Nanna hat geschrieben:Wir haben aber offenbar unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein gutes Leben ausmacht, was das Ziel persönlicher Entwicklung sein sollte und welche Prioritäten man im sozialen Umgang setzen sollte. Du repräsentierst halt eher das Sith-Denken und ich eher das Yedi-Denken.
Ja, ja. Finde ich fast schon liebreizend, wenn man in Star Wars-Metaphern kommuniziert

Jedenfalls ging es mir nicht unbedingt um die Philosophie, sondern den Bereich des pragmatischen Denkens, zudem ich auch den Umgang mit Systemen zähle. Aber das soll jetzt kein Widerspruch sein, ich kann das so stehen lassen.
Nanna hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Zielsetzungen sind nur wünschenswert, wenn sie einen Nutzen für sich und vielleicht noch für andere haben. Nur weil sie nicht von der Titte "Anarchismus" entwöhnt werden können, bedeutet es nicht, dass diese Unreife etwas erhaltenswertes darstellt. Mag sein, dass diese Erkenntnis für die ein Lebenstrauma darstellen könnte, aber darüber müssen sie hinwegkommen, wenn sie auch nur irgendeine Freude am realen Leben wollen!
Da kommen wir eben an den Punkt, wo wir unterschiedliche Ansichten haben. Ich respektiere provinzlers andere Perspektive und habe nicht das Verlangen, ihn in seiner Identität umbauen zu müssen. Wenn er sich mit gewissen Sichtweisen selbst blockiert, worin wir beide wohl einer Meinung zu sein scheinen, dann ist das zuallererst mal sein eigenes Problem und ob er das auch so sieht und ggf. ändern will, bleibt ihm überlassen. Wenn es zu seinem Charakter gehört, großes Gewicht auf die individuelle Selbstbestimmung zu legen, will ich das nicht ändern. Wer bin ich denn? Er setzt da halt andere Schwerpunkte als ich. Mein Lebensthema ist mehr Verständigung und faire, aber auch verpflichtende Regeln für starke Gemeinschaften aushandeln. Was ich versuche, ist, ihm zu helfen, eine weniger quälende Perspektive einnehmen zu können, ohne deshalb die eigenen Prioritäten verraten zu müssen.
(Ich hab mal korrigiert, dass du "provinzler" anstatt "Darth Nefarius "geschrieben hast).
Klar, abgesehen davon, dass man soetwas schlecht ändern kann, ist es seine Angelegenheit (zumindest solange, wie er nicht das System sabotiert). Ich habe auch nicht kritisiert, dass du ihm seine Meinung lässt, sondern meinst, dass man sie ihm lassen, und gleichzeitig eine friedfertigere Einstellung zum Staate erwirken könne. Das wäre ein fauler Kompromiss, der mir unrealistisch scheint. Es scheint mir auch nicht gesund, das eine zu glauben und das andere zu leben (so wie du das dir von ihm wunscht). Was ich (nochmal) konkret kritisiert habe, war der Widerspruch in deiner Motivation, etwas zu vereinen, was unvereinbar ist (also von einer herrschaftsfreien Welt zu träumen und gleichzeitig zu erkennen, dass dies nicht real durchsetzbar oder überhaupt wünschenswert ist - wie soll das gehen?).
Nanna hat geschrieben:Dass provinzler anders denkt als ich empfinde ich nicht als Bedrohung. Ich finde es schade, wenn er sich die ganze Zeit selbst quält, und nicht sieht, dass er einen Teil dieses Gedankengefängnisses auch selbst errichtet, indem er einen Großteil seiner Identität über seine Opposition zum Staat definiert. Es braucht manchmal eine Weile, bis man versteht, dass das, wovor man Angst hat, was man ablehnt oder was man für sein Leid verantwortlich macht, stark definiert, was für ein Selbstbild man hat und worin man seinen Zweck in der Welt sieht. Man sieht dann irgendwann auch nur noch die Aspekte, über die man sich definiert. Wer seine Identität an seiner Opposition dem Staat gegenüber festmacht, wird z.B. selbst dann, wenn der Staat die sinnvollsten Sachen mit dem Steuergeld anstellt, Schwierigkeiten haben, dieses Gute (für dich: den Nutzen) zu sehen, sondern auf die Verärgerung über die angeblich unrechtmäßige Aneignung des Geldes fixiert bleiben.
