xander1 hat geschrieben:ujmp hat geschrieben:Ich glaube, wenn wir das Ziel suchen, kommt eine Ideologie heraus
Der Naturalismus mit den Brights ist schon längst eine Ideologie, nur gibt das niemand zu, aber das ist das was ich denke. Ich müsste es nur noch beweisen können,was ich behaupte. Aber ich kann schon mal so viel sagen, dass eine Ideologie enstehen kann, auch wenn man das nicht will.
Was ist eine Ideologie eigentlich? Der Begriff bezeichnet zuallerersteinmal völlig wertneutral ein System von Ideen. So gesehen ist der Brightismus/Naturalismus eine Ideologie, weil er der Idee folgt, dass alle erfahrbaren Phänomene mit ausschließlich natürlichen (entspricht wissenschaftlichen) Mitteln erklärt werden kann.
Trotzdem ist aber nicht einfach jede Ideologie mit einer anderen gleichsetzbar. Der Naturalismus fordert nicht zum Glauben an Ideen auf, sondern zum logischen Nachprüfen. Er ist anpassungsfähig, d.h. er würde sogar seine eigene Abschaffung befürworten, wenn es dafür rationale Gründe gäbe. Er hält die vielfach beobachtbaren Erkenntnisse über Evolution hoch und nimmt sich selbst davon auch nicht aus, ist also wandlungs- und entwicklungsfähig. All das sind starre politische oder religiöse Ideologien nicht und hier liegt der grundlegende Unterschied.
xander1 hat geschrieben:Ich habe mit Absicht angekreuzt, dass Naturalismus keine Verbesserung erreicht. Jeder der glaubt, dass eine Anschauung, eine Ideologie, eine Weltanschauung, eine Religion, ein Gedankengut eine Verbesserung schafft, dem fehlt es an Intelligenz und philosophischen Verständnisses oder er will einfach nur blenden.
Die Aussage ist leider völlig wertlos, solange es keine Definition für "Verbesserung" gibt, anhand derer die Aussage überprüft werden kann.
xander1 hat geschrieben:Ein Gedankengut kann immer nur teilweise optimieren, aber alle Punkte können nie erreicht werden. Insofern schafft sich jede Art Gedankengut seine Vor- und Nachteile. Jede Art Gedankengut verändert die Welt, verbessert und verschlechtert sie und zwar gleichzeitig. Aber eine totale Verbesserung wird nie errreicht durch ein Gedankengut. Das Problem dabei ist, Verbesserung zu definieren, denn das ist nicht einfach. Das erweist sich teilweise als sehr sehr großes Problem.
Wie du schon selbst sagst, die Definition entscheidet hier über alles. Trotzdem eine Aussage zur Wirkung von Gedankengut: Jede Ideologie ist sowohl Ausdruck als auch Wunschbild seiner Zeit. Sie rezipiert zeitgenössische Ideen und Problemstellungen und malt sich ein Idealbild von der Welt aus. Ideologien werden umso problematischer und wertloser, je starrer sie Inhalte statt Denkweisen vertreten, weil ihre Ersteller nicht die Ressourcen zur hinreichenden Verarbeitung der komplexen Wirklichkeit haben und die Ideen umso schneller veralten, je detaillierter die Ideologie auf rein zeitgenössische Fragestellungen Bezug nimmt.
Ideologien sind, das geht jetzt ein bisschen analog zur Mem-Theorie, auch evolutionären Prozessen unterworfen. Der Naturalismus, der grundsätzlich durch kein natürliches Problem erschüttert werden kann, der Anpassung an neuartige Erkenntnisse genauso fördert wie deren kritische Hinterfragung, ist meiner Meinung nach wesentlich fitter als Religionen oder starre Ideologien wie Faschismus oder Kommunismus.
xander1 hat geschrieben:Die Motivation von Christen Christ zu sein mag unterschiedlich sein, aber Glaube kann auch rational begründet sein und muss nicht empirisch oder irrational sein. Christen sind oft keine schlechten Menschen.
Auch das hängt davon ab, was man als "schlecht" bezeichnet. Du argumentierst hier sehr aus deiner subjektiven Weltsicht heraus und vermutlich ist nach "Verbesserung" in einem holistischen Sinne auch nur aus so einer Perspektive zu fragen sinnvoll. Eine objektive Verbesserung kann es, soweit ich sehen kann, schon deshalb nicht geben, weil dem Universum Ideen "egal" sind. Es funktioniert einfach, Ideen, Ideologien und Gehirne als deren Träger sind einfach nur sich bewegende Teilchen, die sich in anderen sich bewegenden Teilchensystemen bewegen. Eine Letztbegründung für Normen ist nicht möglich, daher auch die Frage nach einer objektiven Verbesserung strenggenommen sinnlos. Man muss sich zuerst darauf einigen, was man "besser" findet, auf das Ziel also, und dann kann man darüber diskutieren, auf welchem Weg man dorthin am besten kommt.
