Szientismus oder die böse Wissenschaft

Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Nanna » So 18. Aug 2013, 19:34

Das Problem, das ich hier sehe, wenn Philosophie unter Einbeziehung der Quantenmechanik betrieben wird, ist, dass Laien, auch intelligente und gebildete, gerne unterschätzen, wie komplex und kompliziert dieses Gebiet ist. Ich kenne mehrere Physiker, intelligente und an ihrem Fach mit starker intrinsischer Motivation und Spieltrieb interessierte, die das Gesicht verziehen und sagen, dass sie bloß froh sind, dass sie im Studium durch Quantenmechanik durch sind, so etwa in dem Ton, in dem Soziologiestudenten gerne ihre Erleichterung über das irgendwie-hauptsache-durch-Bestehen der Statistikklausur bekunden. Und da kenne ich persönlich Leute, die sonst den ganzen Tag damit beschäftigt sind, ganze Galaxien zu simulieren.

Ich frage mich vor dem Hintergrund halt einfach, ob es hier überhaupt möglich ist, irgendetwas zu klären, oder ob man nicht ganz klar eingestehen muss, dass das hier über Dilettieren auf höchstwahrscheinlich dem physikalischen Forschungsstand und -verständnis nicht entsprechenden Grundlagen überhaupt zu etwas führen kann. Ist eine Frage, die sich wahrscheinlich jeder selbst beantworten muss, aber ich sehe das Herumschwirren auf der Quantenebene ohne fundierte physikalische Ausbildung als tendentiell unproduktiv, weil uninformiert, an. Und angelesenes Laienwissen in Form von zwei, drei Büchern von Stephen Hawking machen das nicht wett, das ist wie der Versuch, neue philosophische Gedanken auf der Grundlage der Lektüre von "Sophies Welt" formulieren zu wollen.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon ujmp » So 18. Aug 2013, 20:09

Nanna hat geschrieben:Ich frage mich vor dem Hintergrund halt einfach, ob es hier überhaupt möglich ist, irgendetwas zu klären, oder ob man nicht ganz klar eingestehen muss, dass das hier über Dilettieren auf höchstwahrscheinlich dem physikalischen Forschungsstand und -verständnis nicht entsprechenden Grundlagen überhaupt zu etwas führen kann.

Ich glaub ich verstehe, was du meinst, aber ich diskutiere hier über unsere Meinungen und ihr Zustandekommen, weniger über den Forschungsstand. Man muss auch nicht alles von einer Sache wissen, um zu verstehen wie es im Detail funktioniert oder auch nicht funktioniert. Die Alternative wäre doch dann zu sagen "Ich versteh zwar es zwar nicht, aber ich halte es für ein Argument" - Unfug! Es ist gerade das Interessante, wie die Leute es verstehen, wie sie sich begründen, irgend wie verstehen sie es halt! - Was sagst du als Fachmann der Hermeneutik dazu? ;-)
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Nanna » So 18. Aug 2013, 20:16

ujmp hat geschrieben:Was sagst du als Fachmann der Hermeneutik dazu? ;-)

Dass es in der Tat hilft, wenn man sich seiner Grenzen bewusst ist. ;-)

Natürlich hast du recht, dass das Interessante hier der Meinungsaustausch unterschiedlichster Charaktere ist. Man muss sich halt bewusst sein, dass man den Wahrheitsanspruch dann möglicherweise runterdrehen muss, und das finde ich persönlich kompliziert, wenn man über Erkenntnis und Wahrheit diskutiert. Aber ich will hier keinem grundsätzlich die Diskussion vermiesen. Ich bin einfach nur skeptisch, wie gut wir hier alle wirklich die Implikationen der Quantenmechanik verstehen.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Gandalf » So 18. Aug 2013, 20:24

AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Verständnis der Quantenmechanik ist zwar extremst limitiert, aber soweit ich weiß, ist es nicht richtig, zu meinen, die Heisenbergsche Unschärferelation würde lediglich ein Messproblem und keine fundamentale Eigenschaft von Quantenphänomenen behandeln. Siehe auch Teilchen-Welle-Dualismus. (Jemand, der sich damit besser auskennt, möge mich gerne korrigieren.)

Du liegst völlig richtig. Es ist ein Prizip und kann weder durch rafffinierte Meßversuche, noch etwa theoretisch außer Kraft gesetzt werden

AgentProvocateur hat geschrieben:So, wie ich das verstehe, läuft das darauf hinaus, dass (zumindest viele) unsere(r) Konzepte aus dem Mesokosmos in der Quantenmechanik nicht anwendbar sind. Z.B., auf das Argument von Waismann bezogen: dass dort der Satz aus der Logik vom ausgeschlossenen Dritten nicht gilt.

Auch das ist richtig. Ein und dass gleiche Quantensystem kann nicht nur als Welle als auch als Teilchen beschrieben werden, sondern es kann sowohl als Photon als auch ein Elektron/Positron-Paar auftreten (http://de.wikipedia.org/wiki/Paarbildung_%28Physik%29
..das selbst "grobe Materie" (z.B. ein Raumschiff) dual beschrieben werden kann, zeigen die unterschiedlichen "Beobachterpositionen" wenn dieses auf ein schwarzes Loch zusteuert und den Ereignishorizont durchquert. Ein Ereignis - zwei konträre Perspektiven, die scheinbar etwas völlig anderes beschreiben. (In der Wahnehmung des einen "äußeren Beobachters" wird das Raumschiff in Folge der messbaren Temperatur am Horizont "aufgelöst", während dieses selbst bei der Durchquerung davon "nichts derartiges" bemerkt. Leonard Susskind 2010)
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon ujmp » So 18. Aug 2013, 20:42

Gandalf hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Verständnis der Quantenmechanik ist zwar extremst limitiert, aber soweit ich weiß, ist es nicht richtig, zu meinen, die Heisenbergsche Unschärferelation würde lediglich ein Messproblem und keine fundamentale Eigenschaft von Quantenphänomenen behandeln. Siehe auch Teilchen-Welle-Dualismus. (Jemand, der sich damit besser auskennt, möge mich gerne korrigieren.)

