Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon El Schwalmo » Do 17. Jun 2010, 17:44

darwin upheaval hat geschrieben: ...

zu Postings wie diesem kann ich nur sagen: Hoffentlich geht es Dir jetzt besser.
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Re: Der interne "Naturalismusstreit"

Beitragvon El Schwalmo » Do 17. Jun 2010, 17:46

darwin upheaval hat geschrieben:Mit "Mahner eine Inkonsistenz nachweisen"

von wem stammt die Passage, die Du als wörtliches Zitat gekennzeichnet hast?
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Re: Der interne "Naturalismusstreit"

Beitragvon darwin upheaval » Do 17. Jun 2010, 17:50

El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Mit "Mahner eine Inkonsistenz nachweisen"

von wem stammt die Passage, die Du als wörtliches Zitat gekennzeichnet hast?


Du scheinheiliger Knochen. Erst so tun, als hätte Myron ein Argument gegen meine Auffassung, weil er glaubt, Mahner eine Inkonsistenz nachgewiesen zu haben, und jetzt so tun, als würdest Du sein Argument nicht mittragen, weil Du damit auch Mahner an den Karren fahren würdest. Zu so einem schäbigen Verhalten fallen mir nicht einmal mehr gerichtsnotorische Begriff ein.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 18:17

darwin upheaval hat geschrieben:Du verdrehst die Tatsachen. Ich verwende den Begriff "Wissen", wie er in den Naturwissenschaften, und übrigens auch von Popper, verwendet wird: Wissen ist Vermutungswissen, Wissen ist fehlbar, und Wissen ist auch immer wieder (partiell) falsch.


Warum sträubst du dich so gegen die offensichtlichsten Sachen? :/
Wenn ich behaupte zu wissen, dass p, und irgendwann stellt sich heraus, dass ~p, dann erkenne ich, dass ich irrtümlicherweise glaubte zu wissen, dass p, und damit niemals wirklich wusste, dass p. Ich erkenne dann also nicht falsches Wissen, sondern falsches Glauben.

"If I say 'I know that P' and then find out that P is false, I will withdraw my claim to knowledge: I will say that I thought I knew that P but did not really know it."

(Musgrave, Alan. Common Sense, Science and Scepticism: A Historical Introduction to the Theory of Knowledge. Cambridge: Cambridge University Press, 1993. p. 2)

darwin upheaval hat geschrieben:Myron dagegen "wildert" als Philosoph in den Realwissenschaften und will denen erklären, wie sie gefälligst "Wissen" zu definieren haben.


Ein Wissenschaftler ist nicht per se ein besserer Erkenntnistheoretiker als ein Philosoph.
Wie viele praktizierende Wissenschaftler kennst du, die auch Experten im Gebiet der Epistemologie sind?
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Do 17. Jun 2010, 18:52

Myron hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Du verdrehst die Tatsachen. Ich verwende den Begriff "Wissen", wie er in den Naturwissenschaften, und übrigens auch von Popper, verwendet wird: Wissen ist Vermutungswissen, Wissen ist fehlbar, und Wissen ist auch immer wieder (partiell) falsch.


Warum sträubst du dich so gegen die offensichtlichsten Sachen? :/
Wenn ich behaupte zu wissen, dass p, und irgendwann stellt sich heraus, dass ~p, dann erkenne ich, dass ich irrtümlicherweise glaubte zu wissen, dass p, und damit niemals wirklich wusste, dass p. Ich erkenne dann also nicht falsches Wissen, sondern falsches Glauben.


Mit dem "Offensichtlichen" kann hier doch nur die Tradition gemeint sein. Und es kann doch sicher nicht schaden, das Herkömmliche zu hinterfragen, um dogmatische Verkrustungen aufzubrechen.

