Die Neuen Atheisten

Die Neuen Atheisten

Beitragvon Max » Mi 21. Feb 2007, 14:51

http://hpd-online.de/node/1211

Hier ein deutscher Artikel über die Neuen Atheisten. Die Erstfassung des Artikels stammt von mir. Allerdings war er aufgrund meiner mangelnden Versiertheit in Sachen Journalismus noch stark verbesserungswürdig. Andreas schrieb das dann entsprechend um... Schon erstaunlich wie er sich verändert hat. ;-)

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Gott ist tot. Zumindest in Wissenschaft und Philosophie...


Jedoch gibt es noch immer viele Menschen, die meinen, dass sie Gott bräuchten. In Amerika sind dies laut einer aktuellen Gallup-Umfrage rund neun von zehn Bürgern. Diese glauben nicht etwa an eine "höhere Macht" oder an einen "universellen Weltgeist", wie es in Europa häufig der Fall ist. Nein, sie glauben an einen persönlichen Gott, meist an die biblische Version.

Kaum überraschend, dass vielen Wissenschaftlern und Philosophen dies herzlich wenig gefällt. Von diesen haben sich drei prominente Vertreter zusammengeschlossen: Evolutionsbiologe Richard Dawkins, Hirnforscher Sam Harris und Philosoph Daniel Dennett. Nicht vergessen sollte man auch den Zoologen und Punk-Rocker Greg Graffin, der schon weitaus früher die Religion offen kritisierte. Sie bilden die Bewegung der "Neuen Atheisten". Wir möchten Ihnen die Drei kurz vorstellen, die Interview-Auszüge übersetzen wir dabei ins Deutsche.

Tatsächlich ist etwas neu an diesen Atheisten, allerdings nicht an ihrem Unglauben, sondern an ihrer Herangehensweise: Sie teilen den gesellschaftlichen Konsens nicht, dass man Religion besonders respektieren müsse, mehr als andere Überzeugungen.




Richard Dawkins

Richard Dawkins, Autor des Bestsellers The God Delusion, drückt es in einem Interview mit Terrence McNally auf Alternet so aus:

"Wir werden beschuldigt, wütend oder intolerant zu sein, aber, wenn Sie sich einmal die Kritik ansehen, die eine politische Partei an der anderen übt... wenn Demokraten Republikaner kritisieren oder wenn Republikaner Demokraten kritisieren, dann sagt niemals jemand: 'Sie sind intolerant gegenüber Republikanern, oder wütend.' Es ist einfach ein normaler, aufrechter Streit."

Dawkins verwehrt sich nicht großartig gegen die Unterstellung, er sei ein Missionar, oder gegen die Behauptung, er führe einen Kreuzzug. Er möchte die Ansichten der Menschen ändern.

"Warum nicht leben und leben lassen? Warum nicht einfach sagen: 'Ach, na ja, wenn die Leute das glauben möchten, dann ist es auch gut.'? Natürlich hält niemand die Menschen davon ab, das zu glauben, was sie möchten. Das Problem besteht darin, dass von der anderen Seite nicht so viel Toleranz herkommt. Dinge wie die Ablehnung von Stammzellenforschung, von Abtreibung, von Verhütung - dies sind alles religiös inspirierte Verbote von Dingen, die andernfalls unter Handlungsfreiheit fielen, ob nun die von Wissenschaftlern oder von individuellen Menschen."

Religion ist also nicht nur falsch, sondern auch schädlich, vor allem im Falle des Fundamentalismus. Warum hat Dawkins jedoch auch mit moderaten Gläubigen ein Problem?

"I übernehme das überwiegend von Sam Harris. In seinen zwei hervorragenden Büchern Letter to a Christian Nation und The End of Faith betont er - und ich bin mit ihm überwiegend einer Meinung - dass die Mehrheit der religiösen Menschen wunderbar nette Menschen sind, die keine furchtbaren Dinge tun. Jedoch bereitet die moderate Religiosität den Weg für extremistische Religiosität, indem sie lehrt, dass religiöser Glaube eine Tugend ist, und indem sie die Immunität für Kritik hervorbringt, welche die Religion genießt."




