Theologischer Voluntarismus

Theologischer Voluntarismus

Beitragvon Myron » Di 12. Mai 2009, 15:28

Im Humanismus-Thread führe ich das folgende Zitat des englischen Philosophen A. C. Grayling an:

"For convenience I use the term 'humanists' to denote those whose ethical outlook is non-religiously based (...)."

(http://www.guardian.co.uk/commentisfree ... ndreligion)

Was Humanisten also ausmacht, ist, dass ihre ethische Einstellung nicht religiöser Natur ist.
Doch wovon genau grenzen sich die Humanisten eigentlich ab, wenn sie eine religionsbasierte Ethik ablehnen?
Hier kommt die Antwort: vom theologischen Voluntarismus aka Gottesbefehls-Ethik.

"There is a class of metaethical and normative views that commonly goes by the name ‘divine command theory.’ What all members of this class have in common is that they hold that what God wills is relevant to determining the moral status of some set of entities (acts, states of affairs, character traits, etc., or some combination of these). (...)
To be a theological voluntarist is to hold that entities of some kind have at least some of their moral statuses in virtue of certain acts of divine will. But some instances of this view are metaethical theses; some instances of it are normative theses."

———
"Es gibt eine Klasse meta-ethischer und normativer Ansichten, die üblicherweise als 'Gottesbefehls-Theorie' bezeichnet werden. Was alle Mitglieder dieser Klasse gemeinsam haben, ist die Auffassung, dass dasjenige, was Gott will, für die Bestimmung des moralischen Status einer bestimmten Menge von Entitäten (Handlungen, Sachverhalte, Charaktereigenschaften usw., oder eine bestimmte Kombination daraus) relevant ist. (...)
Ein theologischer Voluntarist sein heißt der Meinung sein, dass Entitäten einer bestimmten Art zumindest einen Teil ihrer moralischen Status kraft gewisser göttlicher Willensakte besitzen. Aber manche Fälle dieser Ansicht sind meta-ethische Thesen; und manche Fälle davon sind normative Thesen."
[© meine Übers.]

(Murphy, Mark. "Theological Voluntarism." 2008. In Stanford Encyclopedia of Philosophy.)

Es gibt allerdings eine kleine Komplikation:

"One does not have to be a theist in order to be a theological voluntarist. One can affirm normative theological voluntarism or metaethical theological voluntarism while failing to affirm theism; atheists and agnostics can be theological voluntarists of either stripe. With respect to normative theological voluntarism: one might claim that while it is true that any being that merits the title of ‘God’ merits obedience, we should not believe that there is such a being. (...) With respect to metaethical theological voluntarism: one might claim that, for example, the concept of obligation is ineliminably theistic, though there is no God; that God does not exist counts not against metaethical theological voluntarism but rather against the claim that the concept of obligation has application."
———
"Man muss kein Theist sein, um ein theologischer Voluntarist zu sein. Man kann den normativen theologischen Voluntarismus oder den meta-ethischen theologischen Voluntarismus bejahen, ohne den Theismus zu bejahen. Atheisten und Agnostiker können theologische Voluntaristen beiderlei Schlages sein. Was den normativen theologischen Voluntarismus anbelangt, so könnte man behaupten, dass obgleich es wahr sei, dass jedes den Titel 'Gott' verdienende Wesen Gehorsam verdiene, wir nicht glauben sollten, dass es solch ein Wesen gebe. (...) Was den meta-ethischen theologischen Voluntarismus anbelangt, so könnte man beispielsweise behaupten, dass der Begriff der Verpflichtung ein unabänderlich theistischer sei, obgleich es keinen Gott gebe. Dass Gott nicht existiere, spreche nicht gegen den meta-ethischen theologischen Voluntarismus, sondern vielmehr gegen die Behauptung, dass der Begriff der Verpflichtung eine Anwendung finde." [© meine Übers.]

(Quelle: siehe oben)

Nichtsdestotrotz ist es in aller Regel so, dass der theologische Voluntarismus und der Theismus Hand in Hand gehen, sodass wir über den obigen Punkt praktisch hinwegsehen können.


