Todesstrafe

Re: Todesstrafe

Beitragvon ujmp » Mo 14. Jun 2010, 23:22

Bionic hat geschrieben:Da gibt es dann so oberschlaue Kommentarschreiber, die deshalb sagen, dass diese Menschen nicht resozialisierbar sind. [...]Und was willst du mit dem aussagen, wenn sie sich nicht ändern können?[/

Das Wort "resozialisierbar" ist leider für manchen Menschen eine fatale Illusion. Sie wahren nie sozialisiert. Psychopathen können aus physiologischen Gründen nicht anders, ihr Gehirn ist so gebaut. Hast du schonmal versucht, dich selbst zu ändern?
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ujmp » Mo 14. Jun 2010, 23:25

Bionic hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Mit der Einführung der Todesstrafe hätte der Rest sich ja erledigt. Ich würde außerdem das Wort "einschläfern" bevorzugen. Mit Hunden, die Kinder totbeisen, macht man das doch auch. :mg:

Mit dir muss man über dieses Thema wohl nicht diskutieren..


Warum nicht? Weil ich deine Vorurteile nicht teile?
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Nanna » Mo 14. Jun 2010, 23:34

Mark hat geschrieben:Warum nicht einfach ?
Es geht um die Konsequenz bei der Vertretung der Menschenrechte und ihre Signalwirkung. Es geht um das Vertrauen der Bürger an die Unantastbarkeit ihrer Grundrechte. Wenn der Staat das Recht auf Leben absprechen kann zeigt er, daß er sich nach eigenem Dünken nicht der bedingungslosen Verteidigung der Grundrechte verschreibt. Dadurch werden diese Rechte beliebig, und eben DAS Signal DARF nicht sein. Das ist ein völlig praktischer Grund.

Das ist das, was ich zwischendurch mal unter dem Gesichtspunkt "soziales Sicherheitsgefühl" der Gesellschaft angerissen habe, aber du hast es schöner und schnörkelloser auf den Punkt gebracht.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Di 15. Jun 2010, 00:21

ujmp hat geschrieben:Das Wort "resozialisierbar" ist leider für manchen Menschen eine fatale Illusion. Sie wahren nie sozialisiert. Psychopathen können aus physiologischen Gründen nicht anders, ihr Gehirn ist so gebaut. Hast du schonmal versucht, dich selbst zu ändern?

Das ist mir schon auch klar. Sich selbst ändern, inwiefern?
ujmp hat geschrieben:Warum nicht? Weil ich deine Vorurteile nicht teile?

Nein weil du es nicht ernst nimmst! Welche Vorurteile meinst du?
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ujmp » Di 15. Jun 2010, 12:16

Gernot Back hat geschrieben:Hallo Ujmp!

ujmp hat geschrieben:Keiner weiß so richtig, warum Menschen so etwas tun. Was ist, wenn sie sich wirklich nicht ändern können?

Ist das jetzt als Plädoyer deinerseits zu verstehen, dass der Staat vorsichtshalber allen LiebhaberInnen (m/w) den freiwilligen Umgang mit möglichen Psychopathen verwehren oder dass er solcherlei Gemetzel zu Präventionszwecken gar auch noch selbst begehen sollte?


Da steckt sehr viel Bewertung drin. Und es geht ja nicht um freiwilligen Umgang mit möglichen Psychopathen, sondern um den Umgang mit erwiesenen Psychopathen. Außerdem erlaubt man den Menschen nicht ohne weiteres, sich in Gefahr zu begeben, auch nicht, wenn es freiwillig ist. Niemand darf z.B. einfach so in einen Bärenkäfig. (Im Spiegel war mal ein Artikel über einen amerikanischen Aussteiger, ein Phantast der meinte, Bären wären nicht gefährlich, bis er eines Tages von so einem Tier zerissen wurde. Seine Freundin versuchte ihn zu retten, in dem sie mit einer Bratpfanne auf den Bären einschlug. Es lief zufällig ein Tonband, das die Schreie des Mannes aufgezeichnet hat.) Es geht so zusagen nicht darum, den Bären zu verurteilen, sondern darum zu verstehen, was ein Bär ist.