Sam Harris

Sam Harris ist Dawkins Mitstreiter an vorderster Aufklärerfront. Im Gegensatz zum charakterlich doch eher friedlichen und hochgebildeten Dawkins, kommt Harris fast schon martialisch daher. Er bietet in seinen Büchern durchaus gute Argumente gegen irrationalen Glauben. Diese gehen jedoch eine unselige Verbindung mit einigen zweifelhaften Ansichten ein. In einem Gespräch mit John Gorenfeld auf Alternet gibt er seine Position zum Thema Folter zum Besten:

"'Wir wissen, dass [Folter] funktioniert. Sie hat funktioniert. Es ist einfach eine Lüge zu sagen, dass sie nie funktioniert hat', sagt er. 'Versehentlich ein paar unschuldige Leute foltern' sei halb so wild im Vergleich dazu, sie zu bombardieren, fährt er fort."

Harris Ansicht nach sind westliche Philosophen "Zwerge" im Vergleich zu Buddhisten. Er ist auch für Wiedergeburt offen. Außerdem sagte er: "[M]ystizismus ist ein rationales Unternehmen." Spiritualisten seien in der Lage "echte Fakten über die Welt zu enthüllen." Der Islam ist, so wie es aussieht, Harris größter Feind: "Einige Lehren sind so gefährlich, dass es sogar ethisch gerechtfertigt sein könnte, Leute zu töten, die an sie glauben."

John Gorenfeld ist selbst ein Atheist, wodurch seine Kritik an Harris glaubwürdiger wirkt. Man muss auf der anderen Seite sagen, dass Sam Harris manchmal ein wenig hitzköpfig ist und seine Positionen überzogen darstellt. In den meisten Diskussionen kommt er doch erheblich vernünftiger daher. Seine Stellungnahme zu Gorenfelds Artikel kann trotzdem nicht völlig überzeugen. Gorenfelds zumindest amüsantes Schlusswort zur Debatte lautet:

"Ein Schwindel-Atheist ist auf freiem Fuß

Falls es überzeugende Hinweise auf ewig lebende Seelen gibt, dann müsste dies das dringenste Forschungsthema sein, das man sich denken kann, da getötete 'Islamofaschisten' uns von ihrem Gräbern aus heimsuchen könnten, also verstehe ich seine Apathie nicht.

Warum bekommen die Briten den echten Atheisten, Richard Dawkins, während wir denjenigen bekommen, welcher auch als der Lord von Huckleberry Finn durchgehen könnte?"



Daniel Dennett

Ganz anders sieht es mit dem Philosophen Daniel Dennett aus. Er ist der älteste der drei Neuen Atheisten und erweckt sofort die Assoziation Alter Weiser Mann. Er sieht mit seinem langen weißen Bart fast schon so aus wie die kindliche Vorstellung des christlichen Gottes. In einem Interview redet er beigeistert davon, wie er Kirchenlieder singt. Er wüsste jedoch nicht, warum die wissenschaftliche Erklärung der Wirkung dieser Lieder auf unsere Psyche ihnen den Reiz nehmen sollte.

Während Richard Dawkins nicht mehr so überzeugt ist von der Brights-Bewegung, propagiert sie Daniel Dennett nach wie vor. So wie der Skeptiker James Randi die Tricks von Magiern enthüllt, so enthüllt Dennett die Tricks der Theologen und Priester. Seine zentrale Aussage ist, dass man Religion wissenschaftlich untersuchen solle. Er fordert ein weltweites Schulfach, in der die Religionen auf rationaler und neutraler Basis vorgestellt werden, so eine Art Religionskunde.



Greg Graffin

Obwohl es sich bei ihm zweifellos um den ersten Neuen Atheisten handelt, wird er gerne außen vorgelassen: Der Punk-Rocker Greg Graffin. Er ist Sänger und Texter einer der ersten amerikanischen Punk-Bands: Bad Religion. Sie wurde 1980 gegründet und ist noch immer aktiv. Das ohnehin falsche Klischeebild des betrunkenen, gewaltbereiten Punks sieht komplett anders aus als Graffin: Er ist ein naturalistischer Philosoph und hat einen Doktortitel in Zoologie an der renommierten Cornell Universität gemacht. In seiner Dissertation fragte er 149 Evolutionbiologen, ob sie an Gott glauben. 130 antworteten mit "Nein". Es überraschte ihn allerdings, dass kaum einer Religion und Wissenschaft für inkompatibel hielt. Diese Toleranz frustriert ihn. In einem Interview mit Wired sagte er: "Wenn du an Gott glauben kannst, dann kannst du an alles glauben."

