Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon fopa » Di 17. Sep 2013, 13:58

Ich kann schon die Annahme 1 nicht nachvollziehen:
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Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.

Meiner Ansicht nach ist "positiv" keine intrinsische Eigenschaft, sondern eine relationale: sie steht immer in Bezug zu einem Subjekt. Die Eigenschaft von Glasscheiben, durchsichtig zu sein, ist für Bewohner eines Hauses positiv: sie können rausgucken und haben Tageslicht im Raum. Für Vögel kann sie tötlich, also negativ, sein. Bei Negation kehrt sich das Ganze bloß um, steht aber immer noch im Widerspruch zu Annahme 1.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon xander1 » Di 17. Sep 2013, 15:35

Nee das verstehst du falsch. Mit positiv ist an der Stelle die zuweisung zu einem Bit gemeint, wie true false schwarz weiß. Das wird gemacht weil es Logik ist und die mit Bits bzw. Wahrheitswerten rechnet.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon fopa » Di 17. Sep 2013, 16:41

Aha, dann hat Gödel also Gott als Träger aller Eigenschaften definiert, die er als "positiv" bezeichnet. Was soll uns das sagen? Genauso gut könnte man dieses mathematische Objekt auch "Jota" statt "Gott" nennen. Das wäre nicht weniger aussagekräftig. :irre:
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon xander1 » Di 17. Sep 2013, 17:19

Ich vermute, dass du das immer noch nicht verstanden hast.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon Myron » Di 17. Sep 2013, 17:43

xander1 hat geschrieben:Nee das verstehst du falsch. Mit positiv ist an der Stelle die zuweisung zu einem Bit gemeint, wie true false schwarz weiß. Das wird gemacht weil es Logik ist und die mit Bits bzw. Wahrheitswerten rechnet.


Im logisch-ontologischen Sinn geht es um einen Unterschied wie z.B. denjenigen zwischen der Eigenschaft, ein Raucher zu sein, und der Eigenschaft, ein Nichtraucher zu sein. Die Frage ist allerdings, ob es solche negativen Eigenschaften überhaupt gibt – was ich verneine. Denn das Nichthaben einer positiven Eigenschaft geht nicht mit dem Haben einer entsprechenden negativen Eigenschaft einher. Die Negation bezieht sich auf die Kopula und nicht auf das Prädikat: x ist-nicht Y statt x ist nicht-Y. Das heißt, Negativität ist keine Eigenschaft von Eigenschaften, sondern höchstens von Prädikaten oder Begriffen. Die Rede von negativen Prädikaten oder Begriffen ist unproblematisch, solange man nicht annimmt, dass es zu negativen Begriffen wie <Nichtraucher> oder <Nichtschwimmer> entsprechende negative Eigenschaften gibt.

Was genau Gödel unter der Positivität bzw. Negativität einer Eigenschaft versteht, ist nicht klar. Er scheint diese Prädikate hauptsächlich im moralisch-ästhetischen Sinn aufzufassen.

"3.1 Positive properties
3.1.1. ‘P’ is the primitive of the theory. It abbreviates sometimes ‘positiveness’ and sometimes ‘is positive.’ Its intended interpretation must be gleaned from cryptic explanatory sentence fragments in Gödel’s hand, as there is nothing to it in Scott’s notes. Gödel writes in 'Ontologischer Beweis', p. 2:

Positive means positive in the moral aesthetic [This word is not perfectly legible. J. H. S.] sense (independently of the accidental structure of the world). Only then [is/are?] the ax. [axiom/axioms? – the reference may be specifically to something equivalent to Axiom 2, given below, or, more likely I think, to all the axioms] true. It may also mean pure ‘attribution’* as opposed to ‘privation’ (or containing privation). This interpret. simpler proof. . . . *i.e., the ‘disj’ normal form in terms of elem. prop. contains [a? – Presumably, though I cannot decipher the mark here. Göodel (1995, p. 404) has ‘a’.] member without negation.