"Glaube" hat schon in der Umgangssprache mindestens 2 verschiedene Bedeutungen. Glauben als Vermutung, als Aussage mit ihrem Inhalt: "Homöopathie heilt." (Glaube 1). Und Glaube als Zustimmung zu diesem Inhalt (Glaube 2). Egal ob die Aussage wahr oder falsch ist, die Aussage bleibt Glaube1. Wenn nun die Prüfung ergibt, dass die Aussage falsch ist, sagt der Homöopath: "Ich glaube das trotzdem". Man kann also einen Glauben1 glauben2 (oder nicht). Man kann sogar Wissen glauben2 (oder nicht). Beispielsweise glaubt2 der Kreationist nicht, dass die Evolutionstheorie wahr bzw. wohlbestätigtes Wissen ist. Er weiß also etwas, glaubt aber trotzdem nicht daran. Als Atheist dagegen glaube2 ich den Glauben1 an Gott nicht, obwohl die Theisten ihren Glauben1 glauben2. Ich stimme ihrem Glauben1 also nicht zu, obwohl (oder gerade weil) ich ihn kenne, also diesen Glauben weiß.

Mit dem "Offensichtlichen" ist es also nicht so einfach. Da gerät üblicherweise verschiedenes durcheinander. Solche semantischen Verwirrspielchen kann man auch mit dem Begriff "Wissen" veranstalten. Also, immer schön vorsichtig mit dem Appell an die Traditionen.

Myron hat geschrieben:[
darwin upheaval hat geschrieben:Myron dagegen "wildert" als Philosoph in den Realwissenschaften und will denen erklären, wie sie gefälligst "Wissen" zu definieren haben.


Ein Wissenschaftler ist nicht per se ein besserer Erkenntnistheoretiker als ein Philosoph.
Wie viele praktizierende Wissenschaftler kennst du, die auch Experten im Gebiet der Epistemologie sind?


Nur ein paar. Und um die Epistemologen ist es nicht besser bestellt. Die (okay, das ist nicht ganz fair - sagen wir besser: etliche) haben nicht umsonst den Ruf, die Engel auf einer Nadelspitze zu zählen und von praktischer Wissenschaft Null Ahnung zu haben, ja sogar völlig an der ülblichen Methodologie bzw. Philosophie der Naturwissenschaften und ihren Erkenntnissen vorbei zu reden. Oder wie in unserem Fall, etwas an der Praxis vorbei zu definieren.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 19:50

darwin upheaval hat geschrieben:Partielle Falschheit bedeutet nicht nur, dass einzelne Aussagen, sondern auch elementare Konzepte und Begrifflichkeiten falsch sein können. Z. B. der Bahnbegriff in der Atomphysik. Trotzdem ist der Bahnbegriff (wahlweise: die klassische Physik), je nach Referenzklasse, eben nur partiell falsch.


Begriffe sind Teil von Aussagen, aber sie allein sind weder wahrheits- noch falschheitsfähig. Ein Begriff ist gegenstandslos oder nicht, d.h. es fällt (mindestens) ein Gegenstand unter ihn oder nicht.

darwin upheaval hat geschrieben:…Oder sagen wir besser: approximativ gültig. Erklärungen sind von Haus aus imperfekt. Daraus folgerte ein Mensch, den Du zitiert hast, dass Newtons Theorie streng genommen falsch sei, ergo liefere Newtons Theorie kein Wissen.


In einem meiner vorherigen Beiträge habe ich am Rande die Begriffe <Wahrheitsähnlichkeit> und <Wahrheitsnähe> erwähnt.
Diese streng logisch zu fassen, ist sehr schwierig (siehe: http://plato.stanford.edu/entries/truthlikeness), aber der damit verbundene Grundgedanke leuchtet intuitiv ein: dass nicht alle falschen Thesen oder Theorien gleich wertlos sind, sondern sich im Hinblick darauf, wie weit sie die Wahrheit bzw. die Wirklichkeit verfehlen (missrepräsentieren), unterscheiden und damit von unterschiedlichem Wert sind.
Das Wissen, dass eine Theorie wie die Newton'sche zwar nicht wahr, aber doch wahrheitsähnlich/-nah ist, könnte sehr wohl von praktischem Nutzen sein.
(Das Wissen, dass eine falsche Theorie wahrheitsähnlich/-nah bzw. wahrheitsähnlicher/-näher als eine andere ist, ist natürlich kein falsches Wissen!)

darwin upheaval hat geschrieben:Gääähn. Falsches Wissen kann also kein wahres Wissen sein. Na und?