Die Freudsche Psychonalyse hat uns mit vielen Irrtümern vollgestopft, die sich hartnäckig halten, weil der Mensch lieber irgendeine Erklärung annimmt, als ohne rumzulaufen. Einer davon ist, dass Menschen, die in Serie morden, irgendwie schlimme Erfahrungen gemacht haben müssten, die man aufarbeiten könne. Die Neurologie zeigt aber immer mehr, dass diese Leute einfach so sind. Hier gibt es eine herrliche Parodie auf speziell diesen Aspekt der Psychoanalyse:

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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Mi 16. Jun 2010, 00:33

ujmp hat geschrieben:Die Freudsche Psychonalyse hat uns mit vielen Irrtümern vollgestopft, die sich hartnäckig halten, weil der Mensch lieber irgendeine Erklärung annimmt, als ohne rumzulaufen. Einer davon ist, dass Menschen, die in Serie morden, irgendwie schlimme Erfahrungen gemacht haben müssten, die man aufarbeiten könne. Die Neurologie zeigt aber immer mehr, dass diese Leute einfach so sind.

Klar gibt es diejenigen die einfach so sind. Du sagst jetzt die Neurologie zeigt das vermehrt auf. Hast du dazu Studien, Berichte, ect?
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Nanna » Mi 16. Jun 2010, 01:11

ujmp hat geschrieben:Die Freudsche Psychonalyse hat uns mit vielen Irrtümern vollgestopft, die sich hartnäckig halten, weil der Mensch lieber irgendeine Erklärung annimmt, als ohne rumzulaufen. Einer davon ist, dass Menschen, die in Serie morden, irgendwie schlimme Erfahrungen gemacht haben müssten, die man aufarbeiten könne. Die Neurologie zeigt aber immer mehr, dass diese Leute einfach so sind.

Wahrscheinlich sind beide Positionen als Extreme falsch. Die Neurologie kann ja nur den Ist-Zustand abbilden, aber ist noch lange nicht soweit, dass sie sagen kann, warum sich etwas genau so entwickelt hat. Äußere Bedingungen sind mit dafür entscheidend, ob eine genetische Disposition durchschlägt oder nicht. Es sind z.B. bisher keine Pädophilen "geheilt" worden, weil man sexuelle Orientierungen nicht umdrehen kann, aber das Vorzeigeprojekt an der Charité hat zumindest dazu geführt, dass es viel weniger Übergriffe durch die Behandelten gab. Man kann also durch äußere Bedingungen durchaus etwas verändern, sei es zum Schlechteren (Traumata) oder zum Besseren (Therapie, aufmerksames und stabiles soziales Umfeld).
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ganimed » Mi 16. Jun 2010, 17:35

Nanna hat geschrieben:Der Kulturrelativismus ist als Normengeber eine höchst inkonsistente Position

Ich gebe zu, mein Argument war sozusagen kulturrelativistisch. Aber ich habe diesen Relativismus dazu benutzt, um deine Norm als unbegründet zu kritisieren. Ich habe mit meinem Relativismus keine eigene Norm aufgestellt.

Eine im mathematischen Sinne letztgültige Antwort habe ich nicht. Allerdings hast du damit aber auch noch nichts bewiesen oder widerlegt, denn deine kulturrelativistische Position ist ebenfalls objektiv inkonsistent, zumindest sobald man von der deskriptiven auf die normative Ebene wechselt. Du hast jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst auf der deskriptiven Ebene, dann hast du zwar Recht damit, dass meine kulturelle Prägung und meine Emotionen eine Rolle spielen (wenn auch nicht zwangsläufig zu 100%), dann hast du aber keine Möglichkeit, meine Normen zu kritisieren. Oder du gehst, um genau das zu tun, auf die normative Ebene, da schlage ich dich aber mit deinen eigenen kulturrelativistischen Waffen

Ich finde, die Feststellung, dass du dein "Recht auf Leben" als zentrales Argument gegen die Todesstrafe nicht einmal begründen kannst, ist durchaus schon eine Kritik. Ich verstehe noch nicht so ganz, wieso ich auf der deskriptiven Ebene keine Möglichkeit hätte, deine Normen zu kritisieren.

