Wahlpflicht für alle?

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Beitragvon Max » Mo 7. Jan 2008, 17:17

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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Yelda » Mo 7. Jan 2008, 18:12

Erst mal mag ich schon die Überschrift: "Wahlpflicht für alle?" - hier möchte ich mal kurz ein anderes Thema anschneiden, dass man erst ab 18 Jahren wählen gehen darf und somit ein großer Teil der Bevölkerung ihr "Recht" an der Beteiligung ganz legal genommen wird und so vorne weg schon Demokratie eingegrenzt ist ... aber wie gesagt, dass ist ein anderes Thema

Aber jetzt zum Thema Wahlpflicht. Ich finde es ist keine Lösung Wahlpflicht einzuführen. Wenn Leute nicht wählen gehen, dann hat das zumal einen Grund, zu einem großen Teil ist es Desinteresse ein kleinerer Teil will wohl damit seine Kritik äußern ... bzw. keine Identifikationsmöglichkeit zu irgend einer Partei

Wenn in einem demokratischen Land immer weniger wählen und man so nur noch schwer von Demokratie sprechen kann ist das ein Grund zur Sorge ... die Lösung der Probleme ist wahrscheinlich aber nicht der Zwang zur Wahl sondern viel mehr die Aufklärung, warum Politik alle was angeht - der Zwang zur Wahl zu gehen muss aus der eigenen Erkenntnis erwachsen, erst dann macht man sich so viele Gedanken über eine Wahl, dass man sagen kann "Ja ich habe gewählt, weil ich der Meinung bin, dass ..."!

Ich möchte zumindest nicht, dass jemand einfach nur wählt, weil es seine Pflicht ist und diese Gefahr besteht durch aus.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Kurt » Mo 7. Jan 2008, 21:17

Yelda hat geschrieben:Wenn in einem demokratischen Land immer weniger wählen und man so nur noch schwer von Demokratie sprechen kann ist das ein Grund zur Sorge ...


Ich finde die Wahlbeteiligung bei uns eigentlich hoch genug. Das Motto "wenn man keine Ahnung hat - einfach mal die Fresse halten!" wird in der Politik ohnehin viel zu wenig wahrgenommen. Wir hätten vielleicht eine bessere Regierung, wenn nur die 10% der bestinformierten Bürger wählen gehen würden. Natürlich kann es keine Institution geben, die diese 10% bestimmt, sonst läge ja hier die ganze Macht. Aber ich glaube, dass tendenziell die besserinformierten zur Wahl gehen und die wenigerinformierten daheim bleiben. D.h. wenn man noch mehr Leute zum Wählen ermutigt, werden die zustandegekommenen Entscheidungen noch schlechter. Das Gegenargument wäre, dass gerade die Extremspinner ihre Lieblingspartei wählen gehen und die gemäßigten durch Nichtwählen Macht verlieren. Aber meine Erfahrung ist eher, dass für die großen Parteien genausoviele Schwachköppe stimmen. Man kann auch aus Ahnungslosigkeit oder Zufall das richtige tun. Also wenn jemand meint, er sei nicht ausreichend kompetent zum Wählen - von mir aus kann er dann gerne daheim bleiben.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Jan R. » Di 8. Jan 2008, 18:15

Yelda hat geschrieben:Erst mal mag ich schon die Überschrift: "Wahlpflicht für alle?" - hier möchte ich mal kurz ein anderes Thema anschneiden, dass man erst ab 18 Jahren wählen gehen darf und somit ein großer Teil der Bevölkerung ihr "Recht" an der Beteiligung ganz legal genommen wird und so vorne weg schon Demokratie eingegrenzt ist ... aber wie gesagt, dass ist ein anderes Thema


Also ich finde diese Einschränkung sehr sinnvoll, klar kenne ich viele die noch nicht 18 sind und die durchaus "richtig" wählen könnten und ihre eigene Meinung dazu haben, ich würde auch manchmal ganz gerne meine Meinung mit einbringen obwohl ich erst 17 bin. Doch leider gibt es genauso viele Idioten* in diesem Alter die mit ihren Meinung mehr Schaden anrichten würden, als dass es helfen würde oder einfach keine Meinung haben.
Vor allem, und das ist das wohl wichtigste Argument, sind Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren noch sehr viel stärker beinflussbar und würden daher leicht zu instrumentalisieren sein. ("Wenn du CDU wählst, gibts extra Taschengeld ...")

