Substitut zur Religion

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Beitragvon Mark » Di 29. Mai 2007, 15:05

Könntet ihr möglichst tiefenpsychologisch beschreiben wie ihr für Euch die Funktion die bei anderen durch Religiösität erfüllt wird nachgebildet habt mit psychischen Konstrukten ?

Mit ist schon früh klar geworden daß eine Grundtendenz hin zur Religion immer noch fühlbar ist, auch wenn sie schon längst so schwach geworden ist daß sie niemals mehr Oberhand gewinnen können wird. Jedoch habe ich durch ganz gezielte Wahrnehmung dieses Gefühls auch konstruktivistisch versucht "den Bedarf" zu spezifizieren und diesen dann alternativ zu befriedigen. Könnt ihr ähnliches berichten ?

Strategen merken sicherlich gleich worauf ich hinaus will :^^:
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Beitragvon HF******* » Di 29. Mai 2007, 15:44

@Mark: Du willst uns auf den Arm nehmen?
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Beitragvon Mark » Di 29. Mai 2007, 16:08

HFRudolph hat geschrieben:@Mark: Du willst uns auf den Arm nehmen?


Wenn ich euch auf den Arm nehmen wollen würde dann würdet ihr das nicht merken...

Ist die Frage zu doof gestellt ?
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Beitragvon HF******* » Di 29. Mai 2007, 17:11

Mark schrieb:
Könntet ihr möglichst tiefenpsychologisch beschreiben wie ihr für Euch die Funktion die bei anderen durch Religiösität erfüllt wird nachgebildet habt mit psychischen Konstrukten ? …


Ok, die Antwort war etwas gemein von mir, vielleicht kann ja wirklich jemand etwas damit anfangen.
Eine „Grundtendenz zur Religion“ kann ich bei mir nicht feststellen.

Ich kann mich noch erinnern, dass mich früher beim Kindergottesdienst diese devoten Redewendungen und furchtbare moderne Jesusfiguren abgestoßen haben. Da wurde auch gebetet, das war auch ok: Irgendwer hat aufgesagt was man sich wünscht und alle haben die Hände gefaltet.

Dann sollten wir aber irgendwann auch einmal im Stillen beten und alle wurden aufgefordert, sich vorzustellen, dass man ganz persönlich zu der Gottheit betet. Das habe ich dann auch einen kurzen Moment gemacht: Mir war in dem Moment aber ganz klar, dass das nur von Menschen ausgedacht ist und dass es diese Gottheit nicht wirklich gibt. Jedenfalls habe ich mir das dann nicht weiter vorgestellt, weil ich das nicht gut fand, mir soetwas vorzustellen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir uns als Kinder so viele andere spannendere Dinge ausgedacht haben.

Immer wenn irgendwo vorgebetet wurde, habe ich mir Gedanken darum gemacht, ob das die Leute wirklich glauben. Erstaunlicherweise war es für mich immer ein Zeichen dafür, dass die Leute das nicht real geglaubt haben, wenn jemand beim Beten hochgesehen hat oder hochgeblinzelt hat. Es war in dieser Kirche immer üblich, dass die Leute mit gesenktem Kopf und halb geschlossenen Augen gebetet haben, wenn ich mich richtig erinnere. Eigentlich hat immer irgendwer hochgeblinzelt, aber es waren meistens die selben Leute.

Du meinst wahrscheinlich eher diejenigen, die richtig stark in die Sache involviert haben oder das tatsächlich für wahr gehalten haben, davon gibt es ja genügend. Vielleicht kann jemand etwas konstruktiveres beitragen?
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Beitragvon Sisyphos » Di 29. Mai 2007, 17:19

