Der "Fall" Sarrazin

Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Zappa » Do 9. Sep 2010, 17:17

laie hat geschrieben:Doch, genau daran ist zu zweifeln. Warum soll die genetische Ausstattung des "anatolischen Bergbauern" den Hang zur Dummheit haben?


Warum nicht?

Ich meine, es kann doch nicht ernsthaft bestritten werden, dass Intelligenz in erheblichem Umfang vererbt wird. Auch in der anatolischen Gesellschaft wird es so sein, dass Intelligenzunterschiede über den gesellschaftlichen Aufstieg mitentscheiden. Intelligentere Anatolier sind dann halt Beamte, Journalisten und Lehrer. Die wandern aber i.d.R. hier nicht ein. Also gehören türkischer Migranten im Durchschnitt nicht zu den allerhellsten; habe ich mich jetzt verständlich ausgedrückt?

Oder um das Beispiel aus der Ecke mit den Ausländern zu holen: Bestreitest Du, dass ungelernte Arbeiter im Durchschnitt weniger intelligent sind als sagen wir mal Physikprofessoren? (Ich meine als Anlage, nicht als Ergebnis ihrer Ausbildung).
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon smalonius » Do 9. Sep 2010, 17:27

Bin ich der Einzige, der bei Sarrazin an Mersch und an jackle denken mußte? :pfeif:

Informationsdienst Wissenschaft hat geschrieben:Evolutionsbiologisch gesehen ist der Mensch eine der genetisch homogensten Spezies die es auf der Erde gibt. Im Vergleich zu anderen Spezies sind die Unterschiede zwischen Populationsgruppen sehr gering. Tatsächlich sind die Unterschiede innerhalb von Populationsgruppen etwa 5-fach höher als zwischen ihnen.

Das ist etwa so, als würde man sagen, die Unterschieden zwischen den einzelnen Werk von Beethoven seien größer als die Unterschiede zwischen den Werken von Beethoven und den Werken von Mozart. Trotzdem kann man beide bei geschultem Ohr auseinanderhalten.
Fazit: Herr Sarrazin hat die grundlegenden genetischen Zusammenhänge falsch verstanden - seine Aussagen beruhen auf einem Halbwissen, das nicht dem Stand der Evolutionsforschung entspricht.

Ich befürchte, was der Informationsdienst da schreibt, entspricht nicht dem Stand der Forschung. Diese Quelle beschreibt, wie einfach sich Ashkenazi-Juden von Amerikaner unterscheiden lassen. Sie beschreibt auch, daß der Unterschied zwischen Juden und Drusen viel geringer ist.

Die Frage, ob Intelligenz genetisch oder kulturell bedingt ist, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin haben sich die absoluten Ergebnisse in Intelligenztest im zwanzigsten Jahrhundert stark gesteigert. Es muß also eine große, kulturelle Komponente geben. Insofern hat der Artikel schon recht.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Dissidenkt » Do 9. Sep 2010, 17:52

smalonius hat geschrieben:Ich befürchte, was der Informationsdienst da schreibt, entspricht nicht dem Stand der Forschung. Diese Quelle beschreibt, wie einfach sich Ashkenazi-Juden von Amerikaner unterscheiden lassen. Sie beschreibt auch, daß der Unterschied zwischen Juden und Drusen viel geringer ist.

Die Frage, ob Intelligenz genetisch oder kulturell bedingt ist, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin haben sich die absoluten Ergebnisse in Intelligenztest im zwanzigsten Jahrhundert stark gesteigert. Es muß also eine große, kulturelle Komponente geben. Insofern hat der Artikel schon recht.


Ich befürchte du bist nicht auf dem neuesten Stand und hast den Link von 1von6,5Milliarden nicht gelesen. Das was du verlinkst ist eine Sekundärquelle, die sich auf Studien von Henry Ostrer beruft.