Was mich ermüdet, ist dein unnachvollziehbares Beharren auf der angeblichen Sinnhaftigkeit der Phrase "falsches Wissen".

darwin upheaval hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Inwiefern ist eine wissenschaftliche Aussage wie "Wasser ist H2O" partiell falsch?

Gar nicht, weil "Wasser ist H2O" eine Definition ist, keine faktische Aussage.


Dass Wasser = H2O, ist vor allem eine naturwissenschaftliche Entdeckung.
Es handelt sich dabei, wie Saul Kripke (in Naming and Necessity) überzeugend argumentiert, sogar um eine notwendige Tatsache. Das heißt, es gibt keine mögliche Welt, in der Wasser nicht H2O ist. (Das heißt nicht, dass Leute in einer anderen Welt nicht etwas "Wasser" nennen können, das nicht H2O ist.)
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Do 17. Jun 2010, 19:55

Myron hat geschrieben:Was mich ermüdet, ist dein unnachvollziehbares Beharren auf der angeblichen Sinnhaftigkeit der Phrase "falsches Wissen".


Dann sollten wir die Diskussion beenden und uns sinnvolleren Dingen zuwenden. Sie hat sich nämlich längst festgefahren.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 19:58

darwin upheaval hat geschrieben:Und die Winkelsumme im Dreieck ist kein Wissen, sondern Mathematik. Und mathematisches Wissen, ist, das "wissen" wir inzwischen, gar kein Wissen, sondern streng genommen sogar falsch. So ein Pech aber auch.


Worauf bezieht sich denn "das Dreieck"?
Auf eine platonische "Form" oder "Idee"?
Du musst dir bei deiner Verteidigung mathematischen Wissens mal die Frage stellen, ob du damit nicht gegen dein naturalistisches Weltbild argumentierst!
(Wenn du erklärst, dass du gar kein Naturalist bist, dann bist du freilich aus dem Schneider.)
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Re: Der interne "Naturalismusstreit"

Beitragvon El Schwalmo » Do 17. Jun 2010, 20:05

darwin upheaval hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Mit "Mahner eine Inkonsistenz nachweisen"

von wem stammt die Passage, die Du als wörtliches Zitat gekennzeichnet hast?


Du scheinheiliger Knochen. Erst so tun, als hätte Myron ein Argument gegen meine Auffassung, weil er glaubt, Mahner eine Inkonsistenz nachgewiesen zu haben, und jetzt so tun, als würdest Du sein Argument nicht mittragen, weil Du damit auch Mahner an den Karren fahren würdest. Zu so einem schäbigen Verhalten fallen mir nicht einmal mehr gerichtsnotorische Begriff ein.

mir fällt zu Deinen Formulierungen nur ein, dass mir auffällt, dass Du sehr schnell ad personam gehst, wenn Dir die Argumente ausgehen.

Zudem ist es merkwürdig, dass Du nicht das liest, was ich schreibe, sondern wilde Spekulationen anstellst. Meinen Standpunkt habe ich hier hinlänglich dargestellt (das ist in etwa der, den ich schon seit vielen Jahren in verschiedenen Foren vertreten habe) und der sich in etwa mit Deinem (und dem Mahners) deckt, solange es um den Bereich der Naturwissenschaften geht. Aber das findest Du im Thread auch mehr oder weniger wortwörtlich.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Do 17. Jun 2010, 20:09

Myron hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Und die Winkelsumme im Dreieck ist kein Wissen, sondern Mathematik. Und mathematisches Wissen, ist, das "wissen" wir inzwischen, gar kein Wissen, sondern streng genommen sogar falsch. So ein Pech aber auch.


Worauf bezieht sich denn "das Dreieck"?
Auf eine platonische "Form" oder "Idee"?
Du musst dir bei deiner Verteidigung mathematischen Wissens mal die Frage stellen, ob du damit nicht gegen dein naturalistisches Weltbild argumentierst!