Aus der naturalistischen Philosophie zieht er den exakt selben Schluss wie Richard Dawkins: "Der Naturalismus lehrt uns eines der wichtigsten Dinge der Welt: Es gibt nur dieses Leben, also lebe wundervoll und bedeutungsvoll."




Fazit

Die amerikanischen Medien nehmen die Neuen Atheisten begeistert auf. Dies tun sie aus einem simplen Grund: Mit den Neuen Atheisten lässt sich viel Geld verdienen. Die Menschen interessieren sich für dieses Thema und es ist davon auszugehen, dass wenigstens in den USA nun endlich auch Atheisten zu öffentlichen Diskussionen eingeladen werden und dass es sich nicht nur um einen Trend handelt, denn die Ungläubigen sorgen inzwischen durch Protestaktionen aktiv dafür, dass man sie nicht hintergeht. In Deutschland sind wir davon leider noch weit entfernt.

Die Herangehensweise der Neuen Atheisten funktioniert. Bevor sie deutlich ihre Meinung äußerten, wurden Atheisten nämlich überhaupt nicht wahrgenommen. Entweder man sagt offen, ehrlich und laut, was Sache ist, oder niemand hört zu. Das ist es, was uns die Neuen Atheisten unter anderem lehren.




Empfehlungen

The God Delusion von Richard Dawkins wird im Herbst in Deutschland erscheinen. Bis dahin ist die Jubiläumsausgabe von Das egoistische Gen zu empfehlen. Von Daniel Dennett gibt es zurzeit nur seinen Klassiker Spielarten des Geistes, da Breaking the Spell und Darwins gefährliches Erbe ausverkauft sind. Sam Harris Bücher sind hierzulande noch nicht erschienen, das gleiche gilt für Greg Graffins Is Belief in God Good, Bad or Irrelevant?. Insofern bleibt uns nichts anderes übrig, als die englischen Orgininalausgaben oder das Warten auf Besserung zu empfehlen.

Ergänzung: Die hochwertigen Bilder von Dawkins, Harris und Dennett im Anhang stammen aus dem Wired-Artikel.




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Beitragvon ostfriese » Mi 21. Feb 2007, 17:33

Entweder man sagt offen, ehrlich und laut, was Sache ist, oder niemand hört zu. Das ist es, was uns die Neuen Atheisten unter anderem lehren.

So sieht es Dawkins, so sieht es Schmidt-Salomon, so sehen es alle hier. Bis auf Herzblut... ;-)
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Beitragvon Nox » Mi 21. Feb 2007, 18:04

Ich übernehme das überwiegend von Sam Harris. In seinen [...]


Ansonsten liests sich gut.
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 21. Feb 2007, 18:10

Thanks.
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Beitragvon taotne » Mi 21. Feb 2007, 18:33

Während Richard Dawkins nicht mehr so überzeugt ist von der Brights-Bewegung, propagiert sie Daniel Dennett nach wie vor.

Wieso ist Richard Dawkins nicht mehr von der Brights-Bewegung überzeugt? Entwickelt sie sich in eine von seinem Standpunkt aus gesehen "falsche" Richtung??? Welche Kritik übt er denn?? Weiß das hier jemand??

Ansonsten ists fein zu lesen. :2thumbs:

lg
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 21. Feb 2007, 18:37

Nein, er ist nicht dagegen. Er zweifelt nur ihren Erfolg an und bewirbt sie nicht mehr.
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Beitragvon Klaus » Mi 21. Feb 2007, 21:21

Ich meine die Brights sind ihm zu seicht, er will da mehr offensives und pointiertes Auftreten. Tja, was meinen denn die Gründer...
dazu.
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 21. Feb 2007, 22:43

Sie meinen, er kann das als Privatperson machen, aber nicht im Namen der Brights. Die Bewegung verliert wegen ihm recht viele Mitglieder, die glauben, er würde sie repräsentieren.
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Beitragvon Klaus » Mi 21. Feb 2007, 22:52

Das ist der Punkt, ich habe die Diskussionen im BrightsNet verfolgt, stellenweise ziemlich heftig.
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