Ich kann dir das nicht beantworten. Ich fühlte noch nie einen Bedarf an Religiosität. Ich bin in der dritten Generation konfessionsfrei (DDR-Kind) und kam nie in Kontakt mit Religion. Ich hatte bis vor wenigen Jahren auch nie über die Religiosität von anderen nachgedacht. Es war für mich schlichtweg nicht relevant.
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Beitragvon Klaus » Di 29. Mai 2007, 17:32

ich hatte im Alter von 11 Jahren Gelbsucht, also diese übliche Geschichte, mangels eines Krankenhauses mit Quarantänestation, musste ich 8 Wochen in einem evangelischen Stifts-Hospital zubringen.
Mit der ersten Mahlzeit fing es an, ich war schon beim essen, als mir ein seltsames Gemurmel auffiel, es war das Gebet, von der Oberin und der anderen Kinder. Von dem Tag an hatte ich verloren. Eine Woche später fingen die Schwestern an meine Literatur zu sieben, und entsprechende Bücher auszusondern, mein Protest half nichts, ich sollte die Bibel und anderes religiöse Zeug lesen. Als Dank dafür habe ich denen erzählt, dass der erste Mensch bald auf dem Mond landen wird und die werden es noch erleben, die haben ein Kreuz über mir geschlagen, von ärztlicher Seite war alles in Ordnung, die Schwestern haben mich benachteiligt wo es nur ging, selbst Spielkarten wurden eingezogen, die waren Teufelszeug. Dort habe ich mich zur Kröte entwickelt, einen Ersatz für derartige religiöse Dinge brauchte ich nie, als ich entlassen wurde haben die bestimmt mehrere Vater-Unser gebetet als Dank.
Vllt ist ja Neugierde ein Ersatz für Religion, ich wollte immer alles Wissen, wie sieht eine Armbanduhr von innen aus, Radio, Wecker, alles sehr zum Leidwesen meiner Umwelt :lachtot:
Der absolute Terror brach aus, als man mir ein Mikroskop schenkte, ein richtig gutes Teil, am Anfang waren es Zwiebeln die ich mikroskopierte, dann Dünnschnitte von Fleisch, Herstellen von Trockenpräparaten usw. Wenn irgendwas bei uns gesucht wurde, war ich die erste Adresse die gefragt wurde. Religion habe ich nie kennengelernt, immer nur von anderen erlebt und gehört. Literatur hat bei uns immer eine große Rolle gespielt, meine Mutter als Bibliothekarin hat mich immer mit Neuerscheinungen versorgt. Aber nie ein Buch über Religion.
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Beitragvon Zeitbürger » Di 29. Mai 2007, 18:13

Vielleicht sind Überlegungen etwa der Art gemeint: http://www.daylightatheism.org/2006/11/ ... igion.html
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Beitragvon Andreas Müller » Di 29. Mai 2007, 18:25

Ich hatte noch nie eine Tendenz zur Religion, nichts dergleichen, nicht einmal ansatzweise.
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Beitragvon Kurt » Di 29. Mai 2007, 18:46

Zeitbürger hat geschrieben:Vielleicht sind Überlegungen etwa der Art gemeint: http://www.daylightatheism.org/2006/11/ ... igion.html


Yep, denke ich auch. Ich hab mich auch schon öfter gefragt, was die Menschen überhaupt in Religion und andere Pseudowissenschaften treibt. Es muss wohl was damit zu tun haben, dass der Mensch zu Wahrnehmungsverzerrungen neigt, wenn ihm die Realität nicht passt. Der eine fühlt sich ungerecht behandelt, der andere ist arm, der dritte hat Angst vor irgendwas. "Gottseidank" gibt es aber nach dem Tod die gerechte Strafe für alle Bösewichte und die Belohnung für die Guten. In einer Gemeinschaft bestärken sich die Gläubigen gegenseitig in ihren Ansichten, die ihnen Erleichterung, Genugtuung und Geborgenheit in der Gruppe geben. Eine andere Möglichkeit, Illusionen aufrechtzuerhalten, ist Alkoholismus.
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Beitragvon Kurt » Di 29. Mai 2007, 19:02

Noch ein Nachtrag: Es gibt in der Psychologie die sog. "Dissonanztheorie". Die beschreibt im Wesentlichen, dass der Mensch die Wahrnehmung verzerrt, wenn die Realität nicht passt. Ein kurzes Forschungsbeispiel aus dem Zimbardo:

Eine Gruppe von Versuchsteilnehmern musste eine stinklangweilige Aufgabe lösen und sollte anschließend weiteren Versuchsteilnehmern erklären, die Aufgabe sei lustig und interessant gewesen. Die Hälfte der "Lügner" bekam dafür einen Dollar, die andere 20$.