"Divine command theory. This is the view that moral value, principles and moral obligation are grounded in divine will. Systematic reflection on this view goes back at least as far as Plato's 'Euthyphro', and the central difficulty of the view remains much the same, that is, does God command what he commands because it is good (or right), or is the good (the right) what it is just because God commands it? In Western monotheistic traditions it is widely held that God's commands are the basis of moral requirements, and that God is morally perfect. However, the question of the relation between being commanded and being morally right remains problematic. Also, while divine command theory is an approach that clearly gives moral commands enormous authority, there is the further issue of whether moral requirements need to be sanctioned and supported in that way in order to be authoritative for human beings. Why could we not be able to ascertain what is right, and be motivated to do it, just on the basis of our own reason and understanding? Moreover, what is the relation between our moral understanding and revelation? Are there elements of morality that could not be grasped by unaided reason? Even though divine command involves a supernatural being and its will, it can still be seen as a version of moral objectivism because of the status of moral principles. That is, they are objectively right because they are grounded in God's will. Of course, critics of theism will argue that the theistic basis of the approach is a reason for denying that it is a form of objectivism."
———
"Gottesbefehls-Theorie. Dies ist die Ansicht, dass moralische Werte, Grundsätze und Verpflichtungen im göttlichen Willen gründen. Systematisches Nachdenken über diese Ansicht geht [geschichtlich] mindestens so weit zurück wie Platons 'Euthyphron', und die zentrale Schwierigkeit der Ansicht ist im Wesentlichen die gleiche geblieben, das heißt: Befiehlt Gott, was er befiehlt, weil es gut (oder richtig) ist, oder ist das Gute (das Richtige), was es ist, weil Gott es befiehlt? In den westlichen monotheistischen Traditionen wird gemeinhin die Auffassung vertreten, dass Gottes Befehle die Grundlage moralischer Anforderungen bilden, und dass Gott moralisch vollkommen ist. Die Frage nach der Beziehung zwischen Befohlenwerden und moralischem Richtigsein bleibt jedoch problematisch. Und während die Gottesbefehls-Theorie ein Ansatz ist, der moralischen Befehlen eindeutig enorme Autorität verleiht, stellt sich des Weiteren die Frage, ob moralische Anforderungen auf jene Weise sanktioniert und untermauert werden müssen, um für die Menschen autoritativ zu sein. Warum könnten wir nicht imstande sein, allein anhand unserer Vernunft und unseres Intellekts herauszufinden, was richtig ist, und motiviert sein, uns danach zu richten? Außerdem, in welcher Beziehung stehen unser moralischer Intellekt und Offenbarungen? Gibt es Elemente der Moral, die die Vernunft nicht ohne fremde Hilfe erfassen könnte? Obwohl göttliche Befehle ein übernatürliches Wesen und dessen Willen voraussetzen, kann sie [die Gottesbefehls-Theorie] wegen des Status moralischer Prinzipien dennoch als eine Version des moralischen Objektivismus angesehen werden. Das heißt, diese sind objektiv richtig, weil sie im Willen Gottes gründen. Natürlich werden die Kritiker des Theismus argumentieren, dass die theistische Basis des Ansatzes ein Grund sei zu bestreiten, dass es sich um eine Form von Objektivismus handelt."
[© meine Übers.]

(Jacobs, Jonathan A. Ethics A-Z. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2005. pp. 35-6)
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 12. Mai 2009, 17:32

Was willst du uns damit sagen? Willst du uns kundtun, dass du einen neuen Begriff bei jemandem entdeckt hast?