*Der Idiot (von grch. ἰδιότης (idiótes) «Privatperson» «Eigentümlichkeit», «Eigenart» [1]; war in der griechischen Antike ein Mensch, der Privates nicht von Öffentlichem trennte oder aber jemand, dem das Politische untersagt war.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Twilight » Di 8. Jan 2008, 19:00

Wahlpflicht halte ich für grundlegend falsch. Viele aus meinem Bekanntenkreis zum Beispiel gehen nicht wählen, weil es keine einzige Partei gibt mit der sie sich identifizieren können. Ich persönlich bin der Auffassung, dass eine Partei, die es über die 8%-Marke schafft, sich verändert. Der Idealismus geht flöten und die, die vorher noch Politik machen wollten, spielen plötzlich einfach in dieser Seifenoper namens "Bundestag" mit. Eine Wahlpflicht würde vielleicht das genaue Gegenteil dessen, was die Wahlpflichtbefürworter erreichen wollen, verursachen: Nämlich ein "So, das habt ihr jetzt davon!"-Protest-Ergebnis.

Kurt hat geschrieben:Das Motto "wenn man keine Ahnung hat - einfach mal die Fresse halten!" wird in der Politik ohnehin viel zu wenig wahrgenommen.

Wenn unsere Politiker so handeln würden, wäre es keine Demokratie mehr, sondern eine Epistokratie.
Man stelle sich vor: Politiker, die in der Lage sind, all ihre Entscheidungen rational zu begründen! Gesetzesmacher, die sich im Klaren über die Folgen sind! Sitzungen, nach deren Abschluss alle der selben Meinung sind, weil es nur eine beste Lösung gibt!
Ein Unding, oder? Anstatt von einer Horde Schafe, würden Entscheidungen vom Schäfer gefällt, der besser weiß, wo das Gras grüner ist, und der leckere Spitzwegerich wächst. *träum*
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Kurt » Di 8. Jan 2008, 20:44

Twilight hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Das Motto "wenn man keine Ahnung hat - einfach mal die Fresse halten!" wird in der Politik ohnehin viel zu wenig wahrgenommen.

Wenn unsere Politiker so handeln würden, wäre es keine Demokratie mehr, sondern eine Epistokratie.
Man stelle sich vor: Politiker, die in der Lage sind, all ihre Entscheidungen rational zu begründen! Gesetzesmacher, die sich im Klaren über die Folgen sind! Sitzungen, nach deren Abschluss alle der selben Meinung sind, weil es nur eine beste Lösung gibt!
Ein Unding, oder? Anstatt von einer Horde Schafe, würden Entscheidungen vom Schäfer gefällt, der besser weiß, wo das Gras grüner ist, und der leckere Spitzwegerich wächst. *träum*


Hehe, schöne Vorstellung. Tatsächlich ist die starke Einmischung der Unwissenden IMO der größte Schwachpunkt einer Demokratie. Leider kann es eine Epistokratie in deinem Sinne nicht geben, denn dazu müssten die Herrscher auch noch allwissend sein, nicht nur rational denkend. Und das Problem, wer die Herrscher einsetzen soll, ist noch nicht gelöst bzw. unlösbar. Ich denke, wir müssen uns mit der Demokratie anfreunden.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Twilight » Di 8. Jan 2008, 22:01

Allwissenheit gibt es nicht. Wird meiner Meinung nach, auch gar nicht benötigt. Ich will ja nur, dass jemand, der Regeln festlegt, Entscheidungen trifft und Abläufe reguliert, auch auf seinem Gebiet als Experte bezeichnet werden kann.
Was wäre wenn es eine deutschlandweite ... sagen wir mal "Olympiade des Geistes" gäbe. Medaillengewinner im Bereich Bildung (Vielleicht auch "Lehrer des Jahres") hätten dann - und nur dann - eine Chance auf den Posten des Bildungsministers, oder so. Es müssen ja nicht NUR Gold-Gewinner zugelassen sein, oder NUR die Treppchensieger der letzten Veranstaltung.
Man müsste auch nicht komplett auf Demokratie verzichten, wenn mehrere Elitekandidaten kandidieren. Besser als das, woraus wir jetzt wählen können, wäre es allemal.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 9. Jan 2008, 19:54

Twilight hat geschrieben:Wahlpflicht halte ich für grundlegend falsch.
Ich nicht unbedingt. s.u.
Twilight hat geschrieben:Viele aus meinem Bekanntenkreis zum Beispiel gehen nicht wählen, weil es keine einzige Partei gibt mit der sie sich identifizieren können.
Und? Ich wähle schon lange das kleinere Übel oder einfach "gegen" (und trotzdem eine etablierte Partei).