Du liegst völlig richtig. Es ist ein Prinzip und kann weder durch rafffinierte Meßversuche, noch etwa theoretisch außer Kraft gesetzt werden

Du vermehrst nur den Nebel. Was heißt denn "es ist ein Prinzip"? Es ist eine physikalische Gegebenheit! - Genau so, wie man keine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes messen kann oder wie keine Geschwindigkeit schneller als Licht gemessen werden kann, weil es das eben nicht gibt!
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 09:13

@ ujmp:

Ob Ort und Impuls sich in einem gewissen Rahmen abspielen, ist nicht Frage. Man kann die Parameter auch messen, nur eben a) isoliert voneinader und b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.

Friedrich Waismann hat geschrieben:Zu verkünden, jede Messung sei ungenau, heißt eine Banalität aussprechen. Die Tatsache, die von Heisenberg ans Licht gebracht wurde, geht in dessen viel tiefer: Nicht nur, dass es keine absolute Genauigkeit gibt – es existiert sogar eine endliche Genauigkeitsschranke und diese hängt von den experimentellen Gegebenheiten ab. Etwas genauer: Wenn ein Experiment vorgeschlagen wird, mit dem die Beweguung eines atomaren Teilchens durch Messung von Anfangslage und Anfangsgeschwindigkeit verfolgt werden soll, stellt sich jedesmal heraus, dass sich beide Messungen gegenseitig ausschließen.
(F. Waismann, Niedergang und Sturz der Kausalität, in ter Haar/Crombie, Wendepunkte in der Physik, Vieweg 1963, S.98)


Das ist im Grunde schon schwer kontraintuitiv und auch nach meiner Auffassung hat Agent das treffend beschrieben.
Aber es geht noch weiter:
Friedrich Waismann hat geschrieben:Der Fehler besteht dann darin, einem atomaren Objekt Eigenschaften wie Lage und Impuls unabhängig von der Beobachtung zuzuschreiben – als hafteten solche Eigenschaften dem Atom selbst an, gleichgültig, ob es beobachtet wird oder nicht. Sobald man diesen Standpunkt einnimmt, vermag man nicht einzusehen, dass phyiskalische Größen wie die eben genannten im Gegensatz zur herkömmlichen Physik nur insoweit Sinn haben, als die Eigenschaften, auf die sie sich beziehen, der experimentallen Beobachtung zugänglich sind. Sofern daher von der Lokalisierung oder der Geschwindigkeit eines Atoms die Rtede ist, dürfen wir die gesamte experimentelle Situation, der diese Größen entnommen sind nicht aus den Augen verlieren: Aus diesem Zusammenhang herausgelöst besitzen sie keine physikalische Bedeutung mehr.
(ebd. S.101f)


Die Schlussfolgerungen sind:
Friedrich Waismann hat geschrieben:Und das bedeutet, dass das Wirken der Kausalität auf dieser Eben eine Ende hat. Nicht, dass es dadurch zu einer Widerlegung des Kausalitätspirnzips im streng logischen Sinne käme. Vielmehr wird dem Laplaceschen Programm einfach der Boden entzogen, und zwar dadurch, dass sich die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen als unzutreffend erweisen: Der Zustand der Teilchen im Weltall lässt sich nicht einmal prinzipiell mit hinreichender Genauigkeit ermitteln. Kurz, was sich herausgestellt hat, ist dies: Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar (wenigstens nicht vollständig), so dass sich aus den verfügbaren Daten keine zwingenden Schlüsse auf die Zukunft ziehen lassen. Ob man hiervon Sturz der Kausalität oder vom Ende des Substanzbegriffs sprechen will, ist reine Geschmackssache.
(ebd. S.103)


Was Du glaube ich nicht verstanden hast ist Folgendes:

Erstens scheinst Du Schwirigkeiten damit zu haben, zu erkennen, dass es sich bei der Quantenwelt um eine prinzipiell – unseren klassisch physikalischen, kausalen Maßstäben – unzugängliche Welt handelt und das ist eine Frage unserer (hier unzulänglichen) Perspektive und nicht der (noch etwas ungenauen) Methode.

Zweitens machst Du m.E. Fehler bei der Betrachtung des Messproblems. Was beim Messvorgang im engen und konkreten Sinne des quantenphysikaischen Experiments beschrieben ist, gilt zwar da, aber eben auch darüber hinaus. Jede Interaktion in oder mit dieser Welt ist in diesem Sinne ein Messvorgang und erzeugt erst die Festlegung jener Orts- oder Zustandsbestimmung, von der Deterministen fälschlicherweise (so die Quantenmechanik stimmt) denken, es verhalte sich genau andersherum und uns durch die Anordnung der kleinsten Teilchen haarklein festgelegt sehen wollen, inklusive unserer Gedanken.