Nanna hat geschrieben:Ein halbgarer dritter Weg wäre funktionalistisch, d.h. man definiert die Normensuche als Optimierungsproblem und sucht nach den Normen, die am besten funktionieren

Das halte ich für die beste Idee. Wir tragen Vor- und Nachteile der Todesstrafe zusammen und wägen dann ab, was unter den jeweils gegebenen Umständen am besten funktioniert. Was wir bei diesem Abwägen jedoch nicht so gut gebrauchen können sind absolute Normen ohne Begründung. Jedes der Argumente sollte nüchtern, relativ und möglichst emotionslos verhandelbar sein.

Und genau dieses Abwägen ist es, was mich zu dem vielleicht etwas ungeschickten Entkräftungsversuch des Revisionsargumentes bewog. Wenn ich drüber nachdenke, kann ich das Argument aber nicht entkräften sondern nur mit einem Gegenargument relativieren.
Argument: keine Revision, also keine Wiedergutmachung bei Unschuldigen möglich (relevant bei unschuldig verurteilten)
Gegenargument: keine Wiederholungstaten möglich (relevant bei Tätern, die nicht nur schuldig sondern auch weitestgehend psychologisch unänderbar sind)

Auch das Menschenrechtsargument lässt sich durch ein Gegenargument relativieren:
Argument: das Menschenrecht "Recht auf Leben" wird verletzt.
Gegenargument: Gerade in der Justiz werden ständig Rechte eingeschränkt und verletzt, notgedrungen, weil die Rechte der Angeklagten gegen andere Rechte von anderen abgewägt werden müssen.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ganimed » Mi 16. Jun 2010, 17:44

Bionic hat geschrieben:Ich finde leicht scharfes Essen toll und Polygamie halte ich auch für überlegenswert. Es gibt außer der Prägung auch noch das Nachdenken, über eine Sache.

Das reicht mir als Argument noch nicht so ganz. Wer sagt mir denn, dass dein Hang für leicht scharfes Essen und dein tendenzielles Wohlwollen gegenüber der Polygamie nicht auch einfach nur Prägung ist? Ich fände es beeindruckender, wenn du als Westeuropäer entgegen der kulturellen Prägung wirklich nur sehr scharfes Essen genießen würdest und du es dir von mindestens 10 Frauen zubereiten ließest. Wie willst du überhaupt durch Nachdenken aus einem nichtschmackhaften Essen ein schmackhaftes machen?
Aber ich gebe zu, Übung macht den Meister. Wir können durch Nachdenken üben, gewisse Dinge aus anderen, neuen Blickwinkeln zu sehen. Aber das können wir nur, wenn uns nicht eine Prägung im Wege steht, die das Nachdenken tendenziell unterbindet. Ich sehe daher in der Prägung schon das Vorrangige.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Do 17. Jun 2010, 02:45

ganimed hat geschrieben:Das reicht mir als Argument noch nicht so ganz. Wer sagt mir denn, dass dein Hang für leicht scharfes Essen und dein tendenzielles Wohlwollen gegenüber der Polygamie nicht auch einfach nur Prägung ist?

Wie genau meinst du könnte das eine Prägung sein? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich sehe das Besitzdenken welches in unserer Gesellschaft ja recht
ausgeprägt ist, schon eher ziemlich skeptisch. Es wird ja dann sogar noch auf Parbeziehungen angewandt. Da findet glaub ich schon viel Heuchelei statt.
Inwiefern so ein Denken kulturell geprägt sein sollte, ist mir jetzt nicht ersichtlich.
ganimed hat geschrieben:Ich finde, die Feststellung, dass du dein "Recht auf Leben" als zentrales Argument gegen die Todesstrafe nicht einmal begründen kannst, ist durchaus schon eine Kritik.

