Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon [C]Arrowman » Do 2. Aug 2007, 13:53

Ich weiß was ich weiß, und das ist alles, was ich weiß!
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Beitragvon cptchaos » Do 2. Aug 2007, 14:26

Myron hat geschrieben:
cptchaos hat geschrieben:Hm, vielleicht kann man so ja, skeptisches und Religiöses Glauben auseinandernehmen.


Glaube ist nicht gleich Gläubigkeit als blinder, d.i. unbegründeter, ungerechtfertigter Glaube.
Der Glaubensbegriff allein besagt noch nichts darüber, ob und wenn inwieweit ein Glaube gerechtfertigt ist.


Ok, so kann man das natürlich auch trennen über Glaube und Gläubigkeit.
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Beitragvon Kival » Do 2. Aug 2007, 14:42

@Myron

Soweit bin ich mit Wittgenstein noch nicht, daher eine Frage: Von welchem Wissensbegriff geht er eigentlich aus?
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Beitragvon Myron » Do 2. Aug 2007, 16:34

[C]Arrowman hat geschrieben:Ich weiß was ich weiß, und das ist alles, was ich weiß!


In der epistemischen Logik gibt es das sogenannte Positive Introspektionsaxiom:

Kap -> KKap

"Wenn a weiß, dass p, dann weiß a, dass a weiß, dass p"

Dieses Axiom ist nicht ganz unumstritten, denn es setzt voraus, dass die Person a auf einer höheren Bewusstseinsebene über ihr eigenes Wissen Bescheid weiß, was bei Kindern zweifelhaft ist. Doch wir sind sicher nicht bereit, Kinder als Nichtswissende hinzustellen.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Do 2. Aug 2007, 17:43

Kival hat geschrieben:@Myron

Soweit bin ich mit Wittgenstein noch nicht, daher eine Frage: Von welchem Wissensbegriff geht er eigentlich aus?


In "Über Gewißheit" untersucht Wittgenstein Sätze in der Form "Ich weiß, daß p" (p steht für einen beliebigen propositionalen Gehalt), wobei ihn insbesondere solche Sätze interessieren, deren "Gewißheit" offensichtlich ist, zB "Ich weiß, daß das meine Hand ist" oder "Ich weiß, daß ich noch nie auf dem Mond war" oder "Ich weiß, daß in meinem Kopf ein Gehirn ist" usw. Wittgenstein geht dabei der Frage nach, woher die Gewißheit dieser Art von Sätzen kommt und lotet dabei naheliegenderweise auch die Reichweite und Sinnhaftigkeit des Zweifelns aus. Zu einem Ergebnis im Sinne einer zusammenfassenden Schlußfolgerung kommt er dabei nicht, was für seine Art des Denkens typisch ist, ... es sei denn, man betrachtet die Untersuchung als Ganzes als das Ergebnis. Das brillante Werk ist, wie auch seine "Philosophischen Untersuchungen" eine Denkbewegung, die von einem (anscheinend) beliebigen Punkt ausgeht und dann kreuz und quer durch unsere Sprache und deren zugrundeliegendes Begriffssystem wogt. Für das Verständnis von "Über Gewißheit" ist die Lektüre der "Philosophischen Untersuchungen" als Hintergrund sehr empfehlenswert, insbesondere wegen des Sprachspielbegriffs, den er dort, unter anderem, entwickelt und der in "Über Gewißheit" eine zentrale Rolle spielt.
Wenn du für sprachphilosophische Probleme empfänglich bist und den Wittgenstein liest, wird er für den Rest deines Lebens (wie bei mir) ständig am Nachtkästchen liegen, andernfalls ist es ein ziemlich mühsames und trockenes Unterfangen, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Do 2. Aug 2007, 18:53

Für Myron.
Unsere Debatte hat einen Punkt erreicht, wo wir auf der Stelle treten. Offenbar beziehen wir unvereinbare Positionen. Deshalb möchte ich mich noch einmal dazu äußeren und mich dann besinnen, ob mir zugänglichere Formulierungen für meine Position einfallen.