Was den Holismus angeht, da bist Du m.E. komplett unwissend und solltst Dich noch mal genauer informieren. Deine emotional-assoziative Herangehensweise von Holismus = irgendwie esoterisch = irrational und unwissenschaftlich steht Dir hier schwer im Weg.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 09:14

@ Nanna:

Einerseits hast Du sicher recht, was das fröhliche Dilettieren auf diesem Gebiet angeht.
Andererseits sprechen einige Gründe dafür, dies dennoch nicht ganz aus den Augen zu verlieren, m.E. lauten sind das folgende Gründe.

1) Auch Quantenphysiker wissen nicht, wovon sie reden.
Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.

2) Dieses Gebiet ist m.E. so wichtig, dass man es – auch in einigen Bereichen des philosophsicen Diskurses – nicht ignorieren kann.

3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt. a) wird einem Laplaceschen Programm der Boden entzogen und b) wird dem Reduktionismus auf eine physikalistische Letztausdeutung hin der Boden entzogen.

Die szientistische Überzeugung lautet ungefähr, dass a) letztlich alles Physik sei, b) alles, was nicht Physik ist, nicht ernstznehmen sei (zu unexakt),
c) prinzipiell alles auf die Sichtweise der Physik zu reduzieren sei, d) die grundlegendere Ebene höhere Genauigkeit biete.

Dass der weitere konsequente Reduktionsschritt auf die Ebene der Quantenphysik dann verweigert wird, liegt m.E. daran, dass er nicht mehr ins erwartete ideologische Muster passt. Man kann es drehen und weden wie man will, auf dieser Ebene ist es mit der Exaktheit vorbei.


Die Problematik des Szientismus beginnt m.E. schon vorher und hier ist Dennett zum einen erhellend und zum anderen widersprüchlich. In „Süße Träume“ beömmelt sich Dennett über die Versuche von Penrose etwas zum Gehirn von der Ebene der Quantenphysik her auszusagen. Die entscheidenden Unterschiede lägen auf er Ebene der Zytoarchitektur und nicht irgendwo auf der physikalischen Ebene, so sein m.E. richtiges Argument.
Eine klare Absage an den Reduktionismus bis ganz nach unten (ins Reich der Physik).
Auch an anderer Stelle, in einer Diskussion über Hirnforschung und Philosophie, schreibt Dennett zutreffend, dass es ein Unterschied sei, welche Ebene der Biologie man betrachte: Ein Molekularbiologe weiß von seinem Forschungsgebiet ausgehend wenig bis nichts über die Ethologie (biologische Verhaltensforschung). Eine klare Absage an den Reduktionsmus schon innerhalb einer Fakultät, die Dennett sogar noch weiter differenziert, ihm dient das Beispiel nur dazu, zu illustrieren, dass jemand der sich mit Hirnforschung auf Zellebene befasst, im Grunde nichts über das Gebiet derer weiß, die sich mit Hirnforschung auf der Ebene der neuronalen Ensembles und Neztwerke befassen. Ich würde wieder zustimmen.

Völlig konträr dazu verkürzt Dennett, ebenfalls in „Süße Träume“, die Psychologie auf ziemlich grundlegende Ebene der Wahrnehmungspsychologie. Widersprüchlicherweise bleibt er hier hinter seinen eigenen Einsichten zurück, als sei die Wahrnehmungspsychologie alles auf dem Gebiet der Psychologie und als könnte sie uns irgendwas über komplexere Ebenen der Psychologie oder Philosophie verraten.

Erhellend ist es aber insofern, wenn man eingesteht, dass ein Reduktion auf nahe, vielleicht nur direkt benachbarte Stufen sinnvoll ist (die Reduktion muss nicht nur in die Richtung nach unten gehen, auch nach oben kann man reduzieren, wenn man unter Reduktionismus ein reines Übersetzungsprogramm sieht), aber schnell unbrauchbar bis sinnlos wird, wenn er sich über mehrere Stufen erstreckt. Die quantenphysikalische Theaterkritik wird es nie geben, doch schon die Einstellung, Liebe sei doch im Grunde nichts weiter als Neurotransmitterausschüttung ist, gelinde gesagt, gewagt. Nicht etwas, weil das kalt, hart und unromantisch ist, sondern weil diese Betrachtung allerhöchstens einen Bruchteil dessen einfägt, was Liebe wirklich ist.

Schon der nicht zum Reduktionismus neigende Otto Kernberg gibt in seinem Buch „Liebesbeziehungen“ (das ungeheuer breit und dicht ist) freimütig zu, dass die Schriftsteller und Künstler die Liebe um Längen schärfer, weil facettenreicher, zu fassen bekommen, als die Psychologie das vermag.
Alles, weiter reduzierend, auf Balzverhalten, mit der weiteren Absicht: Paarung, mit der weiteren Absicht: Nachkommen zu reduzieren, hat mit einem auch nur annähernd realistischen Bild dessen was Liebe ist wenig, mit dem Weltbild der römisch-katholischen Kirche hingegen viel zu tun.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 09:43

Das aktuelle Dilemma der quantenphysikalischen Interpretationen ist m.E. auch für uns Laien gut zu erfassen.
Im Zentrum moderner Wissenschaften steht (nach Feynman) das Experiment, etwas Empirisches.

