Materie-Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Materie-Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » Sa 24. Apr 2010, 12:03

Ich möchte hier kurz und knapp meine Theorie zum Dualismus Geist-Materie zur Diskussion stellen. In meinen Augen hat sie das Potential, einige ungelöste Fragen vom Bieri-Dilemma bis zum "echten Zufall" der Quantenmechanik sehr elegant aufzulösen.

Ausgehend von der Frage, ab wann man einem Lebewesen "Bewusstsein" oder "Qualia" zuschreiben kann, kam mir der Gedanke, ob nicht "Geist" von jeher immanenter Bestandteil der Materie sein könnte. Bewusstsein ist demnach ein emergentes Phänomen, das aber - ähnlich wie "Masse", möglicherweise als Elementares Teilchen im Grundkonzept der Materie angelegt ist.

Analog zum Higgs-Boson stelle ich mir ein Geist-Boson vor, das auf Quantenebene zwar keine Masse besitzt, aber - wie auch immer - den Indeterminismus der Quantenmechanik verursacht. So wie die Massen sich anziehen (Gravitation), und dadurch komplexe Materie bilden, stelle ich mir eine Anziehung dieser "Geist-Bosonen" vor, die unter gegebenen Bedingungen eine Evolution in Gang setzen, um letztendlich im selbstreflektierenden Bewusstsein des Menschen zu kulminieren. Sinn und Ziel der Evolution wären Selbstbetrachtung und Selbsterkenntnis der Materie.

Es gäbe damit keinen Unterschied zwischen Geist und Materie. Beides wären immanente Aspekte der Elementarteilchen. Geist wäre - in unterschiedlicher Qualität - überall dort, wo auch Materie ist: im Stein, in der Pflanze, im Tier, und selbstverständlich in höchster Ausdifferenzierung im Menschen.

Ich denke, die Theorie ist es wert darüber nachzudenken.
Man muss ja nicht gleich einen zweiten LHC bauen, um es zu suchen :kg:
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon stine » Sa 24. Apr 2010, 12:31

Dissidenkt hat geschrieben:Sinn und Ziel der Evolution wären Selbstbetrachtung und Selbsterkenntnis der Materie.
Hab ich so ähnlich schon mal formuliert. Deine Theorie gefällt, weil sie vorstellbar ist. :up:

LG stine
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon spacetime » Sa 24. Apr 2010, 13:24

Dissidenkt hat geschrieben:Bewusstsein ist demnach ein emergentes Phänomen, das aber - ähnlich wie "Masse", möglicherweise als Elementares Teilchen im Grundkonzept der Materie angelegt ist.

Du bist nicht zufällig etwas 'esoterisch' angehaucht? Vielleicht habe ich es auch nicht verstanden, aber was genau macht nun dieses Qualia-Teilchen?
Was dafür verantwortlich ist, wieso wir nicht alles bewusst wahrnehmen, was im Gehirn stattfindet, das lässt sich auf drei Möglichkeiten reduzieren:
1. Es ist ein bestimmtes Hirnareal dafürzuständig, in welchem die gefilterten Informationen zusammenlaufen, die wir dann bewusst wahrnehmen
2. Es ist ein bestimmter Stoff, der Bewusstsein nach einem komplizierten Mechanismus induziert (ein Kandidat wäre Dimethyltryptamin)
3. Hypothetische Geist-Teilchen koodinieren das Zusammenfügen von Materie zu einem Bewusstsein

Wegen solchen Überlegungen wurde schon so mancher für verrückt erklärt, aber man darf ja mal spekulieren...
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon ujmp » Sa 24. Apr 2010, 14:16

Dissidenkt hat geschrieben:ob nicht "Geist" von jeher immanenter Bestandteil der Materie sein könnte. Bewusstsein ist demnach ein emergentes Phänomen, das aber - ähnlich wie "Masse", möglicherweise als Elementares Teilchen im Grundkonzept der Materie angelegt ist.


Geist dürfte eine überflüssige Entität sein, da es nichts gibt, zu dessen Erklärung man ihn heranziehen müsste. Schopenhauer hatte der Natur einen Willen unterstellt - wie er betonte in Ermangelung eines besseren Wortes. Die Dinge verhielten sich seiner Meinung nach so und so, weil sie es halt so wollen. Poppers Propensitätentheorie beschränkt sich dagegen auf die Beobachtung, dass die Dinge eine gewisse Neigung haben, sich so oder so zu verhalten. Man kann es beobachten und dann beschreiben. Die Annhame des Geistes ist dazu aber nirgens notwendig.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » Sa 24. Apr 2010, 14:23

Dissidenkt hat geschrieben:Ausgehend von der Frage, ab wann man einem Lebewesen "Bewusstsein" oder "Qualia" zuschreiben kann, kam mir der Gedanke, ob nicht "Geist" von jeher immanenter Bestandteil der Materie sein könnte. Bewusstsein ist demnach ein emergentes Phänomen, das aber - ähnlich wie "Masse", möglicherweise als Elementares Teilchen im Grundkonzept der Materie angelegt ist.