Ostrer selbst stellt klar:
Die Unterschiede in Kultur, Anpassung und Erfolg von Gruppen in der Gesellschaft den Genen zuzuschreiben, ist bemerkenswert einfältig und übersieht die unzähligen anderen Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen und den Möglichkeiten, miteinander zu interagieren.

http://www.sueddeutsche.de/wissen/sarra ... g-1.997353

Deutlicher kann man es doch wohl nicht sagen.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon smalonius » Do 9. Sep 2010, 18:21

Dissidenkt hat geschrieben:Das was du verlinkst ist eine Sekundärquelle, die sich auf Studien von Henry Ostrer beruft.

?

Hier ist die Primärquelle, sie stammt nicht von Oster: http://genomebiology.com/2009/10/1/R7

Dissidenkt hat geschrieben:Ostrer selbst stellt klar:
Die Unterschiede in Kultur, Anpassung und Erfolg von Gruppen in der Gesellschaft den Genen zuzuschreiben, ist bemerkenswert einfältig und übersieht die unzähligen anderen Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen und den Möglichkeiten, miteinander zu interagieren.

http://www.sueddeutsche.de/wissen/sarra ... g-1.997353

Deutlicher kann man es doch wohl nicht sagen.

Ich dachte, mein letzter Absatz hätte das hinreichend klargestellt. =)

Es ist ein Unterschied, ob man sagt, man könne Ethnien anhand ihres Genoms erkennen, oder ob man sagt, aus Genen könne man spezifisches Verhalten ableiten. Das eine geht, das andere nicht.

Hat eigentlich jemand ein Vollzitat dessen, was Sarrazin über das "jüdische Gen" gesagt hat?
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Dissidenkt » Do 9. Sep 2010, 20:44

smalonius hat geschrieben:Hier ist die Primärquelle, sie stammt nicht von Oster: http://genomebiology.com/2009/10/1/R7


Schau mal in die Referenzen, auf wen die Autoren sich berufen.

smalonius hat geschrieben:Es ist ein Unterschied, ob man sagt, man könne Ethnien anhand ihres Genoms erkennen, oder ob man sagt, aus Genen könne man spezifisches Verhalten ableiten. Das eine geht, das andere nicht.


Auch ersteres geht nur eingeschränkt und ist obendrein banal. Ich kann dir einen Russen, Briten, Franzosen oder Polen zu 80% aus einem Pulk Europäer herauspicken. Da brauch ich gar kein Genom. Andererseits können wir Europäer einen Thai nicht von einem Vietnamesen oder Burmesen unterscheiden und denen geht es umgekehrt genauso. Rückschlüsse auf Intelligenz, Empathiefähigkeit oder sonstige persönlichen Eigenschaften sind aber selbstverständlich unmöglich. Genau diesen Schwachfug verbreitet aber dieser Ex-Bundesbanker und Asozialdemokrat.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon laie » Fr 10. Sep 2010, 08:37

Zappa hat geschrieben:Oder um das Beispiel aus der Ecke mit den Ausländern zu holen: Bestreitest Du, dass ungelernte Arbeiter im Durchschnitt weniger intelligent sind als sagen wir mal Physikprofessoren? (Ich meine als Anlage, nicht als Ergebnis ihrer Ausbildung).


Ja, auch das bestreite ich. Es ist mir nicht klar, wie du denn von dem persönlichen Werdegang eines Menschen auf dessen genetische Ausstattung schliessen willst? Dein Zusatz: "nicht als Ergebnis, sondern als Anlage" erklärt hier gar nichts. Wer sagt denn, dass jeder Mensch die Chancen erhält, die er aufgrund seiner genetischen Disposition eigentlich verdient hätte? Wer sagt denn, dass der kluge Bergbauer immer Lehrer werden kann? Du redest einfach nur so, oder?
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Fr 10. Sep 2010, 10:21

Naja, gleiche Chancen generieren nicht immer gleiche Ergebnisse, das ist leider so. Ob wir das aus sozialökonomischer Sicht wahrhaben wollen oder nicht. Es gibt da sicher eine gewisse Veranlagung, woher auch immer sie kommen mag.
Jemand, der zu Beginn seiner Ausbildung nicht die richtigen Chancen bekommen hat, wird sie eventuell später noch ergreifen wollen und sich ins Zeug legen, dafür gibt es doch sehr viele Beispiele, unter anderem auch Gerhard Schröder, der es immerhin bis ins Kanzleramt schaffte. Gerade in unserem Land ist sowas auch möglich! Da behindert einen niemand.
Andererseits gibt es aber auch Menschen, die sich sehr bald mit dem zufrieden geben, wo sie stehen. Und nicht immer sind andere Schuld am eigenen Versagen.