Im Laufe der Zeit hat man herausgefunden, dass man nicht jedes Experiment zigfach wiederholen muss, sondern, wenn man „die Natur“ eines Experiments erfasst hat, man es idealisieren und algorothmisieren kann. Sprich: Wenn ich eine Kugel eine gerade Bahn hinuntererollen lasse, ändert sich die Geschwindigkeit der Kugel mit dem Neigungswinkel der Bahn. Nach ein paar Messungen kann man aber die entscheidenden Parameter finden und isolieren. Ob in Köln oder Tokio, diese Kugel wird sich überall gleich verhalten und ich brauche nicht mehr die Bahn nachzubauen, sondern nur noch die Formeln, die nackten Zahlen und kann damit rechnen.

Aber es wäre in jedem Moment möglich, von den abstrakten Zahlen wieder zu einem konkreten Experiment zu kommen, eine Stahlkugel von 50 Gramm eine blank polierte Bahn im Winkel von 45° herunterrollen zu lassen und ob 1800 oder 2013, Köln oder Tokio, Mann oder Frau, ich komme immer zum annähernd gleichen Ergebnis, weil Mathematik und Natur sich hier – warum auch immer – die Hände reichen.

In der Quantenphysik gelten nun Regeln, die mit unserer Alltagswelt nicht komplatibel sind, Schrödingers Katze soll u.a. das zeigen. Der Zwischenzustand zwischen Leben und Tod ist bei einer Katze absurd, aber er ergibt sich mathematisch. Was dieser Zwischenzustand nun aber genau sein soll, ist unklar.

Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Gemäß der Kopenhagerer Interpretation, sind diese Zwischenzustände ein rein mathematisches Ereignis, von denen sich irgendwann genau eines empirisch konkretiersen wird (man weiß nur nicht welches und wann). Den Zwischenzuständen kommt ein mathematischer, virtueller, aber kein emiprischer Status zu.

Gemäß der Viele Welten Interpretation sind die Zwischenzustände ein reales empirisches Ereignis und manifestieren sich unterschiedlich konkret als buchstäblich parallele Welten, was im Extrem zu der bekannten Mutiversen Theorie führt.

Soweit ich das gehört habe, gibt es eine Fülle von Zwischentheorien, wobei bei allen der entscheidende Punkt ist, dass sie mathematisch plausibel sind, aber es kein empirisches Experiment mehr gibt, das diesen mathematischen Richtigkeiten entsprechen würde. Mit anderen Worten, die Handreichung von Mathematik und Empirie ist hier an ein Ende gelangt, jedenfalls in der Form, dass man sagen kann, das jeder mathematischen Möglichkeit genau ein emprischer Zustand entspräche.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 19. Aug 2013, 10:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 10:05

ujmp hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Du liegst völlig richtig. Es ist ein Prinzip und kann weder durch rafffinierte Meßversuche, noch etwa theoretisch außer Kraft gesetzt werden

Du vermehrst nur den Nebel. Was heißt denn "es ist ein Prinzip"? Es ist eine physikalische Gegebenheit! - Genau so, wie man keine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes messen kann oder wie keine Geschwindigkeit schneller als Licht gemessen werden kann, weil es das eben nicht gibt!


Kann man natürlich so sehen, die Frage wäre dann, was für Dich ein Prinzip ist, bzw. wo sich Prinzipielles und Empirisches Deiner Meinung nach trennen.

Meine grundsätzliche Meinung dazu ist, dass ich eine Grenze für theoretisch und historisch zweifelhaft halte.
Theoretisch würde ein unhaltbarer Dualismus entstehen.
Historisch sehe ich es so, dass Logik nicht etwas irgendwan einemal separat Erfundenes ist, sondern sich aus der Struktur der Alltagssprache und der mit ihr einhergehenden Praktiken ergeben hat, d.h. implizit in Sprachspielen verborgen war und dann aus diesen geben, geborgen, expliziert wurde.

Als man bestimmte logische Grundstrukturen gefunden hat, hat man festgestellt, dass diese, spezialisiert, in der Skizzierung unendlich vieler möglicher Welten, beliebige Formen annehmen können und so gibt es in der modernen Logik wohl nichts, was man nicht skizzieren könnte.
Dass aber nicht irgendeine beliebige, sondern die zweiwertige Prädikatenlogik ist, derer wir uns in Mathematik und Wissenschaft bedienen, hat m.E. keinen anderen Grund, als dass sie so prima zu unseren Alltagserfahrungen passt, was auch des Rätsels Lösung ist, warum Empirie und Logik/Mathematik über weite Strecken so prima zusammenpassen. Sie stammen beide aus unseren Alltagssprachspielen.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 19. Aug 2013, 17:31

Vollbreit hat geschrieben:Die Schlussfolgerungen sind:
Friedrich Waismann hat geschrieben:Und das bedeutet, dass das Wirken der Kausalität auf dieser Eben eine Ende hat. Nicht, dass es dadurch zu einer Widerlegung des Kausalitätspirnzips im streng logischen Sinne käme. Vielmehr wird dem Laplaceschen Programm einfach der Boden entzogen, und zwar dadurch, dass sich die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen als unzutreffend erweisen: Der Zustand der Teilchen im Weltall lässt sich nicht einmal prinzipiell mit hinreichender Genauigkeit ermitteln. Kurz, was sich herausgestellt hat, ist dies: Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar (wenigstens nicht vollständig), so dass sich aus den verfügbaren Daten keine zwingenden Schlüsse auf die Zukunft ziehen lassen. Ob man hiervon Sturz der Kausalität oder vom Ende des Substanzbegriffs sprechen will, ist reine Geschmackssache.
(ebd. S.103)