Aber damit kritisierst du letztlich doch sein Ideal, seinen Traum von einer herrschaftsfreien Welt. Ich sehe ja auch, dass das Wurzel des Problems in diesem Ideal liegt, weswegen mich gerade wundert, dass du ihn bekehren willst, aber gleichzeitig dies lassen willst. Ich sehe ihn auch nicht als Bedrohung, aber nur, weil ich bei den meisten mit solchem politischen Sprech weiß, dass sie ohnehin nicht tun würden, wozu sie selbst aufrufen. Ich bin teils auch so einer, weil ich schließlich ja Prioritäten im Leben gesetzt habe und im Labor keine Politik gemacht wird. Aber meine politischen Positionen widersprechen meinem Lebensstil auch nicht.
Nanna hat geschrieben:Was die Widersprüche im Weltbild angeht: Ich habe mein Weltbild über die letzten 15 Jahre so radikal und regelmäßig angepasst, dass ich mich irgendwann ganz pragmatisch vom Anspruch gelöst habe, ein vollständiges Bild der Welt erzeugen zu können. Letztlich ist meine Perspektive eh so eingeschränkt und speziell, dass die Frage für mich nicht längst mehr ist, eine theory of everything zu haben, sondern einen sinnvollen Kompass für das Leben zu erstellen.
So geht es wohl jedem.
Nanna hat geschrieben: Ich glaube, ich irritiere gerade deshalb viele hier, weil ich schnell verschiedene Blickwinkel durchschalten kann und das verbindende Element identifizieren kann, allerdings ohne mich immer konkret festzulegen. Mein großes Lebensthema ist das Öffnen von Kommunikationsräumen, wo Verbindungen zwischen unterschiedlichen Perspektiven geknüpft werden können. Dafür braucht man eine gewisse weltanschauliche Flexibilität, die Widersprüche und Graustufen aushalten kann, und das ist, glaube ich, eine meiner Stärken. So ganz privat habe ich natürlich auch meine recht klare Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert, aber ich muss davon nicht gleich jeden überzeugen. Das Universum funktioniert, wie es funktioniert, und sollte ich einigermaßen richtig vermuten, wie es funktioniert, tut es das auch ohne, dass ich Andere davon überzeuge.
Ist ja alles legitim und war absehbar, nur habe ich zu diesem einen konkreten Fall nicht kapiert, wie provinzler und Gandalf sich mit dem Staat praktisch anfreunden sollen (also mit einzelnen Maßnahmen), wenn sie doch nur dessen Abschaffung wünschen (und deiner Meinung nach dennoch weiterhin wünschen dürfen/sollen)? Wie willst du das erreichen? Deine "Flexibilität" irritiert mich indes nicht; eher hätte ich mir nicht selten etwas mehr "Flexibilität" gewünscht (naja, wobei ich zugeben muss, dass du durchaus aufgeschlossener gegenüber meinen Gedanken warst als einige andere in diesem Forum).
Nanna hat geschrieben:Du irrst dich übrigens in dem Punkt, dass ich will, dass sich alle vertragen. Welchen Sinn hätte ein Diskussionsforum dann? Ich habe aber den Wunsch, dass eine Diskussion vorankommt, und nicht dass man sich monatelang dieselben Argumente immer und immer wieder an den Kopf klatscht. Konstruktiver Streit ist dagegen eine feine Sache. Und klar bin ich ein Softy. Nur halt einer mit Durchsetzungskraft.
Wieder so ein Widerspruch, den sich Politiker immer durchgehen lassen: Was bedeutet denn vorankommen, wenn nicht die Widerlegung oder Bestätigung/akzeptanz einzelner Argumente (der einen oder anderen Seite)? Zwangsläufig würde dies bedeuten, dass eine Seite irgendwann völlig widerlegt ist und die andere nicht. Aber das bedeutet ja noch nichtmal "vertragen", das würde auch noch erfordern, dass jemand seinen Fehler eingesteht und die Richtigkeit der anderen Position anerkennt. Das habe ich hier eigentlich nie erlebt (oder sonstwo, da ist immer die Beleidigung dazwischen, dass man widerlegt wurde).