Wir sind da immer noch nicht auf einem Nenner.
Es gibt kein kulturelles Gebot für Gruppensex und Vergewaltigungen und es muss auch nicht jeder zu Swingerpartys oder Pornos gucken.
Die Integration findet nicht dadurch statt, dass man dann doch mal an Swingerpartys teilnimmt, nur nicht zu oft und ansonsten brav und bieder bleibt, nur nicht zu sehr.
Die Integration ist eine die zwischen den Ohren stattfindet, aber wenn sie stattgefunden hat, auch Auswirkungen auf das Leben und das Sexualleben hat.
Es gibt diese Zuordnungen von „Schweinkram“ auf der einen Seite und dem was gut und richtig ist, auf der anderen, die sind in Deiner Birne so präsent wie in Darths oder in meiner, weil unsere gesamte Kultur davon durchzogen.
So entscheiden sich die einen mehr oder weniger bewusst für die eine Seite und schaffen es auch mit dem Partner nicht über katholischen Sex hinaus zukommen. Von vorne, unter der Decke und im Dunkeln, mit der Absicht im Hinterkopf Kinder zu zeugen. Nicht zu wild und laut, nicht zu verschwitzt, nicht von hinten, kein Analverkehr, kein Oralverkehr, keine Phantasien den anderen als Objekt der Lust zu gebrauchen, keine Phantasien sich zu zeigen oder den anderen zu entblößen, physisch, wie psychisch, bis zu dem Punkt wo Lust und Schmerz zusammenfließen. Technisch heißt der „Schweinkram“ präödipale Sexualität und gilt ausdrücklich als nicht pervers, krank oder schlecht.
Im Gegenteil ist das ein wunderbares Feld zu verschmelzen, Aggressionen auf gesunde Weise und spielerisch auszuleben und abzubauen.
Problematisch ist nur, wenn Sexualiät ausschließlich auf präödipale Vorläufer beschränkt bleibt, man zum normalen genitalen Verkehr unfähig wird, weil er nicht erregt und wenn immer mehr aggressive Elemente in die Sexualität eindringen.
Ein interessantes Feld zu dem es noch mehr zu sagen gäbe.
Die andere Seite sind diejenigen, die sich in Pornowelten, auf Swingerpartys tummeln, für die Sexualität immer eine (unbewusste) aggressive Machtkomponente hat und die Sexualität nutzen um andere zu beherrschen, statt mit ihnen gemeinsam neue Horizonte zu eröffnen. Oft sind diese Menschen betont liberal, „wissen“, dass sich doch in Wirklichkeit alles nur um Sex dreht, alle dass gleiche wollen und alles andere nur Getue ist, um am Ziel zu landen. Oft natürlich eine körperbetonte Welt, in der Schönheit und sexuelle Attraktivität das höchste Gut ist, in der es recht hedonistisch, unideologisch und vordergründig unverkrampft zugeht. Eifersucht ist offiziell kein Thema (inoffiziell ist einer der Partner meiste recht abhängig von dem anderen und macht mit, um den anderen nicht zu verlieren), man versteht sich, weil alle das gleiche Ziel haben und es muss ja keiner, der nicht will.
Ich habe letztens ein Interview mit einer Soziologin gehört, die in der Swingerszene recherchiert hat (und deren Forschung lustigerweise überaus gefragt war), offenbar gibt es einen Wandel in der Szene. Die geilen Schmierlappen, die sonst keinen abkriegen, gehören der Vergangenheit an, man ist diskret, gebildet, kultiviert, kaum einer drängt sich ins Kameralicht, vielleicht ein bisschen wie der junge Rechtsanwalt, der am Wochenende zum Hooligan wird. Inwieweit das veränderte Klientel, nun auch psychisch anders dasteht, weiß ich nicht. Was ich an Arbeiten über Swinger kenne, hört sich – entgegen der Selbstdarstellung – nicht so toll an, auch hier aus verschiedenen Gründen.
Die Herausforderung besteht darin, sich gemeinsam mit dem Partner in neue Welten zu begeben, wo nur noch die Regeln des Paars gelten, die wechselseitig respektiert werden, aber sich von den konventionellen Regeln entfernen, bzw. diese transzendieren. Diese Paare teilen gewissermaßen ein Geheimnis miteinander und man merkt ihnen das an. Das ruft einerseits Neid und Aggression in der konventionellen Gesellschaft hervor, anderseits gelten diese Paare auch als Vorbild, dass die „Revolution zu zweit“ doch gelingen kann. Man ist auf eigenartige Weise froh, wenn es irgendwann bei diesen Paaren auch nicht mehr so richtig funktioniert, man bietet größtes Verständnis auf, wenn sie wieder „normal“ werden, zur Besinnung kommen und sich einreihen und das Märchen bestätigen, dass man eine tiefe, umsorgende, auf Respekt aufbauende Beziehung niemals mit einer vereinen kann in der man sich sexuell erregend findet und versucht die Grenzen der konventionellen Erwartungen zu verschieben. Es geht hier weit mehr um das was in der Psyche geschieht, als um Kamasutra Turnübungen, aber es ist eine Entwertung der stabilen Zweierbeziehung, wenn man meint, die Steigerung der sexuellen Intensität sei nur zu erreichen, wenn man möglichst viele Sex-Partner hat, sei es zur gleichen Zeit oder nacheinander, eher scheint das Gegenteil richtig zu sein, auch wenn das sexuelle Ideal doch sehr hoch ist.
Das Problem ist, dass die Verteidigung der exklusiven Zweierbeziehung, zu der ich mich ideologisch bekennen würde, genau dann fade und kraftlos wird, wenn sie die sexuelle Komponente ausblendet, statt ihre Möglichkeiten zu betonen, dass lässt die Verlautbarungen im kirchlichen Gewandt, so neurotisch und bieder erscheinen, wie sie m.E. tatsächlich sind. Die Steigerung des sexuellen Intensität und ihre Präsenz auf einem hohen Niveau (mit all den normalen, natürlichen Schwankungen: alle Paare haben mal mehr, mal weniger Sex und empfinden ihn mal mehr, mal weniger beglückend) über eine lange Zeit, hört man nie als Argument für eine exklusive Zweierbeziehung, es kommt einem sogar so vor (und das liegt an der Integration der ödipalen Verbote in unser aller Über-Ich/Gewissen) als würden hier die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. In Wirklichkeit ist genau das eines der stärksten Argumente, leider weitgehend unbekannt. Das war jetzt mal echtes esoterisches Geheimwissen.