LG stine
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Arathas » Fr 10. Sep 2010, 10:32

stine hat geschrieben:Naja, gleiche Chancen generieren nicht immer gleiche Ergebnisse, das ist leider so.


Das stimmt zwar so, aber wer sind wir, dass wir wüssten oder entscheiden könnten, wer nun durch die Chancengleichheit profitieren würde?

Wenn man einer anatolischen Bergbäuerin direkt nach der Geburt ihr Kind wegnähme, und das gleiche bei einer deutschen Akademikerin täte, und man dann beide Kinder einer anderen (gebildeten und wohlhabenden) Mutter zum Großziehen gäbe, bis sie 18 sind - es ließe sich (meiner Meinung nach) keine Vorhersage darüber treffen, welches der Kinder mit 18 den höheren IQ hat. Oder die besseren Noten nach Hause bringt.

Wenn man hingegen das Bergbäuerin-Kind bei der Bergbäuerin ließe, und das Akademiker-Kind bei seinen Akademiker-Eltern, wo es nur die besten Schulen besucht, lässt sich hingegen recht einfach eine Tendenz erkennen. IQ ist halt abhängig vom sozialen Umfeld, der Förderung, der schulischen Ausbildung, und so weiter. Und nicht (oder nur gaaanz wenig) von den Genen. Ist jedenfalls meine Meinung.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Fr 10. Sep 2010, 11:03

Schaut euch doch mal in einer normalen Schulklasse um, Arathas und laie: Da sitzen 32 Kinder, ein Drittel sitzt die Zeit ab, ein paar machen nur Blödsinn, einige langweilen sich und nur ein paar stellen Fragen, wollen was wissen, engagieren sich und sind auch sonst noch innerhalb des Schulbetriebes irgendwie tätig. Die Eltern sind, wenn es sich um eine Sprengelschule handelt, idR vom gleichen Schlag.
Woher kommt dann dieser Unterschied, wenn das soziale Umfeld das gleiche ist?

Natürlich kann das anatolische Bergbauernkind (das derzeit für vieles herhalten muss :mg: ) in dieser Klasse zu denen gehören, die sich engagieren und was wissen wollen, aber wie die Erfahrungen in Berliner Schulen zeigen, ist das eben oft nicht so. Da darf man doch mal (öffentlich) überlegen dürfen, warum das so ist.
Unser Schulsystem ist doch nun wirklich nicht an allem schuld, auch wenn ich selber oft daran verzweifle.

Die Überlegung die jetzt angestellt werden muss ist: Warum haben viel zu viele Migranten, vor allem aus dem türkisch/arabischen Raum, kein Interesse an unserem Bildungssystem?
Wenn eine genetische Disposition sie daran hindert zu verstehen, dann wären sie noch fein raus, würde ich sagen, ansonsten müsste man ihnen Unwillen unterstellen, was noch viel ärger wäre, weil sie damit zugeben, dass sie auf unsere Gesellschaft pfeifen. Sie nehmen halt, was ihnen hier zusteht. Ist das besser?

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Dissidenkt » Fr 10. Sep 2010, 11:23

Arathas hat geschrieben:Wenn man einer anatolischen Bergbäuerin direkt nach der Geburt ihr Kind wegnähme, und das gleiche bei einer deutschen Akademikerin täte, und man dann beide Kinder einer anderen (gebildeten und wohlhabenden) Mutter zum Großziehen gäbe, bis sie 18 sind - es ließe sich (meiner Meinung nach) keine Vorhersage darüber treffen, welches der Kinder mit 18 den höheren IQ hat.


