Praktische Ethik - "unschuldig"

Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon Max » Di 10. Apr 2007, 16:47

In seinem Buch Praktische Ethik spricht Peter Singer immer nur vom Mord an einem unschuldigem Wesen. Wieso verwendet er dieses Wort? Singer ist, so lassen seinen anderen Ansichten stark vermuten, gegen die Todesstrafe. Wenn er eine eventuelle Abneigung seitens Beffürwortern der Todesstrafe vermeiden will, warum stellt er dann seine Position nicht einfach dar? Warum spricht er das Thema in seinem Buch überhaupt nicht an?
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Re: Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon Nox » Di 10. Apr 2007, 16:55

Max hat geschrieben:In seinem Buch Praktische Ethik spricht Peter Singer immer nur vom Mord an einem unschuldigem Wesen.

Definiert er unschuldig?

Unter den im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiven Personen ist die Legitimität eines Mordes an Adolf Hitler lange diskutiert worden, ehe man sich in den Kreisen des bürgerlichen und militärischen Widerstands dazu entschloss, mehrere Versuche zu unternehmen, Hitler zu ermorden.

Der Tyrannenmord wurde nach 1945 im Allgemeinen als gerechtfertigtes Mittel der Nothilfe angesehen, weil davon ausgegangen wurde, dass dadurch das weitere Sterben in Konzentrationslagern, durch SS-, SA- oder Gestapo-Aktionen oder im Krieg schneller hätte beendet werden können. Eine Begründung allein aufgrund der enormen Grausamkeiten, die die Nationalsozialisten unter Hitler verübt hatten, und der Verheerungen, die der Zweite Weltkrieg bis dahin bereits mit sich gebracht hatte, wurde im Allgemeinen abgelehnt.
Wikipedia: Tyrannenmord

Wohl das beste Beispiel dafür, dass Mord (bzw. der Versuch) in manchem Fall ethisch richtig sein kann. Aber bei "schuldigen" ist es schwer abzugrenzen was wann wie gerechtfertigt ist. Wäre natürlich eine Herausforderung gewesen, dass vernünftig auseinander zu nehmen und zu formulieren - keine Ahnung warum Singer das nicht mal versucht hat.
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Re: Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon kolja74 » Sa 11. Aug 2007, 03:15

Man muss nicht die Todesstrafe befürworten, um die Tötung eines Menschen in bestimmten Ausnahmefällen für legitim zu halten, wie zum Beispiel in Notwehr oder Nothilfe. Vermutlich möchte Singer in der Diskussion um die Tötung von Menschen im Allgemeinen solche Spezialfälle ausschließen, darum schreibt er "unschuldig".

Warum er das nicht weiter vertieft? Weil er, wie er irgendwo am Anfang schreibt, vor allem Themen mit praktischer und alltäglicher Relevanz besprechen will, und das sind nun mal viel eher die Themen Abtreibung und Sterbehilfe.
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Re: Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon Kramer » So 12. Aug 2007, 01:02

Max hat geschrieben:Wenn er eine eventuelle Abneigung seitens Beffürwortern der Todesstrafe vermeiden will, warum stellt er dann seine Position nicht einfach dar?


Weiss ich nicht, aber ich habe sehr häufig erlebt, dass sich Todesstrafenbefürworter gerne auf Singer berufen. Der Utilitarismus ist gerade unter nichtgläubigen TS-Befürwortern recht beliebt. Dass Singers Präferenzutilitarismus da nicht ganz zu passt, spielt für die m.E. eine untergeordenete Rolle.
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Re: Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon kolja74 » So 12. Aug 2007, 02:52

Kramer hat geschrieben: Der Utilitarismus ist gerade unter nichtgläubigen TS-Befürwortern recht beliebt.

Hä, wie kriegen die das denn hin? Gerade utilitaristisch ist die Todesstrafe kaum zu begründen.
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Re: Praktische Ethik - "unschuldig"

Beitragvon Kival » So 12. Aug 2007, 12:10

Kramer hat geschrieben:Weiss ich nicht, aber ich habe sehr häufig erlebt, dass sich Todesstrafenbefürworter gerne auf Singer berufen.


Und ich habe sehr häufig erlebt, dass solche Leute Singer niemals gelesen haben. Wie soll sich mit Singer die Todesstrafe begründen lassen? Durch keinerlei Straftat würde eine Person ihren Status als bewusste Person verlieren - darf also nach Singer nicht getötet werden.
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Beitragvon Falk » So 12. Aug 2007, 17:46

Hä, wie kriegen die das denn hin? Gerade utilitaristisch ist die Todesstrafe kaum zu begründen.

