Trotzdem habe ich hier und da noch Bedenken - deshalb auch dieser Thread. Zum Teil beruhen sie auf einem Affekt, der oben schon angesprochen wurde:
ostfriese hat geschrieben:Mir scheint, die meisten derer, die am Dualismus festhalten, tun dies nicht, weil rationale Gründe dafür sprächen, sondern weil sie sich emotional gegen den Materialismus (und noch mehr Physikalismus) sträuben.
Dieses "Sträuben" trifft es sehr gut. Bei mir beruht es wohl darauf, dass ich die darwinistischen Versuche, mein Gefühls- und Geistesleben zu analysieren, teilweise als anmaßend empfinde, zumal sie mir größtenteils völlig unfruchtbar erscheinen. Sicher sollte man etwa Normen nicht in totaler Missachtung der menschlichen Natur gestalten - dies spricht für eine Evolutionäre Ethik. Aber bringen uns solche Betrachtungen echt so toll weiter? Hilft es mir denn wirklich, wenn ich mich z.B. in der Liebe nach evolutionären Grundsätzen richte? Was die großräumigen sozialen Probleme dieser Welt angeht: Sind naturalistische Einsichten in die Natur etwa der Aggression jetzt echt nötig, um den Krieg zu bekämpfen? Wie weit reichen eigentlich die Fähigkeiten der Naturwissenschaft in diesen Fragen, und was dürfen wir uns zukünftig (berechtigt) von ihnen erhoffen? Mir erscheinen solche Versuche meist eher überflüssig oder sogar lähmend, und häufig werfen sie auch kein gutes Licht auf das naturalistische Denken insgesamt.
Ich bin jedenfalls weit davon entfernt, meine kleinen und großen Probleme mit darwinistischen Methoden zu lösen. Und meine dualistischen Anwandlungen kann man getrost als Ausdruck meines mangelnden Vertrauens in sie betrachten und als Revolte gegen den zeitgenössischen Umgang mit ihnen. Das ich mich dabei immer rational verhalte würde ich tatsächlich nicht behaupten...
Was das neurophysiologische Korrelat zum Naturalismus angeht habe ich aber auch noch ein paar prinzipielle Probleme, die hier das Thema sind. Ich nehme erkenntnistheoretische Fragen äußerst ernst, da mir von ihnen stets alles Weitere abzuhängen scheint - wenn schon methodisch irgendwo der Wurm drinsteckt kann man den Rest eigentlich gleich bleiben lassen. Leider bezieht sich die bisherige Kritik am Dualismus in diesem Thread nur beiläufig auf diese Punkte. Ich will die Sache deshalb noch mal anders formulieren:
Wenn man als Programm des Naturalismus die vollständige naturalistische Welterklärung annimmt, so müsste der Naturalismus - da er Teil der Welt ist - am Ende auch sich selbst erklären. Nach meinem klassisch-linearen Verständnis von Erkenntnistheorie geht es bei ihr nun aber immer darum, Geltungsansprüche zu rechtfertigen. Die Naturwissenschaft bezieht die ihren aus bestimmten methodischen Kriterien wie etwa Falsifizierbarkeit oder intersubjektiver Prüfbarkeit, und diese hat sie (bislang) der Philosophie bzw. dem Rationalismus zu verdanken. Das naturalistische Forschungsprojekt muss nun aber diese erkenntnistheoretischen Errungenschaften als Gehirnvorgänge auffassen und als solche erklären, schließlich sogar sich selbst, und gerät dadurch in einen Begründungszirkel: Es muss versuchen, seine eigene Begründung zu begründen. Eine andere Möglichkeit: Es relativiert sich selbst, indem es sich zu einer kognitiven Anpassung reduziert. Dieses Problem - wenn es wirklich eins ist - tritt nicht erst eines fernen Tages mit dem Fortschritt den Gehirnforschung auf, sondern betrifft schon jetzt den Begründungszusammenhang des Naturalismus. Ich bin ihm bisher ausgewichen indem ich gesagt habe: Diese letzte Runde drehe ich nicht, ich gestehe dem Rationalismus Priorität und Autonomie gegenüber der Wissenschaft zu, mit dualistischen Konsequenzen und einer Einschränkung des Naturalismus als unvollständiger und modellhafter Weltbeschreibung.
Nun gibt es aber vielleicht auch andere Wege, hier ein Beispiel für ein Gegenargument aus dem anderen Thread:
ostfriese hat geschrieben:Man schnappt in der Wissenschaft letztlich immer nach seinem eigenen Schwanz oder verliert sich im unendlichen Regress oder bricht das Weiterdenken dogmatisch ab (Münchhausen-Trilemma, Albert). Nichtsdestoweniger bemühen wir hier wie auch im Alltag "virtuose Zirkel" (Vollmer) und fahren damit sehr viel besser, als wenn wir auf das Für-wahr-Halten/ das Als-wahr-Akzeptieren synthetischer Urteile generell verzichteten.
Konrad Lorenz hat glaube ich mal vom "Prinzip der wechselseitigen Erhellung" gesprochen und etwas Ähnliches gemeint. Demnach wäre Evolutionäre Epistemologie keine Kreis-, sondern eine Spiralbewegung. Man beginnt klassisch und erfindet die Naturwissenschaft. Diese liefert Erkenntnisse über die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, die wiederum in die Erkenntnistheorie einfließen und eventuell zu einem neues Wissenschaftsverständnis führen. Leider ist diese Überlegung recht kompliziert, und was passiert dabei mit dem Geltungsanspruch unserer Erkenntnis?
Ich habe noch andere Schwierigkeiten, die ich gelegentlich schon erwähnt habe, z.B. bei der Frage des Determinismus. Es will mir einfach nicht ins Gehirn, wie ich auf rein naturgesetzlichem Wege entstandene Eingebungen als wahr betrachten kann. Wenn etwa die menschliche Logik bloß strukturelle Anpassung und Hirnphysiologie wäre, wie könnte ich sie dann für logisch im Sinne des Rationalismus halten - außer das ich gar keine Wahl hätte? Und selbst ein indeterministisches Universum würde die darwinistisch verstandene Logik nicht wahrer machen, nur zufälliger...