fopa hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Was nützt eine Meinung, wenn man sie nicht vertritt? Mal ganz ehrlich, es scheint bei den Deutschen üblich zu sein, seine eigene Meinung zu haben, aber immer wieder gerne vor dem Staat und anderen Autoritäten zu kuschen - sogar noch zu gehorchen. Sag, was hat bei dir mehr Gewicht: deine Überzeugungen oder was der Staat für richtig hält? Der Rechtsstaat macht auch Fehler, der Rechtsstaat ist nicht heilig und unantastbar (auch wenn er es gerne wäre). Wenn etwas falsch läuft, ist es begrüßenswert, wenn darauf hingewiesen und gehandelt wird.
Verstehe ich dich richtig, dass du gerade zu Gesetzesbruch aufrufst?
Ich rufe niemanden zu irgendetwas auf, ich erkläre nur, was mir als angemessen erscheint und was nicht. Gesetze sind kein Wert an sich, sich gegen Ungerechtigkeit aufzulehnen ist vielleicht in Diktaturen ein Gesetzesbruch, aber dennoch zu begrüßen. Mich interessiert nicht, ob es Regel/Gesetz xyz gibt oder nicht, ich handle so wie es mir angemessen erscheint. Wenn die Ampel rot ist, aber kein Auto in Sichtweite, gehe ich über die Straße (ja, auch wenn mir Kinder dabei zu sehen; die lernen dabei, dass nicht jede Regel sinnvoll ist und grundsätzlich befolgt werden muss; sie hinterfragen die Regel und überlegen, wozu sie da ist und wann sie wirklich angemessen ist, das begrüße ich).
fopa hat geschrieben:Man kann seine Meinung doch sehr wohl im Rahmen der geltenden Gesetze vertreten!
Nicht immer.
fopa hat geschrieben: Wir machen unsere Gesetze doch selber (indem wir die Legislative wählen). Sie sind keineswegs heilig. Aber solange sie gelten, müssen sie auch befolgt werden.
Sehe ich nicht so. Ich habe nicht das Gesetz gemacht, dass man Steuern für die Kirche zahlen muss, dass es bald wohl eine PKW-Maut für Ausländer geben wird. Ein Gesetz befolge ich, wenn ich auch von seiner Logik und seinem Nutzen für mich und die Gesellschaft überzeugt bin.
fopa hat geschrieben: Insofern ist das Prinzip des Rechtsstaats meiner Ansicht nach unbedingt notwendig für eine freiheitliche Gesellschaft. Denn sonst würde schlicht die Willkür des Stärkeren herrschen.
Nein, es würde jeder so entscheiden, wie er es für angemessen hielte. Die Gesetze wären nichts anderes als Vorschläge, wobei sie auch mal ihren Nutzen als autoregulatives Element der Gesellschaft haben kann. Aber a priori bin ich ein Individuum, a posteriori Teil der Gesellschaft. Gesetze sind angemessen, wenn sie ihren Nutzen haben und keinen Schaden anrichten, nicht wenn sie Gesetze per se sind. Das Gesetz des Stärkeren würde hierbei nie wieder gelten, da die Schwachen sich immer in der Masse gegen den Starken allein stellen können. Das bedeutet Revolution, Putsch oder sonstwas (geht auch friedlich, wenn der Starke freiwillig geht).
fopa hat geschrieben:Du hast Recht, der "Staat" kann auch bevormunden. Das Schöne an unserem System ist ja aber, dass wir selbst bestimmen können, wie viel Bevormundung wir uns wünschen.
Wenn das so wäre, würden wir unseren Kanzler direkt wählen können, über einzelne Wahlversprechen abstimmen dürfen (besonders in Koalitionsverhandlungen: Es wäre sinnvoll bei anstehenden Koalitionen den Bürger entscheiden zu lassen, welche Wahlversprechen welcher Partei unter den Tisch fallen sollten - also diejenigen, bei denen sich die Parteien selbst nicht einigen können oder einfach nicht bereits gemein haben). Der Grad an aktueller Bevormundung ist nicht unser Beschluss, sondern das Ergebnis der Beschlüsse nach dem 2. Weltkrieg der Siegermächte. Damals war das noch angemessen, wo jeder Bürokrat und jeder Lehrer noch Nazi gewesen war, aber heute hat sich das überlebt.
fopa hat geschrieben: Glaub mir, ich bin auch nicht besonders glücklich, um nicht zu sagen sogar ziemlich entsetzt, über die hohe Zustimmung jener Parteien, die die Bevormundung des Staates vorantreiben wollen. Und dazu zähle ich 4½ Parteien des neuen Bundestages (bei der CDU gibt es wenigstens noch einige halbwegs liberal denkende Politiker).
Wahrscheinlich meinst du die zentralistischen Bestrebungen der linken Parteien und bevorzugst die deregulative Haltung der Union, die gern alles den einzelnen Bundesländern überlässt und ihnen einfach nur Geld hinterherwerfen will
. Letzteres befürworte ich jedoch nicht, da sich jedesmal zeigt, wie unfähig einzelne Bundesländer sind, wenn es um Finanzhaushalt geht. Wie gesagt, halte ich den Föderalismus momentan für das größte Übel.
fopa hat geschrieben:Um deine Frage zu beantworten: die Abwägung der eigenen Überzeugung gegen das, "was der Staat für richtig hält", ist schlicht unzulässig, wenn man das rechtsstaatliche System nicht verlassen (also keine Gesetze brechen) möchte.
Manchmal ist es angemessen, der Rechtsstaat ist genausowenig perfekt wie die Gesetze, die er schützt. Natürlich ist es immer ein Abwägen der Konsequenzen und des Nutzens, die Gesetze zu brechen. Ich befürworte es, dass Gauck die Nazis ablehnt, ich beführworte, dass Antifas deren Plakate abreißen, aber ich selbst halte mich meist zurück mit auffälligem Verhalten, da der Nutzen nicht den potenziellen Schaden übersteigt.
fopa hat geschrieben: Ich trete dafür ein, dass meine Überzeugungen sich in der Gesetzgebung niederschlagen, nämlich über die genannten (legalen) Kanäle: Wahlen, Überzeugungsarbeit, Petitionen etc.
Manchmal scheitert das System.
fopa hat geschrieben:Man kann sich Szenarien ausdenken, in denen man sich gezwungen sieht, gegen geltende Gesetze zu verstoßen, beispielsweise in einem unterdrückerischen Regime. Da wir aber in Deutschland von einem solchen Szenario (noch...) weit entfernt sind, sollten wir uns glücklich schätzen, dass wir einen Rechtsstaat haben.
Ja, das ist richtig. Dennoch gibt es unsinnige Gesetze, auch hier. Und ich sehe nicht ein, wieso icht sie alle befolgen muss. Die meisten kennen sich sowieso nicht mit der Gesetzeslage aus und handeln nach ihrem Bauchgefühl: So, dass man möglichst wenig sich selbst und anderen schadet (die sich dafür, dass man ihnen schadet ja revanchieren könnten, und das will man nicht ).