Einige Zeit nach diesem Experiment wurden die Lügner wieder befragt, ob die Aufgabe interessant gewesen sei. Diejenigen, die einen Dollar erhalten hatten, fanden die Aufgabe erstaunlicherweise im Nachhinein interessant, die mit 20$ nicht.

Die 20$-Lügner brauchten sich die Wahrheit nicht zurechtzubiegen, denn sie hatten ja für das Geld gelogen. Die 1$-Lügner kamen mit der Realität in Konflikt, denn für einen Dollar lügt man nicht. Daher wurde Wahrnehmung so verzerrt, dass das Weltbild wieder passte.

Fazit: Passt die Realität nicht, baut man in die Wahrnehmung entsprechende Filter ein, bis sie wieder passt. Bei kleinen Kindern kann man oft auch solches Trotzverhalten beobachten. Wenn das Kind etwas nicht kriegt, das es erst unbedingt haben wollte, dann "hätte es das ja eh nicht gewollt".
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Beitragvon Joe » Di 29. Mai 2007, 20:24

Die Frage ist, was ist Religiosität?

Die meisten verbinden mit Religiosität so Dinge wie Bibel, Kirche, Christentum oder Islam, weil es eben die in unserer Kultur dominierenden Formen von Religion sind. Ich denke aber, Religion hat ursprünglich nichts mit einem Buch oder mit festgeschriebenen Dogmen zu tun. Religion ist ein Gefühl, und zwar das Gefühl, jemandem zu vertauen oder sich auf etwas zu verlassen. Die Menschen hassen Unsicherheiten oder Unklarheiten. Das Gehirn interpretiert Unklarheiten oder auch Unsinn immer so, dass es einen individuellen Sinn ergibt. Ich bin mir sicher, wir alle geben uns tagtäglich unzähligen Illusionen hin, ohne dass uns dies bewusst ist.
Ich denke, Religion bedeutet einfach das Glauben an irgend etwas. Auch das Anhängen an Ideologien oder politischen Richtungen hat viel mit Religiosität zu tun. Ebenso, wenn man z.B. Fan eines bestimmten Fußballvereines ist. Wahrscheinlich ist meine Behauptung sehr gewagt, aber ich denke, bei diesen Dingen finden ähnliche Gehirnvorgänge statt, wie bei anderen Menschen beim überzeugten Kirchgang. So gesehen ist wohl jeder Mensch in irgeneiner Form "religiös".

Gefährlich wird die Sache nur, wenn das ganze Leben oder gar die Gesellschaft auf solchen Illusionen aufgebaut wird.
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Beitragvon Mark » Do 31. Mai 2007, 15:00

Kurt hat geschrieben:Noch ein Nachtrag: Es gibt in der Psychologie die sog. "Dissonanztheorie". Die beschreibt im Wesentlichen, dass der Mensch die Wahrnehmung verzerrt, wenn die Realität nicht passt. Ein kurzes Forschungsbeispiel aus dem Zimbardo:

Eine Gruppe von Versuchsteilnehmern musste eine stinklangweilige Aufgabe lösen und sollte anschließend weiteren Versuchsteilnehmern erklären, die Aufgabe sei lustig und interessant gewesen. Die Hälfte der "Lügner" bekam dafür einen Dollar, die andere 20$.

Einige Zeit nach diesem Experiment wurden die Lügner wieder befragt, ob die Aufgabe interessant gewesen sei. Diejenigen, die einen Dollar erhalten hatten, fanden die Aufgabe erstaunlicherweise im Nachhinein interessant, die mit 20$ nicht.

Die 20$-Lügner brauchten sich die Wahrheit nicht zurechtzubiegen, denn sie hatten ja für das Geld gelogen. Die 1$-Lügner kamen mit der Realität in Konflikt, denn für einen Dollar lügt man nicht. Daher wurde Wahrnehmung so verzerrt, dass das Weltbild wieder passte.