Wenn Wahlpflicht, dann müsste man z.B. auch "Nein"/"Keiner der Wahlvorschläge" oder ähnliches auswählen dürfen.
Übrigens war In Österreich (insbesonder z.B. Tirol) bis Anfang der 90er-Jahre Wahlpflicht. Viel anders als in Bayern hat man da auch nicht gewählt.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Twilight » Mi 9. Jan 2008, 22:53

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Ich wähle schon lange das kleinere Übel oder einfach "gegen" (und trotzdem eine etablierte Partei).

Das Problem ist, dass mein Empfinden (und auch das von einigen anderen) mir sagt: "Es gibt kein kleineres Übel! Das sind alles Heuchler, Clowns oder Spinner."
Sobald eine Partei anfängt, in die "Liga der Großen" aufzusteigen, verändert sie sich... aber das erwähnte ich bereits weiter oben. Schönes Beispiel: Die Grünen. Was machen die eigentlich noch? :skeptisch2:
Von daher sehe ich auch keine Gefahr aus der braunen Ecke. Mit knapp über fünf Prozent können die zwar in den Bundestag einreiten, aber das war's dann eigentlich auch schon. Wenn mehr Leute mitkriegen, was aus der oralen Kopföffnung eines Udo Voigts kommt, sind die wieder weg vom Fenster.
Die Politik hier ist ein Bilderbuch-Anwendungsbeispiel für das Eisverkäufer-am-Strand-Problem. Oder war es andersrum?
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 10. Jan 2008, 09:55

Sehe ich anders.
Es gibt kleinere Übel.
Es wäre z.B. eine Übelveringerung wenn Seilschaften abgelöst werden. Egal welche.
Es wäre also sicher nicht schlecht, egal ob auf kommunaler oder Landesebene, wenn seit Jahrzehnten an der Macht seiende Parteien "abgewählt" würden. Die Macht der C-Parteien (nur!) als Beispiel im Süden ist gewaltig. Es hilft inzwischen durchaus das richtige Parteibuch zu haben, wenn man was erreichen will. Dies ist in langjährigen Gebieten anderer Couleur aber auch nicht viel anders.

Und ich sehe durchaus Gefahr aus der braunen Ecke, denn die Leute sind nicht wirklich intelligenter als vor 75 Jahren. Und die Geschichte zeigt, man braucht keine Mehrheit.
Und wie schon früher mal geschrieben, der Anteil der wirklich Braunen an der Bevölkerung verändert sich nicht signifikant, egal ob eine NPD vorhanden ist oder nicht.
Braun wählen bedeutet nicht zwangsläufig braun sein, nicht braun wählen bedeutet nicht, kein braunes Gedankengut zu haben.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Jakob » Mo 14. Jan 2008, 16:11

Yelda hat geschrieben:hier möchte ich mal kurz ein anderes Thema anschneiden, dass man erst ab 18 Jahren wählen gehen darf und somit ein großer Teil der Bevölkerung ihr "Recht" an der Beteiligung ganz legal genommen wird und so vorne weg schon Demokratie eingegrenzt ist

Glaubst Du wirklich, ein Fünfjähriger hat schon die geistige Reife zu wählen? Oder sollen das dann seine Eltern für ihn entscheiden? Und welches Elternteil? Vater oder Mutter? Was macht man, wenn das Kind noch garnicht lesen kann? Einen Wahlzettel mit Piktogrammen?
Oder würdest Du das Wahlrecht doch altersmäßig begrenzen? Und wo?

Ich wäre für Wahlrecht und Volljährigkeit erst ab 21. (War ich schon mit 17 dafür.) Ist natürlich auch willkürlich festgelegt, aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß viele 28jährige sich dafür schämen, wie sie mit 18 gewählt haben. (War meistens zu radikal. Sowohl links als auch rechts.)

