Hallo zacharias, willkommen bei den Brights!
Danke für deinen Beitrag. Ich finde es interessant, dass die hiesigen Diskussionen anscheinend auch von außerhalb mitverfolgt werden. Ich bin nicht mit allem, was du sagst einverstanden und habe das mal zusammengeschrieben.
zacharias@av hat geschrieben:1. Tom Regan
Die ,,Tierrechtsphilosophie“ fällt also bereits nach Anwendung elementarster Logik in sich zusammen.
Nunja, das ist meiner Meinung nach in Teilen richtig. Es geht hier aber um die Klärung des Rechtsbezugs von menschlichen Tieren gegenüber anderen Tieren. Regan argumentiert natürlich blödsinnig, wenn er Ungleichbehandlung der Spezies ablehnt, um im selben Satz durch die Hintertür die besondere Stellung des Menschen als Rechtsgeber und -garanten wieder ins Spiel zu bringen. Regans Ansatz ist aber nicht der einzig mögliche. Rechte sind daher durchaus nicht als mögliches Vehikel für die Verringerung von Leid von Tieren aus dem Spiel, sie müssen meiner Meinung nach aber zum Teil anders als menschliche Rechte begründet werden und auch nur abgestuft gewährt werden. Ich habe das schon teilweise ausgeführt.
zacharias@av hat geschrieben:2. soziokulturelle Hintergründe von Veganismus
Wie hier schon angesprochen worden ist [die Sache, wieviele Tiere auch für das Leben eines Veganers sterben müssen bei Ungezieferbekämpfung und Ackerbau], ist die Rechnung, dass der Verzicht auf tierische Produkte Tierleid vermeidet, kurzsichtig, und Veganismus sicher nicht die Lösung des Problems. ... Ich will hier aber auf diese Thematik nicht weiter eingehen, weil die Ursache für solche geradezu absurd wirkenden Einstellungen woanders liegt.
Auch hier: In Teilen richtig. Ich würde, wie mit der Idee abgestufter Tierrechte schon begonnen, der extremen veganischen Ansicht widersprechen, dass alle Tiere gleichermaßen geschont werden sollen. Mir geht es um die in komplexen Sozialverbänden und mit Bewusstsein oder Protobewusstsein ausgestatteten höheren Tierformen, d.h. Insekten beim Ackerbau tangieren mich eher peripher. Veganismus ist in seiner extremen Form sicherlich keine Lösung, da pflichte ich dir bei, aber ein, nennen wir ihn "sanfter Vegetarismus" kann den Anspruch der Verringerung von Leid mit pragmatischer Sicht durchaus verbinden. Deine Kritik am Extremveganismus teile ich, aber es gibt noch weitere Wege, und nicht alle führen ins Schlachthaus.
zacharias@av hat geschrieben:Veganismus ist eine Wohlstandserscheinung. Man muss von den Grundlagen der menschlichen und tierischen Existenz weit entfernt leben, um überhaupt zu solchen Anschauungen kommen zu können. Und in der Tat hat man ein deutliches Stadt-Land-Gefälle und Veganismus und Tierrechtlertum sind in der Zweiten und gar Dritten Welt unbekannt.
Dir ist klar, dass diese Sätze nichts aussagen oder? Wohlstandserscheinung = Verwerflichkeit => naturalistischer Fehlschluss.
Im übrigen sind viele Dinge in der Zweiten und Dritten Welt nicht bekannt, die Freiheit von der Todesstrafe beispielsweise, aber auch funktionierende Gesundheitssysteme, Wasserversorgung und Mobilität. Macht das diese Privilegien automatisch zu Dingen, die nur verweichlichte Großstädter nötig haben und die eigentlich unnötig sind?
zacharias@av hat geschrieben:,,Das Tier“ wird hier, in einer Gesellschaft, in der alte Wertesysteme wie die traditionellen Religionen zunehmend ins Hintertreffen geraten zum neuen Götzen, und auch die oft beobachtbare Überschneidung von Veganismus und solchen Dingen wie Esoterik ist nicht zufällig, Veganismus dient als Ersatzreligion, und dass zum Beispiel in den USA Tierrechtsterror als zweitgrößte Bedrohung für die nationale Sicherheit gleich hinter religiösem Fundamentalismus steht, überrascht nicht.