Ist doch ganz einfach: Wenn man den bösen Mörder hinrichtet, ist ein Mensch tot, wenn man ihn leben läßt, bringt er bestimmt noch mindestens 10 weitere Menschen um. 1:10 - klare Sache!

Ich vermute, wenn man einfach davon absieht, sich näher mit dieser Frage und/oder dem Utilitarismus auseinanderzusetzen, dann sieht das recht einleuchtend aus.
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Beitragvon Kival » So 12. Aug 2007, 18:18

Falk hat geschrieben:
Hä, wie kriegen die das denn hin? Gerade utilitaristisch ist die Todesstrafe kaum zu begründen.

Ist doch ganz einfach: Wenn man den bösen Mörder hinrichtet, ist ein Mensch tot, wenn man ihn leben läßt, bringt er bestimmt noch mindestens 10 weitere Menschen um. 1:10 - klare Sache!

Ich vermute, wenn man einfach davon absieht, sich näher mit dieser Frage und/oder dem Utilitarismus auseinanderzusetzen, dann sieht das recht einleuchtend aus.


Ironie?
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Beitragvon Münchhausen » So 12. Aug 2007, 18:23

Der Roman Sternenkrieger von Robert A Heinlein ?

(Heinlein war Utilitarist und hat mit dem Buch heftige Kontroversen um die Demokratie, Rechtsprechung und Ausführung des Rechts hervorgerufen)
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Beitragvon HF******* » Mo 13. Aug 2007, 10:59

Max schrieb:
In seinem Buch Praktische Ethik spricht Peter Singer immer nur vom Mord an einem unschuldigem Wesen. Wieso verwendet er dieses Wort? Singer ist, so lassen seinen anderen Ansichten stark vermuten, gegen die Todesstrafe. Wenn er eine eventuelle Abneigung seitens Beffürwortern der Todesstrafe vermeiden will, warum stellt er dann seine Position nicht einfach dar? Warum spricht er das Thema in seinem Buch überhaupt nicht an?


Die Ausgangsfrage ist nicht ganz klar: Bezeichnet er die Todesstrafe selbst als Mord an einem unschuldigen Wesen?
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Beitragvon Falk » Mo 13. Aug 2007, 13:23

Ironie?

Nein, überhaupt nicht. Aber irgendwie hab' ich mir schon gedacht, daß der Beitrag mißverstanden werden würde. :mg: Ich sage bloß, daß das der Gedankengang vieler Todesstrafenbefürworter ist, und daß es, wie problematisch es auch sein mag, sehr leicht ist, diesen als utilitaristisch aufzufassen: "Also, Utilitadingsbums, Nutzen aufrechnen, 1:10, is' doch logisch, hängt ihn höher!"
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Beitragvon Kival » Mo 13. Aug 2007, 14:49

Falk hat geschrieben:
Ironie?

Nein, überhaupt nicht. Aber irgendwie hab' ich mir schon gedacht, daß der Beitrag mißverstanden werden würde. :mg: Ich sage bloß, daß das der Gedankengang vieler Todesstrafenbefürworter ist, und daß es, wie problematisch es auch sein mag, sehr leicht ist, diesen als utilitaristisch aufzufassen: "Also, Utilitadingsbums, Nutzen aufrechnen, 1:10, is' doch logisch, hängt ihn höher!"


Dummheit ist meistens leicht.

@Max

Ich such mal nach nen Beleg, dass Singer dagegen ist...
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Beitragvon Kival » Mo 13. Aug 2007, 14:56

Erster Fund: http://www.presseportal.de/pm/54588/571 ... erlag_gmbh

Peter Singer
nimmt den prominentesten Moralisten unserer Zeit in die
Verantwortung. Er befaßt sich mit den moralischen Aspekten von Bushs
Steuersenkungen, seiner Einstellung zur Todesstrafe und
Stammzellforschung, seiner Sozial- und Bildungspolitik, der Kriege in
Afghanistan und Irak. Er stellt Bushs Reden seinem Handeln gegenüber
und prüft verschiedene politische Maßnahmen auf ihre ethische
Vereinbarkeit.


Das dort genannte Buch kenne ich aber nicht...
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Beitragvon Max » Sa 25. Aug 2007, 20:21

Kival hat geschrieben:Ich such mal nach nen Beleg, dass Singer dagegen ist...