Du zitierst dankenswerterweise Wittgenstein. Das Zitat spricht zwar keineswegs gegen deine Position, stützt aber meine durchaus.
Es gibt im selben Werk, das sich ja nicht explizit mit dem Problem des Glaubens beschäftigt, noch eine Reihe interessanter Überlegungen, die für die Herkunft meiner Position eine Rolle spielen. Einige davon lauten (du kennst sie ja):
"141 Wenn wir anfangen zu glauben, so nicht einen einzelnen Satz, sondern ein System von Sätzen..." (dh eine Sprache)
oder
"144 Das Kind lernt eine Menge Dinge glauben...."
oder
"160 Das Kind lernt, indem es dem Erwachsenen glaubt. Der Zweifel kommt nach dem Glauben." (zb der Zweifel an der Existenz Gottes, von der es im Religionsunterricht gehört und die es zunächst geglaubt hat. Der aufkommende Zweifel, welcher den Glauben voraussetzt, ist aber selber eine Form des Glaubens, nur umgekehrt. Wer zweifelt, könnte das auch so ausdrücken: ich glaube - (im Sinne einer Vermutung, (noch) nicht in Form einer Überzeugung) -, daß es nicht stimmt, was ich früher geglaubt habe.)

Noch eine Bemerkung zu
"Aber Du meinst vermutlich die Kenntnis des zweifellos existenten Gottesbegriffs und seiner Bedeutung"
Es ist zugegeben nur eine philosophische Haarspalterei, aber die Kenntnis des Gottesbegriffs bezieht sich auf seinen Sinn, nicht auf seine Bedeutung, denn da Gott nicht existiert, hat der Gottesbegriff eben keine Bedeutung. Ein real existierender Gott wäre seine Bedeutung. Aber ich weiß schon, daß "Sinn" und "Bedeutung" alltagssprachlich oft synonym verwendet werden.

und eine zu
"Nicht die Götter sind ein menschliches Geisteserzeugnis, sondern der Gottesbegriff bzw. die Gottesbegriffe."
Da wir uns, glaube ich, einig sind, daß Götter nicht existieren, können wir sowieso nur die Gottesbegriffe meinen. Wir können also "Gottesbegriff" durch "Gott" abkürzen.

und zu
"Wenn ich weiß, woran jemand nicht glaubt, dann weiß ich natürlich noch nichts darüber, woran die betreffende Person glaubt."
Doch, nämlich an das Gegenteil dessen, was er nicht glaubt. Glauben heißt ja Fürwahrhalten von "p", folglich nicht glauben Nichtfürwahrhalten von "p", also Fürwahrhalten von "nicht p"
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Beitragvon Myron » Do 2. Aug 2007, 21:03

Manfred Bibiza hat geschrieben:Für Myron.
Du zitierst dankenswerterweise Wittgenstein. Das Zitat spricht zwar keineswegs gegen deine Position, stützt aber meine durchaus.
Es gibt im selben Werk, das sich ja nicht explizit mit dem Problem des Glaubens beschäftigt, noch eine Reihe interessanter Überlegungen, die für die Herkunft meiner Position eine Rolle spielen. Einige davon lauten (du kennst sie ja):
"141 Wenn wir anfangen zu glauben, so nicht einen einzelnen Satz, sondern ein System von Sätzen..." (dh eine Sprache)
oder
"144 Das Kind lernt eine Menge Dinge glauben...."
oder
"160 Das Kind lernt, indem es dem Erwachsenen glaubt. Der Zweifel kommt nach dem Glauben." (zb der Zweifel an der Existenz Gottes, von der es im Religionsunterricht gehört und die es zunächst geglaubt hat. Der aufkommende Zweifel, welcher den Glauben voraussetzt, ist aber selber eine Form des Glaubens, nur umgekehrt. Wer zweifelt, könnte das auch so ausdrücken: ich glaube - (im Sinne einer Vermutung, (noch) nicht in Form einer Überzeugung) -, daß es nicht stimmt, was ich früher geglaubt habe.)


