Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Gast » Do 22. Nov 2007, 15:17

Oft wird der Vorwurf der Wissenschaftsgläubigkeit erhoben.
Das führt mich zu der Frage, was Wissenschaftsgläubigkeit eigentlich ist bzw. wie sie zu definieren ist.

Weiß jemand eine Antwort?

Mich interessiert es u.a., um diesem Vorwurf besser begegnen zu können.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Andreas Müller » Do 22. Nov 2007, 15:23

Das soll wohl Leute beschreiben, die den aktuellen Stand der Wissenschaft für die absolute, endgültige Wahrheit halten. Mir sind solche Leute allerdings nicht bekannt.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Ari » Do 22. Nov 2007, 16:09

Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftsorientierung

Im allgemeinen Sprachgebraucht wird dieser Begriff gern als Allzweckwaffe gegen alle benutzt die wissenschaftliche Argumentationen bevorzugen.

Das ist wohl der neuzeitliche Begriff für Ketzer....
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon El Schwalmo » Do 22. Nov 2007, 16:34

Andreas Müller hat geschrieben:Das soll wohl Leute beschreiben, die den aktuellen Stand der Wissenschaft für die absolute, endgültige Wahrheit halten. Mir sind solche Leute allerdings nicht bekannt.

es soll Leute geben, die meinen, dass man alle Fragen wissenschaftlich klären kann. Die würde ich dann eher als 'wissenschaftsgläubig' bezeichnen.

Vor allem, wenn sie alles, was prinzipiell nicht 'wissenschaftlich' (wobei man hier besser das Englische 'scientific' im Sinne von 'naturwissenschaftlich' verwenden sollte) klärbar ist, aus dem (rationalen) Diskurs ausschließen möchten. Vermutlich dreht sich dann alles um 'rational'.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Andreas Müller » Do 22. Nov 2007, 16:56

Das ist mir zu vage, auch wenn mal wieder klar ist, was du implizierst.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon El Schwalmo » Do 22. Nov 2007, 17:20

Andreas Müller hat geschrieben:Das ist mir zu vage, auch wenn mal wieder klar ist, was du implizierst.

gut, dass wir darüber geredet haben ...
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Marc » Fr 23. Nov 2007, 10:57

El Schwalmo hat geschrieben:
Andreas Müller hat geschrieben:Das soll wohl Leute beschreiben, die den aktuellen Stand der Wissenschaft für die absolute, endgültige Wahrheit halten. Mir sind solche Leute allerdings nicht bekannt.

es soll Leute geben, die meinen, dass man alle Fragen wissenschaftlich klären kann. Die würde ich dann eher als 'wissenschaftsgläubig' bezeichnen.

Vor allem, wenn sie alles, was prinzipiell nicht 'wissenschaftlich' (wobei man hier besser das Englische 'scientific' im Sinne von 'naturwissenschaftlich' verwenden sollte) klärbar ist, aus dem (rationalen) Diskurs ausschließen möchten. Vermutlich dreht sich dann alles um 'rational'.


Das ist der Punkt. Wissenschaft umfasst mehr als nur die Naturwissenschaft. Diese ist aber ausschliesslich dafür zuständig zu erklären, wie die Welt funktioniert. Für andere Fragen als die Funktion haben wir die Geisteswissenschaften, oder auch die Kunst, meinetwegen auch Tradition. Aber eine gesicherte Erkenntnis ist meines Erachtens nur aus der Naturwissenschaft möglich. Alle anderen Fachrichtungen unterliegen dem Zeitgeist.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Gast » So 25. Nov 2007, 13:17

Marc hat geschrieben:Das ist der Punkt. Wissenschaft umfasst mehr als nur die Naturwissenschaft. Diese ist aber ausschliesslich dafür zuständig zu erklären, wie die Welt funktioniert. Für andere Fragen als die Funktion haben wir die Geisteswissenschaften, oder auch die Kunst, meinetwegen auch Tradition. Aber eine gesicherte Erkenntnis ist meines Erachtens nur aus der Naturwissenschaft möglich. Alle anderen Fachrichtungen unterliegen dem Zeitgeist.

