gavagai hat geschrieben:Servus Myron, das sehe ich anders und begründe es wie folgt:
Wenn Leute behaupten, z.B. das Loch Ness Ungeheuer gibt es und wenn sich ihre Argumente als nicht beweiskräftig erweisen, dann bin ich sofort berechtigt, ja muß es sogar, davon ausgehen, dass es nicht existiert = in deinen Worten: positiver A-Loch-Nessismus.
(...)
Zu jedem Krampf, dessen Existenz irgendjemand behauptet, müsste man sagen: Na ja, ich glaube es nicht; aber die Nicht-Existenz deines Krampfs (z.B. Flying Spagetti Monster) will ich / darf ich nicht behaupten.
Ich meine: wer eine Existenzaussage macht, muß mind. Indizien bringen.
Ansonsten gilt: Yeti, Engel, Gnome, Flying Spagetti Monster, Götter, Elfen und den Großen Grünen Steinefresser 100 Meter in der Erde: gibt es nicht.
Wir haben es hier mit einer Variante des
argumentum ad ignorantiam zu tun (siehe dazu:
http://io.uwinnipeg.ca/~walton/papers%2 ... antiam.pdf):
Es gibt keine Beweise dafür, dass p.
Folglich ist es nicht der Fall, dass p.Die entscheidende Frage ist nun:
Ist die Abwesenheit von Beweisen der Beweis für die Abwesenheit (und wenn ja, in welchen Fällen)?
Manche meinen, dies wäre in jedem Fall ein Fehlschluss; doch ich denke, dass es etliche Fälle gibt, in denen die Schlussfolgerung durchaus gerechtfertigt ist.
Es muss allerdings eine weitere Annahme hinzugefügt werden, die in dem zum Ausdruck kommt, was Theodore Drange das "lack-of-evidence argument" nennt:
"1. Probably, if God were to exist, then there would be good objective evidence for his existence.
2. But there is no good objective evidence for his existence.
3. Therefore, probably God does not exist."(angeführt in: Victor J. Stenger,
God: The Failed Hypothesis: How Science Shows That God Does Not Exist (Amherst, NY: Prometheus 2007), 22.)
"1. Es ist wahrscheinlich der Fall, dass, wenn Gott existierte, es gute objektive Beweise für seine Existenz gäbe.
2. Aber es gibt keine guten objektiven Beweise für seine Existenz.
3. Foglich ist es wahrscheinlich nicht der Fall, dass Gott existiert."Drange drückt sich vorsichtig aus, indem er davon spricht, was
wahrscheinlich der Fall ist; aber man kann das Argument auch einfach wie folgt formulieren:
"1. Wenn Gott existierte, dann gäbe es gute objektive Beweise für seine Existenz.
2. Aber es gibt keine guten objektiven Beweise für seine Existenz.
3. Foglich ist es nicht der Fall, dass Gott existiert."Drange merkt an, dass ein Theist die Annahme 1 mit der Begründung ablehnen könnte, dass es ja sein könnte, dass Gott beschlossen hat, keinerlei für uns erkennbare Spuren seiner Existenz im Universum zu hinterlassen, d.h. sich vor uns absichtlich zu verstecken.
Drange erwidert auf diesen möglichen Einwand, dass die Vorstellung eines
allliebenden Gottes nicht mit einem Gott vereinbar sei, dem es gefällt, sich vor denjenigen Menschen zu verstecken, die alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um zu objektiver Gewissheit bezüglich seiner Existenz zu gelangen. Denn das Scheitern jener Bemühungen führt ja zu einer quälenden Ungewissheit, die sehr viele Menschen in große Seelennot bringt.
Man sollte annehmen können, dass ein allliebender Gott kein sadistisches Spielchen mit denjenigen treibt, die bemüht sind, sich hinsichtlich seiner Existenz objektive Gewissheit zu verschaffen, sondern sich uns zumindest indirekt zeigt.
"Wenn X existiert, dann gibt es Beweise für die Existenz von X, die von uns Menschen gefunden werden können."