Vorsicht, der Schluss von "Alle Raben, die ich kenne, sind schwarz" auf "Alle Raben sind schwarz" ist logisch nicht zulässig. Es mag viele gefährliche religiöse Extremisten geben, das heißt nicht, dass nicht mancher Religiöse ein vernünftiger Mensch mit Augenmaß ist. "Religiös" ist hier durch fast jede beliebige Ideologie ersetzbar. Ich erkenne dein Argument im Großen und Ganzen an, aber ich mag keine Sippenhaft. Wenn von 100 Veganern 99 Verrückte sind, dann möchte ich trotzdem, dass dem einen übrigen vorurteilsfrei zugehört wird.
zacharias@av hat geschrieben:Die eingangs gestellte Frage, ob wir Menschen wertvoller als andere Tiere sind, ist mit einem einzigen Wort zu beantworten:
Nein.
Die Frage ist aus erkenntnistheoretischer Sicht überhaupt nicht zu beantworten.
zacharias@av hat geschrieben:Wir sind Teil der Tierwelt, und genauso von unseren Instinkten gesteuert wie alle anderen. Und ob man es glaubt oder nicht, das, was ich hier gerade tue, nämlich einen Beitrag in ein Internetforum eintippen, entspricht meiner für mich als Menschen - natürlichen Verhaltensweise. Wir Menschen verwenden seit 2,5 Millionen Jahren Werkzeuge, seit 1,5 Millionen Jahren Feuer, seit 300_000 Jahren Speere, und als Spezies Homo sapiens sind wir gerade einmal 150_000 Jahre alt. Es ist für uns natürlich, Technologie zu verwenden, und ein Menschenbau wird daher nicht mit den Pfoten gegraben oder mit dem Schnabel gebaut, sondern eben mit Betonmischmaschinen und Kränen.
Und Veganismus ist also keine natürliche Verhaltensweise?

Ich glaube, dass du dir da gerade deine eigene argumentatorische Grube gräbst. Indem du, in guter naturalistischer Manier, alles menschliche Verhalten als natürlich erklärst, raubst du dir die Möglichkeit, irgendetwas als unnatürlich zu erklären, eingeschlossen Religion oder Veganismus. Wenn alle ihren Instinkten folgen, wie kannst du den Veganern, die das ja auch tun, dann noch irgendeinen Vorwurf machen?
Ich möchte dir übrigens bei der Instinktfrage widersprechen. Wir Menschen können unsere Instinkte hinterfragen, das ist zumindest ein Hemmnis für die Instinktsteuerung und gibt uns größere Handlungsmöglichkeiten. Andernfalls würde diese Diskussion hier ja auch gar keinen Sinn machen.
zacharias@av hat geschrieben:Wir sollten uns also überlegen, was wir als Teil der Natur wollen, jetzt zu glauben, es gäbe eine simple Lösung für alle Probleme (wie sie diverse religiöse Sekten aber natürlich auch Veganismus mit seiner Formel ,,Tierprodukte = böse, keine Tierprodukte = alles ist gut“), ist meiner ganz persönlichen Erkenntnis nach nur eines, nämlich:
ein Irrweg.
Ich frage mich, ob die Abstemplung von Veganismus als religiöser Irrweg, der keine weitere argumentatorische Auseinandersetzung verdient hat, eine weniger simple Lösung darstellt. Natürlich ist die von dir exemplarisch vorgestellte Formel dämlich, aber gleichzeitig sollten wir bedenken, dass die Veganer in extremer Form auch die Sehnsucht vieler Menschen nach einer friedlichen, leidensfreien und harmonischen Welt addressieren. Wenn viele Menschen darunter leiden, dass es Tieren schlechtgeht, weil sie eine starke Empathie empfinden, dann ist es mir zu einfach, das als unbedeutendes Wohlstandsproblem abzutun. Es könnte genauso für die größere Sensibilität zivilisatorisch weiterentwickelter Kulturen stehen. Der veganische Ansatz mag dabei ja überzogen sein, ihn einfach abzukanzeln und das dahinterstehende Verlangen zu ignorieren, löst das Problem aber auch nicht. Tiere, das ist Fakt, werden von uns in grausamer Art und Weise behandelt, was auch etwas über unser Sozialverhalten aussagt, und wir fahren uns auch ökologisch und klimatologisch mit der Übernutzung tierischer Ressourcen an die Wand. Totallösungen mögen unmöglich sein, aber wer über Linderungen nicht reden mag, ist genauso ein Betonkopf wie die Extremveganer. Ich weiß nicht, ob das auf dich zutrifft, ich hoffe nicht.