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Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 8. Jun 2009, 19:57
von pinkwoolf
Meine Tochter hatte beschlossen, ihre Ausbildung durch ein freiwilliges soziales Jahr zu unterbrechen. Beim freiwilligen sozialen Jahr handelt es sich um ein Konstrukt, welches jungen Menschen die Möglichkeit bietet zu verschnaufen und ihren Weg zu finden.

Der arbeitsrechtliche Status entspricht dabei dem eines berufsbezogenen Praktikums; d.h. das Kind bleibt weiterhin kindergeldberechtigt und gilt überhaupt, rechtlich gesehen, als Kind.

Meine Tochter entschied sich für die Arbeit in einem Kindergartren, vertreten durch das Diakonische Werk.

Sorry, ein freiwilliges soziales Jahr können wir hier nicht anbieten; aber ein einjähriges Praktikum. Das ist fast dasselbe; gibt nur 100€ im Monat weniger.

Wie sich dann allmählich (durch unendliche Nachfragen) herausstellte, waren das nicht nur diese 100€, sondern gleichzeitig verlor meine Tochter, rechtlich gesehen, ihren Kindesstatus. In letzter Minute habe ich diesen Arbeitsvertrag verhindert.

Er hätte bedeutet, dass meine Tochter 39 Stunden die Woche arbeitet und dabei 285€ verdient, abzüglich der Sozialabgaben.

Bei einer kirchlichen Einrichtung!

Mir fehlen weitere Worte.

Wo könnte man dieses Beispiel gewissenloser Ausbeutung weiter publik machen?

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 8. Jun 2009, 20:08
von folgsam
Du könntest dich an den Humanistischen Pressedienst wenden wenn du diesen (alles andere als untypischen) Fall christlicher Heuchelei einem weiteren Kreis bekannt machen möchtest.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 8. Jun 2009, 20:28
von stine
Was ärgert dich denn jetzt mehr, Pinkwoolf?
Dass das Kindergeld futsch gewesen wäre oder dass deine Tochter für einen Hungerlohn hätte arbeiten müssen?
Was verstehst du denn prinzipiell unter einem freiwilligen sozialen Jahr?
Ich glaube nämlich, dass das in keinem Fall ein Honigschlecken ist. Gearbeitet wird in jedem Fall und Bezüge gibt es kaum dafür, ganz egal, für was man sich entscheidet. Ich denke der Staat ist da nicht wesentlich großzügiger.

Und schließlich bleibt die Frage: Was sollte das soziale Jahr am Ende für eine Erkenntnis bringen?
Vielleicht käme in diesem Fall genau das Richtige heraus.

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 8. Jun 2009, 21:08
von pinkwoolf
stine hat geschrieben:Was verstehst du denn prinzipiell unter einem freiwilligen sozialen Jahr? ... Gearbeitet wird in jedem Fall und Bezüge gibt es kaum dafür, ganz egal, für was man sich entscheidet. Ich denke der Staat ist da nicht wesentlich großzügiger.

Da hast du wohl recht; aber wenigstens konzidiert der Staat, dass es sich um einen Schritt der Selbstfindung handelt, und dass dieses suchende Individuum letztlich doch noch ein Kind ist. Und rechtlich als solches zu behandeln. Das Diakonische Werk pfeift auf diese Nuancen.
stine hat geschrieben:Und schließlich bleibt die Frage: Was sollte das soziale Jahr am Ende für eine Erkenntnis bringen?
Vielleicht käme in diesem Fall genau das Richtige heraus.

Was du jetzt mit dem "genau Richtigen" meinst, ist mir nicht so ganz klar.
Du weißt sowieso nicht, was du willst; also gib dir weiter keine Mühe?

Ganz allgemein gesprochen sehe ich in sozialer Arbeit durchaus ein positives Potenzial. Für Banker, z.B., sollte man ein zweijähriges Praktikum zur Verpflichtung machen.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Di 9. Jun 2009, 06:42
von stine
pinkwoolf hat geschrieben:Was du jetzt mit dem "genau Richtigen" meinst, ist mir nicht so ganz klar.
Du weißt sowieso nicht, was du willst; also gib dir weiter keine Mühe?
Ich meine: Wer für wenig Geld schuften muss, wird sich dann entweder endlich klar darüber, dass ohne schulischen Fleiß ein besseres Leben nicht möglich ist oder er stellt fest, dass soziale Aufgaben, die übrigens immer schlecht bezahlt sind, genau seine Lebensaufgabe sein werden.
Dafür ist mE das soziale Jahr eine gute Sache.

Ansonsten gibt es noch das hier!
Vielleicht auch ein gute Möglichkeit. Der Aufenthalt wird zwr bezahlt, aber verdient ist damit auch nichts.