Kurze Anmerkung zu diesem willkürlich umrissenen, wohl wirklichtkeitsfernen Begriff: es ist der neuren westlichen, moralischen Tradition anzusehen, dass die moralischen Grundsätze des Christentums erhalten geblieben sind; allerdings ohne dem chrisltich-kirchlichen Dogma darin, wonach es einem nun einmal denn allerletzen und größten, vor allem persönlichen Vorteil einbringt, moralisch gut zu handeln (demnach, das Seelen-Heil.)
Jetzt will man ohne das christlich-kirchliche Dogma die selben moralischen Sätze zu rechtfertigen versuchen - in diesem Fall heißt das, man nimmt dem moralischen Handeln den perönlichen Vorteil, d.i. das Interesse an der Handlung und spricht nun mehr davon, dass man umso besser handle, um so weniger man dabei an sich selber denke.
Als es Christentum noch als Dogma gab, konnte man das Dogma ablehnen; man konnte an einen anderen Gott glauben oder an gar keinen Gott glauben und somit war die christliche Moral eben auch nur für die Christen die richtige und hatte keinen Anspruch auf die Allgemeingültigkeit.
Moral auf naturalistischer Basis ist viel dogmatischer als jeder GLaube der Welt es bisher war! Es wird nicht mehr dekretiert "mein Gesetz durch meinen Gott"; man ist nicht nur unmoralisch, ungläubig, böse und fremd, wenn man die als allumfassend gütlig bezeichneteten Grundsätze des moralischen Wesens des Menschen nicht befolgt; es wird einem nicht mit Hölle gedroht - nein, man wird auf Grundlage einer entchristlichten christlichen Moral zum U n m e n s c h e n gemacht! Man ist nicht mehr böse, sondern man ist geisteskrank; man ist nicht mehr unmoralisch, sondern un m e n s c h l i c h ! Und das widert mich so unheimlich an! Nichts ist unmenschlicher, unnatürlicher als nicht seinen Vorteil wollen! Was ist das denn überhaupt für eine widerweltliche Sache: seinen Vorteil wollen indem man auf seinen Vorteil verzichtet?
Es wird gerade so getan, als wüsste man nun, was endgültig und für alle mal moralisch sei - Zweifel an den Menschenrechten ist jetzt so sehr Sünde, wie es einst der Zweifel am allmächtigen Gott war; hier Zweifeln ist V e r b r e c h e n , auch wenn man nicht mehr den Flammen übergeben wird. Trotzdem wird man, wenn man hier an der Alleinrichtigkeit zweifelt, für verwirrt gehalten (Ketzer waren nicht schlecht, sondern schlicht nicht fähig, das Wort Gottes zu vernehmen), und man soll zum Geständnis gezwungen werden, dass der Zweifel an der Unbedingtheit der Menschenrechte f a l s c h ist (wie damals auch die Hexe gestehen musste, dass sie böse ist) - schließlich soll man geläutert werden, zur Einsicht kommen, "gut" werden, die Menschenrechte anerkennen; und auch im Mittelalter glaubte man, dass in den Flammen, der Ketzer oder die Hexe einer göttlichen Gerechtigkeit zuteil werden.
Christliche Praxis - ohne christlichen Glauben. Wenn man zweifelt, macht man sich nicht eines Verbrechens vor einer Autorität schuldig, die man nicht anerkennen muss, so wie man jeden Gott verleugnen kann; nein, macht sich des Verbrechens gegen die Menschlikeit schuldig - man macht sich gegen sich selber und sein Dasein als Mensch schuldig; man wird als Mensch verneint, indem man ein dermaßen seiner Grundlage entzogenenes Moralsystem verneint: und das finde ich falsch und ungerecht!
Zuletzt geändert von Jarl Gullkrølla am Di 12. Mai 2009, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon Myron » Di 12. Mai 2009, 17:45

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Was willst du uns damit sagen?


Wenn Du nicht selber draufkommst, kann ich Dir leider nicht helfen.
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon Aeternitas » Di 12. Mai 2009, 23:25

@ Jarl: Soweit Ich weiss bildet der Naturalismus keine normativen Sätze der Art wie du sie ihm vorhellst Jarl.

@Myron:
Myron hat geschrieben:Nichtsdestotrotz ist es in aller Regel so, dass der theologische Voluntarismus und der Theismus Hand in Hand gehen, sodass wir über den obigen Punkt praktisch hinwegsehen können.


Ich halte das schon für einen wichtigen Punkt, den es ist doch scheinbar immer der Fall das wenn irgendjemandem "bewiesen" wird das Gott existiert, dieser sofort macht was ihm angeblich befohlen wird.
Und dieses Verhalten würde ich bei fast allen A- und Antitheisten prognostizieren, die meisten würden wenn Gott sich ihnen für sie unwiderlegbar offenbart, ihm sich doch sofort hingeben. Was zumindest aus meiner Sicht absolut idiotisch ist, einem Wesen nur deshalb zu gehorchen weil es besonders Mächtig, in welchen Formen auch immer, ist. Dies scheint mir im übrigen auch ziemlich gefährlich zu sein.
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon stine » Mi 13. Mai 2009, 06:16

Aeternitas hat geschrieben:Was zumindest aus meiner Sicht absolut idiotisch ist, einem Wesen nur deshalb zu gehorchen weil es besonders Mächtig, in welchen Formen auch immer, ist. Dies scheint mir im übrigen auch ziemlich gefährlich zu sein.
Das Verhalten (Demut und Angst) ändert sich mit der Vorstellung von Gott, also mit der Weiterentwicklung der Menschen.