Du erwiderst dem Falschen, El Schwalmo spielte darauf an, dass es mathematisches Wissen gibt. Aber das ist selbstverständlich auch meine Meinung.

Wie ich das mit dem Naturalismus vereinbare? Das sollte doch inzwischen klar geworden sein, oder nicht?
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Re: Der interne "Naturalismusstreit"

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 20:35

darwin upheaval hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:1. "Es ist nicht notwendigerweise der Fall, dass wenn jemand weiß, dass p wahr ist, p wahr ist."
2. "Es ist nicht notwendigerweise der Fall, dass wenn jemand weiß, dass p wahr ist, sie/er weiß, dass p wahr ist."
Beide Sätze sind ganz offensichtlich falsch, und wer sie dennoch für wahr hält, der hat zweifellos einen logischen Knoten im Kopf!


soweit ich es sehe, enthält Dein Argument ein paar falsche Schlüsse.

"Wenn jemand eine Aussage p weiß" bedeutet in der Bungeschen Terminologie nicht, wie Du behauptest "Wenn jemand weiß, dass p", denn das wäre gleichbedeutend mit "Wenn jemand weiß, dass p existiert" oder "Wenn jemand weiß, dass die Aussage über p wahr ist". Es ist natürlich klar, dass sich daraus ein Widerspruch ergäbe.


Wenn wir von Sachverhalten sprechen, sollten wir besser nicht "p", sondern "S" verwenden:
Wenn nun jemand weiß, dass S, dann weiß er, dass S besteht/existiert, und damit auch, dass die Aussage A, die S ausdrückt, wahr ist.
Aber Mahner&Bunge scheinen mit "wenn jemand eine Aussage p weiß" in der Tat etwas anderes zu meinen.

darwin upheaval hat geschrieben:Die Aussage:

"Wenn jemand eine Aussage p weiß, dann impliziert dies weder, daß p wahr ist, noch daß er oder sie weiß, daß p wahr ist."

lässt sich demnach transformieren in:

"Wenn jemand eine Aussage p konstruiert, dann impliziert dies weder, daß p wahr ist, noch daß er oder sie perzipiert, daß p wahr ist."


Besteht eine solche "mentale Konstruktion" denn in etwas anderem als dem Denken einer Aussage oder dem Vorstellen eines Sachverhalts?
Natürlich folgt aus "X denkt A" bzw. "X stellt sich S vor" nicht "X weiß, dass A wahr ist" bzw. "X weiß, dass S besteht" (ja nicht einmal "X glaubt, dass A wahr ist" bzw. "X glaubt, dass S besteht").
Das bloße Denken einer Aussage oder Vorstellen eines Sachverhalts ist freilich unabhängig von der Wahrheit der Aussage bzw. dem Bestehen des Sachverhalts.
Aber die bloße Kenntnis einer Aussage bzw. eines Sachverhalts stellt ja noch kein Wissen in dem hier umstrittenen Sinn dar.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 20:57

darwin upheaval hat geschrieben:Du erwiderst dem Falschen, El Schwalmo spielte darauf an, dass es mathematisches Wissen gibt. Aber das ist selbstverständlich auch meine Meinung.
Wie ich das mit dem Naturalismus vereinbare? Das sollte doch inzwischen klar geworden sein, oder nicht?


Mir ist noch nicht klar, welchen mathematikphilosophischen Standpunkt du vertrittst (wenn nicht den Fiktionalismus).
Welche natürlichen Entitäten machen es z.B. wahr, dass 3 eine Primzahl ist, dass 1 + 1 = 2, und dass es unendlich viele natürliche Zahlen gibt?
Welche Alternativen gibt es für einen Naturalisten, der den Fiktionalismus ablehnt?

http://plato.stanford.edu/entries/naturalism/#MatModFac

http://plato.stanford.edu/entries/philo ... athematics
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon El Schwalmo » Do 17. Jun 2010, 21:53

darwin upheaval hat geschrieben:Du erwiderst dem Falschen, El Schwalmo spielte darauf an, dass es mathematisches Wissen gibt. Aber das ist selbstverständlich auch meine Meinung.

