Wo ist jetzt genau euer Streitpunkt?
Ihr sagt doch beide, dass ein Naturereignis erst durch den Kontext menschlicher Erfahrung eine Natur
katastrophe wird, oder? stine ging es ursprünglich wohl vor allem um den ersten Teil des Wortes, also darum, ob
Naturkatastrophe nicht vielleicht zu sehr danach klingt, dass die Natur personifiziert wird in dem Sinne, dass sie eine Katastrophe erleidet, obwohl sie mangels Bewusstsein und Kognition überhaupt nicht in der Lage ist, ein Ereignis in eine solche Kategorie einzuordnen.
stine hat als Lösungsvorschlag ins Spiel gebracht, grundsätzlich von Sozialkatastrophen zu reden, weil "Katastrophe" immer abhängig ist vom menschlichen Standpunkt und vom menschlichen Erfahren kollektiven Leides. Da es aber, wie 1von6,5Milliarden richtig angemerkt hat, bei "Natur" in "Naturkatastrophe" darum geht, die Ursache zu beschreiben (nämlich eine Ursache außerhalb des menschlichen Einflussbereiches, also außerhalb der
techne), und weil der Begriff gewohnheitsmäßig gebraucht wird (und das auch noch definitorisch korrekt), würde ich für meinen Teil eine solche Umbenennung ablehnen.
Was aber tatsächlich überlegenswert ist, ist, wie man ein holistisches Grundverständnis bei Menschen fördern kann. Denn dass wir Teil des uns umgebenden natürlichen Systems sind, ist eine Erkenntnis, die in der technikaffinen modernen Welt tatsächlich etwas abhanden gekommen ist. Und das hat in der Tat etwas mit einer langen jüdisch-griechisch-römisch-christlichen Tradition des Kampfes gegen die Natur ("Wildnis") zu tun. Allerdings, fairerweise, diese Denkweise ist auch in anderen Kulturen verbreitet, die Chinesen haben da meiner Meinung nach auch ein dickes Problem, etwa beim massiven
Eingriff in den Wasserhaushalt, wo allerhand gigantomanische Projekte die Natur zähmen sollen.