Begnadigungsrecht: Unrecht und Willkür?

Begnadigungsrecht: Unrecht und Willkür?

Beitragvon HF******* » Mi 25. Apr 2007, 16:47

Angesichts der Begnadigungsdiskussionen um die Ehemaligen RAF-Mitglieder Kristian Klar und Brigitte Monhaupt stellt sich die Frage, ob das Begandigungsrecht noch zeitgemäß ist:

Der Bundespräsident kann wegen Mordes verurteilte begnadigen. Er ist hierzu nicht an Regeln oder Gründe gebunden, sondern er kann begnadigen, wenn er die Person nett findet oder deren politische Überzeugung passend oder er lässt es, weil ihm dieNase des Häftlings nicht passt oder der Häftling ihm einfach den Hintern nicht küssen will. Die Möglichkeit willkürlicher (!) Begnadigung degradiert den Häftling gegenüber dem Bundespräsidenten zur Unperson, bereits die Möglichkeit eines Gnadengesuchs ist einem mitmenschlichen Umgang nicht würdig.

Nicht umsonst heißt es: Gnade vor Recht ergehen lassen, d. h. dass Gnade grundsätzlich kein Recht ist. Recht sprechen die Gerichte, der Bundespräsident spricht im Rahmen der Rechtsordnung etwas ungerechtes, wenn er begnadigt.

Es ist richtig, dass Jahre nach einer Verurteilung Überprüfungen stattfinden, weil die im Zeitpunkt der Verurteilung vorhandenen Strafgründe weggefallen oder sich geändert haben können, General oder Spezialprävention. Das Gnadenrecht erweckt dagegen den Eindruck, als könne der Bundespräsident eine Tat vergeben, als würde also jemand nicht aus Spezial- und Generalpräventiven Gründen verurteilt, sondern aus Rache -oder zur Abgeltung einer religiös begründeten "Schuld".

1.
Das Begnadigungsrecht muss daher abgeschafft werden und ersetzt werden durch ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem ein Katalog von Umständen aufgeführt werden, die zu einer frühzeitigen Haftentlassung führen können. Entscheiden muss über diese Frage eine Gericht. Das Bundespräsidentenamt ist wegen mangelnder politischer Unabhängigkeit aufgrund parteipolitischer Besetzung und Wiederwahlmöglichkeit ungeeignet.

2.
So lange das Begnadigungsrecht fortbesteht muss von dem Bundspräsidenten ein formalisierter Katalog eingefordert werden, nach dem der Bundespräsident sich an Begnadigungsregeln halten lassen muss, damit dieses unwürdige und rein willkürliche Element durch moralisch-ethische Selbstbindung weitestmöglich eingeschränkt wird.

Was haltet Ihr davon?
Gruß
HFRudolph
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 17:05

1. Finde ich sehr gut, wenn sich jemand darüber Gedanken macht.
2. Ein rechtsstaatliches Verfahren zur Gewährung von Gnade ist dem willkürlichen Gnadenakt, der jetzt vorherrscht und praktiziert wird eindeutig vorzuziehen.
3. Sollte bei einem entsprechendem Gericht liegen, das Verfahren.

Der Gnadenakt sollte staatsrechtlich geregelt sein und unabhängig von religiösen, politischen, kulturellen Ansichten des Betroffenen sein.
Das oder die Opfer können eh nicht mehr ins Leben zurück gerufen werden.
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Beitragvon HF******* » Mi 25. Apr 2007, 17:12

Das sind doch schon ml erste Vorschläge, was zumindest keinen Einfluss auf eine Begnadigung haben darf: Was sollte ein Grund für eine Begandigung sein?

Ach ja: An Bundespräsident Horst Köhler habe ich den Artikel auch geschickt, mitsamt einem Link hierher.
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 17:57

Wer 25 Jahre im Vollzug eingesessen hat, hat keinen Bezug mehr zu seiner Straftat. Damit ist auch der erzieherische Effekt nicht mehr gegeben. Einer unmenschlichen Tat menschlisches Verhalten aufzuzeigen.
Da sich die Diskussion ja nun mal an Klar und Buback entzündet hat, muss ich sagen Buback zeigt die richtige, weil menschliche Einstellung. Dem Mörder zu zeigen, so geht es auch, wir lösen den Konflikt zwischen dir und unserer Gesellschaft auf humane Art und Weise, zu der du zum damaligen Zeitpunkt nicht fähig sein wolltest. Dieses Wollen deshalb, weil ja nur ein Mörder sein kann, wer vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich getötet hat.
Dabei sollten auch die Nachkommen der Opfer zu Worte kommen, sie sind auf alle Fälle zu hören und deren Meinung ist zu respektieren, einen reinen, formal-juristischen Gnadenakt würde ich ablehnen, psychologisch, soziale Abstimmung des ganzen Verfahrens.
Zuletzt geändert von Klaus am Mi 25. Apr 2007, 20:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Sisyphos » Mi 25. Apr 2007, 20:05

