Darth Nefarius hat geschrieben:Man sollte nicht so naiv von einer aufgeklärten, gebildeten Gesellschaft ausgehen, sondern von einer, die keine ernsten Probleme kennt und sich deswegen erlauben kann, sich friedlich zu verhalten, ich denke, da gibt es viele Realbeispiele, was diesen Opportunismus angeht.
Ob eine Gesellschaft sich friedlich verhält oder nicht, hängt von weitaus mehr ab, als davon, ob sie "keine ernsthaften Probleme" kennt. Was als ernsthaftes Problem zu betrachten ist, ist ja immer eine reine Frage der Perspektive. Die europäischen Gesellschaften, die sich im 20. Jahrhundert einen Krieg nach dem anderen geleistet haben, hatten jedenfalls kaum Probleme, die ich als "ernsthaft" bezeichnen würde, im Sinne grassierender Armut, Hunger, Lebensraumnot etc., das waren fast alles Hirngespinste der damaligen Ideologen, die sich in existenzielle Fantasien reingesteigert hatten. Bildung und Aufklärung haben gegen Schund auch nicht geholfen, genauso wie heute die Sarrazinanhänger mehrheitlich ältere, höher gebildete Männer mit gutem Einkommen sind, die es eigentlich besser wissen müssten.
Dem Rest deines Beitrags kann ich weitgehend zustimmen.
Was ich an der Stelle aber auch mal ansprechen möchte: Grundrechte sind etwas, was man als Bürger nur gegenüber dem Staat durchsetzen kann, nicht als Bürger gegenüber anderen Bürgern. Diese juristische Feinheit sollte man unbedingt kennen! Der klassische Grundrechtsbegriff beschäftigt sich nur mit der Frage, wie der Staat den richtigen Rahmen für Meinungsfreiheit setzt, was Bürger und Medien dann daraus machen, ist deren eigene Sache. Viel zu häufig wird einem Lautsprecherorgan wie der BILD unterstellt, sie würde mit ihrer Marktmacht die Meinungsfreiheit unterdrücken. Das ist Unsinn, solange es keine staatlichen Repressionen gegenüber bestimmten Meinungsäußerungen gibt. Natürlich ist es schon mehr als eine kosmetische Frage, dass man Oligopole in der Medienwelt verhindert, aber allzu häufig wird ganz schnell "Verletzung der Meinungsfreiheit" geschrien, obwohl man halt einfach in der Minderheit ist und einem deshalb keiner zuhört.
Teh Asphyx hat geschrieben:Was die Meinungsfreiheit angeht finde ich hat sie eine Tendenz dazu, Fakten zu entkräften. Im Prinzip darf jeder jeden Mist behaupten und alles gilt als gleichwertige Meinung. Nur gelten leider Fakten auch nur noch als Meinung und werden mit dem größten Schwachsinn gleichgesetzt. Das ist das, was viele als „postmoderne“ Gesellschaft beschimpfen.
War die Meinungsfreiheit nicht ohnehin schon immer so was wie das Recht zu lügen?
Die ganze Idee des freien Bürgerdiskurses fußt ja darauf, dass sich in so einem Fall einer hinstellt und klar widerspricht, idealerweise an vorderster Front jemand mit einer gut legitimierten Autorität, etwa ein Universitätsprofessor oder ein als unabhängig bekannter Publizist. Die Meinungsfreiheit gibt ja nicht nur die Freiheit, etwas zu behaupten, sondern auch die, etwas als hanebüchenen Unsinn zu bezeichnen.