Beim Thema 'Wahl' hätte noch einen weiteren Vorschlag: Wie wäre es, wenn auf dem (selbstverständlich anonymen) Wahlzettel ein paar einfachste (!) Fragen zur politischen Bildung stehen. Ungefähr so wie: "Welcher Kandidat gehört zu welcher Partei? - Multiple Choice". Der Wahlzettel wird dann nur gewertet, wenn die Fragen mit einer vertretbaren Fehlerquote beantwortet wurden.
So bliebe das allgemeine und geheime Wahlrecht erhalten und trotzdem könnte man die dabei aussieben, die nicht mal wissen, was sie da eigentlich tun. Jemand, der denkt, die Merkel sei bei den Grünen und die NPD sei linksliberal, kann ja gar keine für eine Wahl erhebliche Meinung äußern. Durch die von mir vorgeschlagene Methode würden also nur Fehlerquellen beseitigt, die nicht einmal im Interesse des "Ausgesiebten" lägen.
Was haltet Ihr davon?
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 14. Jan 2008, 18:41

Jakob hat geschrieben:daß viele 28jährige sich dafür schämen, wie sie mit 18 gewählt haben. (War meistens zu radikal. Sowohl links als auch rechts.)
Ich nicht, war aber trotzdem falsch. Aber diese 180°-Wende hatte keiner voraussehen können.
Jakob hat geschrieben:Beim Thema 'Wahl' hätte noch einen weiteren Vorschlag: Wie wäre es, wenn auf dem (selbstverständlich anonymen) Wahlzettel ein paar einfachste (!) Fragen zur politischen Bildung stehen. Ungefähr so wie: "Welcher Kandidat gehört zu welcher Partei? - Multiple Choice". Der Wahlzettel wird dann nur gewertet, wenn die Fragen mit einer vertretbaren Fehlerquote beantwortet wurden.
Die Idee ist nett, der Gedanke dahinter gut, aber sowas wäre ideal um zu manipulieren, um missliebige Wählergruppen auszuschließen oder in Konflikte zu treiben.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Jakob » Mi 16. Jan 2008, 12:24

Tja, das ist der Unterschied zwische Theorie und Praxis. :ka:
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon HF******* » Mi 16. Jan 2008, 14:36

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, seine Meinung nicht kundtun zu müssen oder auch gar keine Meinung zu haben.

Etwas skurril die Ausgangsfrage, soll man die Leute dann mit Bußgeldern zur Wahl zwingen oder von der Polizei zur Wahlurne bringen lassen?
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Max » Mi 16. Jan 2008, 14:42

HFRudolph hat geschrieben:Das Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, seine Meinung nicht kundtun zu müssen oder auch gar keine Meinung zu haben.

Etwas skurril die Ausgangsfrage, soll man die Leute dann mit Bußgeldern zur Wahl zwingen oder von der Polizei zur Wahlurne bringen lassen?

In Australien zahlt jeder, der nicht zur Wahl geht, eine kleine Strafe.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Jakob » Mi 16. Jan 2008, 14:54

HFRudolph hat geschrieben:Das Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, seine Meinung nicht kundtun zu müssen oder auch gar keine Meinung zu haben.

Etwas skurril die Ausgangsfrage, soll man die Leute dann mit Bußgeldern zur Wahl zwingen oder von der Polizei zur Wahlurne bringen lassen?

Du vermischt hier Meinungsfreiheit und Wahlrecht. Aber im Prinzip stimme ich Dir zu.
Max hat geschrieben:In Australien zahlt jeder, der nicht zur Wahl geht, eine kleine Strafe.

Man kann ja hingehen und dann den - in geheimer Wahl ausgefüllten - Wahlzettel leer lassen oder durch lustige Karikaturen ungültig machen. Ein Freund von mir behauptet, er hätte einmal "Ihr seid alle scheiße!" draufgeschrieben.
Frage: Werden in Australien bei der Auswertung auch die ungültigen Stimmen angegeben? Wie viel Prozent machen die im Durchschnitt aus?
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 16. Jan 2008, 15:16

Wie schon erwähnt, gab es bis in die 80er-Jahre auch in Ösiland, insbesondere Tirol, eine Wahlpflicht. Also müsste man gar nicht "so weit fragen", nur ein paar Jahre zurück fragen. Theoretisch sollte es auch in Österreich statistische Bundes- und Landesämter geben. Und wie gesagt, gerade Tirol und Bayern wären (zumindest partiell) sich doch recht ähnlich und daher vergelichbar.
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon HF******* » Mi 16. Jan 2008, 17:01

Jakob schrieb:
… Du vermischt hier Meinungsfreiheit und Wahlrecht.…

Das hängt inhaltlich zusammen. Eine Wahlpflicht würde gegen Art. 5 GG verstoßen (speziell die negative Meinungsfreiheit), meiner Einschätzung nach sogar den Kernbereich dieses Grundrechts betreffen, so dass dies auch durch Gesetzesänderung zumindest in der Bundesrepublik unter der gegenwärtigen Besetzung des Bundesverfassungsgerichts nicht eingeführt werden könnte.