Also führt Philosophie nicht zu Erkenntnis?
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon JustFrank » Mo 26. Nov 2007, 13:27

Hat man tatsächliche Fragen schon einmal anders als wissenschaftlich tatsächlich beantwortet?
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon v.a.n. » Mo 26. Nov 2007, 15:20

so, nun hab ich hier mal registriert.
Ich hatte diesen Thread erstellt.

JustFrank hat geschrieben:Hat man tatsächliche Fragen schon einmal anders als wissenschaftlich tatsächlich beantwortet?

bezieht sich das auf die Frage, ob Philosophie zu Erkenntnis führt?
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon LinuxBug » Mo 26. Nov 2007, 15:43

Natürlich kann man auch zu Erkenntnis gelangen durch Philosophie, allerdings nicht zu gesicherter Erkenntnis (sofern dies überhaupt möglich ist) =)
So kann ich mit Hilfe von Philosophie zu der "Erkenntnis" kommen, dass jegliche Wahrheit relativ ist. Aber gesichert ist diese Erkenntnis nicht (wie sollte sie auch?)
Ich könnte aber auch zu der Erkenntnis kommen, dass es eine Wahrheit gibt und wir uns stetig mit jedem erkannten Irrtum an die Wahrheit annähern.

Welche von den beiden jetzt objektiv absolut wahr ist, kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, aber ich tendiere eher zum Fallibilismus (es ist IMHO galanter, zu sagen, dass man durch Fehler wächst, als ein Relativitätsdogma zu verteidigen) :^^:
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Mo 26. Nov 2007, 16:58

Gast hat geschrieben:Oft wird der Vorwurf der Wissenschaftsgläubigkeit erhoben.
Das führt mich zu der Frage, was Wissenschaftsgläubigkeit eigentlich ist bzw. wie sie zu definieren ist.


Der Szientist glaubt, dass die wissenschaftliche Methodik den objektivsten Weg zur Wahrheit ebnet, und dass es kein "höheres" Wissen als das wissenschaftliche gibt. Das heißt, was die Wissenschaft nicht weiß, weiß die Religion oder die Philosophie erst recht nicht—und falls die Religion oder die Philosophie es zufälligerweise wissen sollte, dann wüsste sie nicht, dass sie es weiß, was bedeutet, dass weder die Religion noch die Philosophie gerechtfertigterweise Wissensansprüche erheben können.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon taotne » Mo 26. Nov 2007, 18:41

Myron hat geschrieben:
Gast hat geschrieben:Oft wird der Vorwurf der Wissenschaftsgläubigkeit erhoben.
Das führt mich zu der Frage, was Wissenschaftsgläubigkeit eigentlich ist bzw. wie sie zu definieren ist.


Der Szientist glaubt, dass die wissenschaftliche Methodik den objektivsten Weg zur Wahrheit ebnet, und dass es kein "höheres" Wissen als das wissenschaftliche gibt. Das heißt, was die Wissenschaft nicht weiß, weiß die Religion oder die Philosophie erst recht nicht—und falls die Religion oder die Philosophie es zufälligerweise wissen sollte, dann wüsste sie nicht, dass sie es weiß, was bedeutet, dass weder die Religion noch die Philosophie gerechtfertigterweise Wissensansprüche erheben können.

Sind wir dann hier eigentlich alle Szientisten?

DIe Ausgrenzung von Philosophie an Wissenszuwachs ist in diesem Zusammenhang -finde ich- nicht ganz konsistent. Zumal Wissenschaft ja auch eine philosophische Position ist. Wissenschaft muss immer auf einer philosophischen Basis stehen, sonst ist es keine Wissenschaft.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Mo 26. Nov 2007, 18:59

taotne hat geschrieben:Sind wir dann hier eigentlich alle Szientisten?


Die meisten Naturalisten sind in folgendem Sinn szientistisch gesinnt:

viewtopic.php?f=5&t=1428#p22012
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon v.a.n. » Di 27. Nov 2007, 07:54

Myron hat geschrieben:
taotne hat geschrieben:Sind wir dann hier eigentlich alle Szientisten?


Die meisten Naturalisten sind in folgendem Sinn szientistisch gesinnt:

viewtopic.php?f=5&t=1428#p22012

Also sind alle Brights wissenschaftsgläubig.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon JustFrank » Di 27. Nov 2007, 10:03

Hi Leuts,

würfelt bitte zwei Dinge nicht durcheinander:

Es ist ein Unterschied, ob ich Dinge weiss, weil mir klar wie sie fuktionieren und wie das nachweisbar ist, oder ob ich etwas, dass ich weder hinterfragen, noch überprüfen kann (oder will) einfach glaube.