Both ‘pure’ and ‘disj.’ are above-the-line insertions. For relevance to the object of proving the existence God, by proving the existence of a God-like being that has every positive property, only the moral aesthetic option is useful. In my view, for that relevance, ‘positive’ must be interpreted in a manner so related to the religious or spiritual that: (i) there are religiously or spiritually positive properties that contribute to worshipfulness, and, since it turns out that a God-like being has all and only positive properties, (ii) the religiously or spiritually positive properties that are positive in a sense that makes Gödel’s axioms true, discounted by the religiously or spiritually negative properties (properties that detract from worshipfulness), if any, that are positive in that sense, make a God-like being worshipful at least on balance. For, ‘bottom-line’ in my view, God would, by His properties be made worthy of worship. Clearly there must not be a property that is positive in every sense of positive that makes Gödel’s axioms true, which property makes a God-like being NOT worshipful. Even if there is exactly one God-like being of the system, and it exists in every possible world, it is not a foregone conclusion that it is God, or that it may be God."


(Sobel, Jordan Howard. Logic and Theism: Arguments For and Against Beliefs in God. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. pp. 118-19)
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon AgentProvocateur » Di 17. Sep 2013, 19:05

fopa hat geschrieben:Ich kann schon die Annahme 1 nicht nachvollziehen:
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Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.

Meiner Ansicht nach ist "positiv" keine intrinsische Eigenschaft, sondern eine relationale: sie steht immer in Bezug zu einem Subjekt. Die Eigenschaft von Glasscheiben, durchsichtig zu sein, ist für Bewohner eines Hauses positiv: sie können rausgucken und haben Tageslicht im Raum. Für Vögel kann sie tötlich, also negativ, sein. Bei Negation kehrt sich das Ganze bloß um, steht aber immer noch im Widerspruch zu Annahme 1.

Sehe ich auch so. Eigenschaften können zwar moralisch und/oder ästhetisch bewertet werden, aber die Ansicht, es gäbe eine übergeordnete, einzig richtige moralische/ästhetische Bewertung halte ich für falsch. Wie man bewertet, hängt von den eigenen Interessen und Ansichten ab, (und diese wiederum können mE nicht wahr sein), daher muss hier eine relationale Beziehung vorliegen und Positivität/Negativität kann nicht intrinsisch sein. Daher kann es problemlos möglich sein, dass A X für positiv, aber B X für negativ hält.

Zusätzlich meine ich, dass es auch Eigenschaften gibt, die moralisch und/oder ästhetisch weder als positiv noch als negativ bewertet werden können. Oder auch als "eher positiv" oder "eher negativ".
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon fopa » Di 17. Sep 2013, 19:34

Sorry, ich hatte mich verschrieben...
fopa hat geschrieben:Das wäre nicht weniger aussagekräftig.
... sollte natürlich heißen: Das wäre auch nicht aussagekräftiger.
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xander1 hat geschrieben:Ich vermute, dass du das immer noch nicht verstanden hast.
Das hast du richtig erkannt. Ich hatte mich bisher auch noch nie mit Gödels Gottesbeweis beschäftigt. Mir sind die Definitionen nicht klar. Dabei glaube ich, nach einigen (7) Semestern Mathematik einigermaßen etwas mit mathematischer Beweisführung anfangen zu können.
xander1 hat geschrieben:Mit positiv ist an der Stelle die zuweisung zu einem Bit gemeint, wie true false schwarz weiß.
Wenn das so ist, was soll dann die Konklusio des Beweises sein? Was haben logische Wahr-/Falsch-Aussagen mit Gott zu tun?
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Was soll man mit einem Beweis anfangen, bei dem nicht mal die Elemente definiert werden, mit denen man arbeitet? Was ist eine Eigenschaft? Was ist eine positive Eigenschaft?
Myron hat geschrieben:Er scheint diese Prädikate hauptsächlich im moralisch-ästhetischen Sinn aufzufassen.
Wenn er aber mit Prädikaten operiert (ob er sie nun Eigenschaften nennt oder Eigenschaften mit ihnen betitelt), ist der Beweis vollkommen nichtig. Denn Prädikate sind doch epistemologische Zuschreibungen und keine echten Eigenschaften, und demnach wäre der Beweis kein ontologischer. Abgesehen davon sind intrinsische Eigenschaften nicht moralisch-ästhetischer Natur, zumindest solange man nicht von einem moralischen Realismus ausgeht.
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AgentProvocateur hat geschrieben:Zusätzlich meine ich, dass es auch Eigenschaften gibt, die moralisch und/oder ästhetisch weder als positiv noch als negativ bewertet werden können. Oder auch als "eher positiv" oder "eher negativ".
Wenn ich es richtig verstanden habe, schließt Gödels Definition neutrale Eigenschaften nicht aus.
Weiterhin könnte man im gesamten Beweis doch auch "positiv" durch "negativ" ersetzen sowie "Gott" durch "Teufel" und hätte damit angeblich die Existenz des Teufels bewiesen... oder nicht?
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon AgentProvocateur » Di 17. Sep 2013, 19:47