Wenn Gott bewiesen werden könnte, dann würde man auch früher oder später wissen, was er von uns möchte. Würde er als das mächtigste Wesen wollen, dass wir ehrfürchtig sind und seine Gesetze befolgen, dann wäre das erstmal noch nichts schlimmes. Würde er aber wollen, wie im AT, dass wir Lebendopfer erbringen, dann müsste man aus heutiger Sicht ihm mal die Meinung sagen! :mg:

LG stine
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 13. Mai 2009, 15:08

Außerdem führt das wieder auf den schon von Kierkegaard besprochene Problem des Gehorsams zurück, welches Sarte weniger mehrdeutig dann formulierte mit "Man kann nur seine Freiheit wollen.", da auch Abraham sich hätte fragen müssen:"Meint er wirklich mich damit? Wurde ich nich vllt verwechselt? Ist es nicht vllt Satan, und nicht Gott, der hier mit der Stimme gottes zu mir spricht? Woher kann ich wissen, dass es Gott ist, der mir befiehlt, und kein anderer?..." Ja, Kierkegaard hat sogar versucht, das erste Verbot der Welt (nicht vom Baum der Erkenntnis zu naschen) auf den Adam zurückzuführen; mit dem ersten Verbot, wurde erst die Freiheit in die Welt gesetzt - mit der Alternative ("Denn Freiheit des Willens heißt nichts anderes als dies: das es in einer Situation mindestens zwei Optionen des Handelns gibt.") auch nicht gehorchen zu können, kam es zur Freiheit: und somit zur Angst. Gehorsam gegen Gott oder andere, mächtige Autoritäten, ist demnach eine Folge der Angst, welche sich dadurch zur Tugend erheben will, indem die Verantwortung für die Tat vom Handelnden auf den Befehlenden übertragen werden, obwohl die Schuld für die Handlung einzig und allein beim Handelnden liegt, weil es immer eine Entscheidung ist, die man selber trifft - die Entschiedung für den Gehorsam gegen den göttlichen oder höchst autoritären Befehl ist die Verantwortung, welcher der Handelnde übernehmen muss. Uu sagen, ein Gott habe an des Menschen statt für jenen gewollt, ist ein bloßer Irrtum. Das gute an diesem Irrtum ist, dass er nicht reuig macht und somit den Täter einer grausamen Tat wenigstens zu einem einigermaßen schönen Anblick macht, welcher nicht allzu trübe stimmt, wie z.B. alte, verbitterte Frauen ihn oft bieten, welche nichts weiter mehr machen als Gift in die Welt versprühen.

Also anders gesprochen: es gibt heutzutage Forscher, die meinen, eine Sache behandelt zu haben, indem sie sie benannt und abgeheftet haben. Es mag eine nützliche Tätigkeit sein, aber über einen administrativen Wert geht sie nicht hinaus. (Ich spiele hier auf diesen Murphy an, für die, die es nicht erkannt haben.) Eine Enzyklopädie ist kein philosophisches, sondern ein philologisches Werk. Wenn also hier tatsächlich über eine "gottesbefehlstheorie" diskutiert werden soll, ist eine Loslösung von obigen Texten mehr als nötig.
Relevante Texte bietet die gesamte Ströumg des Existenzialismus.

Hier kommt es dann auch zu klugen Betrachtungen über Moral. Das Wesen des Gehorsams, egal, ob man gegen einen Gott oder gegen die Mehrhheit der Mitglieder der Gesellschaft, in der man lebt, oder gegen einen Führer oder gegen einen Vorgesetzten oder gegen einen abstrakten Begriff von Ethik sich gehorsam verhält; der Gehorsam, also, bleibt der selbe und ist f ü r s i c h schon eine erste moralische Handlung vor dem erfolgen der für Allewelt sichtbaren Handlung mit grober, also offenbarer Konsequenz.
Das ist das lustige an der Ethik derzeit: sie will sich eigentlich nur auf die Wirkungen für die Umwelt und nicht mehr auf die Motivation des Handelnden einlassen; und das obwohöl doch gerade die Physik die meisterhafte Disziplin ist, einen einfach erscheinenden Prozess als einen tausendfältigen, d.h wirklichkeitsnäheren, darzustellen; die Naturwissenschaften sind so hoch geachtet, aber bei der Moral und der Ethik denkt man immer reduktionistischer, als wäre die Sache eine viel einfachere als z.B. die Bewegung eines Körpers. Nu, was solls!
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon ostfriese » Mi 20. Mai 2009, 08:33

Myron hat geschrieben:Doch wovon genau grenzen sich die Humanisten eigentlich ab, wenn sie eine religionsbasierte Ethik ablehnen?
Hier kommt die Antwort: vom theologischen Voluntarismus aka Gottesbefehls-Ethik.

