Klaus hat geschrieben:laie hat geschrieben:Den grössten Blutzoll in der Geschichte der Menschheit haben atheistische, naturalistische und materialistische Ideologien während der kurzen Zeit des 20. Jahrhunderts gefordert. Das sollte man nicht einfach so vergessen.
Den gleichen Schwachsinn verkünden Ratzinger und Co. Müssen wir uns von solchen idiotischen, provokanten Äusserungen eigentlich behelligen lassen?
Ich meine nicht, dass atheistisches, naturalistisches und materialistisches Gedankengut automatisch die Wurzel allen Übels des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Aber ich denke doch, dass mit der zunehmenden Aufklärung, der gleichzeitigen Entstehung von Nationalstaaten, Liberalismus, Sozialismus eine zunehmende Verschärfung und Verengung der Wahrnehmung andersartiger Lebensweisen eintrat. Die vielzitierten Religionskriege (Dreissigjähriger Krieg, Türkenkriege) waren zum einen überhaupt keine Kriege, die wegen unterschiedlicher Religion geführt wurden, sondern aufgrund handfester materieller Interssen. Türkische Sultane wurden von französischen Hofdamen erzogen, der wohl berühmteste Architekt des osmanischen Reiches war der Christ Sinan und beim Studium des Dreissigjährigen Krieges reibt man sich verwundert die Augen, wenn man liest, dass sich in Wallensteins katholischem Heer protestantische Offiziere befanden. Kurz: die Übergänge waren ziemlich fliessend. Freizügigkeit ist sicher das falsche Wort.
Die Fronten zwischen verschiedenen Weltanschauungen beginnen mit Nationalstaatsdenken und wissenschaftlichem Dünkel zu verhärten. Eine Radikalisierung der verschiedenen Ansichten (auch der christlichen übrigens), die in meinen kurzen Zeilen nicht wiederholt werden kann, die aber in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung kein Novum mehr darstellt. Es ist kein Zufall, das Herzl seine Lösung der Judenfrage gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben hat, dass der radikale Islam, dem sich die "freie" Welt heute gegenübersieht, eine Ausgeburt aus den Jahrzehnten etwa von 1880 bis 1930 ist (also ziemlich modern) und der ganze christliche Kreationistenunsinn auch.
Dissendent hat geschrieben: Ich will die Historie gar nicht diskutieren, jedem dürfte klar sein, dass die Nazis allesamt christlich sozialisiert waren.
Und die Kader Maos und Stalins? Waren die auch allesamt christlich sozialisiert? Der Hinweis von Dissident ist nur auf den ersten Blick interessant und auf den zweiten schlicht falsch. Denn christlich zu sein und zu leben (was auch immer der einzelne damit assoziiert haben mag) war im zweiten Kaiserreich und erst recht danach überhaupt nicht karrierefördernd. Stichwort Kulturkampf in Deutschland und seine Folgen. Daher mag es schon sein, dass manche Nazis vielleicht getauft waren und ein paar mal in der Kirche waren - aber es war halt toll, sich jetzt einer Bewegung anschliessen zu können, die so wunderbaren - noch dazu offensichtlich wissenschaftlich begründeten, zumindest aber begründbaren - Fortschritt verhiess. Fortschritt, wissenschaftlich begründeter und quasi evolutionistisch notwendiger Fortschritt, das war auch der Kern in den Ideologien Stalins und Maos. Ich weiss, dass dies alles nichts mit Darwins ungerichteter Evolution zu hat.
Überhaupt Fortschrittsdenken. Hat das gar nichts gebracht? Waren die wissenschaftlichen Arbeiten und gedanklichen Vorstösse des 19. und 20. Jahrhunderts umsonst? Waren Marx und Ludwig Büchner und Pettenkofer und Pasteur, um nur ein paar herauszugreifen, nicht beseelt, etwas an den gesellschaftlichen Mißständen zu ändern? Doch, das waren sie. Sie waren guten Willens.
Dennoch taucht mit dem Anspruch, gesellschaftliches Leben plötzlich wissenschaftlich deuten und sogar verbessern zu wollen und auch zu können, ein häßlicher Zeitgenosse auf: der Rechthaber. Mal begegnet er uns als Mediziner, mal als Jurist, dann als Biologe und auch als Physiker. Auch als Ethnologe und Historiker taucht er auf. Durchweg ist er vor allem Wissenschaftler und nichts anderes, beseelt von seinem Wissen, das umso mächtiger ist, als dass er das, was er meint zu wissen, beweisen kann, und nicht auf den Glauben angewiesen ist, wie er es anderen unterstellt. Ohne einen bestimmten Berufsstand besonders hervorheben zu wollen, finden sich nicht von ungefähr Juristen, Historiker, Mediziner und Ethnologen unter den geistigen Förderern der Nazis. Keineswegs weil das alles Mengeles waren. Nein! Man darf doch wohl mal - rein wissenschaftlich versteht sich, es wird doch nicht etwa jemand seine Ohren vor der Wissenschaft verschliessen! - über lebensunwertes Leben sprechen. So ganz zwanglos. Kosten ja schliesslich eine Menge Geld, diese sabbernden Idioten. Und wenn wir schon dabei sind, auch diese Kommunisten und Christen und diese ......