Und mathematisches Wissen, ist, das "wissen" wir inzwischen, gar kein Wissen, sondern streng genommen sogar falsch. So ein Pech aber auch.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Do 17. Jun 2010, 22:38

Auch in dem SEP-Artikel über Wahrheitsähnlichkeit ist zu lesen:

"After all, truth is the primary aim of all inquiry and a necessary condition of knowledge."

(http://plato.stanford.edu/entries/truthlikeness)
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon smalonius » Do 17. Jun 2010, 23:58

El Schwalmo hat geschrieben:Ich konstatiere, dass Du noch immer nicht auf die Autoren eingegangen bist, auf die sich Myron (der, wie er betont, keine Idiosynkrasie, sondern den Konsens der Epistemologen darstellt) bezieht. Du hättest also alle Chancen der Welt, ein Argument gegen Myron zu haben, indem Du ihm zeigst, dass diese Autoren nicht relevant sind.

Dann übernehme ich den Part.

Was ist der Konsens von Epistemologen wert, wenn sie nicht auf der Höhe der mathematischen Zeit sind? Im zwanzigsten Jahrhundert hat sich viel getan, und es ist noch überhaupt nicht absehbar, wo die Sache hingeht. Die meisten der von Myron erwähnten Autoren scheinen einer klassischen Logik anzuhängen. In der klassischen Logik gilt das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten. Man kann aber durchaus eine Logik bauen, in der das nicht stimmt.

- Man ist nicht entweder jung oder alt. Man kann auch in der Mitte des Lebens stehen. Ist ein 40-jähriger alt? Hmm. Kommt drauf an. darwin upheaval hat Fuzzy logic bereits erwähnt.
- Wenn man einen Stein aus einem großen Haufen nimmt, bleibt der Haufen groß. - Die Aussage ist gleichzeitig wahr und falsch.
- Der Barbier von Sevilla rasiert nur die, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich oder nicht? Neben wahr oder falsch gibt es ebenso den Wahrheitswert "undefiniert".

Myron spricht das sogar an:
Myron hat geschrieben:Ob eine mehrwertige Logik generell "realistischer" ist als die klassische zweiwertige Logik, ist eine Frage, die wir nur in einem neuen Thread vertiefen könnten.

Und fährt unbeirrt fort:
Myron hat geschrieben:Wenn ich weiß, dass p falsch ist, dann weiß ich zugleich, dass ~p wahr ist.

Ist das wirklich so?
Sei p = "Parallelen schneiden sich nie"
Ist p wahr oder falsch? Schließen sich mögliche Antworten gegenseitig aus?

Myron hat geschrieben:Ich gönne den Wissenschaftlern ja ihr Wissen (auch wenn sie nicht wissen, ob es wirklich Wissen ist). :^^:

Natürlich gibt es sicheres Wissen.

Ich weiß zum Beispiel, daß es mir fürchterlich weh tun wird, wenn ich mir mit dem Hammer auf den Finger haue, weil ich kein Fakir bin, nicht an einer Krankheit leide, die Nervenimpulse unterdrückt, und kein Novocain in die Hand gespritzt bekam.

Ebenso weiß ich, daß Häuser bei einem heftigen Erdbeben einstürzen, wenn sie nicht erdbebensicher gebaut sind. Das ist eine "zeitkernig" "ewig" gültige Aussage. :pfeif:

Myron hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Und die Winkelsumme im Dreieck ist kein Wissen, sondern Mathematik. Und mathematisches Wissen, ist, das "wissen" wir inzwischen, gar kein Wissen, sondern streng genommen sogar falsch. So ein Pech aber auch. :joint:

Worauf bezieht sich denn "das Dreieck"?
Auf eine platonische "Form" oder "Idee"?

Wie wär's mit "Konstruktionsvorschrift"? Man ramme drei Pflöcke in die Erde, und umspanne sie mit einem Seil.

Oder etwas ausgefuchster: sieh dir mal eine Sonnenuhr an. Damit kann man nicht nur die Uhrzeit sondern auch die Jahreszeit feststellen. Das Resultat einer solchen Zeitmessung ist sogar unabhängig davon, ob man ein geo- oder ein heliozentrisches System annimmt. Der Weg des Schattens als Gleichung/Naturgesetzaussage ist unabhängig vom Modell.

