Die ganze Bandbreite des Wissens und Unwissens? Ich versuche mal, das aufzuschreiben.
Rauschdrogen wurden zu fast allen historischen Zeiten in fast allen Gegenden gebraucht. Einige unsortierte Beispiele:
Historischer Gebrauch- Pilze und Kakteen in Mittelamerika.
- Ayahuasca und Yage in Südamerika.
- Fliegenpilze in Sibirien.
- Schlafmohn in Asien. Und auch in Europa (Schlafmohnsamen wurden kürzlich in einem mehrere Jahrtausende alten Brunnen in Sachsen gefunden.)
- Koka-Blätter in den Anden
- Alkohol in der Levante
Heutzutage gibt es nur noch wenige Länder ohne restriktive Gesetze. Holland zum Beispiel. Gesellschaftliche Probleme hat das geduldete Kiffen dort nicht verursacht, wenn man vom Drogentourismus aus anderen Ländern absieht, aber das ist ein Sekundär-Problem. Portugal und Tschechien haben kürzlich so ziemlich alle Substanzen für die Konsumenten frei gegeben.
Was fehlt ist, sind vernünftige Informationen über Rauschdrogen. Bedauerlicherweise scheint es nur Propaganda zu geben. Die Tatsachen werden verzerrt dargestellt. Will man die Gefährlichkeit von Rausch- (oder auch von medizinischen) Drogen beurteilen, sind dies die Faktoren.
- das Verhältnis von wirksamer zu letaler Dosis. Wenn beide nahe beieinander liegt, besteht die Gefahr einer unabsichtlichen, tödlichen Überdosis
- gesundheitsschädliche Wirkungen und Nebenwirkungen
- psychosoziale Auswirkungen
Soll und Haben- Morphium und Heroin sind nicht gesundheitsschädlich. Mit sauberem Stoff kann ein Süchtiger das Rentenalter erreichen. Allerdings ist eine Überdosis relativ leicht möglich; diese führt zum Atemstillstand und zum Tode.
- Pilze, Kakteen, LSD sind ebenfalls nicht gesundheitsschädlich und noch nicht mal suchterzeugend. Lediglich undiagnostizierte Psychotiker laufen Gefahr, daß die Psychose ausbricht. Allerdings zeigt das auch, welches Potential in dieser Stoffklasse steckt. Leute wie Aldous Huxley (der von
Brave New World) und Ernst Jünger haben sich in ihren Schriften dazu geäußert. In den USA hat man den Anhänger der
Native Church of America sogar das Recht eingeräumt, in ihren, -ahm - Gottesdiensten Psylocybin zu verwenden. Soweit sind wir bei uns mit der Religionsfreiheit noch nicht.
- Von Crack wird behauptet, daß bereits der erste Versuch süchtig macht, was natürlich Unsinn ist. Übrigens, mancher wird sich an Konstantin Wecker erinnern, er hat damals 800 000 DM (?) verkokst. Nicht so bekannt ist, daß er das Kokain als Crack geraucht hat. Jedenfalls sah er hinterher genauso gut aus, wie vorher - auch wenn seine Musik keinen Deut besser geworden ist.

Kokain soll bei Dauergebrauch bleibende Hirnschäden verursachen. Evo Morales, Staatschef von Peru, hat den Kokain-Anbau wieder freigegegen. Allerdings wird das Zeug dort traditionell in Blattform gekaut und nicht, wie von den
Gringos, raffiniert geschnupft.
- Amphetamin wird nach wie vor an (amerikanische) Bomberpiloten ausgegeben, damit sie bei langen Einsätzen wach bleiben. Und speziell für uns Deutsche mag interessant sein, daß
Crystal, die neue
Killer-Droge im zweiten Weltkrieg unter dem Namen Pervitin flächendeckend an deutsche Soldaten ausgegeben wurde. Von Heinrich Böll gibt es einen Brief nach Hause, in dem er darum bittet, man möge ihm doch mehr davon schicken. Pervitin als Motor des Blitzkrieges? Hitler hat Pervitin angeblich täglich genommen, was seinen Wahn als GRÖFAZ durchaus teilweise erklären könnte; im Dauergebrauch verursacht das Zeug Bewußtseinsstörungen. Demgegenüber steht, daß wir Ritalin und Amphetamin an Kinder verschreiben, um sie ruhig zu stellen. Wie wiedersprüchlich ist es, diese Substanzen Kindern zu verschreiben, damit sie sich sozialadäquat verhalten, während die gleichen Substanzen Erwachsenen nicht zugänglich sind?
- Was Naturdrogen betrifft: in unseren Breiten werden fleißige Wanderer gelegentlich auf Tollkirsche, Fingerhut, Fliegenpilz oder Psilocybe-Pilze stoßen. Fingerhut ist die giftigste Substanz von allen, die ich hier erwähne. Soll man die Art deshalb ausrotten?
- Alkohol enthemmt und fördert das soziale Miteinander. Allerdings schädigt Alkohol die Leber und ist krebserregend.
So viel zur Bandbreite.
Vor längerer Zeit hat Herr Nesbit (hieß er wirklich so?) versucht, ein "Recht auf Rausch" einzuklagen. Er ist gescheitert. Das muß wohl daran liegen, daß in unserem Kulturkreis nur Alkohol die akzeptierte Standarddroge ist. Und das, obwohl Alkohol giftiger ist, als alle anderen gängigen Rauschdrogen.
Langer Rede kurzer Sinn:
Wozu Prohibition führt, hat man in den USA in den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts gesehen. Ich sag nur ein Wort: Mafia. Gib einem Junkie seinen Stoff, und er kann zumindest halbwegs am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Viele der Probleme sind hausgemacht, weil wir die Süchtigen in die Illegalität drängen, und weil sie am Schwarzmarkt astronomische Preise für "Pfennigartikel" bezahlten müssen. Der soziale Abstieg müßte nicht sein, siehe Michel Friedmann und Jörg Immendorf.
Wir brauchen einen neuen Umgang mit Rauschsubstanzen. Einen Umgang, der nicht nur verteufelt, sondern glaubwürdig Gefahren und Möglichkeiten benennt. Von mir aus sollen die Rastafari soviel kiffen wie sie wollen, solange ich mir nicht zuviel Reggae anhören muß.
