gavagai hat geschrieben:??? Einerseits ist für dich der Fundamentalismus (= Fundament ohne Begründung) ein gemeinplatz; andrerseits ist er keine haltbare Position ??? Oder meinst du jetzt einen anderen Fundamenalismus (im Sinne von religiösen Dogmatismus)? Verwirrtostfriese hat geschrieben:Fundamentalismus ist keine haltbare Position, da sind wir uns wohl alle einig (ein Gebäude kracht eben, wenn das Fundament bröckelt).
Als Fundamentalisten vestehe ich Leute, die behaupten, es gäbe zuverlässige Letztbegründungen. Was ist daran missverständlich?
gavagai hat geschrieben:Wird wohl kaum jemand behaupten. Oder? Nenne Roß und Reiter!ostfriese hat geschrieben:Aber das heißt mitnichten, dass alle Argumente, mit denen ethische Regeln gerechtfertigt werden, gleich akzeptabel sind.
Du hast so getan als ob. Etwa mit dem Gotenbeispiel.
gavagai hat geschrieben:Die Analogie hinkt etwas, da ich zumindest naturwissenschaftliche Theorien an der Welt (empirisch) überprüfen und evtl. falsifizieren kann.ostfriese hat geschrieben:Ebenso wenig, wie alle wissenschaftlichen Theorien in gleicher Weise als wahr akzeptierbar sind.
Nein, genau genommen kann ich das eben nicht. Und deshalb hinkt auch der Vergleich nicht.
gavagai hat geschrieben:Meinst du den Anspruch? Nun, der kann ja universal sein (obwohl ich z.B. für meine Ethik, die z.B. Vegatarianismus einschliesst, keine Universalität beanspruche. Ist jetzt mein partikulärer Vegatarianismus keine Ethik oder gar verwerflich?)ostfriese hat geschrieben:Der Anspruch einer Ethik ist übrigens notwendig universell, sonst wäre es keine Ethik.
Einzelne moralische Positionen sind immer diskutabel, kritisierbar. Unter einer Ethik verstehe ich aber ein kohärentes moralisches System (Ethik bedeutet auch ganz schlicht "Moraltheorie", aber so verwende ich den Begriff hier nicht). Wenn für den Vegetarianismus gute Argumente sprechen, dann darf er durchaus allgemeine Gültigkeit beanspruchen, wie die ihn einschließende Ethik insgesamt. Es könnte allerdings sein, dass andere gute Argumente dagegen sprechen.
gavagai hat geschrieben:Was meinst du mit Fundament? Wieso soll das ein Irrtum von mir sein? Meine These war nur: Es gibt keine Tatsachen in der Natur, die ethische Aussagen wahr machen.ostfriese hat geschrieben: Schließlich besagt der ethische Standpunkt ja gerade, dass man das Gemeinwohl über Einzelinteressen stellt (vgl. Kants kategorischen Imperativ). Dieser Anspruch braucht kein Fundament, ebenso wenig, wie der universelle Gültigkeitsanspruch von Naturgesetzen eine Weltformel voraussetzt. Hier, gavagai, liegt Dein Haupt-Irrtum.
BTW: Jede unbegründete Behauptung (die zu weiteren Folgerungen dient) ist ein Fundament.
Nein. Argumente sind keine Fundamente. Sollte mir versehentlich der deutsche Terminus "Grund" passieren, bitte ich dies zu entschuldigen. Nehmen wir "reason", das hat mit "Fundament" nichts zu tun. Deine Skepsis gegenüber dem Gültigkeitsanspruch ethischer Regeln bezog sich ganz klar auf die Feststellung, dass es für sie kein sicheres Fundament geben kann. Ich aber sage: Ethische Geltungsansprüche haben mit der (Un-)Möglichkeit einer Grundlegung nichts zu tun.
gavagai hat geschrieben:Also doch ein Fundament = GRünde für eine ethische Position!ostfriese hat geschrieben:Gibt es Gründe, sich für den ethischen Standpunkt zu entscheiden? Ja!
Reasons, Argumente. Keine Gründe, kein Fundament. Die Verbildlichung logischen Schließens mit der Prämisse als Fundament ist willkürlich und (mindestens in diesem Fall) unzutreffend. Und beachte bitte den Unterschied zwischen "dem" ethischen Standpunkt als Fachbegriff und "einer" ethischen (Du meinst: moralischen) Position.
gavagai hat geschrieben:Dann nenn mal eine ethische Position und begründe sie mit Sachverhalten, die wir empirisch feststellen!ostfriese hat geschrieben:Und die folgen, dem "Naturalistischen Fehlschluss" zum Trotz, aus unseren Erfahrungen.
Nicht einzelne moralische Urteile folgen aus Erfahrungen, sondern reasons dafür, sich überhaupt ethische Fragen zu stellen. Wie gesagt: Nicht das Sollen folgt aus dem Sein, nur das Sollensollen. Dass wir (und andere Wesen) leiden können, wirft für die meisten denkenden Menschen die moralische Frage auf. Wenn auch nicht zwangsläufig. Man kann statt des sogenannten "ethischen Standpunkts" (vgl. Singer, Kant; nicht zu verwechseln mit einzelnen moralischen Urteilen) durchaus die sogenannte "amoralische Position" vertreten, dass überhaupt keine Handlung moralisch relevant ist.
gavagai hat geschrieben:Es bleibt dabei: Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung. Oder in deinen Worten: das Sein schreibt nicht vor, was wir sollen. Mehr behaupte ich (zunächst) nicht.
Das las sich weiter oben anders. In dem Punkt sind wir uns jedenfalls einig.
gavagai hat geschrieben:Die Kuh mag noch soviel Präferenz für Heu haben, daraus folgt nicht, dass wir ihr Heu geben sollen.
Der Mensch mag noch so sehr am Leben hängen, daraus folgt nicht, dass ich keinen ermorden soll.
Aber daraus folgt für viele, dass sie sich Gedanken darüber machen, ob man einer Kuh Heu geben oder Mitmenschen ermorden soll...