Richtig. Obendrein ist der IQ überhaupt kein Maß, an dem man den Wert eines Menschen, seinen beruflichen Erfolg oder sein soziales Wirken festmachen kann. Ein charismatischer Mensch mit durchschnittlicher Intelligenz wird bei Bewerbungsgesprächen immer besser abschneiden, als ein schüchterner, ungepflegter oder arroganter 130er. Ein Genie kann ein Volk zu sozialem Wohlstand und Bildung verhelfen oder in den Krieg und Wahnsinn führen. Die Ingenieurleistungen eines Rudolf Diesel wären ohne Arbeiter, die seine Motoren bauen nichts und das Glück eines Volkes steht sicherlich in keinerlei Zusammenhang zum Durchschnitts-IQ.

All diese Fakten werden in der Mediendiskussion vollkommen ausgeblendet. Da ist es offenbar Konsens, dass weniger intelligente Menschen immer unproduktiv, asozial oder kriminell sind. Tatsächlich ist die öffentliche Diskussion ein Zeichen für die Dummheit der vermeindlichen Eliten in Politik und Medien.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Fr 10. Sep 2010, 12:26

Die Diskussion über Intelligenzen Andersstämmiger lenkt vom eigentlichen Thema, nämlich der Unfähigkeit Menschen zu begeistern und ihnen Perspektiven zu vermitteln, ab.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Arathas » Fr 10. Sep 2010, 12:41

stine hat geschrieben:Die Diskussion über Intelligenzen Andersstämmiger lenkt vom eigentlichen Thema, nämlich der Unfähigkeit Menschen zu begeistern und ihnen Perspektiven zu vermitteln, ab.
LG stine


Wen siehst du hier in der Bringschuld? Den Staat? Die Lehrer? Die Eltern? Die Kinder selbst?

Menschen begeistern sich nunmal alle irgendwie für etwas anderes. Von daher ist es Lehrern unmöglich, auf die Interessen von 30 Kindern einzugehen und sie allesamt zu begeistern. Wenn überhaupt, könnten das die Eltern, denke ich.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Fr 10. Sep 2010, 13:06

Die Eltern sind in der Bringschuld.
Wenn man irgend etwas erreichen muss, dann ist es das, den Eltern ihre Verantwortung für ihre Kinder klar zu machen. Dies gilt für Migranten, genauso wie für alle andern Bürger unseres Landes. In Familien, wo Verantwortung übernommen wird und die Kompetenzen klar abgesteckt sind, funktioniert das (meist) auch mit den Kindern. Dabei ist es egal, ob es sich um arme oder reiche Familien, um deutschsprachige oder anderssprachige Familien handelt.

Gehen wir einmal davon aus, dass sehr viele Migranten zwangsverheiratet werden und ihre Kinder im Auftrag oder durch Vergewaltigung bekommen, dann kann man sich gut vorstellen, dass das Interesse dieser Eltern an ihrem Nachwuchs gleich Null ist. Und genauso werden sie behandelt. Man ist froh, wenn sie endlich groß genug sind, um sich auf der Straße selbst ihr Recht zu erkämpfen. Dass jemand, der zuhause keinerlei Begeisterung für sein Tun erfährt und vielleicht nur Prügel bekommt, wenn er seine Meinung äußert und sein Recht einfordert, sich auch von einem Lehrer nichts sagen lässt, ist verständlich und selbstverständlich.

Die einzige Möglichkeit diesem Dilemma zu entgehen ist, den Familiennachzug zu begrenzen oder abzuschaffen, die Zwangsverheiratung nicht mehr zuzulassen, die Frauen aufzuklären und ihre Rechte zu sichern.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Zappa » Fr 10. Sep 2010, 16:33

laie hat geschrieben: Es ist mir nicht klar, wie du denn von dem persönlichen Werdegang eines Menschen auf dessen genetische Ausstattung schliessen willst?