Klingt nach Panpsychismus:

"[A] functional definition of panpsychism might be: 'All objects, or systems of objects, possess a singular inner experience of the world around them.'
———
"Eine funktionale Definition des Panpsychismus könnte lauten: 'Allen Objekten oder Systemen von Objekten eignet ein einzelnes inneres Erleben ihrer Umwelt.'"

[© meine Übers.]

(Skrbina, David. Panpsychism in the West. Cambridge, MA: MIT Press, 2007. p. 16)

"Panpsychism is the thesis that physical nature is composed of individuals each of which is to some degree sentient. It is somewhat akin to hylozoism, but in place of the thesis of the pervasiveness of life in nature substitutes the pervasiveness of sentience, experience or, in a broad sense, consciousness."
———
"Der Panpsychismus ist die These, dass sich die physische Natur aus Individuen zusammensetzt, von denen jedes in einem bestimmten Maß empfindungsfähig ist. Er ähnelt dem Hylozoismus, aber an die Stelle der These der Allgegenwart des Lebens in der Natur setzt er die Allgegenwart von Empfindungsvermögen, Erleben oder, im weitem Sinn, Bewusstsein."

[© meine Übers.]

("Panpsychism," by T. L. S. Sprigge. In The Shorter Routledge Encyclopedia of Philosophy, edited by Edward Craig, 769. London: Routledge, 2005.)

Links:

http://www.textlog.de/4800.html

http://www.iep.utm.edu/panpsych

http://plato.stanford.edu/entries/panpsychism/

Das vom Gehirn getragene menschliche Selbstbewusstsein ist aus panpsychistischer Sicht durch einen wie auch immer vonstatten gegangenen Zusammenschluss einfacherer Bewusstseine entstanden, wie sie von Atomen und Molekülen besessen werden.

Dissidenkt hat geschrieben:Analog zum Higgs-Boson stelle ich mir ein Geist-Boson vor, das auf Quantenebene zwar keine Masse besitzt, aber - wie auch immer - den Indeterminismus der Quantenmechanik verursacht.


Meinst du mit "Geist-Boson" ein gänzlich nichtphysisches Etwas oder ein physisches Etwas, dem eine bestimmte psychische Qualität innewohnt.
(Apropos, wusstest du schon, dass Demokrit der Meinung war, die Seele bestünde aus "Seelenatomen"? Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/democritus/#4. Lukrez beschreibt diese ausführlich: http://www.textlog.de/lukrez-natur-die-seele.html)
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » Sa 24. Apr 2010, 14:30

Als (nichteliminationistischer) Materialist/Naturalist hat man übrigens in Bezug auf die psychischen Phänomene nur die Wahl zwischen Emergentismus und Panpsychismus.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » Sa 24. Apr 2010, 19:19

stine hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Sinn und Ziel der Evolution wären Selbstbetrachtung und Selbsterkenntnis der Materie.
Hab ich so ähnlich schon mal formuliert. Deine Theorie gefällt, weil sie vorstellbar ist. :up:
LG stine


Ich denke, dir gefällt besonders das Wort "Gottesteilchen" :mg:


spacetime hat geschrieben:Vielleicht habe ich es auch nicht verstanden, aber was genau macht nun dieses Qualia-Teilchen?


Das "macht" nichts, das hat eine bestimmte Eigenschaft, die möglicherweise dazu führt, dass wir auf Teilchenebene Phänomene wie die Unschärferelation, Quantenverschränkung oder den "Zufall" auf Quantenebene beobachten. Möglicherweise ist ein solches Teilchen - in Wechselwirkung mit den anderen Elementarteilchen - am jetzigen Punkt der Evolution für das verantwortlich, was wir als Bewusstsein erleben.

spacetime hat geschrieben:Was dafür verantwortlich ist, wieso wir nicht alles bewusst wahrnehmen, was im Gehirn stattfindet, das lässt sich auf drei Möglichkeiten reduzieren:...


Das wir nicht alles bewusst wahrnehmen liegt daran, dass unser Bewusstsein damit völlig überfordert wäre. Bewusstsein ist aber auch mehr als das, was wir reflektiert wahrnehmen. Auch Säuglinge, vermutlich schon das ungeborene Leben im Mutterleib, ich vermute auch alle Tiere, haben eine rudimentäre Form von Bewusstsein.

ujmp hat geschrieben:Geist dürfte eine überflüssige Entität sein, da es nichts gibt, zu dessen Erklärung man ihn heranziehen müsste.


Das wäre wohl die rein physikalische Sichtweise auf die Welt. So eine Welt würde aber auch völlig ohne Bewusstsein auskommen. Meine Erfahrung, dass ich ein Bewusstsein habe, lässt sich damit nicht erklären.


ujmp hat geschrieben:Schopenhauer hatte der Natur einen Willen unterstellt - wie er betonte in Ermangelung eines besseren Wortes. Die Dinge verhielten sich seiner Meinung nach so und so, weil sie es halt so wollen.