Diesen Schlussfolgerungen kann ich nicht zustimmen. Waismann hat hier einen kleinen, aber mE wesentlichen Punkt unterschlagen: im Mesokosmos spielen Quanteneffekte so gut wie keine Rolle, (Stichwort: Dekohärenz). Daher müssen wir unsere Konzepte im Mesokosmos nicht aufgeben. Die Konzepte "Welle", "Teilchen", "Substanz" und "Satz vom augeschlossenen Dritten" mögen zwar auf Quantenebene nicht sinnvoll anwendbar sein, aber das macht sie nicht auch für den Mesokosmos untauglich. Das wäre so, als wie wenn man sagen würde: Quantenmechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie sind miteinander unvereinbar, also müssen wir die aufgeben, das ist deren Ende.

Wie er nun auf die starke Aussage "Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar" kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Dass jedoch das Gegenwärtige nicht vollständig erkennbar ist, scheint mir wiederum eine recht unstrittige Aussage zu sein. Und dass man keine zwingenden (ich nehme mal an, er meint: unfehlbare) Schlüsse auf die Zukunft ziehen kann, scheint mir auch recht trivial zu sein. Was aber nichts mit Quantenmechanik zu tun hat.

Es folgt nun weder ein "Sturz der Kausalität" noch das "Ende des Substanzbegriffes".
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Zappa » Mo 19. Aug 2013, 17:44

Vollbreit hat geschrieben:Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.

Intuition nicht dasselbe wie Verständnis und deshalb kann man natürlich etwas Kontraintuitives sehr wohl verstehen.

Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.

Wieso grade das Programm, dass "mit seiner Objektivierungstendenz" diese Dinge herausgefunden hat "hier ausgehebelt" wird ist mir unklar.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon ujmp » Mo 19. Aug 2013, 21:24

Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.

Indeterministisch bedeutet aber nicht regellos, das kannst du dir wieder abschminken wenn du das denkst. Quantenmechanische Objekte verhalten sich statistisch ziemlich vorhersehbar, und zwar objektiv. Die klassische Mechanik erlaubt gerade wegen dieser statistischen Verlässlichkeit so exakte Vorhersagen und beweist sie dadurch. Wenn du beobachtest, wie ein Apfel vom Baum fällt, ist es komplett unerheblich, was das Elektron Erwin grad in ihm treibt, weil es nur eines unter Milliarden ist.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 21:27

AgentProvocateur hat geschrieben:Diesen Schlussfolgerungen kann ich nicht zustimmen. Waismann hat hier einen kleinen, aber mE wesentlichen Punkt unterschlagen: im Mesokosmos spielen Quanteneffekte so gut wie keine Rolle, (Stichwort: Dekohärenz). Daher müssen wir unsere Konzepte im Mesokosmos nicht aufgeben.
Da klemme ich jetzt irgendwo zwischen Baum und Borke.

Einerseits sehe ich das weitgehend so wie Du, die Frage inwieweit Quanteneffekte nun einen Einfluss auf den Mesokosmos haben, ist ungeklärt, die Effekte die man kennt, würde ich eher als marginal bezeichnen. Andererseits ist es ja schon so, dass man, wenn man über Determinismus redet schon auf genau Kenntnisse einer Welt davor zurückgreifen muss (sei es über den Kunstgriff der verborgenen Variablen) und ich glaube, Du neigst dem Determinismus mehr zu, als ich.
So weit ich das kapiert habe, ist das mit den verborgenen Variablen aber tatsächlich schwer umstritten.

Andererseits ist es m.E. eine Konsequenz der Willensfreiheitsdiskussion, dass der Determinismus den freien Willen nicht nur nicht verhindert, sondern im Gegenteil sogar erst ermöglicht. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist das auch Deine Position, meine ist es jedenfalls. Unklar ist mir, wieweit Deiner Meinung nach der Determinismus reichen muss, damit ein freier Wille ermöglicht ist. Muss er total sein, oder reicht auch ein weitreichender Determinismus.
Wie gesagt, es geht nicht um die Frage, ob Willkür oder Zufall den freien Willen ermöglichen, sondern darum, inwieweit der von uns beiden als möglich angenommen freie Wille durch eine geringen Indeterminismus verhindert würde.

Denn ein totaler Determinismus ist bei dieser Darstellung tatsächlich in Gefahr. Er mag über Statistik wieder gerade gebogen werden, aber hier wird es doch insgesamt brisant.

AgentProvocateur hat geschrieben:Die Konzepte "Welle", "Teilchen", "Substanz" und "Satz vom augeschlossenen Dritten" mögen zwar auf Quantenebene nicht sinnvoll anwendbar sein, aber das macht sie nicht auch für den Mesokosmos untauglich.
Das sehe ich auch so, es ist ja ganz offensichtlich der Fall, da nahezu alle unsere Erkenntnisse von quantenphysikalischen und Fragen der großen Geschwindigkeit oder maximalen Gravitation unbelastet sind.

Ich weiß nicht genau wie ein Szientist das für sich löst, der tatsächlich meint, alles sei immer weiter zu reduzieren und ergebe nur dann Sinn, ist aber auch nicht Dein und mein Problem.