Darin spricht nichts gegen meine Äußerung, dass Glauben allgemein im Annehmen einer Aussage, eines Gedankens als wahr besteht.

Manfred Bibiza hat geschrieben:Noch eine Bemerkung zu
"Aber Du meinst vermutlich die Kenntnis des zweifellos existenten Gottesbegriffs und seiner Bedeutung"
Es ist zugegeben nur eine philosophische Haarspalterei, aber die Kenntnis des Gottesbegriffs bezieht sich auf seinen Sinn, nicht auf seine Bedeutung, denn da Gott nicht existiert, hat der Gottesbegriff eben keine Bedeutung. Ein real existierender Gott wäre seine Bedeutung. Aber ich weiß schon, daß "Sinn" und "Bedeutung" alltagssprachlich oft synonym verwendet werden.


Du verwendest offensichtlich die partiell obsolete Terminologie Freges (den ich übrigens sehr verehre).
Praktisch alle verwenden den Begriff Bedeutung heutzutage nicht im Sinne von Bezugsgegenstand (Referent), sondern im Sinne von Sinn.
Der Bezugsgegenstand des Gottesbegriffs ist die Eigenschaft, ein Gott zu sein.
Wenn ich den Sinn des Gottesbegriffs kenne, dann verstehe ich, worin Gottsein besteht.

Manfred Bibiza hat geschrieben:und eine zu
"Nicht die Götter sind ein menschliches Geisteserzeugnis, sondern der Gottesbegriff bzw. die Gottesbegriffe."
Da wir uns, glaube ich, einig sind, daß Götter nicht existieren, können wir sowieso nur die Gottesbegriffe meinen. Wir können also "Gottesbegriff" durch "Gott" abkürzen.


Wir dürfen statt "der Gottesbegriff" "der Begriff Gott" oder auch kurz <Gott>/"Gott"/Gott schreiben; aber was wir aus logischen Gründen nicht machen dürfen, ist den Gottesbegriff mit irgendeinem Gott gleichsetzen; denn ein Gott ist kein Begriff.

Manfred Bibiza hat geschrieben:und zu
"Wenn ich weiß, woran jemand nicht glaubt, dann weiß ich natürlich noch nichts darüber, woran die betreffende Person glaubt."
Doch, nämlich an das Gegenteil dessen, was er nicht glaubt. Glauben heißt ja Fürwahrhalten von "p", folglich nicht glauben Nichtfürwahrhalten von "p", also Fürwahrhalten von "nicht p"


Falsch, denn Du setzt unerlaubterweise "Nichtfürwahrhalten" mit "Fürfalschhalten" gleich.
Das Fürfalschhalten von "p" impliziert das Fürwahrhalten von "~p", aber nicht das Nichtfürwahrhalten von "p"!

Aus "x hält p nicht für wahr" folgt nicht "x hält ~p für wahr"; denn es kann ja sein, dass x p weder für wahr noch für falsch hält, das heißt, dass x weder p noch ~p für wahr hält.
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Beitragvon [C]Arrowman » Do 2. Aug 2007, 21:05

[C]Arrowman hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß was ich weiß, und das ist alles, was ich weiß!



In der epistemischen Logik gibt es das sogenannte Positive Introspektionsaxiom:

Kap -> KKap

"Wenn a weiß, dass p, dann weiß a, dass a weiß, dass p"

Dieses Axiom ist nicht ganz unumstritten, denn es setzt voraus, dass die Person a auf einer höheren Bewusstseinsebene über ihr eigenes Wissen Bescheid weiß, was bei Kindern zweifelhaft ist. Doch wir sind sicher nicht bereit, Kinder als Nichtswissende hinzustellen.