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 10. Jun 2009, 05:45
von Aeternitas
Naja stine in der Fragestellung geht es um Kirchliche Gerechtigkeit und die wird durch positive Erfahrung auch nicht schön zu reden sein,
Im übrigen ist es fakt das "Kirchliche" Betriebe Ausbeuter Nummer eins im sozialen Bereich sind, mal ganz davon abgesehen das viele dort beschäftigen teilweise nur die hälfte von dem bekommen wie in vergleichbare Einrichtungen, haben sie auch wesentlich weniger rechte zB dürfen sie nicht Streiken und keine Gewerkschaft bilden.
Außerdem wird bei den meisten Festanstellungen (die die Kirche was kosten) ein Kircheneintritt verlangt.

Hinzu kommt noch die erkaufte Prestige da die Kirche bei den meisten sozialen "Kirchlichen" Einrichtungen, selten mehr als 20 Prozent zahlen sondern das der grossteil tatsächlich vom Staat bezahlt wird, die Kirche aber die Kontrolle über die Einrichtung und das Prestige hat.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 10. Jun 2009, 07:09
von stine
Der festgestellte Wegfall des Kindergeldes bei einer Praktikumsstelle in der Diakonie, ist ja nun nicht Kirchensache. Das muss Vater Staat erklären, warum er Kindern, die bei Mutter Kirche arbeiten, das nicht mehr zugesteht.
Ansonsten bezahlt die Kirche nach TVöD und das ist in der Tat ein schlechter Tarif, da müsste man aber auch alle städtisch Angestellten bemitleiden.
Der Arbeitgeber Kirche funktioniert ansonsten recht gut. Ich kann dir gerne bestätigen, dass hier Menschen noch Arbeit finden, die die freie Industrie längst an die Luft gesetzt hätte.

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 10. Jun 2009, 20:34
von pinkwoolf
stine hat geschrieben:Wer für wenig Geld schuften muss, wird sich dann entweder endlich klar darüber, dass ohne schulischen Fleiß ein besseres Leben nicht möglich ist oder er stellt fest, dass soziale Aufgaben, die übrigens immer schlecht bezahlt sind, genau seine Lebensaufgabe sein werden.
Dafür ist mE das soziale Jahr eine gute Sache.

Das mit dem schulischen Fleiss ist so eine Sache. Da gibt es noch andere Imponderabilien:

    eine tiefsitzende Aversion gegen ungerechte / inkompetente / miese Lehrer. So was soll es geben. Manche Menschen wählen den erfolgversprechenden Weg, beißen in die Zitrone und machen das Beste daraus; andere begehren auf;

    ein intellektuelle Profil, das mit den Vorgaben durch die Kultusbürokratie inkompatibel ist. Wenn du dich jetzt im Hinblick auf meine Tochter mit mir anlegen willst, sage nur, dass sie ein genetisches Problem hat.
stine hat geschrieben:Was verstehst du denn prinzipiell unter einem freiwilligen sozialen Jahr?
Ich glaube nämlich, dass das in keinem Fall ein Honigschlecken ist. Gearbeitet wird in jedem Fall und Bezüge gibt es kaum dafür, ganz egal, für was man sich entscheidet. Ich denke der Staat ist da nicht wesentlich großzügiger.

Ist er doch. In staatlichen Kindergärten kann man durchaus ein Soziales Jahr absolvieren, wie meine Tochter mir heute freudig berichtet hat.

Das Diakonische Werk nimmt von diesem Modell Abstand, weil damit weitere finanzielle Verpflichtungen verbunden sind. Das ist natürlich rausgeschmissenes Geld, wenn man Gottes Lohn mit einkalkuliert.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 10. Jun 2009, 20:42
von pinkwoolf
stine hat geschrieben: Ich kann dir gerne bestätigen, dass hier Menschen noch Arbeit finden, die die freie Industrie längst an die Luft gesetzt hätte.

Die freie Industrie werde ich jetzt nicht verteidigen; aber Vater Staat? Beim Gartenbauamt findet auch noch so mancher sein Auskommen.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Do 11. Jun 2009, 20:45
von stine
pinkwoolf hat geschrieben:Das mit dem schulischen Fleiss ist so eine Sache. Da gibt es noch andere Imponderabilien:

eine tiefsitzende Aversion gegen ungerechte / inkompetente / miese Lehrer. So was soll es geben.
Das zähle ich aber zu den Ponderabilien :^^: .
Damit kämpfen doch alle immer mal wieder, schon seit es Schule gibt.

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Do 11. Jun 2009, 21:10
von pinkwoolf
stine hat geschrieben:Damit kämpfen doch alle immer mal wieder, schon seit es Schule gibt.

In der Tat. Die stromlinienförmigen kriegen das dann irgendwie auf die Reihe - errötend bekenne ich mich dazu; die anderen versinken spurlos. Ausgenommen eine winzige Anzahl von Überfliegern, die als Autoren oder Filmregisseure den Hokuspokus sichtbar machen.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Sa 13. Jun 2009, 15:37
von PW_
http://www.diakonie.de/2527_DEU_HTML.htm

Das die Diakonie kein freiwilliges Soziales Jahr anbietet, scheint mir demnach Humbug.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Sa 13. Jun 2009, 16:48
von pinkwoolf
Stimmt; aber nicht in Kindergärten. Jedenfalls bei uns nicht. Empört hatte mich auch die Aussage, solch ein Praktikum laufe letztlich auf dasselbe hinaus.
:kopfwand:

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 17. Jun 2009, 17:50
von PW_
pinkwoolf hat geschrieben:Stimmt; aber nicht in Kindergärten. Jedenfalls bei uns nicht. Empört hatte mich auch die Aussage, solch ein Praktikum laufe letztlich auf dasselbe hinaus.
:kopfwand:


Hätte mich auch geärgert!

