Dazu meine Ursprungsthese: viewtopic.php?f=29&t=3340&start=100#p62584
Zappas Antwort: viewtopic.php?f=29&t=3340&start=100#p62585
Mein reichhaltiger Senf dazu:
Zappa hat geschrieben:Zu deinem Beispiel: In diesem Modell verdienen diejenigen am meisten, die es schaffen die besten Roboter herstellen zu lassen. Was ist falsch daran?
Falsch ist daran gar nichts, ich wollte das auch nicht von der normativen Seite her beleuchten. Es ist jedoch so, dass die Roboterherstellung, die sich ja auch selbst zusammenbauen, nur noch zu einem sehr kleinen Teil menschliches Zutun brauchen. Selbst bei der Konstruktion werden durch die weitere Erforschung selbstorganisierender Systeme und irgendwann vielleicht durch die Entwicklung echter künstlicher Intelligenz immer weniger Ingenieure und Forscher gebraucht werden, auch wenn der Bedarf in den nächsten Jahren sicherlich erstmal noch sehr kräftig anziehen wird. Selbst wenn aber die Konstruktion komplett in Menschenhand bleibt, macht das nur einen kleinen zahlenmäßigen Anteil der heutigen Belegschaften aus und das bei steigenden Bevölkerungszahlen. Wenn Arbeitslosenraten von 70-80% erreicht sind, weil Produktion und viele Dienstleistungen von Robotern und Computern übernommen wurden, dann wird schon aus Gründen der Humanität und der Stabilität der Gesellschaft eine gigantische Umverteilung der Gewinne stattfinden müssen.
Zappa hat geschrieben:Und: Falls wirklich die die Produktionsanlagen vergesellschaftet werden, werden die Roboter auf Dauer grottenschlecht werden (s. DDR Computer); falls die Produktionsmittel nicht weltweit gleichgeschaltet werden können, wird sich diese Gesellschaft selber den Teppich unter den Füßen wegziehen, da andere Gesellschaftsformen rasch mit besseren Robotern den Markt überrollen. Es sei denn man baut Handelsschranken und Mauern, das alles hatten wir ja schon ...
Vergesellschaftung muss nicht Abschaffen des Wettbewerbs heißen. Das schöne an einer Roboterfabrik, die schlecht ist, ist, dass man sie schließen und abreißen kann, ohne dass es hässliche Großdemos und ähnliche Begleiterscheinungen gibt, die Anwohner werden sich eher noch freuen, dass der hässliche Betonklotz verschwindet.
Unter den Roboterfirmen kann ja weiterhin Wettbewerb herrschen und diejenigen, die für sie arbeiten, dürfen gerne auch mehr Geld erhalten, als das Grundeinkommen, das die arbeitslose Mehrheit erhält. Man definiert eben, dass der Wert von, sagen wir mal, 90% der Landesproduktion (wenn es gerechter sein soll: der Weltproduktion) zu gleichen Teilen an die Bürger ausgeschüttet wird, aber natürlich in bar! Die Bürger werden mit diesem Geld weiterhin die besten Produkte kaufen und daher ist die Selektion der Roboter nach wie vor gegeben und es gehen Fabriken und Firmen, die schlecht wirtschaften, nach wie vor pleite. In dem Sinne ist Vergesellschaftung wohl das falsche Wort. Man sollte vielleicht eher von einer extrem hohen Steuer sprechen, die eben dadurch gerechtfertigt ist, dass nach Abzug der Betriebskosten für die wenigen Angestellten eines Unternehmens riesige Gewinne zur Verteilung übrigblieben, was unverhältnismäßig wäre.
Zappa hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: ... es könnte aber durchaus sein, dass die Menschheit mehr und mehr von den Erträgen lebt, die die Maschinen automatisch produzieren und sich weitestgehend in virtuelle Welten zurückzieht.
Diese Vision erschreckt mich und ist im übrigen ganz und gar Antimarxistisch: Die Arbeit ist halt ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Selbstverständnis. Wenn alle Leute nur noch verkonsumieren, was Roboter erwirtschaften, dann werden wir alle neurotisch, die Folgen dürften furchtbar sein ...
Ich kann diese Befürchtungen gut nachvollziehen, aber ich vermute, dass der Trend in diese Richtung gehen wird und dass er auch ganz andere Folgen haben wird, denn die Gesellschaft wird nicht herumlungern wollen, wie du richtig feststellst.