Darf ich darauf antworten wenn ich informatik studiert habe?
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Beitragvon Manfred Bibiza » Do 2. Aug 2007, 21:57

Myron hat geschrieben: Aus "x hält p nicht für wahr" folgt nicht "x hält ~p für wahr"; denn es kann ja sein, dass x p weder für wahr noch für falsch hält, das heißt, dass x weder p noch ~p für wahr hält.


"x hält p nicht für wahr". Das ist eine Feststellung. Wenn x p nicht für wahr hält, kann er nicht zugleich p weder für wahr noch für falsch halten.
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Beitragvon LinuxBug » Do 2. Aug 2007, 22:26

[C]Arrowman hat geschrieben:Darf ich darauf antworten wenn ich informatik studiert habe?

Du darfst sogar darauf antworten, wenn du gar nichts studiert hast :^^:

Manfred Bibiza hat geschrieben:"x hält p nicht für wahr". Das ist eine Feststellung. Wenn x p nicht für wahr hält, kann er nicht zugleich p weder für wahr noch für falsch halten.

Nun ja, es gibt ja auch mehrwertige Logik, also muss man etwas nicht für wahr oder falsch halten
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Beitragvon Myron » Do 2. Aug 2007, 23:07

Manfred Bibiza hat geschrieben:"x hält p nicht für wahr". Das ist eine Feststellung. Wenn x p nicht für wahr hält, kann er nicht zugleich p weder für wahr noch für falsch halten.


Wieso sollte man das nicht können?
Bitte beachte, "x hält p nicht für wahr" ist nicht äquivalent zu "x hält p für nichtwahr/unwahr".
Wir haben es hier wieder mit verschiedenen logischen "Angriffspunkten" der Negation zu tun:
In "x hält p nicht für wahr" wird das Fürwahrgehaltenwerden von p verneint, und in "x hält p für nichtwahr/unwahr" das Wahrsein von p.
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Beitragvon Myron » Do 2. Aug 2007, 23:10

LinuxBug hat geschrieben:
[C]Arrowman hat geschrieben:Darf ich darauf antworten wenn ich informatik studiert habe?

Du darfst sogar darauf antworten, wenn du gar nichts studiert hast :^^:


Ich habe zwar studiert, bin aber auch weder Mathematiker noch Informatiker.
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 01:16

Manfred Bibiza hat geschrieben:Wenn du für sprachphilosophische Probleme empfänglich bist und den Wittgenstein liest, wird er für den Rest deines Lebens (wie bei mir) ständig am Nachtkästchen liegen, andernfalls ist es ein ziemlich mühsames und trockenes Unterfangen, sich mit ihm auseinanderzusetzen.


Über Wittgenstein habe ich schon viel gelesen, von ihm ein paar Texte, die in einem Reader von Reclam über ihn zusammengefasst sind. Die Philosophischen Untersuchungen habe ich auch hier herumliegen, aber aus persönlichen Gründen habe ich sie noch nicht gelesen.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Fr 3. Aug 2007, 06:12