Menschliches Leben ist etwas vom Wertvollsten was es auf der Erde gibt. Nur der Mensch hat so eine reichhaltige Vorstellung von der Welt.
Gut eine absolute Begründung ist das auch nicht..
ganimed hat geschrieben:Das halte ich für die beste Idee. Wir tragen Vor- und Nachteile der Todesstrafe zusammen und wägen dann ab, was unter den jeweils gegebenen Umständen am besten funktioniert. Was wir bei diesem Abwägen jedoch nicht so gut gebrauchen können sind absolute Normen ohne Begründung. Jedes der Argumente sollte nüchtern, relativ und möglichst emotionslos verhandelbar sein.

Da hast du sicher recht, nur ist dies ja auch ein heikles Thema.
ganimed hat geschrieben:Argument: keine Revision, also keine Wiedergutmachung bei Unschuldigen möglich (relevant bei unschuldig verurteilten)
Gegenargument: keine Wiederholungstaten möglich (relevant bei Tätern, die nicht nur schuldig sondern auch weitestgehend psychologisch unänderbar sind)

Ja das ist sicher eines der besten Argumente, das für die Todesstrafe spricht. Allerdings gibt es halt denke ich mal auch die Problematik, dass der Fall eines
Hingerichteten wohl kaum nochmals untersucht wird. Somit könnte bei Hinrichtungen, wenn es denn ein Fehlurteil war, die Sicherheit sogar sinken.
ganimed hat geschrieben:Auch das Menschenrechtsargument lässt sich durch ein Gegenargument relativieren:
Argument: das Menschenrecht "Recht auf Leben" wird verletzt.
Gegenargument: Gerade in der Justiz werden ständig Rechte eingeschränkt und verletzt, notgedrungen, weil die Rechte der Angeklagten gegen andere Rechte von anderen abgewägt werden müssen.

Das stimmt. Da hab ich nichts zu ergänzen.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Do 17. Jun 2010, 03:18

Ich denke der Staat sollte nicht ähnlich schlimm vorgehen, wie die zu verurteilenden Verbrecher. Das Lebensrecht wiegt ME nach höher, wie das
(verständliche) Recht auf Rache. Begründen kann ich dies im Moment aber nicht. Staaten die die Todesstrafe anwenden, stehen in einer Linie mit
Terror-Regimen und Unterdrückungs-Staaten. Intressant könnte auch sein, dass Staaten die die Todesstrafe anwenden, es meistens auch nicht so genau mit den Menschenrechten nehmen. Dadurch wird sie natürlich nochmal fragwürdiger. Schließlich sollte die Todessstrafe ja nicht zu einer bequemen Entsorgung von
Systemkritikern führen. Die Todesstrafe ändert nichts am Grundproblem. Es ist eine Bekämpfung des Symptoms. Anstatt dass man den Quel der Seuche sucht,
tötet man einfach die Infizierten. Es ist ja mit dieser Strafe auch nicht wirklich nötig nach den wirklichen Ursachen zu suchen. Die Todesstrafe taugt nicht zur Abschreckung. Schwerere Strafen können dazu führen, dass der Täter noch mehr unternimmt um nicht gefasst zu werden. Tötung von Opfern/Zeugen. Es ist fraglich ob Rache, als Strafentscheidendes Maß, gelten sollte. Fehler des Einzelnen, könnten in der Gesellschaft viel schlimmer gesehen werden. Das Justizsystem ist nicht ausgewogen.
Arme Menschen werden eher härter bestraft, wie reiche.

