ganimed hat geschrieben:Da sind wir bei der Gretchenfrage: ist gerecht, wenn alle anteilsmäßig das gleiche bezahlen (also jeder den gleichen Prozentsatz) oder wenn alle absolut das gleiche bezahlen. Ich folge Nannas Überlegungen und würde die prozentuale Beteiligung als gerechter empfinden. Wenn jemand mehr hat, soll er auch mehr in Umlagensysteme einzahlen. Wieso sollte das speziell für Versicherungen plötzlich anders sein?
Weil Versicherungen eben sinnvollerweise kein Umlagesystem sind. Hier sollen konkrete Risiken des Einzelnen abgesichert werden.
Unser Umlagesystem sind die Steuereinnahmen, daraus soll man Umlagen finanzieren und nicht innerhalb von Versicherungen. Also: Versicherungsbeitrag für Jeden je nach Risiko und für Leute, die zuwenig verdienen Zuschüsse aus Steuern (nicht nur Lohnsteuer im Übrigen!).
Apropos: Und wenn denn schon Umlage in Versicherungen, warum nur in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Warum nicht bei Haftpflicht-, Lebens- und Unfallversicherung? Und hey: Wie wäre es mit Zuzahlungen zur Brille, Parkgebühren und allgemein der Mehrwertssteuer? Genau, eine höher Mehrwertssteuer für Reiche, das wär doch was. Da muss man dann an der Kasse der Lohnsteuerbescheid vorzeigen. Das würd Dir gefallen, was
ganimed hat geschrieben:Wie kommst du auf selbstverschuldet? Ich nehme an, wenn es einen statistischen Zusammenhang zwischen gering verdienen und ungesund leben gibt, könnte das vielleicht daran liegen, dass eine gesunde Lebensweise mehr kostet und mehr Bildung (mehr Wissen über Ernährung, Gesundheit und Medizin) voraussetzt. Woran soll deiner Meinung nach der Geringverdiener schuld sein? Daran dass er gering verdient oder daran, dass er zu dumm und ungebildet ist?
Ds ist sicher ein komplexer Zusammenhang. Aber: Du unterstellst, dass alle Risiken selbstverständlich gleich verteilt oder zumindest nicht selbst verantwortet sind. Was aber ist mit dem Mann, der regelmäßig Frau und Kinder schlägt, säuft und ständig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und dazu gerne besoffen ohne Gurt Auto fährt. Sollen die Risiken immer brav alle mit bezahlen?
Oder ist es fairer prinzipiell Leute, die ungesund leben mit höheren Versicherungsbeiträgen zu belasten und diese nur dann partiell mit zu bezahlen, wenn definitiv* die Möglichkeit zu Bezahlung der Beiträge fehlt?
ganimed hat geschrieben:Nach dieser Logik müsste man jeden Sozialausgleich grundsätzlich in Frage stellen. So nach dem Motto "den Armen sollte nicht geholfen werden, weil man sie damit auch noch für das arm sein belohnt und sie ermutigt, arm zu bleiben." Das kann es doch auch nicht sein.
Kann oder darf/soll nicht sein? Warum soll jemand, der höhere Risiken eingeht (Rauchen, Übergewicht, Wintersport etc.) nicht auch mehr Beiträge zahlen? Ich persönlich bin eigentlich für Beiträge gestaffelt nach einfachen auf Versicherungsstatistiken beruhenden Risikoklassen, da wir sonst in Gesundheitswesen einen Überwachungsstaat bekommen. Aber umkehren sollte man das Argument nicht. So nach dem Motto: Ich lebe wie ich will, die Risiken und Kosten tragen nämlich alle.
ganimed hat geschrieben:1) "es ist nicht gerecht" : wenn jeder denselben Prozentsatz zahlt, empfinde ich das als gerecht. Wer mehr hat, kann auch mehr geben.
2) "leistungsfeindlich" : stimmt nicht. Wer 20% vom Doppelten hergibt, behält immer noch das Doppelte. Leistung wird also belohnt.
3) "belohnt Fehlverhalten" : definierst du gering verdienen als Fehlverhalten? Es schüttelt mich bei so viel sozialer Kälte.
Ad 1.: Nein ist es nicht, das habe ich oben versucht klar zu machen. Man kann dieses System nicht innerhalb von Vesicherungssystemen lösen vor allem, wenn man nur auf Einkommenssteuer schielt. Was ist mit den Kapitalerträgen?
Ad 2: Zahl Du mal ordentlich Einkommenssteuer und seh die Schwarzarbeiter sich mit Hartz IV zusätzlich ein schönes Leben machen. Da denkst Du dann anders.
Ad 3: Nein Fehlverhalten im Sinne von gesunder Ernährung und Vorsorge. Die Einstellung hängt natürlich insgesamt vom Menschenbild ab ("Jeder ist seines Glückes Schmied" versus "Alles sind gleich").
ganimed hat geschrieben:Zappa hat geschrieben:Für mich ist Gerechtigkeit vor allen Chancengleichheit zum Erwerb von Fähigkeiten und Absicherung von nicht beeinflussbaren Lebensrisiken
Wie man an dem gerade in Deutschland großen Zusammenhang zwischen Armut und Bildungsmangel sieht, ist die Geburt in einer sozial schwachen Familie eines der ersten und größten nicht beeinflussbaren Lebensrisiken. Dagegen willst du die Menschen absichern, indem du Geringverdienern lieber nichts schenken magst, damit die Reichen mehr vom Geld haben? Diese Strategie verstehe ich nicht ganz.
Ich bin für eine Erhöhung der Bildungsaufgaben in der Frühförderung (Kindergarten, Grundschule), gerne auch zu Lasten der höheren Bildungsabschlüsse (Studiengebühren zur Gegenfinanzierung). Dazu dann Frühförderung bei Leuten mit Sprachproblemen, Ganztagsangebote in der Schule und gute Sozialangebote in sozial schwachen Gebieten (Jugendclubs, Sport- und Bildungsförderung). Dazu dann noch ein möglichst flexibles Ausbilsungssystem (Schulwechsel möglichst einfach z.B.). Also: Gleiche Chancen für Alle.
Wer es dann nicht packt, kann aber bitte nicht den Anspruch auf Gleichbehandlung als Erwachsener stellen. D.h. man muss dann schon einen erheblich niedrigeren Lebensstandard akzeptieren, wenn man die Schule/Ausbildung halt nicht gepackt hat und nicht ein begabter Musiker, Unternehmer oder Sportler ist. Die wesentlichen Lebensrisiken werden natürlich abgesichert. So hart kann das Leben sein ...
* Hier stellt sich natürlich die Frage: Gibt es ein Menschenrecht auf Handy, Farb-TV, Internetzugang und Sky Abo (mit/ohne Pornokanal)?