Ich persönlich würde eine Welt jetzt mal als Schnellschuss als "gut" definieren, in der alle intelligenten und fühlenden Wesen, in erster Linie Menschen, bei einem Höchstmaß an Wissen über ihre eigene Situation ein Höchstmaß an Zufriedenheit erreichen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von unvorhergesehenen Schicksalsschlägen wie Krankheit, Tod oder Verrat ausgesetzt sind und das alles eine möglichst lange Zeit genießen.
xander1 hat geschrieben:ujmp hat geschrieben:Die moderne Medizin, die nur ein Beispiel ist, verdankt ihren Fortschritt einer methodischen Grundlage, nämlich von der Welt durch Beobachtung zu lernen, Hypothesen über Zusammenhänge aufzustellen und diese Hypothesen wieder durch Beobachtung zu überprüfen.
So etwas gibt es auch in fernöstlichen Philosophien, vielleicht weniger ideal wie in der Wissenschaft. Aber beweisen kann ich das jetzt schlecht. Zumindest gibt es da Naturbeobachtungen und Weisheits-Schlussfolgerungen daraus. Aber das ist zu lange her, dass ich das gelesen habe.
Wo wäre dann aber letztlich der grundlegende Unterschied zur Wissenschaft bzw. zum Naturalismus? Sofern der fernöstliche Philosoph keine übernatürlichen Kategorien einbringt, betreibt er, im Rahmen seiner Möglichkeiten, Wissenschaft.
xander1 hat geschrieben:Du vermischst Wissenschaft mit Naturalismus und meinst, dass das eine dem anderen besonders dienlich sei. In dem Zusammenhang wie du das beschreibst ist das wohl so, aber auch nur in diesem.
Ich sehe einen klaren Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Denken und Naturalismus. Dem Naturalismus ist die Wissenschaft in jedem Fall sehr dienlich, andersherum gilt das meiner Meinung nach ebenfalls. Wissenschaft und Übernatürliches gingen noch nie gut zusammen. Kannst du ein Gegenbeispiel bringen?
xander1 hat geschrieben:Er verbessert aber nicht nur die Welt. Ich bin der Überzeugung, dass Naturalismus auch wieder nur ein Glaube ist und von dieser Überzeugung werdet ihr mich auch nicht abbringen können. Naturalismus ist kein Wunderding.
Nicht böse sein, xander1, aber jetzt musste ich schon etwas grinsen. Formuliere ich deinen Satz etwas allgemein, kommt heraus "Ich glaube, dass ihr etwas glaubt und von diesem Glauben werdet ihr mich nicht abbringen können." Auf so einer Basis verkommt eine Diskussion zum unverbindlichen Meinungsaustasch. Wenn man einen Erkenntnisgewinn grundsätzlich ausschließt, muss man auch nicht darüber sprechen, finde ich, daher ist mir nicht mehr klar, mit welchem Ziel du diese Diskussion führen möchtest.
xander1 hat geschrieben:ujmp hat geschrieben:Ein Menschenopfer um den Donnergott zu besänftigen oder die Meteorologie? Frag einfach die Menschen selbst, worauf sie mehr vertrauen!
Auf diesem Niveau .....
Zusammenfassung SZ von diesem Wochenende, S.10, Artikel "Gottes Gletscher": Die Dörfer Fiesch und Fieschertal im Wallis haben im Jahr 1678 das Gelübde abgelegt "fortan tugendhaft zu leben und gegen das Wachstum des Aletschgeltschers zu beten [...] [sowie] 'sieben bemantelte Herren und 25 in weißen Landleinen gekleidete Vorbräute' in die Kirche im benachbarten Natern zu entsenden." 1862 entschlossen sie sich zu einer zusätzlichen Prozession, da die Gebete, welch Wunder, keine Wirkung gezeigt hatten und die Dörfer nach wie vor von schweren Überflutungen heimgesucht wurden. Nun, nach über 300 Jahren, sind die Gletscher wegen des Klimawandels zurückgegangen, der Ort fürchtet um seine Skipisten. Rationale Lösungen? Von wegen! Man will jetzt beim Papst ersuchen, das Gelübde abzuändern und es um eine Bitte gegen den Klimawandel ergänzen zu dürfen. Was soll man dazu noch sagen?