AgentProvocateur hat geschrieben:Das wäre so, als wie wenn man sagen würde: Quantenmechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie sind miteinander unvereinbar, also müssen wir die aufgeben, das ist deren Ende.
Ja, es passt halt alles nicht sonderlich gut zusammen, ist für sich aber brauchbar.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie er nun auf die starke Aussage "Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar" kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Das ist für mich schoin nachvollziehbar, wenn es um jenes genaue Bild geht, was Waissman ja anspricht. Es geht ja nicht darum, ob wir erkennen können ob dahinten ein Auto steht, das war nie Thema seines Aufsatzes.

AgentProvocateur hat geschrieben:Dass jedoch das Gegenwärtige nicht vollständig erkennbar ist, scheint mir wiederum eine recht unstrittige Aussage zu sein. Und dass man keine zwingenden (ich nehme mal an, er meint: unfehlbare) Schlüsse auf die Zukunft ziehen kann, scheint mir auch recht trivial zu sein. Was aber nichts mit Quantenmechanik zu tun hat.
Doch, schon. Bis dahin kann man immer noch sagen, dies sei alles eine Frage der Zeit und der Technik.
Es mögen noch andere Gründe gegen den Laplaceschen Dämon sprechen, aber die prinzipielle Unbestimmbarkeit der macht dem eien Strich durch die Rechnung.

AgentProvocateur hat geschrieben:Es folgt nun weder ein "Sturz der Kausalität" noch das "Ende des Substanzbegriffes".
Kommt m.E. wieder stark darauf an, wie marginal oder gravierend man die Folgen findet. Können wir ja noch drüber reden.
Drewermann hat die Kausalität an anderer Stelle, am Beispiel von Skinners Tauben, auch mal als bessere Gewohnheit kritisiert, selbstwidersprüchlich fand ich daran, dass ja auch dies wieder ein Argument war, was – wie anders, wenn nicht mit guten Gründen und also kausal? – überzeugen wollte.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 21:44

Zappa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.

Intuition nicht dasselbe wie Verständnis und deshalb kann man natürlich etwas Kontraintuitives sehr wohl verstehen.

Stimmt, aber ich verstehe den ganzen Kram zumindest auch nicht. Ich kann zwar äußern, was ich nicht verstehe, was mir für ein echtes Verständnis aber auch nicht weiter hilft.

Zappa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.

Wieso grade das Programm, dass "mit seiner Objektivierungstendenz" diese Dinge herausgefunden hat "hier ausgehebelt" wird ist mir unklar.
Weil man ja hier nicht viel weiter kommt. Man kann sich ausuchen, ob das seit 50 oder 100 Jahren nichts Entscheidendes mehr zugekommen ist, wenn nicht, möchte ich wenigstens erklärt haben, warum ich ein totaler Ignorant bin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenph ... geschichte

Ob dann die Leistungen systematische Forschungsprogramme oder geniale Einzelleistungen sind, steht auch noch mal auf einem eigenen Blatt.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 22:01

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.

Indeterministisch bedeutet aber nicht regellos, das kannst du dir wieder abschminken wenn du das denkst.
Doch, im Grunde bedeutet es genau das.
Was ist denn geregelt und indeterminiert?

ujmp hat geschrieben:Quantenmechanische Objekte verhalten sich statistisch ziemlich vorhersehbar, und zwar objektiv.
Ja, ich weiß.

ujmp hat geschrieben:Die klassische Mechanik erlaubt gerade wegen dieser statistischen Verlässlichkeit so exakte Vorhersagen und beweist sie dadurch. Wenn du beobachtest, wie ein Apfel vom Baum fällt, ist es komplett unerheblich, was das Elektron Erwin grad in ihm treibt, weil es nur eines unter Milliarden ist.
Schon klar, spannender wäre zu wissen, wann genau der Apfel vom Baum fällt und welcher. Da geht es dann schon mehr in die Feinheiten.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon ujmp » Mo 19. Aug 2013, 22:27

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.

Indeterministisch bedeutet aber nicht regellos, das kannst du dir wieder abschminken wenn du das denkst.
Doch, im Grunde bedeutet es genau das.
Was ist denn geregelt und indeterminiert?

Also was nun, leben wir in einer indeterministischen Welt, oder nicht? Ich habe es doch gerade gesagt: Die Regelhaftigkeit der klassischen Physik beweist die Regelhaftigkeit der Quantenwelt, egal ob sie deterministisch ist oder nicht.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Gandalf » Mo 19. Aug 2013, 22:32

ujmp hat geschrieben:Du vermehrst nur den Nebel. Was heißt denn "es ist ein Prinzip"? Es ist eine physikalische Gegebenheit! - Genau so, wie man keine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes messen kann oder wie keine Geschwindigkeit schneller als Licht gemessen werden kann, weil es das eben nicht gibt!


Schwachfug. Du hast nur nicht verstanden, das ein physikalisches Prinzip "stärker" ist, als eine phaysikalische Gegebenheit!

Bsp.: Die "physikalische Gegebenheit" eines Berges hindert mich daran den direkt Weg zwischen A und B zu nehmen. Ich kann jedoch diese Gegebenheit "physikalisch manipulieren". In der Art, das ich den Berg abtrage oder eine Tunnel bohre.

Das ist bei einem physikalischen Prinzip nicht möglich. Ich behaupte daher: Physikalische Prinzipien sind die einzigen realistischen Annahmen (Naturgesetze) über die Wirklichkeit, von denen wir ausgehen können. Alle anderen Naturgesetze sind lediglich "Gewohnheiten" in unserem speziellen Universum, mit uns als Beobachter.

