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Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 18:50
von pinkwoolf
Über diesen Leserbrief im Guardian Weekly habe ich mich geärgert. Ich übersetze:
Atheisten indoktrinieren ihre Kinder nicht. Wir erzählen ihnen die Wahrheit. Es gibt keinen Beweis für die Existenz irgendeinen Gottes. Wenn man Kindern etwas anderes beibringt, indoktriniert man sie mit seinem Glauben. Ich werde meinem Kind weiterhin die Wahrheit sagen, bis mir ein Beweis für das Gegenteil geliefert wird. Ich vermute, darauf muss ich warten, bis "dein Reich komme."
Rebecca McCoy
Brighton East, Victoria, Australia

Warum ich mich ärgere? Weil hier mit dem Begriff "Wahrheit" ebenso dogmatisch umgegangen wird, wie der Papst es tut oder die KPdSU es tat (Zeitung Prawda = Wahrheit). Da lachen sich doch die Theisten ins Fäustchen.
:veg:

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 18:52
von Andreas Müller
Nö, das passt vollkommen. "Wahrheit" ist ein absoluter Begriff.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 18:57
von pinkwoolf
Das sagen alle Dogmatiker.

Übrigens relativiert die Dame ihre "Wahrheit" wieder, wenn sie sagt, "bis mir ein Beweis für das Gegenteil geliefert wird."

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 18:57
von Kival
Andreas Müller hat geschrieben:"Wahrheit" ist ein absoluter Begriff.


Dann sollte man ihn tunlichst nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt benutzten. Gewissheit ist dem Atheismus nun auch wieder nicht gegegeben...

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 19:17
von jan
Ich würde meinem Kind auch eher Wissen als Wahrheit vermitteln.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 19:23
von Myron
jan hat geschrieben:Ich würde meinem Kind auch eher Wissen als Wahrheit vermitteln.


Jemandem Wissen vermitteln heißt ihm Wahrheiten, d.i. wahre Aussagen, zur Kenntnis bringen.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 19:24
von Kival
Myron hat geschrieben:
jan hat geschrieben:Ich würde meinem Kind auch eher Wissen als Wahrheit vermitteln.


Jemandem Wissen vermitteln heißt ihm Wahrheiten, d.i. wahre Aussagen, zur Kenntnis bringen.


Wenn man Wissen so versteht, ist es kein sinnvoll gebrauchbarer Begriff mehr.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 20:00
von El Schwalmo
Myron hat geschrieben:
jan hat geschrieben:Ich würde meinem Kind auch eher Wissen als Wahrheit vermitteln.

Jemandem Wissen vermitteln heißt ihm Wahrheiten, d.i. wahre Aussagen, zur Kenntnis bringen.

das ist eine extrem steile These. Es dürfte kein Problem sein, wahre Aussagen zu formulieren, aber ich sehe zumindest im Bereich der Empirie keine Möglichkeit, zu zeigen, dass Aussagen wahr sind. Dazu brauchst Du den Gottesstandpunkt.

'Erkennen' ist eine dreistellige Relation: A erkennt B als C. Wenn 'B' die an sich seiende Welt ist (von der wir hypothetisch ausgehen), dann erkennen wir nie die Welt, sondern immer nur als 'C', wie auch immer man das nennen mag ('Konstrukt', 'parziell isomorphe Abbildung' etc.). 'Wissen' entsteht dann, wenn man aus C irgendwelche Aussagen ableitet, die man an B prüft und nicht scheitert. Dabei erreicht man aber nie einen Punkt, an dem man weiß, dass man nun ein C so formuliert hat, dass es ein Abbild von B in dem Sinn darstellt, dass man sicher sein kann, dass man C nie mehr ändern muss (das ist übrigens eine brauchbare Definition von 'Wahrheit': Aussagen, die man nie mehr ändern muss).

Ich kann Dir gerne aus dem Bereich der Biologie Aussagen präsentieren, die irgendwann mal 'wahr' waren, das aber längst nicht mehr sind. Wahrheit ist etwas für Götter, wir Sterbliche haben nur zeitkernig diskursiv einlösbare Gültigkeiten.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 20:02
von Andreas Müller
Warum liest hier keiner den Text?

Wir erzählen ihnen die Wahrheit. Es gibt keinen Beweis für die Existenz irgendeinen Gottes


Das ist die Wahrheit.

Das sagen alle Dogmatiker.


Und Sprachwissenschaftler. :lachtot:

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 20:13
von Kival
Andreas Müller hat geschrieben:Warum liest hier keiner den Text?

Wir erzählen ihnen die Wahrheit. Es gibt keinen Beweis für die Existenz irgendeinen Gottes


Das ist die Wahrheit.


Die 'Wahrheit' ist: Es ist uns keiner bekannt...

Das sagen alle Dogmatiker.


Und Sprachwissenschaftler. :lachtot:


Du bist astreiner Dogmatiker.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 21:07
von Andreas Müller
Die 'Wahrheit' ist: Es ist uns keiner bekannt...


Es gibt keinen für uns im Moment. Wortklauberei.

Du bist astreiner Dogmatiker.

Natürlich ist "Wahrheit" ein absoluter Begriff: Entweder etwas ist wahr oder es ist nicht wahr.

"Die Bank ist grün" ist entweder wahr oder eben nicht. Und komm mir nicht mit Zwischentönen.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 21:22
von Agnus
pinkwoolf hat geschrieben:Wir erzählen ihnen die Wahrheit. Es gibt keinen Beweis für die Existenz irgendeines Gottes.