Fazit Todesstrafe: Praxisnähe zu Terror-Staaten, Symptombekämpfung anstatt Ursachenergründung, Fragwürdigkeit der Rache, kaum Abschreckung,
keine Resotialisation, härtere Vorgehensweise von Verbrechern,....
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Re: Todesstrafe

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 17. Jun 2010, 06:06

Bionic hat geschrieben: wie das (verständliche) Recht auf Rache.
Wo lebst du? Es gibt kein Recht auf Rache in unserem System.
Du solltest vielleicht weniger US-Mist ansehen, im US-Strafsystem ist der evangelikale, archaische Rachegdanke verankert (die Todesstrafe z.B.), nicht aber bei uns. Eine Strafe soll bei uns zwar auch eine gewisse Genugtuung bei den Opfern oder Angehörigen, sogar bei der ganzen Bevölkerung (im Namen des Volkes) erfüllen, soll(te) aber eben nicht Rache sein.
Was du eventuell gemeint haben könntest, ist aber das - in meinen Augen - verständliche (nicht juristische) Recht darauf, dass ein Opfer oder ein Hinterbliebener eines Opfers Rachegedanken hat.

Auch deshalb darf ein Richter nicht befangen sein, also wie auch immer persönlich involviert sein.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Do 17. Jun 2010, 08:41

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Wo lebst du? Es gibt kein Recht auf Rache in unserem System.
Du solltest vielleicht weniger US-Mist ansehen, im US-Strafsystem ist der evangelikale, archaische Rachegdanke verankert (die Todesstrafe z.B.), nicht aber bei uns.

Wo lebst du? Ich sprach ja von Staaten wo es die Todesstrafe gibt! :explodieren:
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Re: Todesstrafe

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 17. Jun 2010, 12:35

Davon hast du nicht gesprochen (erst anschließend ohne Hinweis, dass dies auch rückwirkend gelten solle) und außerdem hast du von einem verständlichen Recht auf Rache gesprochen!
Also findest du es richtig, dass jemand Rache ausübt? Das Recht auf Rache, also Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben ist archaisch, das Recht jemanden umbringen zu dürfen, nur weil dieser jemanden umgebracht hat, dieses Recht verdient in der heutigen Zeit kein Verständnis mehr.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ganimed » Do 17. Jun 2010, 16:53

Bionic hat geschrieben:Ich sehe das Besitzdenken welches in unserer Gesellschaft ja recht ausgeprägt ist, schon eher ziemlich skeptisch. Es wird ja dann sogar noch auf Parbeziehungen angewandt. Da findet glaub ich schon viel Heuchelei statt. Inwiefern so ein Denken kulturell geprägt sein sollte, ist mir jetzt nicht ersichtlich.

Das Rollenverständnis in einer Partnerschaft hat schon sehr viel mit Kultur zu tun. Ein Faktor dürfte sein, wie einem das von den Eltern vorgelebt wird, von anderen Beispielen in der Familie. Dann beeinflussen und prägen einen vielleicht noch die Sichtweisen von Idolen, Promis, was in Filmen und Büchern dargestellt wird. Wenn sich jemand hinstellen würde und behauptete, dass die Art und Weise, wie er seine Frau sieht, nur darauf beruht, was er sich als richtig, vernünftig und sinnvoll überlegt habe, dann erschiene mir das doch sehr unglaubwürdig. Niemand ist eine Insel. Und niemand, der in einem westeuropäisch liberalen Haushalt groß wird, sieht nachher seine Frau als bloßes Besitztum an.

Bionic hat geschrieben:Menschliches Leben ist etwas vom Wertvollsten was es auf der Erde gibt.

Das klingt wunderbar. In der Praxis scheinen dir aber relativ wenig Menschen zuzustimmen. Ich denke da an die vielen Kinder, die in Armutsregionen an Hunger und Krankheit sterben. Wenn deren Leben wichtiger als jeder Komfort und jeder Besitz wäre, dann würden ja die Menschen in den reichen Ländern solange spenden, bis das Sterben aufhört (oder zumindest stark abnimmt). Auf der Ebene der Sonntagsreden stimme ich dir natürlich zu. Aber um als Argument bei der Todesstrafe so richtig Bestand zu haben, fehlt mir noch ein wenig der Realitätsbezug. Solange überall auf der Welt gemordet, ehtnisch gesäubert, totgeschlagen und in Armut gestorben wird, fühlt es sich an, als wäre die Anwendung des "Wert des Lebens"-Argumentes punktuell gegen die Todesstrafe ein wenig willkürlich und selektiv.