"Keine Temperatur unterhalb des Nullpunktes" ist genauso ein Prinzip - was sich übrigens ebenfalls aus dem Unbestimmtheitsprinzip ergibt.
- Ob allerdings "keine Geschwindigkeit schneller als das Licht" ein Prinzip ist, daran ist zu zweifeln. Zumindest ezigen bestimmte Formeln aus der Realtivitätstheorie, das es hier prinzipiell Teilchen geben könnte, die schneller sind. Es handelt sich hier also um eine physikalische Gegebenheit, die auf massebehaftete Materie zutrifft.



Vollbreit hat geschrieben:1) Auch Quantenphysiker wissen nicht, wovon sie reden.
Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.

Wenn Wissenschaftler (allgemein) nicht wissen, wovon sie reden, dann sind sie keine Wissen_schaffenden, sondern Instrumentalisten.
Für einen Wissenschaftler gehören Erkenntnisgewinn und 'Deutung' des gewonnen immer zusammen! Ansonsten hätten wir auch beim ptolemäischen Weltbild bleiben können.
Man muss keine Astrophysik studiert haben, um zu begreifen, das es einen Unterschied im Weltbild macht, ob man annimmt das die Sonne um die Erde kreist oder umgekehrt (was für den Bauern oder einen Ingenieur regelmäßig "wurscht" ist)

So ist es auch mit der Quantenpyhsik. Sie ist nur "kontrainduitiv" für diejenigen, die mit falschen Analogien arbeiten und über lineare Denkweisen der klassischen Physik nicht hinausgekommen sind. Nimm einen 50 Euro Schein her, kippe ihn vor Deinen Augen hin und her während Du auf den "silbernen Aufkleber" rechts schaust. Was siehst Du? Welche Analogien fallen Dir dazu ein?


Vollbreit hat geschrieben:2) Dieses Gebiet ist m.E. so wichtig, dass man es – auch in einigen Bereichen des philosophsicen Diskurses – nicht ignorieren kann.

..nicht ignorieren kann? - Es ändert alles! - Die Sonne kreist fortan nie mehr um die Erde, wenn man es einmal begriffen hat.

Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.

Inwiefern?
Vollbreit hat geschrieben:a) wird einem Laplaceschen Programm der Boden entzogen

Es ist (noch) strittig ob das Turing-Prinzip universell angewendet werden kann. Roger Penrose sagt nein. David Deutsch sagt ja (Ich endiere zu Letzterem)

Vollbreit hat geschrieben:b) wird dem Reduktionismus auf eine physikalistische Letztausdeutung hin der Boden entzogen.

Das ist richtig. Quantensysteme sind nicht das Ergebnis der 'Summe' ihrer Teilchen, sondern das 'Produkt' ihrer Beziehungen. Das sollte uns aber nicht daran hindern einem universellen Wirklichkeitssimulator zu konstruieren, der Produkte (Wirklichkeiten) simulieren können sollte. Was die Möglichkeit mit einschließt, das wir bereits in einem solchen leben.

Vollbreit hat geschrieben:Dass der weitere konsequente Reduktionsschritt auf die Ebene der Quantenphysik dann verweigert wird, liegt m.E. daran, dass er nicht mehr ins erwartete ideologische Muster passt. Man kann es drehen und weden wie man will, auf dieser Ebene ist es mit der Exaktheit vorbei.


Wäre etwa die Simulation eines Roulettspiels denn 'exakt', wenn jedesmal die gleiche Zahl fällt?
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 22:34

@ ujmp:

M.E. leben wir in einer überwiegend bis weitgehend deterministischen Welt, die nicht sich nicht an kleineren Bausteinen orientiert, sondern dem Wesen nach holistisch ist
Was denkst denn Du?
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 19. Aug 2013, 22:47

Vollbreit hat geschrieben:Andererseits ist es m.E. eine Konsequenz der Willensfreiheitsdiskussion, dass der Determinismus den freien Willen nicht nur nicht verhindert, sondern im Gegenteil sogar erst ermöglicht. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist das auch Deine Position, meine ist es jedenfalls. Unklar ist mir, wieweit Deiner Meinung nach der Determinismus reichen muss, damit ein freier Wille ermöglicht ist. Muss er total sein, oder reicht auch ein weitreichender Determinismus.
Wie gesagt, es geht nicht um die Frage, ob Willkür oder Zufall den freien Willen ermöglichen, sondern darum, inwieweit der von uns beiden als möglich angenommen freie Wille durch eine geringen Indeterminismus verhindert würde.

Denn ein totaler Determinismus ist bei dieser Darstellung tatsächlich in Gefahr. Er mag über Statistik wieder gerade gebogen werden, aber hier wird es doch insgesamt brisant.

Nö, finde ich nicht, meiner Ansicht nach ist die Willensfreiheiheit vs. Determinismus-Diskussion eine rein hypothetische, eine, die die Frage behandelt "was wäre, was bedeutete es für Willensfreiheit, wenn die Welt (in welchem Sinne auch immer) determiniert wäre?" Dabei geht es - zumindest mir - darum, die jeweilige Konzepte von Willensfreiheit zu eruieren und falls das hinreichend gelingt und es auch gelingt, ein gemeinsames Verständnis von "Determinismus" herzustellen, (wobei es mir ziemlich egal ist, was für eines das ist, zumindest solange es keine petitio principii enthält) - was aber leider meist nicht gelingt, an diesen notwendigen einleitenden Schritten als Grundlage für die Diskussion scheitert diese meist schon - die unterschiedlichen Konzepte zu vergleichen, gegeneinander zu stellen, Argumente für und wieder abzuwägen und dann zu sehen, welche Auffassung plausibler erscheint.