Wie wäre es mit messen? http://zpm.uke.uni-hamburg.de/WebPdf/MPIntelligenz.pdf

Zu deinem allgemeinen Problem: Zwillingsstudien haben eindeutig ergeben, dass Intelligenz zu einem erheblichen Anteil genetisch determiniert ist. Das ist Fakt und es bringt wenig dies einfach zu bestreiten.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon laie » Fr 10. Sep 2010, 16:52

@Zappa

Ich habe weder ein allgemeines noch ein spezielles Problem mit der Theorie, dass Intelligenz zu einem gewissen Grad vererbt wird. Ja, das wird sie mit Sicherheit. Wobei ich der Zwillingsforschung kritisch gegenüberstehe: was hat dieser Forschungszweig nicht schon für Gemeinsamkeiten entdeckt! Auch mit dem Begriff Intelligenz habe ich meine Schwierigkeiten: ich weiss nicht recht, was in der Genetik eigentlich als Intelligenz definiert wird. Gut, man kann sich auf eine Definition darüber einigen, was Intelligenz heissen soll und dann kann man auch messen, meinetwegen. Wobei: es ist klar, dass immer nur das gemessen wird, was derzeit en vogue ist. In 100 Jahren haben wir wahrscheinlich andere Kriterien für Intelligenz. Seis drum. Mit all diesen Dingen kann ich gut leben. Womit ich ein echtes Problem habe, ist vielmehr, wenn ein gesellschaftlicher, historisch gewachsener Zustand, an dem die Betroffenen meist wenig ändern können, herangezogen wird, um daran einseitig genetische Defekte dieser Menschen festzumachen bzw. auf solche zurückzuschliessen. Das ist in meinen Augen ein teleologisches Argument (und daher keines): die Gegenwart wird zur Ursache der Vergangenheit.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 10. Sep 2010, 17:22

Zappa hat geschrieben:Zu deinem allgemeinen Problem: Zwillingsstudien haben eindeutig ergeben, dass Intelligenz zu einem erheblichen Anteil genetisch determiniert ist. Das ist Fakt und es bringt wenig dies einfach zu bestreiten.

Das ist schlichter Unsinn. Die Augenfarbe ist genetisch determiniert, aber die Intelligenz nicht. Bei einem Mensch, der ohne Umwelt aufwachsen würde, wäre die Intelligenz gleich Null. Die Entwicklung von Intelligenz benötigt dringend eine Umwelt, ein soziales Umfeld, daher hat diese / dieses auch logischerweise Einfluss auf die individuelle Entwicklung der Intelligenz.

Man könnte höchstens sagen: es gibt genetische Anlagen für eine maximal erreichbare Intelligenz unter optimalen Umweltbedingungen. Aber selbst das ist schwer nachprüfbar. Es geht ja nicht, dass ein und dasselbe Individuum in verschiedenen Umwelten aufwächst. Und für unterschiedliche Individuen sind möglicherweise (mE sogar sehr wahrscheinlich) verschiedene Umwelten optimal für dessen Intelligenzentwicklung.

Eine Angabe über den prozentualen Anteil der Gene und den prozentualen Anteil der Umweltbedingungen ist bei Intelligenz mE nicht möglich.

Die Angabe über die prozentualen genetischen Unterschiede zwischen IQs von Individuen sollte man damit nicht verwechseln.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon laie » Fr 10. Sep 2010, 17:34

Stine hat geschrieben:Gehen wir einmal davon aus, dass sehr viele Migranten zwangsverheiratet werden ...


Weiss ich das?

stine hat geschrieben:und ihre Kinder im Auftrag oder durch Vergewaltigung bekommen


muss das so sein? Ohne das ich mich solchen Bräuchen unterwerfen möchte, aber muss die Auswahl des Gatten durch die Eltern oder die Verwandtschaftsnomenklatur unbedingt und in allen Fällen zur Vergewaltigung in der Ehe führen? Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass viele Frauen noch vor wenigen Generationen diesen Zwang gar nicht als solchen wahrgenommen haben?