Bionic hat geschrieben:Fazit Todesstrafe: Praxisnähe zu Terror-Staaten, Symptombekämpfung anstatt Ursachenergründung, Fragwürdigkeit der Rache, kaum Abschreckung, keine Resotialisation, härtere Vorgehensweise von Verbrechern,....

Die USA ist kein Terror-Staat, würde ich mal, bei aller gebotenen Amerika-Skespsis, behaupten wollen.
Die anderen Punkte treffen in unterschiedlichem Maße auch auf Gefängnisstrafen zu. Mit dem Einsperren werden nicht die Ursachen ergründet, sondern auch erstmal nur die Symptome bekämpft. Mit Strafe an sich ist immer auch Rache verbunden. Nur Sicherheitsverwahrung (Schutz der Gesellschaft) und Resozialisierung wären Maßnahmen am Täter, denen ein Rachegedanke fehlt. Probleme bei der Abschreckung und bei der Resozialisierung kann man sicher auch dem deutschen Gefängnisvollzug attestieren.
Und was die gebotene Härte anbelangt, fehlt mir persönlich ein wenig der Maßstab. Woher weiß man eigentlich, dass für einen Mord eine Strafe von 5 Jahren Gefängnis angemessen ist? Wieso nicht 5 Wochen? Oder 50 Jahre? Oder dann eben doch die Todesstrafe? Oder Hände abhacken? Das Strafmaß scheint mir, ebenso wie die Grundsatzfrage an sich, doch wieder von kulturellen Geschmäckern und Traditionen abzuhängen. Obwohl ich natürlich sicher bin, dass die vielen hellen Köpfe in der Justiz sich die Sache sicher nicht leicht machen und das meiste schon zu begründen und abzuwägen wissen.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ganimed » Do 17. Jun 2010, 17:06

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Das Recht auf Rache, also Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben ist archaisch, das Recht jemanden umbringen zu dürfen, nur weil dieser jemanden umgebracht hat, dieses Recht verdient in der heutigen Zeit kein Verständnis mehr.

Was ist Rache eigentlich genau?
Wikipedia:
    "Rache ist eine Handlung, die den Ausgleich erlittenen Unrechts bewirken soll. Sie wird als „die erste und roheste Offenbarung des Rechtsgefühls“ bezeichnet.[1] Sie ist immer eine physische oder psychische Gewalttat. Vom Verbrechen wird sie im archaischen Recht nur durch die Rechtmäßigkeit unterschieden."
Ist eine rechtsgültige Strafe eigentlich auch eine Form der Rache? Ich würde denken ja.
Und mit "Auge um Auge" ist nur die Angemessenheit der Rachehandlung gemeint, also die Verhältnismäßigkeit. Wenn ich "Auge um Kratzwunde" betreibe, dann ist das vielleicht nicht mehr im 1:1 Verhältnis, aber Rache bleibt es dennoch.
Jemanden für einen Mord nur 2 Jahre einzusperren, scheint mir daher zwar nicht 1:1 verhältnismäßig zu sein (also kein "Auge um Auge") aber dennoch eine Art Rache.

Ich verstehe nicht, wieso jemand für Rache (im rechtsstaatlichen Sinn) Verständnis haben kann, aber für das 1:1 Verhältnis nicht. Mir erscheint das 1:1 Verhältnis zumindest intuitiv als außerordentlich gerecht.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 17. Jun 2010, 19:36

Sehr gerecht:
Ich mache einen Fehler weil mich eine Wespe gerade gestochen hat und überfahre tödlich ein Kind
ich bin ein Lustmörder und es macht mir Spaß ein Kind zu töten

In beiden Fällen ist das Kind tot
In beiden Fällen ist 1 zu 1 was?
Ja, außerordentlich gerecht. Denn in beiden Fällen wird dadurch das Kind nicht wieder lebendig.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon ganimed » Do 17. Jun 2010, 23:24

Ich bin etwas verwirrt. 1:1 scheint bei mir etwas anderes zu bedeuten.
Wenn mich eine Wespe sticht, dann wäre das die erste 1. Die andere 1, rechts neben dem Doppelpunkt, wäre dann, dass ich die Wespe zurücksteche.
Oder, falls mich ein Kind überfährt, dass ich es dann zurück überfahre.
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Fr 18. Jun 2010, 00:42

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Davon hast du nicht gesprochen (erst anschließend ohne Hinweis, dass dies auch rückwirkend gelten solle) und außerdem hast du von einem verständlichen Recht auf Rache gesprochen!

