum Beispiel unendliches Leid über viele weitere Generationen hinweg ist, dann versuche ich mich doch lieber davon zu lösen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Meine kritische Einstellung erwuchs gerade aus der Erkenntnis, dass Heilsversprechen große Lügen sind, der leidlose Himmel ist eine solche, das ewige Glück ist eine solche.

Da sind wir uns einig. Solche absoluten Heilsversprechen sind große Lügen. Aber die Aussterbefrage hat doch damit zu tun, ob man denn wenigstens versuchen darf, Leid zu mindern. Du scheinst fatalistisch zu denken und jeden Versuch von vorneherein abzulehnen. Oder verstehe ich dich falsch? Du meinst doch, dass man Leid nicht vermeiden sollte, weil es unvermeidbar sei und nunmal dazu gehöre?

Darth Nefarius hat geschrieben:Nehmen wir doch mal an, dass die Menschheit sich dazu entschließt, aber niemand kollektiven Selbstmord begehen soll, wie wird das wohl ablaufen? Die letzten werden nicht alle gleichzeitig sterben, nein sie werden immer noch abhängig von einander sein und den Tod des einzelnen betrauern, es wird ihnen immer schlechter gehen, da sie nicht vollkommen autark sein können und sein wollen, und was bleibt übrig? Ein Paar ausgemergelte, leidende, resignierte Gestalten. Wo siehst du da die Leidminderung?

Na, dich werden wir schonmal nicht als Planer am Endzeitablauf gebrauchen können. Eine gute Planung sorgt natürlich dafür, dass genügend Vorräte und sonstige Ressourcen vorhanden sind, damit alle zuletzt übrig gebliebenen keine materielle Not leiden müssen. Es stehen genügend DVD-Player und Filme zur Verfügung, damit niemandem richtig langweilig werden muss. Oder meinetwegen Stimmungsaufhellerpillen. Oder kleine Roboter, die eine medizinische Grundversorgung und Pflege garantieren. Bis wir uns für dieses Szenario wirklich entschlossen haben, gibt es solche Möglichkeiten bestimmt. Jeder der letzten 1000 Menschen lebt einfach friedlich in seiner Villa, genießt den Lebensabend, macht alles was er sonst auch machen würde (außer Kinder bekommen) und wartet friedlich auf sein natürliches Ende. Und nach den 1000 letzten Menschen gibt es kein menschliches Leid mehr auf diesem Planeten. Ich sehe da also jede Menge Leidminderung.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 22:18

Unnötiges und sinnloses Vollzitat des kompletten Vorbeitrages entfernt. 1v6,5M
Zum ersten Einwand kann ich nur sagen, dass es keine "Seele" gibt, die sich mal entschließt, wegen schlechter Prognosen, nicht Mensch zu werden. Nur, weil manch einer vielleicht nicht mit einem glücklichen Gefühl abtritt, haisst das nicht, dass er nicht einige Momente genossen hat. Wenn man einen Menschen fragt, welche Erfahrung er niemals missen wollte, wird man immer eine Antwort bekommen.

Wenn du als Beispiel den Sozialdarwinismus der Faschisten meinst, liegst du falsch. Sie haben die Kernaussage Darwins falsch verstanden, es heisst nicht, das der Stärkere, sondern, dass der Angepasstere überlebt. Die Faschisten haben sich davon extrem entfernt, folglich haben sie Leid verursacht.

Ja, du verstehst mich falsch. Ich versuche durchaus den Pfad des geringsten Leids einzuschlagen, nur denke ich nicht, dass deiner nicht mehr Leid brächte, oder die generelle Vermeidung nicht auch die generelle Vermeidung von Glück wäre. Ich muss kein Determinist sein (das meinst du wohl), um kausale Zusammenhänge zu erkennen, es gibt immer einen Hacken, unsere momentale Bewertung kann zwischen Glück und Unglück wechseln.
Frag dich doch mal, ob du deiner Logik nach, nicht auch deine Existenz hinterfragen solltest. Was wäre, wenn du zu der Generation gehörtest, die steril sein soll? Würdest du dich freuen, dass du nicht leidest, weil du einer darauffolgenden Generation das Aussterben ersparst, nur, weil du es selbst tust? Was, wenn du Kinder wolltest? Wenn du immer noch Interesse an deinen Schicksalsgenossen hättest und dann ihren Tod miterleben würdest? Oder würdest du dedin Kind in eine solche Generation wachsen lassen, in dem Bewusstsein, dass es nur noch sterben soll?
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