Vergessen wir eines nicht: in jeder Gesellschaft gibt es Regeln, wenn man nicht heiraten darf. Wenn man nach unserem geltenden Recht seine leibliche Schwester nicht heiraten darf, heisst das jetzt, dass eine Frau vom unserem Rechtssystem quasi vergewaltigt wurde (weil sie ja nicht ihren Bruder heiraten durfte), dass dann auch der Geschlechtsverkehr in der Ehe eine Vergewaltigung ist?

stine hat geschrieben:dann kann man sich gut vorstellen, dass das Interesse dieser Eltern an ihrem Nachwuchs gleich Null ist.


Desinteresse findet sich auch bei anderen Eltern: die Eltern, die ihre Kinder verhungern lassen oder misshandelten, bis diese starben, waren zumeist zu gar nichts gezwungen. Weder durch ihre Konfession, noch durch ihren Glauben noch durch irgendwelche anderen Autoritäten.

stine hat geschrieben:Und genauso werden sie behandelt. Man ist froh, wenn sie endlich groß genug sind, um sich auf der Straße selbst ihr Recht zu erkämpfen. Dass jemand, der zuhause keinerlei Begeisterung für sein Tun erfährt und vielleicht nur Prügel bekommt, wenn er seine Meinung äußert und sein Recht einfordert, sich auch von einem Lehrer nichts sagen lässt, ist verständlich und selbstverständlich.


da bin ich bei dir.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon musicman » Fr 10. Sep 2010, 17:35

stine hat geschrieben:Die einzige Möglichkeit diesem Dilemma zu entgehen ist, den Familiennachzug zu begrenzen oder abzuschaffen, die Zwangsverheiratung nicht mehr zuzulassen, die Frauen aufzuklären und ihre Rechte zu sichern.

LG stine


Damit hat die ganze Sache angefangen und die Probleme die wir haben sind hausgemacht. 1973 wurde ein Anwerbestopp für türkische Gastarbeiter beschlossen und gleichzeitig der Familiennachzug ermöglicht. Anstatt die Leute nach getaner Arbeit nach Hause zu schicken, wurden ihre Familien nachgeholt und zwar ohne flankierende Maßnahmen wie flächendeckender und wohlgemerkt auch verpflichtender Sprachunterricht für Kinder und zwar vor der Einschulung, stattdessen leierten die Konservativen weiter ihr Mantra herunter, daß Deutschland kein Einwanderungsland sei und die Guttis gingen ab und zu einen Döner essen.
Ich kam mit 10 Jahren aus Frankreich in die deutschsprachige Schweiz, als erstes kamen alle Kinder von Ausländern in eine Sprachschule und erst wenn man die Sprache soweit beherrschte, daß man dem Unterricht folgen konnte erfolgte der Wechsel in eine Regelschule. Das war damals verpflichtend und ich wurde mehr als einmal von der Polizei zu Hause abgeholt, weil meine Eltern (Mutter Roma, Vater jennischer Abstammung auch Zigeuner genannt ) es nicht so genau nahmen. Mit dem Ergebnis, daß ich die Sprache gelernt habe und auch später mit 15, beim Wechsel nach Deutschland keinerlei Probleme hatte - Ok ein bischen mit dem Schwyzerdütsch - aber nicht so, daß ich in der Schule saß und dem Unterricht nicht folgen konnte.
Aber die Guttis in Deutschland sehen es ja schon als diskriminierend an, wenn von Einwanderern geringste Sprachkenntnisse nachgewiesen werden sollen - was woanders auf der Welt als normal gilt. Ich bin später in die USA, da hat es kein Mensch interessiert, wo ich Englisch gelernt habe, das war die Mindestanforderung.
Der ganze Wirbel um Sarazzin den die etablierten Politiker veranstalten sind mE Nebelkerzen, um vom eigenen Versagen abzulenken. Um die Sache auszubügeln, müsste man jetzt einerseits richtig Geld in die Hand nehmen, flächendeckend für Kinder im Vorschulalter verpflichtende Spachkurse einführen und andererseits mit harten Sanktionen bis zur Ausweisung drohen, wenn die Eltern das verweigern.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon laie » Fr 10. Sep 2010, 17:44

@musicman

guter Beitrag!
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Dissidenkt » Fr 10. Sep 2010, 18:05

AgentProvocateur hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Zu deinem allgemeinen Problem: Zwillingsstudien haben eindeutig ergeben, dass Intelligenz zu einem erheblichen Anteil genetisch determiniert ist. Das ist Fakt und es bringt wenig dies einfach zu bestreiten.

