Atheismus als Ersatzreligion

Hallo,
mein erster Beitrag hier; ich weiß auch nicht, ob ich lange in diesem Forum sein werde... das wird sich zeigen.
Zu meiner Person: Ich passe wahrscheinlich nicht vollkommen in die Definition von "Bright"... auch, wenn das naturalistische Weltbild meinem einigermaßen nahe kommt. Ich würde mich als "Agnostiker auf der gläubigen Seite" bezeichnen, also als jemand, der an Gott glaubt, gleichzeitig aber weiß, dass es sich dabei nur um einen Glauben handelt. Ich habe mich hier angemeldet, weil ich beim Stöbern auf dieser Seite auf einige Beiträge gestoßen bin, die mich ziemlich aufgeregt haben.
Vor kurzem war im Fernsehen eine Diskussionsrunde, in dem ein paar Leute über Sinn oder Unsinn von Religion gesprochen haben. Was mir an der Diskussionsrunde sehr übel aufgestoßen ist: Da waren ausschließlich Atheisten eingeladen. Fazit der Runde war: "Wir wissen zwar alle, dass es Gott nicht gibt... Religion hat aber auch etwas Gutes." Oder überspitzt ausgedrückt: "Wir, die Elite, wissen, wie es ist, dem dummen Fußvolk lassen wir aber ihren Glauben." Einige Threads in diesem Forum erinnern mich an diese Diskussionsrunde.
Ebenso liest man oft in diversen deutschen Nachrichten- und populärwissenschaftlichen Magazinen Essays und Leserbriefe, die sinngemäß aussagen: "Die Atheisten der Welt müssen sich endlich zusammenschließen, um dem Rest zu zeigen, dass sie einem imaginären Freund, einer Illusion, nachrennen." Wozu? Solche Texte klingen für mich nicht viel besser, als Schriften religiöser Eiferer, die versuchen die Richtigkeit ihrer Religion zu beweisen, und die mit: "und, wenn Du das nicht glaubst, bist Du blöd." enden.
Hier sehe ich Atheismus als Ersatzreligion. Klar, der Naturalismus hat gegenüber anderen Weltbildern den Vorteil, dass ausschließlich überprüfbare Aussagen übernommen bzw. verworfen werden, und die Methodik mit der das geschieht, ist klar definiert und logisch. Das kann keine Religion von sich behaupten.
Von Esoterikern (mit denen ich auch gerne streite) hört man oft den Satz: "Nur weil Aussage XY nicht bewiesen ist, heißt es noch lange nicht, dass XY unwahr ist." Mit dieser Aussage gibt es zwei Probleme: Erstens: Sie ist schlicht wahr. Zweitens: Esoteriker machen klammheimlich den falschen Folgeschluss: "Also ist Aussage XY wahr." Einige Naturalisten sagen aber: "Weil XY nicht bewiesen ist, ist XY falsch." Das ist eine für die Wissenschaft sehr sinnvolle vorgehensweise, weil, solange der Wahrheitsgehalt von Aussage XY nicht untersucht ist, oder gar nicht untersuchbar ist (nicht-fasifizierbare Aussagen), diese Aussage auch nicht zum Erkenntnisgewinn und zur Beschreibung der Naturgesetze beiträgt. Ist es deswegen "illegal" an XY zu glauben?
Hier gibt es einen Thread, in dem ihr über das ewige Leben, was für Euch "unvorstellbar" ist, diskutiert. Wenn Ihr Euch wirklich dafür interessiert, was Esoteriker oder Religionen mit einer unsterblichen Seele meinen, und wie sie sich das Vorstellen, dann fragt sie und erkundigt Euch genau, was wer glaubt... die Vorstellungen da sind so vielfältig wie es Menschen, die an ein Weiterleben der "Seele" nach dem Tod glauben, gibt. Hier unter Euch sich in dem Thread gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, dass es für Euch unvorstellbar ist, ist genauso sinnvoll wie oben erwähnte Fernsehdiskussion.
