darwin upheaval hat geschrieben:Meinst Du nicht auch, dass Du etwas kleinere Brötchen backen solltest? Oder willst Du einen Autoritätsbeweis mit der Brechstange führen?
Wenn die eigene Meinung von der überwältigenden Mehrheit der professionellen Philosophen und Logiker geteilt wird, dann darf man, denke ich, mutig sein und "größere Brötchen backen".
Im Übrigen habe ich nicht nur Autoritäten, sondern auch den Common Sense ins Feld geführt.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Ich beziehe mich hauptsächlich nur auf diesen einen Punkt:
"If I am to know that there is someone outside the door, then there really must be someone outside the door. Before the belief is entitled to be called 'knowledge', what is believed must be true. If I say 'I know that P' and then find out that P is false, I will withdraw my claim to knowledge: I will say that I thought I knew that P but did not really know it."(Musgrave, Alan.
Common Sense, Science and Scepticism: A Historical Introduction to the Theory of Knowledge. Cambridge: Cambridge University Press, 1993. p. 2)
(Musgrave is übrigens ein Schüler Poppers.)
darwin upheaval hat geschrieben:Ich könnte jetzt kontern und sagen, seit Popper geht jeder normale Mensch davon aus, dass es hypothetisches (und damit fehlbares!) Wissen gibt.
Noch einmal:
Fehlbares Wissen ist nicht gleich falsches Wissen!"Conjectural knowledge requires truth: the fallibilist accepts that 'I know that P' entails 'P is true', accepts that 'false knowledge' is a contradiction in terms."(Musgrave, Alan.
Common Sense, Science and Scepticism: A Historical Introduction to the Theory of Knowledge. Cambridge: Cambridge University Press, 1993. p. 300)
Das heißt, auch das fehlbare "Vermutungswissen" ist wahrheitsabhängig!
Dein Denkfehler besteht darin, dass du meinst, der fallibilistische Standpunkt erfordere die Ablehnung des Axioms
Kp –> p, was aber gar nicht der Fall ist.
Die Fallibilisten lehnen es
de facto nicht ab!
Folglich ist meine Argumentation zugunsten dieses Axioms nicht
per se eine Argumentation gegen den Fallibilismus und für den Infallibilismus!
darwin upheaval hat geschrieben:"
Evolutionary epistemology is inseparably connected with hypothetical realism. This is a modest form of critical realism. Its main tenets are: All knowledge is hypothetical, i.e., conjectural, fallible, preliminary..... According to this position all knowledge is hypothetical, i.e., uncertain. This claim is itself part of a theory, hence of knowledge. It must therefore apply to itself. But this must lead -it is said- to a contradiction" [Vollmer 1987, p. 188].
(
http://www.unav.es/cryf/english/conocim ... lismo.html)
Die Hypothetizität hypothetischen (fehlbaren, unsicheren) Wissens kann doch nur darin bestehen, dass ein aus guten Gründen für wahr und damit für Wissen gehaltener Glaube sich unerwarteterweise als falscher Glaube (nicht als falsches Wissen!) und damit als Scheinwissen herausstellen könnte.
darwin upheaval hat geschrieben:Vollmer's answer points out first that hypothetical realism claims all synthetic statements to be hypothetical, and continues:
"…According to hypothetical realism it is of the very essence of synthetic statements to be possibly false. …" [Vollmer 1987, p. 189]."(
http://www.unav.es/cryf/english/conocim ... lismo.html)
Das heißt ja nur, dass keine synthetische Aussage eine (logisch) notwendige Wahrheit ist.
(Apropos, ich erinnere daran, dass
[](Kp –> p) nicht mit
Kp –> []p verwechselt werden darf. Das heißt, Wissen impliziert notwendigerweise Wahrheit, aber Wissen impliziert nicht notwendigerweise notwendige Wahrheit.)
darwin upheaval hat geschrieben:"
… science is first and foremost a body of factual and theoretical knowledge about the world (Gooding 1992:65f.). The self-assigned task of the philosopher is to prescribe some „method of science“ that will lead scientific knowledge to approximate [!] Truth through gradual improvements."
(
http://www.jstor.org/pss/1389440)
"factual knowledge"—Es sollte einleuchten, dass Tatsachenwissen das Vorhandensein entsprechender Tatsachen voraussetzt, da man ja kein Tatsachenwissen über Nichttatsachen, d.h. über nicht bestehende Sachverhalte, besitzen kann.