Oder etwas spektakulärer, als Beispiel, wie sehr die physische Welt mit der mathematischen verbandelt ist:

Dies ist eine Logarithmentafel. Die Seiten mit kleinen Zahlen sind abgegriffener, als die Seiten mit den großen Zahlen.
log_tafel2.jpg


Das spiegelt ziemlich genau wider, was die Mathematik sagt, nämlich daß kleine Anfangsziffern häufiger sind. Das nennt man Benfords Gesetz.
250px-Benford.png

Ob man in dieser Tatsache etwas platonisches sieht oder nicht, ist mir ziemlich wurst. Wichtig ist das Aha-Erlebnis. Und das man etwas damit tun kann, zum Beispiel die Iranischen Wahlen als getürkt zu entlarven.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon El Schwalmo » Fr 18. Jun 2010, 05:24

smalonius hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Ich gönne den Wissenschaftlern ja ihr Wissen (auch wenn sie nicht wissen, ob es wirklich Wissen ist). :^ ^:

Natürlich gibt es sicheres Wissen.

Ebenso weiß ich, daß Häuser bei einem heftigen Erdbeben einstürzen, wenn sie nicht erdbebensicher gebaut sind.

Du weißt das erst nach dem Erdbeben, und das ist in etwa der Grund, warum Darwin Upheaval und ich 'Wissen' in den Naturwissenschaften entweder als fallibel definieren oder auf den Begriff verzichten könnten.

'Konstruktionsvorschrift' ist gut, geht ein wenig in Richtung Vico-Axiom und interessant sind die interpretierten Kalküle. Ich frage mich beispielsweise, ob Du den von Dir genannten Barbier im RealLife finden wirst.

Das mit den Parallelen zeigt nur, dass man sich verschiedene Modelle basteln kann, die Frage ist, ob sie auf die Wirklichkeit 'passen' und dann bist Du bei der Frage, die Myron gestellt hat.

Sich selber mit dem Hammer auf den Finger hauen ist eine eher triviale Sache, die in Richtung Qualia geht. Spannender ist die Frage, ob es den Solipsismus widerlegt, wenn es Dich schmerzt, wenn ein Anderer Dir auf die Finger haut. Darüber haben sich allerdings schon die alten Griechen Gedanken gemacht.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon Myron » Fr 18. Jun 2010, 07:47

smalonius hat geschrieben:In der klassischen Logik gilt das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten. Man kann aber durchaus eine Logik bauen, in der das nicht stimmt.

- Man ist nicht entweder jung oder alt. Man kann auch in der Mitte des Lebens stehen. Ist ein 40-jähriger alt? Hmm. Kommt drauf an. darwin upheaval hat Fuzzy logic bereits erwähnt.
- Wenn man einen Stein aus einem großen Haufen nimmt, bleibt der Haufen groß. - Die Aussage ist gleichzeitig wahr und falsch.
- Der Barbier von Sevilla rasiert nur die, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich oder nicht? Neben wahr oder falsch gibt es ebenso den Wahrheitswert "undefiniert".


Fragt sich nur, was "X weiß, dass A" bedeuten soll, wenn der Wahrheitswert von A im Wissensfall nicht immer 1 sein muss, sondern es möglich ist, dass er
(a) sowohl 1 als auch 0 ist,
(b) weder 1 noch 0 und auch keine reelle Zahl e ]0,1[ ist,
(c) eine reelle Zahl e ]0,1[ ist.

smalonius hat geschrieben:Natürlich gibt es sicheres Wissen.
Ich weiß zum Beispiel, daß es mir fürchterlich weh tun wird, wenn ich mir mit dem Hammer auf den Finger haue, weil ich kein Fakir bin, nicht an einer Krankheit leide, die Nervenimpulse unterdrückt, und kein Novocain in die Hand gespritzt bekam.