Ich will mal einen "Schwank" aus meinem Leben erzählen. Vor drei Jahren erkrankte eine gute Freundin von mir an akuter Leukämie. Als kurz nach der Stammzelltransplantation schon das Rezidiv festgestellt wurde, und eine weitere Chemotherapie zur Vorbereitung auf einen weiteren Transplantationsversuch nicht mehr anschlug, wurde sie als unheilbar entlassen und nur noch palliativ behandelt. Als sie die Diagnose "unheilbar" übermittelt bekam, fragte sie den Arzt, wie es weiter gehen wird. Er erklärte und beschrieb ihr, was passieren wird, welche Beschwerden sie haben wird, was dagegen unternommen wird, und er beschrieb ihr auch den Sterbevorgang. Auf ihre Frage nach einem möglichen Weiterleben, sagte er nur schlich: "Das ist Unsinn." Als ich sie kurz danach mal besuchte, war sie ziemlich aufgelöst... kann man auch gut verstehen. Sie fragte mich, woran ich denn glaube... ob ich an ein Weiterleben nach dem Tod glaube oder nicht; immerhin habe ich Physik erfolgreich studiert. Ich erläuterte ihr, dass es keine gesicherten Anzeichen dafür gibt, dass das aber kein Gegenbeweis sei etc., und so konnte ich sie ein wenig beruihigen. Sie starb zwei Wochen später mit 27 Jahren.
Vorher war ich reiner Agnostiker und reiner Naturalist. Nach diesem Tod (und dem Tod meines Vaters kurz danach), fragte ich mich, ob es nicht wirklich ein Weiterleben nach dem Tod geben könnte, und ob sich das Beweisen ließe. In Büchern und Internetseiten finden sich viele Hinweise darauf... ich bin aber Physiker und weiß, was ein Beweis ist und vor allem: was kein Beweis ist. Und somit... leider fand ich keinen Beweis für die Seele... was die Seele und Gott betrifft, bleibe ich also Agnostiker.
Nun die Frage: Warum glaube ich dennoch daran? Ganz einfach: Weil ich es will. Es hindert mich niemand dran. Ich bin niemandem darüber rechenschaft schuldig. Genauso wie starke Atheisten niemandem darüber Rechenschaft schuldig sind, warum sie nicht an Gott glauben. Die Religion gibt mir eine gewisse Stütze. Allerdings jedes Weltbild tut das für die Anhänger.
Auch der Atheismus gibt den Anhängern eine Stütze: Der Glaube es besser zu wissen als alle anderen Gläubigen "Idioten".
Ich habe mal einen schönen Satz gelesen: "Jeder Mensch sollte wissen, unter welchen Vorraussetzungen er/sie seine Überzeugungen überdenken würde, und er/sie sollte sich im Zweifelsfall dieser Herausforderung stellen." Ich weiß genau, unter welchen Vorraussetzungen ich den Glauben an eine Seele aufgeben würde: Unter gar keinen. Das macht mich zum Dogmatiker; das ist mir sehr bewusst. Nun die Frage an reine Naturalisten: Unter welchen Vorraussetzungen würdet Ihr anfangen, an "Übernatürliches" zu glauben? Gibt es da Möglichkeiten, oder seid Ihr genauso dogmatisch wie ich? Wäre nicht schlimm... offener und "tolleranter Dogmatismus" ist nichts böses in meinen Augen. Ich vermute in jedem Menschen Dogmatismus. Jeder Mensch hat Überzeugungen, über die man mit ihm nicht wirklich diskutieren kann.
Als Schluss dieses Beitrages ein paar Fragen an Euch:
Was würdet Ihr einer Euch nahe stehenden Person auf dem Sterbebett antworten, auf die Farge nach dem Weiterleben der Seele nach dem Tod?
Was wäre Eure Schlussfolgerung, wenn jemand die James-Randi-Herausforderung und noch weitere Tests danach bestehen würde?
Ich hoffe, mein Tonfall ist nicht zu unangenehm aufgefallen, und meine Gedanken waren interessant.