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Do 18. Jun 2009, 07:09
von stine
Was die Tätigkeit und die Erfahrungen betrifft, kann das ja durchaus richtig sein. Die Umstände sind eben andere. Die kann man mögen, muss aber nicht.
Ich denke, dass das einfach nicht zu Ende gedacht oder mit einer persönlichen Voreingenommenheit betrachtet wurde.

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 22. Jun 2009, 17:08
von pinkwoolf
stine hat geschrieben:Was die Tätigkeit und die Erfahrungen betrifft, kann das ja durchaus richtig sein. Die Umstände sind eben andere. Die kann man mögen, muss aber nicht.
Ich denke, dass das einfach nicht zu Ende gedacht oder mit einer persönlichen Voreingenommenheit betrachtet wurde.

Dein erster Satz stimmt ohne Zweifel. Bei den anderen Umständen handelt es sich um die rechtliche Stellung und die Kosten für den Träger. Daran hatte sicherlich keiner der zunächst Beteiligten gedacht - meine Tochter nicht, ich nicht und die Kindergärtnerinnen nicht. Auf der Verwaltungsebene hätte man aber sofort darüber stolpern müssen.

Wenn ich jetzt die persönliche Voreingenommenheit abstreiten wollte, würde mir das sowieso keiner glauben.
:santagrin:

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 22. Jun 2009, 19:39
von stine
Da hast du allerdings recht :mg: .
Ich ertappe mich übrigens auch immer öfter bei Vorurteilen gegenüber kirchlichen Einrichtungen... :/

Aber es muss ja nicht alles schlecht sein, nicht wahr?

LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mo 22. Jun 2009, 23:13
von pinkwoolf
stine hat geschrieben:Aber es muss ja nicht alles schlecht sein, nicht wahr?

Ein kleines Crossover zum Medien-Thread:

Sicherlich lehren nicht alle konfessionellen Schulen die 6000-Jahre-Theorie.

Diejenigen Baptisten-Institutionen, die genau dieses tun, reden sich jedoch um Kopf und Kragen; und selbst 1% staatlicher Zuschüsse wären nicht nur rausgeschmissenes Geld, sondern ein aktives Element der Wissensvernichtung. 90% Zuschüsse kommen einer Naturkatastrophe gleich.

Die von 1von6,5Milliarden monierten Geschichtsklitterungen stoßen mir zwar auch übel auf; aber ich halte sie nicht für speziell religiös bedingte Sünden.

Jedes Land, das etwas auf sich hält, interpretiert seine eigene Politik als rechtmäßig und all die anderen als als Irrwege. Auch ich beharre darauf, dass z.B. die Politik des Irans jeder Beschreibung spottet; aber ich reklamiere für diese Ansicht keinerlei religiös bedingte Gedankenführung.

Apropos Medien-Thread.

Mir scheint, dass auf dieser Schiene allerlei interessante Gedanken spurlos im Orkus verschwinden. Da guckt wieder mal kein Schwein. Meistens gibt es null bis zwei Antworten.

Ich plädiere für die ersatzlose Löschung dieses Threads.

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Di 23. Jun 2009, 07:05
von stine
Mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass die Diskussion über die Bibel zum ABI im Medien-Thread läuft, da ich stets über neue Nachrichten ins Forum schaue.
Das Thema ist sicherlich dort gelandet, weil es mit einem Fernsehbericht begann, der aber meinerseits leider nicht kommentarlos hingenommen werden konnte, weil ich Fr. Beer hier nicht glaubwürdig finde. Der ganze Bericht ist mE sehr zielgerichtet aufgebaut. Prinzipiell steht doch Aussage gegen Aussage.
Wer sich für Moscheenbau einsetzt, kann doch nicht andererseits christliche Schulen verhindern wollen, sofern diese auch noch mit den Lernstoff des Kultusministeriums arbeiten.
LG stine

Re: Kirchliche Gerechtigkeit

BeitragVerfasst: Mi 24. Jun 2009, 09:28
von karmaqueen
Also wenn ihr mich fragt, finde ich es gar nicht schlecht, dass die Kirche nicht soooo viel zahlt. Denn schließlich ist ja die Verbindung zu Gott wichtig und nicht die weltlichen Güter, oder? Ich kann schon verstehen, dass du ein Problem mit der Heuchelei der Kirche hast, aber das Beispiel ist blöd gewählt, denn das gilt auch für alle anderen Praktikanten in diversen Betrieben. Ich hab mich mal in einem Christenforum rumgetrieben und was ich da teilweise lesen musste, hat mir wirklich die Haare zu Berge stehen lassen! Aber jedem das seine!