Für Myron
Es gibt wahrheitsfähige Aussagen (zB "Gestern war ich im Kino", "Der Gärtner ist der Mörder", " 12x12=144", usw.) und Aussagen, die nicht wahrheitsfähig sind ("Die Banane schmeckt ausgezeichnet", "Das Bildnis der Mona Lisa ist schön", "Hitler war ein guter Mensch" usw). Außerdem gibt es noch Aussagen, bei denen unklar ist, wie ihre Wahrheitsfähigkeit zu bewerten wäre, falls sie es sind (ironische, zweideutige Bemerkungen, und andere Äußerungen mit spezifischem, intentionalem Gehalt), die ich hier mal beiseite lasse.
Wahrheitsfähige Aussagen sind entweder wahr oder unwahr, ein Mittelding gibt es nicht, während es bei Aussagen, die nicht wahrheitsfähig sind, sinnlos ist, nach der Wahrheit überhaupt zu fragen. Wenn ich genügend Informationen über die Bedingungen einer wahrheitsfähigen Aussage habe, kann ich ein Urteil bilden und dieses kann nur "wahr" oder "falsch" lauten. (Dieses Urteil selbst kann natürlich seinerseits wahr oder falsch sein, wenn zB einer zu dem Urteil kommt "Gott existiert ist wahr").
Hinsichtlich einer wahrheitsfähigen Aussage kann ich nicht zu dem Urteil "weder wahr noch falsch" kommen. Es kann sein, daß ich über zu wenig Informationen verfüge, um zu einem Urteil zu kommen, dann sage ich "ich weiß es nicht". "Ich weiß es nicht" besagt aber etwas ganz anderes wie "ist weder wahr noch falsch". Wenn ich behaupte, gestern im Kino gewesen zu sein und du hast zu wenig Informationen, um mir glauben oder nichtglauben zu wollen, wirst du nicht sagen, es sei weder wahr noch unwahr, daß ich gestern im Kino gewesen bin. Desgleichen, wenn ich behaupte, der Gärtner sei der Mörder, usw.
Hinsichtlich einer nicht wahrheitsfähigen Aussage, kann ich mich auch im Zustand des Nichtwissens befinden, wenn ich zB noch nie eine Banane gegessen habe, das Bildnis der Mona Lisa nicht kenne oder von Hitler noch nie etwas gehört habe. Kenne ich diese Dinge aber, kann ich zwar die Behauptungen bestätigen oder verwerfen, weil mir die Banane schmeckt oder nicht schmeckt, mir die Mona Lisa gefällt oder nicht gefällt, ich Hitler auch für einen guten Menschen halte (weil ich ein Nazi bin) oder nicht (weil ich die Nazis verabscheue), kann aber darüber kein Urteil wahr oder falsch abgeben, sondern bin, was die Wahrheit betrifft, genötigt zu sagen "weder wahr noch falsch".
Ich bitte dich, mir Beispiele für Aussagen zu nennen, die ich (bei ausreichendem Informationsstand) "nicht für wahr halten" und gleichzeitig "weder für wahr noch für falsch halten" kann.
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Beitragvon Myron » Fr 3. Aug 2007, 13:02

Manfred Bibiza hat geschrieben:Für Myron
Es gibt wahrheitsfähige Aussagen (zB "Gestern war ich im Kino", "Der Gärtner ist der Mörder", " 12x12=144", usw.) und Aussagen, die nicht wahrheitsfähig sind ("Die Banane schmeckt ausgezeichnet", "Das Bildnis der Mona Lisa ist schön", "Hitler war ein guter Mensch" usw).


Entsprechend wird zwischen epistemisch objektiven und epistemisch subjektiven Urteilen unterschieden, wobei es Philosophen gibt, die als moralische Realisten auch die ethischen Urteile zu den epistemisch objektiven zählen.

Manfred Bibiza hat geschrieben:Wahrheitsfähige Aussagen sind entweder wahr oder unwahr, ein Mittelding gibt es nicht, während es bei Aussagen, die nicht wahrheitsfähig sind, sinnlos ist, nach der Wahrheit überhaupt zu fragen. Wenn ich genügend Informationen über die Bedingungen einer wahrheitsfähigen Aussage habe, kann ich ein Urteil bilden und dieses kann nur "wahr" oder "falsch" lauten.


Wenn genügend Informationen gegeben sind, dann ist in der Tat eine vernünftige positive oder negative Urteilsbildung möglich.

Manfred Bibiza hat geschrieben:Hinsichtlich einer wahrheitsfähigen Aussage kann ich nicht zu dem Urteil "weder wahr noch falsch" kommen.
Es kann sein, daß ich über zu wenig Informationen verfüge, um zu einem Urteil zu kommen, dann sage ich "ich weiß es nicht". "Ich weiß es nicht" besagt aber etwas ganz anderes wie "ist weder wahr noch falsch". Wenn ich behaupte, gestern im Kino gewesen zu sein und du hast zu wenig Informationen, um mir glauben oder nichtglauben zu wollen, wirst du nicht sagen, es sei weder wahr noch unwahr, daß ich gestern im Kino gewesen bin. Desgleichen, wenn ich behaupte, der Gärtner sei der Mörder, usw.