Viele Grüße
AChrist
mein erster Beitrag hier; ich weiß auch nicht, ob ich lange in diesem Forum sein werde... das wird sich zeigen.
Zu meiner Person: Ich passe wahrscheinlich nicht vollkommen in die Definition von "Bright"... auch, wenn das naturalistische Weltbild meinem einigermaßen nahe kommt. Ich würde mich als "Agnostiker auf der gläubigen Seite" bezeichnen, also als jemand, der an Gott glaubt, gleichzeitig aber weiß, dass es sich dabei nur um einen Glauben handelt. Ich habe mich hier angemeldet, weil ich beim Stöbern auf dieser Seite auf einige Beiträge gestoßen bin, die mich ziemlich aufgeregt haben.
Vor kurzem war im Fernsehen eine Diskussionsrunde, in dem ein paar Leute über Sinn oder Unsinn von Religion gesprochen haben. Was mir an der Diskussionsrunde sehr übel aufgestoßen ist: Da waren ausschließlich Atheisten eingeladen. Fazit der Runde war: "Wir wissen zwar alle, dass es Gott nicht gibt... Religion hat aber auch etwas Gutes." Oder überspitzt ausgedrückt: "Wir, die Elite, wissen, wie es ist, dem dummen Fußvolk lassen wir aber ihren Glauben." Einige Threads in diesem Forum erinnern mich an diese Diskussionsrunde.
Ebenso liest man oft in diversen deutschen Nachrichten- und populärwissenschaftlichen Magazinen Essays und Leserbriefe, die sinngemäß aussagen: "Die Atheisten der Welt müssen sich endlich zusammenschließen, um dem Rest zu zeigen, dass sie einem imaginären Freund, einer Illusion, nachrennen." Wozu? Solche Texte klingen für mich nicht viel besser, als Schriften religiöser Eiferer, die versuchen die Richtigkeit ihrer Religion zu beweisen, und die mit: "und, wenn Du das nicht glaubst, bist Du blöd." enden.
Hier sehe ich Atheismus als Ersatzreligion. Klar, der Naturalismus hat gegenüber anderen Weltbildern den Vorteil, dass ausschließlich überprüfbare Aussagen übernommen bzw. verworfen werden, und die Methodik mit der das geschieht, ist klar definiert und logisch. Das kann keine Religion von sich behaupten.
Von Esoterikern (mit denen ich auch gerne streite) hört man oft den Satz: "Nur weil Aussage XY nicht bewiesen ist, heißt es noch lange nicht, dass XY unwahr ist." Mit dieser Aussage gibt es zwei Probleme: Erstens: Sie ist schlicht wahr. Zweitens: Esoteriker machen klammheimlich den falschen Folgeschluss: "Also ist Aussage XY wahr." Einige Naturalisten sagen aber: "Weil XY nicht bewiesen ist, ist XY falsch." Das ist eine für die Wissenschaft sehr sinnvolle vorgehensweise, weil, solange der Wahrheitsgehalt von Aussage XY nicht untersucht ist, oder gar nicht untersuchbar ist (nicht-fasifizierbare Aussagen), diese Aussage auch nicht zum Erkenntnisgewinn und zur Beschreibung der Naturgesetze beiträgt. Ist es deswegen "illegal" an XY zu glauben?
Hier gibt es einen Thread, in dem ihr über das ewige Leben, was für Euch "unvorstellbar" ist, diskutiert. Wenn Ihr Euch wirklich dafür interessiert, was Esoteriker oder Religionen mit einer unsterblichen Seele meinen, und wie sie sich das Vorstellen, dann fragt sie und erkundigt Euch genau, was wer glaubt... die Vorstellungen da sind so vielfältig wie es Menschen, die an ein Weiterleben der "Seele" nach dem Tod glauben, gibt. Hier unter Euch sich in dem Thread gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, dass es für Euch unvorstellbar ist, ist genauso sinnvoll wie oben erwähnte Fernsehdiskussion.