Mit anderen Worten: die Frage, wie unsere Welt tatsächlich beschaffen ist, spielt dabei für mich keine Rolle. (Wiewohl ich dazu auch eine Meinung habe, siehe unten, die aber, wie gesagt, meiner Ansicht nach in der WF-Diskussion erst mal irrelevant ist, es würde die nur unnötig verkomplizieren, wenn ich das darstellen würde.)

Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass es in der Willensfreiheits-Diskussion kein Stück weiterhilft, wenn man zeigen kann, dass unsere Welt in einem bestimmten Sinne - wie auch immer - indeterminiert ist. Erst mal müssen in der Diskussion die zugrundegelegten Konzepte geklärt werden.

Vollbreit hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie er nun auf die starke Aussage "Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar" kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Das ist für mich schoin nachvollziehbar, wenn es um jenes genaue Bild geht, was Waissman ja anspricht. Es geht ja nicht darum, ob wir erkennen können ob dahinten ein Auto steht, das war nie Thema seines Aufsatzes.

Gut, ich kenne seinen ganzen Aufsatz nun nicht, nur das, was Du hier zitiert hast. Möchte mir daher kein weiteres Urteil erlauben. Dennoch bleibe ich erst mal dabei, dass er für meinen Geschmack zu dick aufgetragen hat.

Vollbreit hat geschrieben:Drewermann hat die Kausalität an anderer Stelle, am Beispiel von Skinners Tauben, auch mal als bessere Gewohnheit kritisiert, selbstwidersprüchlich fand ich daran, dass ja auch dies wieder ein Argument war, was – wie anders, wenn nicht mit guten Gründen und also kausal? – überzeugen wollte.

An der Stelle stimme ich wohl mit Drewermann überein, falls er sich damit auf die Regularitätstheorie der Kausalität bezieht. Siehe dazu auch dort, (ist aber auf englisch). Ich hänge auch der Regularitätstheorie der Kausalität an, wird manchmal auch als "Humesche Mataphysik" bezeichnet. Aus dieser Sichtweise heraus stellt sich das Problem des freien Willens erst gar nicht, (zumindest nicht in Hinsicht auf Determinismus, wiewohl aber in Hinsicht auf [unerkannte] Fremdbestimmung.).

Mal ganz grob gesagt: nach Ansicht der Anhänger der Regularitätstheorie der Kausalität (und somit auch meiner) ergibt es schlicht keinen Sinn, zu fragen, ob die beobachtbaren Gesetzmäßigkeiten in unserer Welt auf dahinterliegenden jedoch unerkennbaren Prinzipien beruhen; ob Geschehnisse (modal) notwendig verlaufen oder nicht. Das ergibt deswegen keinen Sinn, weil wir das prinzipiell nicht feststellen können. D.h.: eine Welt A, die determiniert wäre und in der Geschehnisse notwendigerweise ablaufen, wäre prinzipiell nicht von einer Welt B unterscheidbar, in der alles völlig identisch wie in A abläuft, aber nicht notwendigerweise. Was wiederum bedeutet: die Annahme einer Notwendigkeit ist in dem Falle a) eine rein metaphysische, die b) zusätzlichen keinerlei Nutzen hat, weil es keinerlei feststellbaren Unterschied gibt.
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Re: Szientismus oder die böse Wissenschaft

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Aug 2013, 22:54

Gandalf hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:b) wird dem Reduktionismus auf eine physikalistische Letztausdeutung hin der Boden entzogen.

Das ist richtig. Quantensysteme sind nicht das Ergebnis der 'Summe' ihrer Teilchen, sondern das 'Produkt' ihrer Beziehungen. Das sollte uns aber nicht daran hindern einem universellen Wirklichkeitssimulator zu konstruieren, der Produkte (Wirklichkeiten) simulieren können sollte. Was die Möglichkeit mit einschließt, das wir bereits in einem solchen leben.
Schön formuliert und alles weitere finde ich auch.

Gandalf hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.

Inwiefern?
Im Sinne, wie oben, für mich ist ein wesentlicher Bestandteil des Szientismus die Behauptung man könne alles auf die Ebene der Physik reduzieren.

Gandalf hat geschrieben:Man muss keine Astrophysik studiert haben, um zu begreifen, das es einen Unterschied im Weltbild macht, ob man annimmt das die Sonne um die Erde kreist oder umgekehrt (was für den Bauern oder einen Ingenieur regelmäßig "wurscht" ist)
Und für sie darf es ja auch egal sein.

Gandalf hat geschrieben:Nimm einen 50 Euro Schein her, kippe ihn vor Deinen Augen hin und her während Du auf den "silbernen Aufkleber" rechts schaust. Was siehst Du? Welche Analogien fallen Dir dazu ein?
Ich hab gerade keinen da, aber ich achte demnächst mal drauf.

Gandalf hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:a) wird einem Laplaceschen Programm der Boden entzogen

Es ist (noch) strittig ob das Turing-Prinzip universell angewendet werden kann. Roger Penrose sagt nein. David Deutsch sagt ja (Ich endiere zu Letzterem)
Was soll das denn heißen, dass das Turing-Prinzip universell angewendet werden kann?
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