Hedonismus statt Leistungsgesellschaft

Im Thread "Warum funktioniert der Sozialismus nicht?" schrieb stine:
Mag sein, dass ich die Hirnforschung überinterpretiere. Aber soweit ich verstehe, wird aus den Ergebnissen plausibel, dass jede Leistung nur die kausale Folge von unverschuldeten/ungeleisteten Faktoren ist. Jeder Mensch ist grundsätzlich Hedonist, insofern das Gehirn gar nicht anders kann, als die Handlungen von Motivatoren abzuleiten. Kurz: im Grunde macht jeder das, was ihm am meisten Spaß macht, wozu er am meisten Lust hat, was ihm am sinnvollsten und vielversprechendsten erscheint (aus dem was die äußeren Umstände erlauben).
Was ist noch mal Hedonismus? Laut Wikipedia: "Hedonismus ... bezeichnet eine philosophische bzw. ethische Strömung, die Lust als höchstes Gut und Bedingung für Glückseligkeit und gutes Leben ansieht."
Ich finde, daraus ergeben sich Konsequenzen für den Begriff der Leistungsgesellschaft. Die Wertschätzung gegenüber hart und lang arbeitenden Menschen in Form von Ansehen und hohen Löhnen und die Geringschätzung von wenig arbeitenden Menschen und Sozialleistungsempfängern ist weit verbreitet. Wurde für mich zuletzt bei allen Hartz-IV-Themen immer wieder deutlich. Ich habe den Verdacht, dass Hartz-IV-Empfänger in einer Gesellschaft mit einem Bewusstsein über die aktuellen Hirnforschungsergebnisse und deren Implikationen weit besser daständen.
Ein Beispiel von Herrn L wie Leistung und Herrn H wie Hedonist:
Am Abend sagt Herr L. zu Herrn H.: "Ich gehe ins Bett, muss morgen früh raus, um 7 Uhr an einer Vorstandssitzung teilnehmen, ich will dort Einfluss ausüben und meine Vision einbringen und meine Konkurrenten ein wenig in Schach halten. Das wird wieder ein langer 16-Stunden-Tag."
Da sagt Herr H.: "Ich bleibe noch auf, trinke den Wein aus, schaue mir noch einen netten Film an, schlafe morgen aus und besuche morgen Nachmittag Tante Martha. Das Leben ist wunderbar."
Herr L kommentiert: "So gut möchte ich es auch mal haben. Ich quäle mich morgen so früh aus dem Bett und gönne mir nichts, schone mich nicht und reiße mich zusammen."
Herr H kontert: "Wenn es eine Qual für dich ist, wieso tust du es dann?"
Ja, warum tut Herr L das eigentlich? Die Hirnforschung legt eine Antwort nahe: weil er mehr Lust auf den 16-Stunden-Tag als auf den Müßiggang hat. Auch Herr L ist Hedonist und macht, was ihm den größten Spaß bereitet. Seine Aussage "so gut möchte ich es auch mal haben" stimmt in Wirklichkeit gar nicht. Sein Spaß setzt sich einfach nur aus anderen Komponenten zusammen: Lust auf Macht, Ansehen und Erfolg (im gesellschaftlich definierten Sinne). Bei Herrn H dürfen wir Faktoren vermuten, die wir traditionell eher mit dem Wort Spaß verbinden: kulinarische Genüsse, körperliches Wohlbefinden und ein Hang zur sozialen Geselligkeit.
Herr L bekommt mit ein wenig Glück und den richtigen Voraussetzungen am nächsten Tag tatsächlich, worauf er Lust hatte: Macht, Ansehen, Akzeptanz, Respekt. Wieso muss er eigentlich zusätzlich noch sehr viel Geld bekommen? Stimmt das Argument, dass wir den Spitzensteuersatz nicht erhöhen dürfen, weil sich sonst Leistung nicht mehr lohnt und niemand mehr so viel leisten würde? Ich glaube nein. Für Herrn L ist das viele Geld nur ein vergleichsweise geringer Anreiz (vorausgesetzt, seine Konkurrenten im Ich-Bin-Der-Größte-Spiel bekommen auch alle weniger).
Mein Fazit also: ob man für mehr sozialen Ausgleich ist und beispielsweise den Reichen mehr Steuern als bisher abknöpfen möchte, ist eher eine Art Geschmackssache. Die Verfechter eines liberalen Kapitalismus müssen sich vor dem Hintergrund der Hirnforschung neue Argumente überlegen, mit denen sie begründen, wieso sich Leistung heutzutage auch in solch einem monetären Ausmaß lohnen muss.
Stimmt doch, oder?
stine hat geschrieben:Glaubt irgendwer im Ernst, dass sich jemand krumm macht, wenn er nicht für seine Leistung belohnt wird?