Es wäre auch gänzlich überflüssig, eine Person, die nicht wählen will, dorthin zu zwingen, damit die Person dann ein Häckchen bei Stimmenthaltung macht oder den Stimmzettel gleich ungültig ausfüllt.

@Jan R.: Bei der anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen dürfen übrigens auch 16-Jährige wählen, wenn ich mich nicht ganz täusche (oder betraf das nur die Kommunalwahlen?)
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon F.F.H. Fakt » Fr 18. Jan 2008, 14:13

HF Rudoplph,

welches Grundgesetz, welche Grundrechte? Was heute Recht ist,
ist es doch im Bedarfsfall soundso nicht. Darauf ist Verlass.
Auf alles andere doch weniger.

Wenn man Wahlrecht zur Pflicht erklären möchte, unter den gegebenen Umständen,
dann doch nicht, um der DiktaturDemokratie auf die Sprünge zu helfen,
die Jahr um Jahr die "Grundrechte" weiter und weiter aushebelt. Wahlpflicht setzt Demokratie voraus.
Demokratie ist Demokratie, ist Volksherrschaft. So wie es nicht ein bisschen schwanger gibt,
so gibt es auch keine Modifikationen von Demokratie. Jede Schubladenklassifikation
von Demokratie benennt in Wahrheit eine reale Form von Xenokratie, von Fremdherrrschaft.
Und die Wahl von Fremdherrschaften zur Pflicht zu machen, ist für diese gar keine so dumme Idee,
sondern nur gerissene Schläue: "Nur die Ochsen und die Kälber wählen ihre Metzger selber." (B. Brecht)

Das Wahlrecht ist kein Grundrecht, das den Menschen ihre Grundrechte zu sichern vermag.
Insofern ist es unter einer Xenokratie schnurz wurscht pipe, ob man an die Wahlurne befohlen,
getragen oder herangequatscht wird: Der gewählte Metzger erledigt nach seiner Wahl seine Pflicht,
solange die Ochsen und die Kälber nicht entscheiden können, ob, wann, wie, wer etc. geschlachtet wird.

Eine Wahlpflicht veränderte in keiner Weise irgendeinen Zustand. Aber sie würde verschleiern,
Bürgerpflicht vorgaukeln, wiederholt zu herdenhaft patriotischem Geheul und Zugriffsmaß anspornen,
Geschlossenheit anmahnen und zuletzt auch dazu nötigen. Alte Leitkultur, alte Lieder!

Gruß
F.F.H. Fakt
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Re: Wahlpflicht für alle?

Beitragvon Jakob » Fr 18. Jan 2008, 14:45

HFRudolph hat geschrieben:
Jakob schrieb:
… Du vermischt hier Meinungsfreiheit und Wahlrecht.…

Das hängt inhaltlich zusammen. Eine Wahlpflicht würde gegen Art. 5 GG verstoßen (speziell die negative Meinungsfreiheit), meiner Einschätzung nach sogar den Kernbereich dieses Grundrechts betreffen [...] Es wäre auch gänzlich überflüssig, eine Person, die nicht wählen will, dorthin zu zwingen, damit die Person dann ein Häckchen bei Stimmenthaltung macht oder den Stimmzettel gleich ungültig ausfüllt.

Ich glaube nicht, daß das zusammenhängt. Schließlich würde Dir eine Wahlpflicht Deine wie auch immer geartete (Nicht-)Meinung belassen. Du wärst immernoch frei, zu meinen, was Du willst. Das Grundrecht wäre somit nicht betroffen.

Allerdings könnte eine Wahlpflicht zumindest bei einem "Ungültig"-Wähler eine unnötige Belastung darstellen und deshalb verwaltungsrechtlich unzulässig sein. (vgl. Schikaneverbot im Zivilrecht)
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