Fazit: Passt die Realität nicht, baut man in die Wahrnehmung entsprechende Filter ein, bis sie wieder passt. Bei kleinen Kindern kann man oft auch solches Trotzverhalten beobachten. Wenn das Kind etwas nicht kriegt, das es erst unbedingt haben wollte, dann "hätte es das ja eh nicht gewollt".


Danke für das ! das ist wirklich hochinteressant !!
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Beitragvon Peter Janotta » Do 31. Mai 2007, 17:33

Ich glaube hier werden Religiosität und Spiritualität verwechselt.
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Beitragvon lorenz » Fr 1. Jun 2007, 10:02

Kurt hat geschrieben:Die 20$-Lügner brauchten sich die Wahrheit nicht zurechtzubiegen, denn sie hatten ja für das Geld gelogen. Die 1$-Lügner kamen mit der Realität in Konflikt, denn für einen Dollar lügt man nicht. Daher wurde Wahrnehmung so verzerrt, dass das Weltbild wieder passte.

Jetzt erst gelesen. Klasse! Heißt das womöglich, dass Pfarrern noch am ehesten zu trauen ist, weil die ja für Geld lügen? (Aber man weiß ja nie, ob die nicht gerade wieder lügen.)
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Beitragvon Kurt » Fr 1. Jun 2007, 11:29

lorenz hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Die 20$-Lügner brauchten sich die Wahrheit nicht zurechtzubiegen, denn sie hatten ja für das Geld gelogen. Die 1$-Lügner kamen mit der Realität in Konflikt, denn für einen Dollar lügt man nicht. Daher wurde Wahrnehmung so verzerrt, dass das Weltbild wieder passte.

Jetzt erst gelesen. Klasse! Heißt das womöglich, dass Pfarrern noch am ehesten zu trauen ist, weil die ja für Geld lügen? (Aber man weiß ja nie, ob die nicht gerade wieder lügen.)


Nein, so würde ich es nicht auslegen. Ich denke eher, dass sich die Wahrnehmung und die Erinnerung der Pfarrer so ändert, dass sie sich tatsächlich einbilden, es gäbe Gott. Vielleicht glauben sie sogar, selbst mit ihm gesprochen zu haben. Das Lügen ist ja nichts bewusstes, die Leute geben ihren (verfälschten) Gedächtnisinhalt ja wahrheitsgetreu wieder. Ich frage mich, ob auf diese Weise Schizophrenie entsteht.
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Beitragvon Mark » Fr 1. Jun 2007, 13:44

Peter Janotta hat geschrieben:Ich glaube hier werden Religiosität und Spiritualität verwechselt.


Wie kann man nur eine Leberkässemmel mit einer Fleischkäsewecke verwechseln !!
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Beitragvon [C]Arrowman » Fr 1. Jun 2007, 13:48

Ich kann beides nicht ausstehen.
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Beitragvon HF******* » Fr 1. Jun 2007, 13:51

Der Brockhaus schreibt:
Spiritualität
die, Religion: die durch seinen Glauben grundgelegte und seine konkreten Lebensbedingungen ausgeformte geistig-geistliche Orientierung und Lebenspraxis eines Menschen.
© 2003 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG


Möglicherweise meinte Peter etwas anderes? =)
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Beitragvon Mark » Fr 1. Jun 2007, 13:52

HFRudolph hat geschrieben:
Der Brockhaus schreibt:
Spiritualität
die, Religion: die durch seinen Glauben grundgelegte und seine konkreten Lebensbedingungen ausgeformte geistig-geistliche Orientierung und Lebenspraxis eines Menschen.
© 2003 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG


Möglicherweise meinte Peter etwas anderes? =)


Wie ? Was ? Ja reden wir hier jetzt über Fleischprodukte oder etwa nicht ?
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Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 1. Jun 2007, 14:08

Magst du die Leberkassemmel mit Senf oder ohne?
Süßer Senf oder mittelscharfer?
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