Wenn "sicheres Wissen" "logisch sicheres Wissen" bedeutet, dann müsstest du beispielsweise überdies die Möglichkeit ausschließen können, dass sich der Hammerkopf im Moment der Fingerberührung in Schaumstoff verwandelt, oder dass ein unsichtbarer Geist mit übernatürlichen Fähigkeiten (Gott?) für diesen einen Moment dein Schmerzempfinden ausschaltet, oder dass du in diesem Moment so schnell bewusstlos wirst, dass du keinen Schmerz spürst. Kannst du diese und ähnliche Möglichkeiten wirklich 100%ig ausschließen?
Es handelt sich zwar um abwegig scheinende Möglichkeiten, aber gleichwohl um logische Möglichkeiten.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Fr 18. Jun 2010, 11:38

Myron hat geschrieben:Auch in dem SEP-Artikel über Wahrheitsähnlichkeit ist zu lesen:

"After all, truth is the primary aim of all inquiry and a necessary condition of knowledge."

(http://plato.stanford.edu/entries/truthlikeness)


Das unermüdliche Beharren auf der extrem eingeengten Definition von "Wissen" stimmt mich zunehmend verdrießlich.

Sich "Wissen aneignen" ist gleichbedeutend mit einem Lernprozess absolvieren. In der Schule und im Studium eigne ich mir zweifelsohne eine Menge Wissen an. Dabei geht es keineswegs ausschließlich um Dinge, die real existieren oder notwendigerweise wahr sind. Sprachen beispielsweise. Oder das Wissen, wie man ein Fahrzeug steuert. Zu behaupten, das Wissen, wie man Französisch spricht oder Auto fährt, sei kein Wissen, weil es keine ontologische Entsprechung von Motorik und Grammatik gibt, ist eine restringierte und offenkundig unbrauchbare Position. Wenn wir also schon über "Offensichtliches" reden, dann bitte auch darüber, dass Dein "traditioneller" Wissensbegriff dem Lernen und Lehren an Schulen und Universitäten, die immer mit der Aneignung von Wissen verbunden ist, nicht gerecht wird. Lernen garantiert freilich nicht, dass das erlernte Wissen auch korrekt ist. Im Theologie-Studium eigne ich mir durchaus eine Menge illusionären Wissens an, wenn auch nicht ausschließlich.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Fr 18. Jun 2010, 12:02

El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Du erwiderst dem Falschen, El Schwalmo spielte darauf an, dass es mathematisches Wissen gibt. Aber das ist selbstverständlich auch meine Meinung.

Und mathematisches Wissen, ist, das "wissen" wir inzwischen, gar kein Wissen, sondern streng genommen sogar falsch. So ein Pech aber auch.


Entschuldige, war mein Fehler. Ich hätte [Ironie] [/Ironie] taggen sollen.
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Re: Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie

Beitragvon darwin upheaval » Fr 18. Jun 2010, 12:05

Myron hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Du erwiderst dem Falschen, El Schwalmo spielte darauf an, dass es mathematisches Wissen gibt. Aber das ist selbstverständlich auch meine Meinung.
Wie ich das mit dem Naturalismus vereinbare? Das sollte doch inzwischen klar geworden sein, oder nicht?


Mir ist noch nicht klar, welchen mathematikphilosophischen Standpunkt du vertrittst (wenn nicht den Fiktionalismus).
Welche natürlichen Entitäten machen es z.B. wahr, dass 3 eine Primzahl ist, dass 1 + 1 = 2, und dass es unendlich viele natürliche Zahlen gibt?
Welche Alternativen gibt es für einen Naturalisten, der den Fiktionalismus ablehnt?

http://plato.stanford.edu/entries/naturalism/#MatModFac

http://plato.stanford.edu/entries/philo ... athematics


Selbstverständlich sind Zahlen und mathematische Terme fiktiv. Aber das tangiert den Wissens-Begriff nicht, weil der weder Wahrheit noch die reale Existenz des Gewussten voraussetzt, sondern einen Denk- bzw. Lernprozess.

Im übrigen ist für die Wahrheit von Aussagen in der Mathematik die Kohärenz, nicht die Korrespondenz zwischen Faktum und Aussage ausschlaggebend.
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