Ich will mal einen "Schwank" aus meinem Leben erzählen. Vor drei Jahren erkrankte eine gute Freundin von mir an akuter Leukämie. Als kurz nach der Stammzelltransplantation schon das Rezidiv festgestellt wurde, und eine weitere Chemotherapie zur Vorbereitung auf einen weiteren Transplantationsversuch nicht mehr anschlug, wurde sie als unheilbar entlassen und nur noch palliativ behandelt. Als sie die Diagnose "unheilbar" übermittelt bekam, fragte sie den Arzt, wie es weiter gehen wird. Er erklärte und beschrieb ihr, was passieren wird, welche Beschwerden sie haben wird, was dagegen unternommen wird, und er beschrieb ihr auch den Sterbevorgang. Auf ihre Frage nach einem möglichen Weiterleben, sagte er nur schlich: "Das ist Unsinn." Als ich sie kurz danach mal besuchte, war sie ziemlich aufgelöst... kann man auch gut verstehen. Sie fragte mich, woran ich denn glaube... ob ich an ein Weiterleben nach dem Tod glaube oder nicht; immerhin habe ich Physik erfolgreich studiert. Ich erläuterte ihr, dass es keine gesicherten Anzeichen dafür gibt, dass das aber kein Gegenbeweis sei etc., und so konnte ich sie ein wenig beruihigen. Sie starb zwei Wochen später mit 27 Jahren.
Vorher war ich reiner Agnostiker und reiner Naturalist. Nach diesem Tod (und dem Tod meines Vaters kurz danach), fragte ich mich, ob es nicht wirklich ein Weiterleben nach dem Tod geben könnte, und ob sich das Beweisen ließe. In Büchern und Internetseiten finden sich viele Hinweise darauf... ich bin aber Physiker und weiß, was ein Beweis ist und vor allem: was kein Beweis ist. Und somit... leider fand ich keinen Beweis für die Seele... was die Seele und Gott betrifft, bleibe ich also Agnostiker.
Nun die Frage: Warum glaube ich dennoch daran? Ganz einfach: Weil ich es will. Es hindert mich niemand dran. Ich bin niemandem darüber rechenschaft schuldig. Genauso wie starke Atheisten niemandem darüber Rechenschaft schuldig sind, warum sie nicht an Gott glauben. Die Religion gibt mir eine gewisse Stütze. Allerdings jedes Weltbild tut das für die Anhänger.
Auch der Atheismus gibt den Anhängern eine Stütze: Der Glaube es besser zu wissen als alle anderen Gläubigen "Idioten".
Ich habe mal einen schönen Satz gelesen: "Jeder Mensch sollte wissen, unter welchen Vorraussetzungen er/sie seine Überzeugungen überdenken würde, und er/sie sollte sich im Zweifelsfall dieser Herausforderung stellen." Ich weiß genau, unter welchen Vorraussetzungen ich den Glauben an eine Seele aufgeben würde: Unter gar keinen. Das macht mich zum Dogmatiker; das ist mir sehr bewusst. Nun die Frage an reine Naturalisten: Unter welchen Vorraussetzungen würdet Ihr anfangen, an "Übernatürliches" zu glauben? Gibt es da Möglichkeiten, oder seid Ihr genauso dogmatisch wie ich? Wäre nicht schlimm... offener und "tolleranter Dogmatismus" ist nichts böses in meinen Augen. Ich vermute in jedem Menschen Dogmatismus. Jeder Mensch hat Überzeugungen, über die man mit ihm nicht wirklich diskutieren kann.
Als Schluss dieses Beitrages ein paar Fragen an Euch:
Was würdet Ihr einer Euch nahe stehenden Person auf dem Sterbebett antworten, auf die Farge nach dem Weiterleben der Seele nach dem Tod?
Was wäre Eure Schlussfolgerung, wenn jemand die James-Randi-Herausforderung und noch weitere Tests danach bestehen würde?
Ich hoffe, mein Tonfall ist nicht zu unangenehm aufgefallen, und meine Gedanken waren interessant.
Viele Grüße
AChrist