Klaus hat geschrieben:1. Finde ich sehr gut, wenn sich jemand darüber Gedanken macht.
2. Ein rechtsstaatliches Verfahren zur Gewährung von Gnade ist dem willkürlichen Gnadenakt, der jetzt vorherrscht und praktiziert wird eindeutig vorzuziehen.
3. Sollte bei einem entsprechendem Gericht liegen, das Verfahren.

Der Gnadenakt sollte staatsrechtlich geregelt sein und unabhängig von religiösen, politischen, kulturellen Ansichten des Betroffenen sein.
Das oder die Opfer können eh nicht mehr ins Leben zurück gerufen werden.



Ich stimme zu. Zusätzlich halte ich den Begriff der Gnade für nicht mehr zeitgemäß.
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 20:18

Hast du Recht, ziemlich antiquiert der Begriff, aber wie könnte man es nennen, ohne gleich wieder in religiös verbrauchte Wörter zu fallen.
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 20:29

Ungefähr ein Jahr her, da hat es in einer großen Tageszeitung einen Artikel gegeben über Verurteilte die zu dem zu ihrer Strafe noch Sicherheitsverwahrung bekommen haben. Der Verurteilte an die 70 Jahre alt und krebskrank, die Krankheit war nachgewiesen und bestätigt, die behandelnden Ärzte haben ihm noch 6 Monate gegeben, die Aussetzung der Strafe wurde abgelehnt, knapp 2 Monate später war er tot. Es ist eine Schande wenn mit den Menschen, egal was sie gemacht haben getan wird, wenn wir nicht mit solch einer Thematik umgehen können, dann die Leute erschießen, das ist humaner, als sie in Raten verrecken zu lassen. Im Artikel wurde noch auf die wachsende Anzahl von alten bis sehr alten Insassen hingewiesen, mit ähnlicher Problematik. Bemängelt wurde, dass das Justizwesen in Deutschland überhaupt nicht auf soetwas vorbereitet ist.
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Beitragvon Sisyphos » Mi 25. Apr 2007, 20:32

Klaus hat geschrieben:Hast du Recht, ziemlich antiquiert der Begriff, aber wie könnte man es nennen, ohne gleich wieder in religiös verbrauchte Wörter zu fallen.



Naja: begründete frühzeitige Haftentlassung ...
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 20:38

Hm, wäre ne Variante, das Gelbe vom Ei isses aber noch nicht. :/
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Beitragvon HF******* » Mi 25. Apr 2007, 21:11

An soetwas hatte ich gedacht: Frühzeitige Entlassung aus humanitären Gründen in Verbindung mit zurücktretenden Präventionsgedanken wegen längeren Zeitablaufs - wenn jemand tatsächlich haftunfähig ist, kann er auch ohne Gnadenakt entlassen werden: Wobei das normalerweise nicht so einfach ist, wie bei Pinochet.
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Beitragvon Klaus » Mi 25. Apr 2007, 21:43

Dacht ich mir :/
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Beitragvon HF******* » Do 26. Apr 2007, 08:35

Klaus schrieb:
... Sicherheitsverwahrung ...


Sicherheitsverwahrung findet statt, wenn der Täter weiterhin als akut gefährlich gilt. Die Gefährlichkeit kann relativ oft überprüft werden, so dass dann tatsächlich auch nach Verurteilung mit Sicherheitsverwahrung eine Freilassung erfolgen kann. Nicht allzu selten wurde die Ungefährlichkeitsprognose übrigens enttäuscht.

Als Begnadigungsgrund wurde an anderer Stelle genannt, es könnten mit der Begnadigung ungewollte Folgen des Gesetzes korrigiert werden: Das soll normalerweise bereits das Gericht bei der Auslegung des Gesetzes tun. Der Fall, dass der Gesetzgeber eine Folge nicht will, aber die Gesetzesänderung nicht schnell genug zustande bringt, dürfte äußerst selten sein. Einen solchen Fall könnte man als Regel für eine Begnadigung anführen.