Mit der Automatisierung kommt hundertprozentig auch die Virtualisierung und die wird häufig grob unterschätzt. Schon allein der Raubbau an der Umwelt wird uns zum Rückzug in virtuelle Realitäten zwingen (mir ist bewusst, dass das eine steile These ist, für plausibel halte ich sie trotzdem). Es können einfach nicht Milliarden wohlhabender Erdenbürger ökologisch verträglichen Urlaub in der afrikanischen Savanne machen, das haut beim besten Willen nicht hin. Warum also nicht virtuelle Urlaube in virtuellen Realitäten machen? Und warum nur Urlaub, wenn "draußen" dank realer Arbeitslosigkeit sowieso nichts spannendes mehr passiert und "drinnen" dafür jeder beliebige Abenteuerspielplatz vom Star-Wars-Universum bis zur Wiederauferstehung des Mittelalters täuschend echt simulierbar ist? Auf Wunsch vielleicht gar mit temporärer Stilllegung bestimmter Erinnerungen, so dass man gar nicht weiß, dass man sich gerade in einer Illusion befindet. Das 3D-Kino, das gerade den Durchbruch erlebt zeigt wieder einmal das starke Bestreben des Menschen absolut glaubwürdige Illusionen zu schaffen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Leben, das ähnlich wie in der Matrix-Trilogie abläuft, im Jahr 2100 oder 2200 Normalität ist.
Ironischerweise kann dann, für alle die wollen, eine Welt, in der es "wieder" klassische Arbeit gibt, durchaus simuliert werden. In Onlinespielen wie World of Warcraft muss man heute schon Gold durch Produktion und/oder Dienstleistung verdienen und das ohne, dass man ein Rädchen in einer "entfremdeten" (Marxismus) Produktionskette ist, sondern mit ganz klassischen Arbeiten wie z.B. Schmied spielen. Ich denke, dass das durchaus die technologische Antwort auf das Problem schwindender Lebensräume und schwindender Arbeit sein könnte: Was wir in der Realität nicht mehr haben, simulieren wir halt. WoW, Second Life, 3D-Spiele und -Filme - Experimente gibt es ja durchaus schon zur Genüge.
Zappa hat geschrieben:Ich bin bei Dir, dass die Arbeit im klassischen Sinne, nämlich dem der Produktionsarbeit, immer weniger relevant wird. Dienstleistungen und soziale Arbeit behalten aber ihren Wert.
Meine Zukunftsvision bezog sich nicht auf das Jahr 2020 oder 2040 (wobei, wer weiß), eher auf das Jahr 2100. Langfristig ist aber die Frage, welche Dienstleistungen von Menschen nicht von Robotern oder virtuell zu ersetzen sind. Pflegeberufe? Wie gesagt, die ersten Pflegeroboter kommen. Reinigungskräfte? Kauf dir einen Putzroboter! Medizinische Versorgung? Operationsroboter und künstliche Bauchspeicheldrüse sind Beispiele für Automatisierung und werden langfristig auch weitgehend autonom arbeiten können. Sport als soziale Institution? Wii Sports markiert auch hier den Anfang virtueller Alternativen. Prostitution? Ja nun... auch die Sexroboter-Industrie macht ihre Fortschritte.
Die einzigen, für die mir bisher keine Beispiele fürAutomatisierung und Virtualisierung eingefallen sind, sind Psychotherapeuthen und Sozialpädagogen, aber da findet auch noch irgendjemand etwas praktikables, einfach mal "online" und "Therapie" bei Google eingeben, erste Anfänge gibt es auch hier. Mit steigender Rechenpower und ausgeklügelten Algorithmen werden irgendwann auch leichtere psychische Beschwerden von Maschinen behandelbar sein, auch wenn Pseudo-KIs wie Alice heute nur ziemlichen Blödsinn erzählen. Es geht mir auch nur darum, zu zeigen, dass die entsprechenden Bestrebungen und technischen Ansätze zur Automtisierung auch im Bereich der Dienstleistungen bereits vorhanden sind.
Fazit (noch zum alten Thread): Ich glaube, dass die Verurteilung "fauler" Arbeitsloser ein Luxusproblem ist, das uns in absehbarer Zeit abhanden kommen wird, denn in einigen Jahrzehnten wird ein gehöriger Teil der Industriestaatenbewohner zu denen gehören, die in dieser Situation stecken. Und allen Unkenrufen zum Trotz können wir recht sicher sein, dass die Zeiten von Vollbeschäftigung vorbei sind, insofern ist ein Herumhacken auf den Arbeitslosen sowieso sinnlos, es wäre eher zu überlegen, wie diese Leute trotzdem in die Gesellschaft eingebunden werden können.