fopa hat geschrieben:Wenn ich es richtig verstanden habe, schließt Gödels Definition neutrale Eigenschaften nicht aus.

Hm, meiner Ansicht nach schießt dies: "Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv." sehr wohl neutrale als auch graduelle Eigenschaften bezüglich Positivität/Negativität (was auch immer damit gemeint sei) aus. Mag aber sein, dass ich was Grundlegendes hier nicht verstehe.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon fopa » Di 17. Sep 2013, 19:50

Ich hatte mich an dieser Formel orientiert (heise.de)
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon xander1 » Di 17. Sep 2013, 20:48

Also dass der Gödel moralisch und ästhetisch in einen Topf schmeißt ist ein Unding. Für einen sehr menschlichen emotionalgesteuerten Menschen mögen diese Dinge irgendwie zusammenpassen, schon weil das Wort "gut" so vieldeutig ist, wie Menschen nunmal reden. Aber möchte man möglichst exakt sein, dann müsste man ästhetisch und moralisch gut auseinanderhalten. So kann ich den Gottesbeweis gar nicht ernst nehmen. Selbst wenn man von ästhetisch redet, stellt sich die Frage inwieweit es eine menschliche und universelle Ästhetik gibt und da gibts so viele Meinungen darüber wie Menschen auf dem Planeten. Die Frage lässt sich wohl erst richtig beantworten, wenn man sich mit vielen Außerirdischen ausgetauscht hat oder so +g+.

Die Begrifflichkeit des positiven so wie sie hier gemacht wurde ist etwas sehr menschliches und ununiverselles, auch wenn ich das jetzt nicht richtig beweisen kann denke ich das.

Dass ein Gott etwas mit Moral zu tun haben soll ist für mich allein schon nicht glaubwürdig. Ein Gott der uns Moral beibringen will ist schon nicht glaubwürdig und riecht danach, dass hier irgendjemand was bezwecken will. So wie es beim Christentum z.B. der Fall ist.

Da wird mir auch klar, warum Gödel Moral da mit ins Spiel bringen will.

EDIT:
Ich habe gedacht Positiv und Negativ gibts nur wegen Zuweisung zu Prädikaten, und so, weil ich Gödel nicht für so bescheuert halte. Aber anscheindend ... naja

EDIT:
Mal ein wenig OT, aber hier etwas wo Gödel mal was Sinnvolles zustandebrachte: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delisierung . Sowas lernt man im ersten Informatiksemester.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon AgentProvocateur » Di 17. Sep 2013, 21:15

fopa hat geschrieben:Ich hatte mich an dieser Formel orientiert (heise.de)
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Oh, okay. A1 ("entweder ist eine Eigenschaft oder deren Negation positiv, aber nie beides zugleich") ist nun etwas anderes als "Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv." In der Tat kann es nach A1 auch neutrale Eigenschaften geben.