Wie verblendet muss man sein, um das menschliche Streben nach monetärer Anerkennung nicht nachvollziehen zu können?
Mag sein, dass ich die Hirnforschung überinterpretiere. Aber soweit ich verstehe, wird aus den Ergebnissen plausibel, dass jede Leistung nur die kausale Folge von unverschuldeten/ungeleisteten Faktoren ist. Jeder Mensch ist grundsätzlich Hedonist, insofern das Gehirn gar nicht anders kann, als die Handlungen von Motivatoren abzuleiten. Kurz: im Grunde macht jeder das, was ihm am meisten Spaß macht, wozu er am meisten Lust hat, was ihm am sinnvollsten und vielversprechendsten erscheint (aus dem was die äußeren Umstände erlauben).
Was ist noch mal Hedonismus? Laut Wikipedia: "Hedonismus ... bezeichnet eine philosophische bzw. ethische Strömung, die Lust als höchstes Gut und Bedingung für Glückseligkeit und gutes Leben ansieht."
Ich finde, daraus ergeben sich Konsequenzen für den Begriff der Leistungsgesellschaft. Die Wertschätzung gegenüber hart und lang arbeitenden Menschen in Form von Ansehen und hohen Löhnen und die Geringschätzung von wenig arbeitenden Menschen und Sozialleistungsempfängern ist weit verbreitet. Wurde für mich zuletzt bei allen Hartz-IV-Themen immer wieder deutlich. Ich habe den Verdacht, dass Hartz-IV-Empfänger in einer Gesellschaft mit einem Bewusstsein über die aktuellen Hirnforschungsergebnisse und deren Implikationen weit besser daständen.
Ein Beispiel von Herrn L wie Leistung und Herrn H wie Hedonist:
Am Abend sagt Herr L. zu Herrn H.: "Ich gehe ins Bett, muss morgen früh raus, um 7 Uhr an einer Vorstandssitzung teilnehmen, ich will dort Einfluss ausüben und meine Vision einbringen und meine Konkurrenten ein wenig in Schach halten. Das wird wieder ein langer 16-Stunden-Tag."
Da sagt Herr H.: "Ich bleibe noch auf, trinke den Wein aus, schaue mir noch einen netten Film an, schlafe morgen aus und besuche morgen Nachmittag Tante Martha. Das Leben ist wunderbar."
Herr L kommentiert: "So gut möchte ich es auch mal haben. Ich quäle mich morgen so früh aus dem Bett und gönne mir nichts, schone mich nicht und reiße mich zusammen."
Herr H kontert: "Wenn es eine Qual für dich ist, wieso tust du es dann?"
Ja, warum tut Herr L das eigentlich? Die Hirnforschung legt eine Antwort nahe: weil er mehr Lust auf den 16-Stunden-Tag als auf den Müßiggang hat. Auch Herr L ist Hedonist und macht, was ihm den größten Spaß bereitet. Seine Aussage "so gut möchte ich es auch mal haben" stimmt in Wirklichkeit gar nicht. Sein Spaß setzt sich einfach nur aus anderen Komponenten zusammen: Lust auf Macht, Ansehen und Erfolg (im gesellschaftlich definierten Sinne). Bei Herrn H dürfen wir Faktoren vermuten, die wir traditionell eher mit dem Wort Spaß verbinden: kulinarische Genüsse, körperliches Wohlbefinden und ein Hang zur sozialen Geselligkeit.
Herr L bekommt mit ein wenig Glück und den richtigen Voraussetzungen am nächsten Tag tatsächlich, worauf er Lust hatte: Macht, Ansehen, Akzeptanz, Respekt. Wieso muss er eigentlich zusätzlich noch sehr viel Geld bekommen? Stimmt das Argument, dass wir den Spitzensteuersatz nicht erhöhen dürfen, weil sich sonst Leistung nicht mehr lohnt und niemand mehr so viel leisten würde? Ich glaube nein. Für Herrn L ist das viele Geld nur ein vergleichsweise geringer Anreiz (vorausgesetzt, seine Konkurrenten im Ich-Bin-Der-Größte-Spiel bekommen auch alle weniger).
Mein Fazit also: ob man für mehr sozialen Ausgleich ist und beispielsweise den Reichen mehr Steuern als bisher abknöpfen möchte, ist eher eine Art Geschmackssache. Die Verfechter eines liberalen Kapitalismus müssen sich vor dem Hintergrund der Hirnforschung neue Argumente überlegen, mit denen sie begründen, wieso sich Leistung heutzutage auch in solch einem monetären Ausmaß lohnen muss.
Stimmt doch, oder?