Wenn ich sage, dass ich eine Aussage A (aufgrund unzureichender Informationen) weder für wahr noch für falsch halte, dann sage ich damit natürlich nicht, dass ich glaube, dass A weder wahr noch falsch ist.

Manfred Bibiza hat geschrieben:
Hinsichtlich einer nicht wahrheitsfähigen Aussage, kann ich mich auch im Zustand des Nichtwissens befinden, wenn ich zB noch nie eine Banane gegessen habe, das Bildnis der Mona Lisa nicht kenne oder von Hitler noch nie etwas gehört habe. Kenne ich diese Dinge aber, kann ich zwar die Behauptungen bestätigen oder verwerfen, weil mir die Banane schmeckt oder nicht schmeckt, mir die Mona Lisa gefällt oder nicht gefällt, ich Hitler auch für einen guten Menschen halte (weil ich ein Nazi bin) oder nicht (weil ich die Nazis verabscheue), kann aber darüber kein Urteil wahr oder falsch abgeben, sondern bin, was die Wahrheit betrifft, genötigt zu sagen "weder wahr noch falsch".


Wenn man der Meinung ist, dass es keine ästhetischen oder ethischen Tatsachen gibt, dann sind alle ästhetischen oder ethischen Urteile zwangsläufig epistemisch subjektiv, d.h wahrheitswertslos.

"Das Wahre ist an sich wahr; nichts ist an sich schön." (Frege)

Manfred Bibiza hat geschrieben:Ich bitte dich, mir Beispiele für Aussagen zu nennen, die ich (bei ausreichendem Informationsstand) "nicht für wahr halten" und gleichzeitig "weder für wahr noch für falsch halten" kann.


Es geht immer noch und immer wieder um dieselbe Art von Unterschied:
"x hält p weder für wahr noch für falsch" <=> "x hält p nicht für wahr und auch nicht für falsch"
versus
"x hält p für weder wahr noch falsch" <=> "x hält p für nichtwahr und für nichtfalsch"

Im ersten Fall werden sowohl das Fürwahrgehaltenwerden als auch das Fürfalschgehaltenwerden von p verneint, und im zweiten Fall sowohl das Wahrsein als auch das Falschsein von p.

Wenn man sich bezüglich der Aussage A eines Urteiles enthält, d.h. wenn man A weder bejaht noch verneint, dann bedeutet dies keineswegs, dass man damit das aussagenlogische Grundgesetz A v ~A verneint.

Von allgemeiner Wichtigkeit ist die Einsicht, dass Glauben als Fürwahrhalten einer Aussage logisch unabhängig ist vom Wahrsein einer Aussage.
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Re: Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon Carlesius » Fr 3. Aug 2007, 17:44

Max hat geschrieben: ...auch nicht in der Mathematik. Selbst ein "Beweis" schafft keine Gewissheit.


Oh @Max!

hier hast du mich aber überascht.
Ich brauche unbedingt ein gutes Beispiel um alles was ich bis jetzt über Mathematik und ihre Geschichte gelernt habe neu zu überdenken.
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Re: Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 17:56

Carlesius hat geschrieben:
Max hat geschrieben: ...auch nicht in der Mathematik. Selbst ein "Beweis" schafft keine Gewissheit.


Oh @Max!

hier hast du mich aber überascht.
Ich brauche unbedingt ein gutes Beispiel um alles was ich bis jetzt über Mathematik und ihre Geschichte gelernt habe neu zu überdenken.