Ich hatte zuvor über die Todesstrafe gesprochen. Was das Recht betrifft muss ich dir recht geben. Sollte natürlich verständlicher Wille nach Rache heißen.
Ich sollte besser aufpassen. :(
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Also findest du es richtig, dass jemand Rache ausübt?

Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Kommt auf die Situation drauf an. (Da oben hab ich mich aber verschrieben.)
1von6,5Milliarden hat geschrieben:das Recht jemanden umbringen zu dürfen, nur weil dieser jemanden umgebracht hat, dieses Recht verdient in der heutigen Zeit kein Verständnis mehr.

Ich hab mich jetzt zwar gegen die Todesstrafe ausgesprochen, aber warum denkst du verdient allein dieses Recht keine beachtung mehr?
Ich bin ja gegen die Todesstrafe, aber du schreibst hier so, als wäre Mord etwas Banales.
ganimed hat geschrieben:Das klingt wunderbar. In der Praxis scheinen dir aber relativ wenig Menschen zuzustimmen. Ich denke da an die vielen Kinder, die in Armutsregionen an Hunger und Krankheit sterben.

Ok. Menschliches Leben welches mehrer Chancen nützen kann, ist wertvoller und sollte deshalb nicht einfach vernichtet werden.
Also reale Chancen hat zu überleben und in einer halbwegs sozialen Gesellschaft zu leben, ect...
Bionic hat geschrieben:Die USA ist kein Terror-Staat, würde ich mal, bei aller gebotenen Amerika-Skespsis, behaupten wollen.

Hab ich auch nicht behauptet!
ganimed hat geschrieben:Und was die gebotene Härte anbelangt, fehlt mir persönlich ein wenig der Maßstab. Woher weiß man eigentlich, dass für einen Mord eine Strafe von 5 Jahren Gefängnis angemessen ist? Wieso nicht 5 Wochen? Oder 50 Jahre? Oder dann eben doch die Todesstrafe? Oder Hände abhacken?

Ja warum nicht einfach am Glücksrad drehen?! :kopfwand:
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Re: Todesstrafe

Beitragvon Bionic » Fr 18. Jun 2010, 01:01

ganimed hat geschrieben:Ist eine rechtsgültige Strafe eigentlich auch eine Form der Rache? Ich würde denken ja.

Ich würde auch denken ja.
ganimed hat geschrieben:Und mit "Auge um Auge" ist nur die Angemessenheit der Rachehandlung gemeint, also die Verhältnismäßigkeit. Wenn ich "Auge um Kratzwunde" betreibe, dann ist das vielleicht nicht mehr im 1:1 Verhältnis, aber Rache bleibt es dennoch.

Ja stimme dir da eigentlich zu.
ganimed hat geschrieben:Ich verstehe nicht, wieso jemand für Rache (im rechtsstaatlichen Sinn) Verständnis haben kann, aber für das 1:1 Verhältnis nicht. Mir erscheint das 1:1 Verhältnis zumindest intuitiv als außerordentlich gerecht.

Ich finde nicht die ganze Gesetzgebung gut, finde auch nicht dass Rache ausschlaggebend sein sollte, schließe sie aber auch nicht aus.
(Rache in Form von Gefängnisstrafen.) Mahatma Ghandi: "Auge um Auge, macht die ganze Welt blind." Das ist eine Problematik. Eine andere Problematik ist, dass 1:1 meistens eine Illusion ist. Denn es geht nur von einer konkreten Situation aus, ignoriert aber warum es zu dieser Situation kam. Außerdem ist die 1:1-Strafe ja um Nichts besser, wie die Straftat des Täters.
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