Gruß
Holger
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 09:58

Köhler entscheidet diese Woche über das Begnadigungsgesuch von Klar:

In welcher Richtung auch immer, der Bundespräsident MUSS hierbei Schaden nehmen, wenn er nicht bestimmte Regeln ausweist, an die er sich selbst bindet. Willkür ohne Regeln muss als ungerecht empfunden werden.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 10:08

Schaden wird er auf alle Fälle nehmen, auch dank der politischen Erpressungsversuche durch die CSU.
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 10:16

Hubertus Heil (SPD Generalsekretär) hat sich dem entgegen gestellt und gesagt, das Amt des Bundespräsidenten müsse unabhängig bleiben:

Das Amt des Bundespräsidenten ist ein politisches Amt, es ist abhängig und war noch nie unabhängig (s. o.). Es wäre vielleicht unabhängig, wenn klar wäre, dass der Bundespräsident nach seinem Amtsende nicht erneut kandidiert und sich aus Politik und Wirtschaft zurück zieht oder etwas komplett anderes macht, das Amt also quasi als Ende seiner Aktivitäten auffasst. Herzog, Rau und Weizsäcker waren insofern alt genug…

Ein erneut wählbarer Bundespräsident ist von der Politik abhängig.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 10:23

Lass uns zum "Gnadenakt" zuürckkommen. Bei Klar, wäre die Korrektur schon notwendig, da das Urteil gegen ihn und seine kriminellen Revoluzzer letztlich eine starke politische Komponente hat, die aus der Situation in der damaligen BRD resultierte.
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 10:47

Klaus schrieb:
…starke politische Komponente hat, die aus der Situation in der damaligen BRD resultierte.…


Der Bundespräsident braucht keinen Grund, um jemanden zu begnadigen oder es abzulehnen. Es kann Millionen Gründe geben, es braucht aber nicht einen einzigen.

Wäre eine geänderte politische Komponente eines Strafurteils ein Grund, die im Urteil ausgesprochene Strafe aufzuheben? Wenn eine Strafe verhängt wird, die die aus politischen Gründen über die spezial- und generalpräventiven Erfordernisse hinaus geht oder sich die politische Lage derart geändert hat, dass eine Generalprävention (Abschreckung der Allgemeinheit) in diesem Maße nicht mehr erforderlich, dann wäre das ein Grund, der in einen zu schaffenden Katalog von Begnadigungsgründen aufgenommen werden könnte.

Inhaltlich war das Urteil aber richtig: Wenn jemand gemeinschaftlichen Mord an mehreren Personen verübt, dann ist das auch ein besonders schwerer Fall des Mordes.

Die Generalpräventiven Argumente haben sich auch nicht derart garvierend geändert, weil die RAF nicht mehr existiert, dass man auf einen Mehrfachmord nicht mehr die Höchststrafe verhängen müsste.
Mord aus politischen Motiven ist auch heute noch Tötung aus niederen Beweggründen, auch heute jederzeit möglich. Wir müssen uns auch heute in dem höchsten zulässigen Maße vor Massenmorden schützen. Es kann und darf auch keinen Grund geben, weder politisch noch religiös, bei uns andere Menschen umzubringen.

Klar ist nicht anders zu behandeln, als jemand, der Serienmorde aus irgendwelchen anderen Gründen begangen hat. Im Fall Klar kann ich keinen Grund erkennen, dem Täter entgegen zu kommen.
Zuletzt geändert von HF******* am Mo 7. Mai 2007, 10:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 10:51

Stimme dir zu. Mord ist Mord, auch der politisch motivierte, es bleibt eine kriminelle Tat.
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Beitragvon Andreas Müller » Mo 7. Mai 2007, 12:45

Und Tyrannenmord?
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 12:59

Tyrannenmord würde sogar vom Grundgesetz gedeckt sein, d. h. gerechtfertigt sein, Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz:
Wer es unternimmt, die in Art 20 beschriebene Ordnung zu beseitigen, gegen den besteht ein Widerstandsrecht, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Ein Tyrannenmord wäre dann nicht strafbar, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stünden.

Nebenher würden möglichersweise auch Rechtfertigungsgründe des Strafgesetzbuches greifen, weil auch etwa Nötigung durch staatliches Handeln denkbar ist.

Für die RAF-Morde kommt allerdings nichts auch nur annährend vergleichbares in Frage, nicht einmal ein Irrtum.
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