Das erscheint mir evident. Er ist ein berühmter Humanist und wurde vom australischen Humanistenverband sogar zum Humanisten des Jahres gekührt.
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Beitragvon ostfriese » So 26. Aug 2007, 11:03

Ich würde auch sagen: Die "Praktische Ethik" ist eine Anleitung für jedermann, da hat die Todesstrafe nicht viel verloren (wenn wir Lynchjustiz a priori ausschließen dürfen^^).

Noch kurz zur Klärung der Utilitarismus-Frage (Falk / Kival): Auf die Idee, die Anzahl von Menschenleben als Werte gegeneinander aufzurechnen, kann ein moderner (Präferenz-)Utilitarist gar nicht kommen, da für ihn das Menschenleben keinen Wert an sich darstellt.

Ob eine Tat gerechtfertigt ist, misst sich daran, welches Leid eine entsprechende Verhaltensregel auslösen oder verhindern würde. Und da schneidet die Todesstrafe generell so schlecht ab, dass sie nicht zu rechtfertigen ist.

Das Flugpersonal und seine Passagiere wären sicher auch ganz begeistert, wenn jede entführte Maschine prophylaktisch abgeschossen werden dürfte, weil irgendwer ausgerechnet hat, dass dabei im Schnitt weniger Opfer anfallen. Auf solche Ideen kommen keine Humanisten, auf solche Ideen kommen Christen wie Bush und Schäuble.
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Beitragvon Münchhausen » So 26. Aug 2007, 11:31

Das Flugpersonal und seine Passagiere wären sicher auch ganz begeistert, wenn jede entführte Maschine prophylaktisch abgeschossen werden dürfte, weil irgendwer ausgerechnet hat, dass dabei im Schnitt weniger Opfer anfallen. Auf solche Ideen kommen keine Humanisten, auf solche Ideen kommen Christen wie Bush und Schäuble.


Wird in Österreich gerade Diskuttiert weil wir ja jetzt die Eurofighter haben, so abwägig ist es dann doch nicht, wobei die zerstören Flugzeugteile mehr Schaden anrichten könnten als wenn das Flugzeug einfach nur in ein Hochhaus reinfliegt.

Noch kurz zur Klärung der Utilitarismus-Frage (Falk / Kival): Auf die Idee, die Anzahl von Menschenleben als Werte gegeneinander aufzurechnen, kann ein moderner (Präferenz-)Utilitarist gar nicht kommen, da für ihn das Menschenleben keinen Wert an sich darstellt.


Moderner Utilitarist, der ursprüngliche Utilitarismus bezieht sich aber auf diese Aufrechnung.
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Beitragvon taotne » So 26. Aug 2007, 12:03

Münchhausen hat geschrieben:Wird in Österreich gerade Diskuttiert weil wir ja jetzt die Eurofighter haben, so abwägig ist es dann doch nicht, wobei die zerstören Flugzeugteile mehr Schaden anrichten könnten als wenn das Flugzeug einfach nur in ein Hochhaus reinfliegt.
Echt? Hab das gar nicht mitbekommen. Aber bitte... Hochhaus in Österreich?? :lachtot: :lachtot: :lachtot:
Wegen den paar Zwergen in Wien machen die sich grad so große Sorgen?? :lachtot: :lachtot:
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Beitragvon Kival » So 26. Aug 2007, 16:59

Münchhausen hat geschrieben:
Noch kurz zur Klärung der Utilitarismus-Frage (Falk / Kival): Auf die Idee, die Anzahl von Menschenleben als Werte gegeneinander aufzurechnen, kann ein moderner (Präferenz-)Utilitarist gar nicht kommen, da für ihn das Menschenleben keinen Wert an sich darstellt.


Moderner Utilitarist, der ursprüngliche Utilitarismus bezieht sich aber auf diese Aufrechnung.


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Beitragvon Münchhausen » So 26. Aug 2007, 19:22

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Robert A Heinlein Sternenkrieger
Einer der berühmtesten Vertreter des Utilitarismus

Echt? Hab das gar nicht mitbekommen. Aber bitte... Hochhaus in Österreich??


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Beitragvon Kival » So 26. Aug 2007, 19:28

Münchhausen hat geschrieben:
Beleg bitte...


Robert A Heinlein Sternenkrieger
Einer der berühmtesten Vertreter des Utilitarismus


Der gehört nicht zu den klassischen/ursprünglichen Utiltaristen.
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