"…to approximate Truth":
"Vermutungswissen:
Eine andere Möglichkeit ist die von Karl Popper entwickelte: weiter nach Erkenntnis und damit nach inhaltlicher Wahrheit zu streben, aber den Anspruch auf absolute Begründung und damit auf Gewissheit aufzugeben. Unser gesamtes Wissen besteht dann aus Hypothesen, deren Wahrheit nie sicher ist ('Vermutungswissen'), die wir aber dennoch strengen Prüfungen aussetzen können, damit sie auch zukünftigen Prüfungen immer standhalten werden. Als Beispiel mag die Newtonsche Mechanik dienen. Sie hat 200 Jahre lang das physikalische Denken beherrscht, bis die Einsteinsche Theorie an ihre Stelle trat. Warum wurde die Newtonsche Auffassung so lange als sicher akzeptiert? Weil sie eine solche Fülle von Tatsachen einheitlich erklärte, dass man sich kaum vorstellen konnte, es seien Irrtümer in ihr enthalten. Sie ließ sich daher ohne Schwierigkeiten im Sinne des klassischen Erkenntnisideals deuten. Nun zeigte sich aber, dass die Einsteinsche Theorie außer den Tatsachen, die mit Hilfe der Newtonschen erklärbar waren, noch weitere erklären (und sogar vorhersagen) konnte, mit denen die Newtonsche nicht fertig wurde. Überdies ist sie mit der Newtonschen unvereinbar, so dass nicht beide zugleich wahr sein können. Man kann sich hier zwar so helfen, dass man behauptet, die Newtonsche Theorie sei nur annähernd wahr, sie liefere also sogenannte approximative Erklärungen, aber das bedeutet u.a. auch, dass sie – strenggenommen – falsch ist. [meine Beton.]"(Albert, Hans. "Kritischer Rationalismus." In
Handlexikon zur Wissenschaftstheorie, hrsg. v. Helmut Seiffert u. Gerard Radnitzky, 177-182. München: dtv, 1992. S. 180-81)
Tja, wie gesagt: Knapp vorbei ist auch daneben!
Ja, es geht in der Wissenschaft um Theorienselektion im Lichte empirischer Beweise, nach dem Motto:
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen!"
Wie David Lewis sagt, es geht darum, Irrtumsmöglichkeiten durch systematische empirische Forschung zu eliminieren oder zumindest zu minimieren, sodass die Gefahr möglichst gering wird, dass sich die Wissenschaftler irrtümlicherweise für eine de facto falsche Theorie entscheiden.
darwin upheaval hat geschrieben:Hier noch ein nettes Paradoxon auf der Grundlage "sicheren Wissens":
"6.2 Dogmatism paradox: A puzzle about losing knowledge Gilbert Harman attributes this paradox to Saul Kripke:[/b]
……
The dogmatism paradox shows how new knowledge can undermine old knowledge."(
http://plato.stanford.edu/entries/epist ... zAboLosKno)
Die pragmatisch-kontexualistische Wahrheitstheorie kommt mit diesem "Paradoxon" prima klar:
X weiß genau dann, dass A (wahr ist), wenn (a) A (wahr ist), und (b) X im Licht der Beweislage alle relevanten Möglichkeiten ausschließen kann, in denen A falsch ist.Das Wissen von X, dass A, wird folglich zu Nichtwissen, wenn (a) A aufhört, wahr zu sein, oder (b) X im Licht der (aktuellen) Beweislage nicht mehr alle relevanten Möglichkeiten ausschließen kann, in denen A falsch ist – oder beides.
Wenn ich weiß, dass mein Auto auf dem Parkplatz steht, dann weiß ich das so lange, wie es tatsächlich dort steht oder sich die Beweislage nicht derart ändert, dass eine neue relevante Möglichkeit der Falschheit der Aussage "Mein Auto steht auf dem Parkplatz" ins Spiel kommt, die ich nicht ausschließen kann.
Wenn nun ein Arbeitskollege in mein Büro kommt und zu mir sagt, dass er sich darüber wundere, dass mein Auto nicht auf dem Parkplatz steht, dann wird diese Zeugenaussage Teil der aktuellen Beweislage und ich darf sie nicht ignorieren. Und nun kann ich die angesichts der Aussage meines Kollegens durchaus relevante Möglichkeit, dass mein Auto aus irgendeinem Grund nicht mehr auf dem Parkplatz steht, nicht mehr ausschließen, was bedeutet, dass ich nicht mehr weiß, dass es sich dort befindet.