Mathemaik baut bekanntlich auf unbeweisbaren Axiomen auf, die zwar einleuchten mögen, aber dennoch keine Gewissheit garantieren. So nehmen wir das Beispiel der euklidischen Geometrie. Diese galt immer als absolut wahr, bis eine nicht-euklidische Geometrie entworfen wurde (widerspruchsfrei). Welche ist nun richtig? Um das zu prüfen ist wieder Empirie von Nöten, wo wieder Induktionsproblem und nicht-beweisbarkeit winken. Man kann zwar heute sagen, dass die nicht-euklidische Geometrie mächtiger ist und eine bessere Annäherung an die Realität darstellt als die euklidische, aber aus Erfahrung weiß man nun, das es letztlich nur ein Modell ist, das keinen Anspruch auf absolute Gültigkeit haben kann - es ist nicht gewiss.
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Re: Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon Carlesius » Fr 3. Aug 2007, 18:03

Kurt hat geschrieben:Mathematiker "wissen" oft intuitiv, dass ein Satz wahr ist, bevor sie den Beweis gefunden haben.


Nein Mathematiker in solche Fällen reden nicht von Wissen sondern von Vermutung.
Anders als in Natruwiessenschaften und ins bessonders Geistwissenschaften, die in Spanisch auch Inexakte-Wissenschaften genant werden, in der Mathematik die Stränge der Definitionen der Begiffe erlaub ganz pingelicht, sogar pedantisch wie ich jetzt grade tue, mit Gewissheit umzugehen.
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Re: Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon Carlesius » Fr 3. Aug 2007, 18:29

Kival hat geschrieben: euklidischen Geometrie. Diese galt immer als absolut wahr, bis eine nicht-euklidische Geometrie entworfen wurde (widerspruchsfrei). Welche ist nun richtig?


Zweifel ohne sind beide richtig!
Es geht nur ob das 5 Postulat einbezogen wird oder nicht.
Eine gans andere Frage is ob das Raum des Universum in den wir wohnen eine euklidische oder nicht eukliedische Metrik besitzt.

Das ist eine sehr banale Ebene um zu diskutieren.
Bei der Vollständige Induktion gibts nichts zu diskutieren, die Sache fängt erst interesant zu sein mit Türing und Gödel.
Ich dachte du hättes dich ernshaft mit Mathematik und ihre Geschichte auseinander gesetzt.

Wen wir ernst genohmen werden möchten in unsere Diskutionen über Got und die Welt, dan müssen wir versichten zu spekulieren in Bereichen wo wir uns mangelhaft auskennen.
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Re: Glauben, dass es keinen Gott gibt

Beitragvon Kival » Sa 4. Aug 2007, 03:53

Carlesius hat geschrieben:
Kival hat geschrieben: euklidischen Geometrie. Diese galt immer als absolut wahr, bis eine nicht-euklidische Geometrie entworfen wurde (widerspruchsfrei). Welche ist nun richtig?


Zweifel ohne sind beide richtig!


Aha und wie sollen zwei sich widersprechende Dinge gleichzeitig richtig sein? Du hast Recht, das ist eine

sehr banale Ebene um zu diskutieren


aber auch diese zeigt, dass es sehr problematisch ist, in der Mathematik von Richtigkeit oder Wahrheit zu sprechen.

Bei der Vollständige Induktion gibts nichts zu diskutieren


Wenn Voraussetzungen erfüllt sind, stimmt sie, aber damit geht es wiederum um ein Axiomensystem und die Axiome bleiben unbeweisbar.

die Sache fängt erst interesant zu sein mit Türing und Gödel.


Also schon bei Russel wird es interessant m. E...

Ich dachte du hättes dich ernshaft mit Mathematik und ihre Geschichte auseinander gesetzt.


Naja, es ist nicht mein Spezialgebiet, aber Gewissheit gibt es hier - wenn überhaupt nur in Axiomensystemen... das letztendlich auch noch der Gödel'sche Unvollständigkeitssatz eine Rolle spielt, ist richtig...

Wen wir ernst genohmen werden möchten in unsere Diskutionen über Got und die Welt, dan müssen wir versichten zu spekulieren in Bereichen wo wir uns mangelhaft auskennen.


Ich spekuliere nicht; sonst würde ich noch ganz andere Dinge nennen, die ich von Mathematikern gehört habe...
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