Die pauschale Ansicht, dass alle Brights 'wissenschaftsgläubig' seien, kann ich daher so nicht stehen lassen.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Di 27. Nov 2007, 12:38

v.a.n. hat geschrieben:Also sind alle Brights wissenschaftsgläubig.


Die meisten sind wissenschaftlich gesinnt, was aber nichts mit Blindgläubigkeit zu tun hat.
Das in die Wissenschaft gesetzte Vertrauen wird ganz handfest durch deren unbestreitbare theoretische und praktische Erfolge gerechtfertigt.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Klaus » Di 27. Nov 2007, 13:14

»Der Naturalismus wie er heute von analytischen Philosophen vertreten wird, ist immer mit einem durchgängigen Kritizismus verbunden. Nicht nur alle Wirklichkeitsaussagen, ebenso auch alle metatheoretischen, methodologischen und erkenntnistheoretischen Thesen und Behauptungen unterliegen der Kritik, können falsch sein und gegebenenfalls verbessert werden. Daher ist der Dogmatismusvorwurf gegen den Naturalismus gegenstandslos.«
(B. Kanitscheider)

Wer so kritisch an die Wissenschaften herangeht, wie in diesem Zitat beschrieben, ist wohl eher skeptisch, denn gläubig.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon v.a.n. » Di 27. Nov 2007, 13:17

taotne hat die Frage nach Wissenschaftsgläubigkeit mit Szientismus beantwortet.
Darauf gabs dann aber Widerspruch von anderen.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon taotne » Di 27. Nov 2007, 15:56

v.a.n. hat geschrieben:taotne hat die Frage nach Wissenschaftsgläubigkeit mit Szientismus beantwortet.
Darauf gabs dann aber Widerspruch von anderen.

Hä? Ich habe auf gar nichts geantwortet. Ich habe bloß eine Frage gestellt, weil die Definition von Szientismus die Myron geschrieben hat ziemlich gut auf das passt, was ich zuweilen vertrete.
Interessant, was da auf Wikipedia steht:
Szientismus (von lat. scientia = Wissen, Wissenschaft, auch Szientizismus, Scientismus) ist eine abwertende Bezeichnung für die Auffassung, dass naturwissenschaftliche Methoden in allen Wissenschaftsbereichen Anwendung finden sollten. Der Begriff „Szientismus“ bezeichnet dabei ein Verständnis dieser Methoden welches von einer positivistischen Auffassung ausgeht und wird daher oft mit einem Positivismus gleichgesetzt[1] bzw. als Bezeichnung für eine extreme Haltung des Positivismus benutzt[2]. Der Philosoph Daniel Dennett hingegen sieht im Vorwurf des Szientismus eine Immunisierung gegen naturwissenschaftliche Kritik.[3][4]

Nun ist die Frage welche Wissenschaft wir hier eigentlich bertreiben. Mit dem Positivismus habe ich mich -obwohl teilweise sympatisch- nie wirklich anfreunden können. Insofern ist die Frage, ob man hier von Szientismus reden kann. Zumal ich eigentlich Poppers Kritik teile(und ich denke das machen mehrere hier =) ):
Nach Popper liegt die Gefährlichkeit des Szientismus in seinem falschen Verständnis der naturwissenschaftlichen Methode.[6] Der Szientismus geht demnach davon aus, dass sich Naturwissenschaft durch den Gebrauch einer induktiven Methode auszeichnet und dass eine solche Methode entsprechend auch in anderen Bereichen angewendet werden muss. Nach Popper gibt es jedoch keine induktive Methode, und sie kann daher auch nicht die Methode der Naturwissenschaften sein. In seinem Kritischen Rationalismus vertritt er den Standpunkt, dass es durchaus richtig ist, von einer Einheitsmethode auszugehen, jedoch in Form eines Falsifikationsprinzips, das auf der aktiven Veränderung des Forschungsgegenstands im Experiment zwecks Lösung von Problemen basiert und nicht, wie in der szientistischen Vorstellung, in Form passiver Beobachtung.

Vorwurf des Szientismus/Wissenschaftsgläubigkeit also nicht zutreffend?
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