Ersetze ich den Punkt durch einen Doppelpunkt, dann hört sich das für mich gleich besser an:

"Wir erzählen ihnen die Wahrheit: Es gibt keinen Beweis für die Existenz irgendeines Gottes."


Wahrheit ist für mich ein subjektiver Begriff, der stark von unseren Kognitionen abhängig ist und von dem, wie wir Dinge definieren (so kann 1+1=1 sein, wenn ich in Z2 rechne, alles nur Definitionssache). „Kognition: Überbegriff für alle Prozesse, die mit dem Erkennen einer Situation zusammenhängen: Wahrnehmung, Erkennen, Beurteilen, Bewerten, Verstehen, Erwarten (Bertelsmann Lexikon der Psychologie 1995, S.225). Anders: "Wahr ist, was wir für wahr halten".

Grds. bin ich der Meinung, nicht wir müssen den Gottesbeweis führen, sondern die Theisten. Und das wird Ihnen m. E. nicht gelingen, da Gott der menschlichen Vorstellungskraft (Phantasie) entspringt. Also kurz: Wenn alle Menschen tot, dann auch Gott tot - nein anders: wenn alle Theisten tot, dann Gott tot (Ich liebe alle Menschen, auch Theisten :mg: PEACE)

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 21:43
von El Schwalmo
Andreas Müller hat geschrieben:Natürlich ist "Wahrheit" ein absoluter Begriff: Entweder etwas ist wahr oder es ist nicht wahr.

100% einverstanden (solange Du im Bereich des Mesokosmos oder formaler Systeme verbleibst, und Dir nicht die Mühe machst, nach Phänomenen zu suchen, für die eine zweiwertige Logik nicht mehr hinreicht).

Dein Problemchen ist aber, zu entscheiden, ob etwas wahr ist.

Und nun stehst Du da, mit Deinem hübschen Wahrheitsbegriff, und merkst, dass es Dir geht wie König Midas (oder sollte ich Tarski sagen?).

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 21:47
von El Schwalmo
Agnus hat geschrieben:Grds. bin ich der Meinung, nicht wir müssen den Gottesbeweis führen, sondern die Theisten. Und das wird Ihnen m. E. nicht gelingen, da Gott der menschlichen Vorstellungskraft (Phantasie) entspringt.

wenn ich Gott wäre, würde ich herzlich mich köstlich darüber amüsieren, dass Menschlein versuchen, mich mit ihrem Verstand fassen zu wollen. 'Gott ist größer' ist eine Metapher, über die man gelegentlich nachdenken sollte.

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 22:51
von Agnus
Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt: Ich persönlich halte Gott für ein Produkt unserer Vorstellungskraft, unserer Phantasie, oder kurz und knapp: ein Hirngespinst. Das ist für mich wahr. Punkt. Das ist meine Wahrheit begründet aus meinen Kognitionen, die ich aber gerne revidieren bzw. modifzieren werde, wenn irgendwelche für mich auch nachvollziehbaren wissenschaftlichen Beweise bzw. Hinweise vorliegen sollten. Ich bin jedoch jederzeit bereit, neue "Wahrheiten" anzunehmen, wenn das denn Sinn macht. Auch würde ich eher von relativen Wahrheiten als von absoluten sprechen, auch wenn das irgendwie nach Wortklauberei aussieht. (Ist nicht alles relativ :mg: )

Mit Metaphern, Gleichnissen und Co. habe ich so meine Probleme. Was soll mir das sagen "Gott ist größer"? Ist Gott die Metapher oder ist größer die Metapher oder vielleicht sogar beides? Und überhaupt, wer oder was ist das überhaupt: Gott :erschreckt:

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 23:00
von LinuxBug
El Schwalmo hat geschrieben:'Gott ist größer' ist eine Metapher, über die man gelegentlich nachdenken sollte.

Eine Strategie zur Kritikimmunisierung, sonst weiß man ja auch, wie Gott tickt...

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 23:16
von pinkwoolf
@ Andreas Müller
Was hast du gegen Zwischentöne? Wenn du zu einem Eskimo sagst, "Mein Iglu ist weiß", dann ist das bestenfalls eine sinnlose Aussage. Wahrscheinlich sogar eine unmögliche; denn soweit mir bekannt ist, gibt es bei denen gar keinen Oberbegriff für "weiß".

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 23:24
von LinuxBug
Das ist doch sowieso klar, da ein Inuit eine andere Sprache spricht :^^:
Ich könnte jetzt auch zu dir sagen: 神は死んだ :lachtot:

edit: hab gerade nachgeschaut, die Inuit haben nicht einmal Adjektive (als Wortart), sondern umschreiben das irgendwie...
eine Unterhaltung dürfte demnach sehr schwer werden :mg:

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Fr 9. Nov 2007, 23:46
von pinkwoolf
Die Frage war doch die nach der absoluten Wahrheit, also auch unabhängig von der Sprache.
Ich könnte natürlich auch sagen, "Meine Bank reflektiert das Licht mit der Wellenlänge xy."
Dann wäre ich aber ein seltsamer Kauz.
:lachtot:

Re: Atheismus = Wahrheit?

BeitragVerfasst: Sa 10. Nov 2007, 00:53
von Myron
Kival hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Jemandem Wissen vermitteln heißt ihm Wahrheiten, d.i. wahre Aussagen, zur Kenntnis bringen.


Wenn man Wissen so versteht, ist es kein sinnvoll gebrauchbarer Begriff mehr.


Ohne Wahrheit kein Wissen, da man nichts Falsches wissen kann.
Aus "x weiß, dass p" folgt "'p' ist wahr".