Das ist schlichter Unsinn. Die Augenfarbe ist genetisch determiniert, aber die Intelligenz nicht.....


Korrekt. Es gibt zwar genetische Vorteile - vergleichbar mit dem Körperbau von Sportlern - aber das bedeutet nicht, dass die genetisch Bevorteilten später Athleten oder Genies werden.

Diese völlig banale Einsicht kann man sich ganz ohne Genetik selbst erklären. Gäbe es tatsächlich einen großen genetischen Einfluss, der den Einfluss von Bildung und Sozialisation überstrahlt, würden intelligente Eltern immer intelligentere Kinder bekommen. Das ist auch bei den aschkenasischen Juden nicht der Fall und die züchten sich seit wieviel Generationen?


musicman hat geschrieben:Damit hat die ganze Sache angefangen und die Probleme die wir haben sind hausgemacht. 1973 wurde ein Anwerbestopp für türkische Gastarbeiter beschlossen und gleichzeitig der Familiennachzug ermöglicht. Anstatt die Leute nach getaner Arbeit nach Hause zu schicken,...


Hätte man das mal mit den Roma gemacht, dann bräuchten wir uns deinen Schmarrn jetzt nicht anhören. :lachtot:
Jaja ich bin zynisch. Aber bei so einem Schwachfug geht mir der Hut hoch.

musicman hat geschrieben:Aber die Guttis in Deutschland sehen es ja schon als diskriminierend an, wenn von Einwanderern geringste Sprachkenntnisse nachgewiesen werden sollen - was woanders auf der Welt als normal gilt. Ich bin später in die USA, da hat es kein Mensch interessiert, wo ich Englisch gelernt habe, das war die Mindestanforderung.


Diese "Gutmenschen"-Terminologie grassiert nach meinen Erfahrungen vornehmlich in braunen Schmuddelforen, wo sich massenhaft empathieunfähige Schlechtmenschen therapeutisch auskotzen. Vom Humanismus seit ihr so weit entfernt, wie der Taliban vom kategorischen Imperativ. Der Unterschied ist, der Taliban hatte keine Chance auf Bildung, ihr schon.

musicman hat geschrieben:Der ganze Wirbel um Sarazzin den die etablierten Politiker veranstalten sind mE Nebelkerzen, um vom eigenen Versagen abzulenken. Um die Sache auszubügeln, müsste man jetzt einerseits richtig Geld in die Hand nehmen, flächendeckend für Kinder im Vorschulalter verpflichtende Spachkurse einführen und andererseits mit harten Sanktionen bis zur Ausweisung drohen, wenn die Eltern das verweigern.


Die Deutschen haben in den 60ern Anwerber über die anatolischen Dörfer geschickt, die den Leuten das Blaue vom Himmel versprochen haben. Sie wollten Arbeitssklaven und keine Menschen, deshalb haben sie sich einen Scheissdreck um deren Integration gekümmert. Schuld sind nicht die Menschen, die aus der Armut flüchten, sondern ein Staat, der sie als billige Arbeitstiere ausbeuten wollte.
Viele von denen haben 60 Stunden die Woche unter Tage geschuftet und trotzdem noch die Kraft gehabt Sprachkurse z.B. von den Zechen oder Gewerkschaften zu besuchen. Diesen Leuten nach 20 oder mehr Jahren zu sagen: ihr haut jetzt ab, ist völlig asozial und indiskutabel. Wer sowas auch nur denkt, ist vollkomen empathieunfähig oder weiss nicht wovon er redet.

P:S.
Was du da propagierst, ist übrigens bei den Scheichs gang und gäbe.
Brüder im Geiste.
Zuletzt geändert von Dissidenkt am Fr 10. Sep 2010, 18:47, insgesamt 1-mal geändert.
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