Jedoch halte ich auch A1 für falsch - denn ich bin kein moralischer/ästhetischer Realist. Ich halte es daher für keinen Widerspruch, zu sagen: "A hält X für positiv und B hält X für negativ", jedoch halte ich es für falsch, zu meinen, X müsse entweder intrinsisch/objektiv positiv oder intrinsisch/objektiv negativ oder intrinsisch/objektiv neutral sein. Auch A4 halte ich daher für falsch.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon AgentProvocateur » Di 17. Sep 2013, 21:22

xander1 hat geschrieben:Selbst wenn man von ästhetisch redet, stellt sich die Frage inwieweit es eine menschliche und universelle Ästhetik gibt und da gibts so viele Meinungen darüber wie Menschen auf dem Planeten. Die Frage lässt sich wohl erst richtig beantworten, wenn man sich mit vielen Außerirdischen ausgetauscht hat oder so +g+.

Nein, die Frage, ob es eine universelle Moral oder eine universelle Ästhetik gibt, lässt sich nicht mit einer Umfrage nach persönlichen Präferenzen beantworten, egal, wie umfangreich diese Umfrage auch immer sein mag. Eine solche Umfrage könnte höchstens - das wäre allerdings mE unwahrscheinlich, z.B. (hypothetische) Borgs werden da sicher andere Ansichten haben - eine weitreichende Übereinstimmung der Präferenzen feststellen. Jedoch könnte selbst aus einer solchen weitreichenden Zustimmung nicht auf ein "Richtigsein an sich", auf ein objektives Richtigsein, unabhängig von den zugrundeliegenden Präferenzen, geschlossen werden.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon xander1 » Di 17. Sep 2013, 22:17

Na das macht ja diesen Gottesbeweis noch unseriöser.
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon AgentProvocateur » Di 17. Sep 2013, 23:43

Hm, auch die Prämisse D1 "A God-like being possesses all positive properties" ist mE nun auch nicht so recht nachvollziehbar - selbst dann nicht, wenn man ein moralischer/ästhetischer Realist wäre. Denn dann könnte man immer noch bestreiten, dass Eigenschaften eindeutig entweder negativ, neutral oder positiv sein müssten, (einfach so selbstevident ist das ja nun mitnichten). Die "Positivität/Negativität von Eigenschaften" (was auch immer das bedeuten mag) könnte sich ja auch auf einer graduellen Skala abspielen. Sagen wir mal, die Eigenschaft E1 sei "objektiv" zu 50,05 % positiv, (was auch immer das bedeuten mag). Müsste dann ein "God-like being" E1 besitzen oder nicht? Oder E2 sei "objektiv" zu 49,95 % positiv. Wäre es dann obligatorisch für ein "God-like being, E2 zu besitzen, oder obligatorisch, E2 nicht zu besitzen? Und wie auch immer man das beantwortet: wieso?

Und was ist mit den Eigenschaften E3 und E4, die sich ausschließen, aber jeweils "objektiv" gleichermaßen positiv sind, z.B. "gütig" und "gerecht"? Welche dieser sich ausschließenden Eigenschaften muss ein "God-like being" haben, um als solches gelten zu können? Oder kann es nicht sein, dass es zwei sich ausschließende, jedoch "objektiv" gleichermaßen positive Eigenschaften geben kann? Falls ja: wieso nicht? (Auch das ist mE nicht selbstevident).
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Re: Gödels Gottesbeweis nachgerechnet

Beitragvon xander1 » Mi 18. Sep 2013, 11:07

Also wenn man noch ein neutral einführen will braucht man ne dreiwertige Logik, die nicht nur true und false sondern halbtrue dabei hat. Und wenn man das auf die Spitze treiben will, dann kann man gleich zur Fuzzy Logic greifen, von der es keine ordentliche Theorie gibt, weil man da die Übergänge von true nach false als Funktion frei defnieren kann.
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