Diese Zusatzannahme ist jedenfalls unerlässlich!
Apropos, Victor Stenger wendet bei seiner Widerlegung der Existenz Gottes auch die obige Variante des argumentum ad ignorantiam an:
"The scientific argument against the existence of God will be a modified form of the lack-of-evidence argument:
1. Hypothesize a God who plays an important role in the universe.
2. Assume that God has specific attributes that should provide objective evidence for his existence.
3. Look for such evidence with an open mind.
4. If such evidence is found, conclude that God may exist.
5. If such objective evidence is not found, conclude beyond a reasonable doubt that a God with these properties does not exist."(Stenger, Victor J.
God: The Failed Hypothesis: How Science Shows That God Does Not Exist. Amherst, NY: Prometheus, 2007. p. 43)
"Das wissenschaftliche Argument gegen die Existenz Gottes wird eine modifizierte Form des Fehlen-von-Beweisen-Arguments sein:
1. Nehmt an, dass es einen Gott gibt, der eine wichtige Rolle im Universum spielt.
2. Nehmt weiter an, dass Gott besondere Eigenschaften hat, die objektive Beweise für seine Existenz liefern sollten.
3. Sucht unvoreingenommen nach solchen Beweisen.
4. Wenn solche Beweise gefunden werden, dann schließt daraus, dass es sein kann, dass Gott existiert.
5. Wenn solche objektiven Beweise nicht gefunden werden, dann schließt daraus jenseits vernünftigen Zweifels, dass ein Gott mit diesen Eigenschaften nicht existiert." Michael Martin formuliert ein Prinzip, das er "das erweiterte Scriven-Prinzip" nennt (weil es auf Michael Scriven zurückgeht):
"(SPE): A person is justified in believing that X does not exist if (1) all the available evidence used to support the view that X exists is shown to be inadequate; and (2) X is the sort of entity that, if X exists, then there is a presumption that there would be evidence adequate to support the view that X exists; and (3) this presumption has not been defeated although serious efforts have been made to do so; and (4) the area where evidence would appear, if there were any, has been comprehensively examined; and (5) there are no acceptable beneficial reasons to believe that X exists.
SPE seems to be justified in terms of our ordinary and scientific practice."(Martin, Michael.
Atheism: A Philosophical Justification. Philadelphia: Temple University Press, 1990. p. 283)
"(SPE): Eine Person glaubt gerechtfertigterweise, dass X nicht existiert, wenn (1) sich alles verfügbare Beweismaterial, das zur Untermauerung der Ansicht, dass X existiert, angeführt wird, als unzureichend herausstellt; und wenn (2) X diejenige Art von Entität ist, dass, wenn X existiert, anzunehmen ist, dass es Beweise gäbe, die ausreichen, um die Ansicht zu untermauern, dass X existiert; und wenn (3) diese Annahme trotz ernsthafter Anstrengungen nicht bezwungen worden ist; und wenn (4) das Gebiet, worin Beweise erscheinen würden, wenn es welche gäbe, umfassend untersucht worden ist; und wenn (5) es keine akzeptablen wohltätigen Gründe gibt zu glauben, dass X existiert.
SPE scheint in Beziehung auf unsere normale und wissenschaftliche Praxis gerechtfertigt zu sein."Die Schlussfolgerung eines argumentum ad ignorantiam ist in vielen Fällen durchaus gerechtfertigt; doch, wie gesagt, es ist nicht unumstritten, ob die Frage nach der Existenz Gottes ein solcher Fall ist, d.h. ob die Rechtfertigung des negativen Atheismus zugleich eine Rechtfertigung des positiven Atheismus darstellt. Vermutlich wird die Mehrheit derjenigen, die dies bestreiten, aus dem Lager der Theisten kommen.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass, wenn der negative Atheismus aufgrund fehlender Beweise für die Existenz Gottes gerechtfertigt ist, dies zumindest die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes erheblich verringert.