Ich habe den Thread gerade erst gefunden und finde diesen Punkt sehr beachtenswert. Wir müssen nicht einmal die Existenz von Göttern oder anderen übernatürlichen Wesen bestreiten, um ihren Willen für ethisch unmaßgeblich zu halten.

So lange uns Übernaturen nicht kraft ihrer Macht zwingen, unsere Werte und Normen an ihrem Willen auszurichten, haben wir keinen Anlass, dies auch nur zu erwägen.

stine hat geschrieben:Wenn Gott bewiesen werden könnte, dann würde man auch früher oder später wissen, was er von uns möchte.

Erstens ist das nicht zwangsläufig so, und zweitens müssten wir diesem Willen dann immer noch nicht folgen. Wie Du in Deinem folgenden Satz andeutest, wärst Du ja auch nicht bereit, jedem beliebigen göttlichen Gebot kritiklos zu gehorchen:

stine hat geschrieben:Würde er aber wollen, wie im AT, dass wir Lebendopfer erbringen, dann müsste man aus heutiger Sicht ihm mal die Meinung sagen! :mg:

Die Kriterien, nach denen Du entscheidest, welche Normen Du akzeptieren würdest, sind also andere als der Gotteswille selbst. Insofern grenzt Du Dich ethisch vom theologischen Voluntarismus ab, wie es auch die Humanisten tun.
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Re: Theologischer Voluntarismus

Beitragvon HF******* » Mi 20. Mai 2009, 10:40

@ostfriese: Sehr richtig, wenn wir nicht gezwungen werden würden, warum sollten wir dann unsere Normen danach ausrichten?

Stine hat geschrieben:… Würde er als das mächtigste Wesen wollen, dass wir ehrfürchtig sind und seine Gesetze befolgen, dann wäre das erstmal noch nichts schlimmes. …

Das wäre psychologisch behandlungsbedürftig, totale Anmaßung und respektlos uns gegenüber, würde ich sagen… Wollen könnte es dann ja vieles, wenn der Tag lang ist. Wenn es uns aber zwingen würde, dann wäre es ein Tyrann. Dann wäre Schluss mit Demokratie, Menschenrechten und insbesondere(!) Menschenwürde.

Ansonsten hätte ein solches Wesen jedenfalls kein Stück mehr Stimmrecht, als jeder Mensch auch - vorausgesetzt, das Wesen würde eingebürgert werden: Sonst hätte das Wesen gar nichts mitzureden, das ginge das Wesen gar nichts an, wie wir unsere Angelegenheiten regeln.
___________________________________________________________

Humanismus auf die Ablehnung der Gottesbefehls-Unethik zu reduzieren, greift wohl auch etwas kurz. Irgendwie ist doch im Humanismus enthalten, dass wir uns als

1.gleichberechtigte und
2.freie Menschen gegenüber treten, die in
3.möglichst objektiv gerechter Weise (also unabhängig von der Stellung der Person)

unsere Angelegenheiten regeln wollen (verdammt, jetzt habe ich es doch gesagt, steht aber ohnehin so ähnlich im Manifest des evolutionären Humanismus). Diese Herangehensweise beinhaltet, dass man keine Normen von irgendeiner Autorität ableiten kann, auch von keiner Gottheit.

Diese zunächst auf den Staat bezogene Herangehensweise lässt sich auch auf den zwischenmenschlichen Bereich übertragen. Darauf baut im Staat alles auf, inklusive Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechten, Sozialstaatsprinzip, Resozialisierungsstrafrecht u. s. w.

Humanismus in diesem Sinne halte ich für erstrebenswert, ein anzustrebendes Ideal. Was sich der Einzelne darunter vorstellt, geht dann politisch deutlich auseinander - und da beginnen die Probleme im propagandistischen Begriffsmissbrauch.
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