ujmp hat geschrieben:Wir werden wohl nicht darum herumkommen, dem Leben etwas zuzuschreiben, was man nicht so einfach mit Begriffen der Physik beschreiben kann: Willen. Die Neigung aktiv die eigene Situation zu verändern.
Der "Wille" ist Schopenhauers philosophische Interpretation des Phänomens Leben. Seine philosophischen Betrachtungen entstanden interessanterweise vor Darwins biologisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung der Arten und weit vor den heutigen Erkenntnissen der Hirnforschung. Dennoch muss man an Schopenhauers schönem Weltbild keine Abstriche machen. Ich finde ihn immer wieder grandios bestätigt - auch physikalisch! Denn den "Willen" kann ich auch physikalisch beschreiben!
Und zwar schlicht und einfach mit dem Prinzip von Anziehung und Abstoßung, das wir bis auf die Ebene der Elementarteilchen zurückführen können.
Philosophisch interpretieren könnte ich die Anziehungs- und Abstoßungskräfte mit der Neigung oder Abneigung eine Verbindung einzugehen - was ich wiederum als den "Willen" eines Teilchens bezeichnen kann.
Dieser "Wille" durchzieht und prägt die atomare, molekulare, biologische und letztendlich auch soziologische Welt. Unser ganzes Leben entwickelt sich in jedem Augenblick durch den Ausgleich von Anziehung und Abstoßung, Zuneigung und Abneigung, Liebe und Hass.
Nanna hat geschrieben:Dieses Prinzip bzw. diese Haltung (für die ich große Sympathien hege) ist jetzt aber von dir zugeschrieben. Die Evolution strebt nicht nach höherem Bewusstsein, selbst dann nicht, wenn die Vermutung zutreffen sollte, dass evolutionäre Systeme mit der Zeit grundsätzlich komplexer werden. Die Evolution ist ein Mechanismus, der es Organismen erlaubt, sich an eine verändernde Umwelt anzupassen, nicht mehr; es gibt kein Ziel. Wir können nicht aus der Tatsache, dass die Evolution bislang immer komplexere Systeme hervorgebracht hat, schließen, dass dies ein Zweck der Evolution sei oder auf irgendeinen zielhaften Endzustand gerichtet wäre. Vielleicht geht die Entwicklung irgendwann mal wieder in die andere Richtung, das ist der Evolution doch egal, und vielleicht werden die intelligenten Lebewesen dieser Zeit dann bescheidenes Schrumpfen als Lebensziel entdecken.
Der Punkt ist ganz einfach: Es gibt keine objektive Antwort auf den Lebenssinn, die muss jeder für sich entscheiden, flankiert von den gesellschaftlichen und philosophischen Konzepten, die dazu angeboten werden.
Das Ziel musst du dir nicht als Endpunkt mit einem Ergebnis vorstellen. Schon gar nicht, als Ziel, das an einem Anfang so festgelegt oder definiert wurde. Dennoch ist die Evolution ganz offensichtlich auf immer komplexere Lebensformen ausgerichtet, an deren "Zwischenziel" aktuell der Homo Sapiens steht. Der wichtigste Unterschied des Homo Sapiens zu den anderen Lebensformen ist seine intellektuelle Leistungsfähigkeit. Sein Vermögen, die Welt in symbolischen Informationen zu verstehen, zu beherrschen und nachzubauen (oder komplett zu zerstören, wenn er möchte).
Objektiv betrachtet erkennt sich die Evolution jetzt selbst - im Geist des Menschen. Das wichtigste Projekt, an dem Menschen zur Zeit arbeiten und in das die meiste Energie und Zeit investiert wird, ist die intellektuelle Vernetzung der Menschheit über das Internet. Es ist nur eine Frage weniger Jahre, bis 90% der Weltbevölkerung tatsächlichen oder potentiellen Zugang zu diesem Netz haben und ein paar Jahre mehr, bis es Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschine geben wird, die eine Echtzeitverbindung zur Gesamtheit aller verfügbaren Informationen herstellen können.
Ich erkenne hier durchaus eine sinnvolle Entwicklung, nämlich buchstäblich die Entwicklung von Sinn.