Ich bin da ganz bei Schopenhauer, der ja von den Buddhisten/Hinduisten beeinflusst ist.
Seine Philosophie ist sehr rund, schlüssig und einfach schön. Ich denke dieser Wille hinter allem Leben, könnte auf elementarer Ebene auf den Eigenschaften eines entsprechenden Teilchens beruhen.


ujmp hat geschrieben:Poppers Propensitätentheorie beschränkt sich dagegen auf die Beobachtung, dass die Dinge eine gewisse Neigung haben, sich so oder so zu verhalten. Man kann es beobachten und dann beschreiben. Die Annhame des Geistes ist dazu aber nirgens notwendig.


Neigung ist ein schönes Stichwort! Die Eigenschaft dieses Teilchens stelle ich mir als "Neigung" vor, bestimmte Zustände anzunehmen oder nicht.



Herzlichen Dank! Das Stichwort "Panpsychismus" ist mir neu, eine echte Bildungslücke, werde mich mal reinlesen.


Myron hat geschrieben:Das vom Gehirn getragene menschliche Selbstbewusstsein ist aus panpsychistischer Sicht durch einen wie auch immer vonstatten gegangenen Zusammenschluss einfacherer Bewusstseine entstanden, wie sie von Atomen und Molekülen besessen werden.


"Einfachere Bewusstseine" ist vermutlich ein bisschen zu viel gesagt, weil wir so komplexe und feste Vorstellungen haben, von dem was Bewusstsein ist. Unsere Vorstellung von Bewusstsein ist naturgemäß sehr eng mit einem Gehirn verbunden. Dennoch denke ich, dass es vorstellbar ist, dass ein sehr rudimentäres "Bewusstsein" (hab auch kein besseres Wort) zumindest als Anlage schon in Atomen oder Molekülen vorhanden ist. Vielleicht so wie das Phänomen Farbe, dass in den Eigenschaften der Moleküle zwar angelegt ist, aber nur unter bestimmten Bedingungen und durchaus unterschiedlich wahrgenommen werden kann.

Myron hat geschrieben:Meinst du mit "Geist-Boson" ein gänzlich nichtphysisches Etwas oder ein physisches Etwas, dem eine bestimmte psychische Qualität innewohnt.


Ich denke an ein Etwas, das eine bestimmte Qualität/Eigenschaft hat. Diese Eigenschaft bringt es in die Atome ein. Möglicherweise eine Neigung bestimmte Zustände anzunehmen oder Orte zu besetzen.

Myron hat geschrieben:(Apropos, wusstest du schon, dass Demokrit der Meinung war, die Seele bestünde aus "Seelenatomen"? Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/democritus/#4. Lukrez beschreibt diese ausführlich: http://www.textlog.de/lukrez-natur-die-seele.html)


Ich bilde mir ein, schon mal davon gehört zu haben, werde es aber nochmal nachlesen.
Ich glaube es gibt auch Naturreligionen, die ähnliche Konzepte haben, natürlich ohne den wissenschaftlichen Unterbau.

Myron hat geschrieben:Als (nichteliminationistischer) Materialist/Naturalist hat man übrigens in Bezug auf die psychischen Phänomene nur die Wahl zwischen Emergentismus und Panpsychismus.


Weil Emergenz besagt, dass emergente Phänomene erst in der höheren Ordnung beobachtbar sind?
Ich denke auch nicht, dass Atome, Moleküle oder Steine Psyche oder Bewusstsein haben. Auf irgendeine Weise besitzen sie aber vielleicht schon die Anlage dazu.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » Sa 24. Apr 2010, 23:17

Dissidenkt hat geschrieben:Ich denke, dir gefällt besonders das Wort "Gottesteilchen"


Was für ein unsinniger und irreführender Ausdruck!

Dissidenkt hat geschrieben:Unsere Vorstellung von Bewusstsein ist naturgemäß sehr eng mit einem Gehirn verbunden.


Es klingt schon ziemlich komisch, wenn man sagt, es gebe Dinge, die zwar nicht leben, d.h. weder Tiere noch Pflanzen sind, aber nichtsdestotrotz etwas erleben, d.h. etwas empfinden oder fühlen. (Das englische Wort für "Erleben", "experience", enthält allerdings keine direkte Anspielung auf das Lebende.)

Dissidenkt hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Als (nichteliminationistischer) Materialist/Naturalist hat man übrigens in Bezug auf die psychischen Phänomene nur die Wahl zwischen Emergentismus und Panpsychismus.

Weil Emergenz besagt, dass emergente Phänomene erst in der höheren Ordnung beobachtbar sind?


Es geht um die Frage, ob psychische Zustände in der Natur schon immer (seit dem Urknall) neben den physischen Zuständen vorhanden gewesen sind. Der Panpsychist antwortet mit Ja, der Emergentist, d.i. der Antipanpsychist, mit Nein. Als emergente Eigenschaften sind psychische Eigenschaften ganzheitliche Eigenschaften komplexer materieller Systeme, die nicht von deren einzelnen Elementen besessen werden, aber von diesen und ihrem Zusammenwirken hervorgebracht werden.
Dagegen besitzen dem Panpsychismus zufolge bereits die einfachsten anorganischen Systemelemente gewisse psychische Eigenschaften, d.h. ein gewisses Innenleben.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich denke auch nicht, dass Atome, Moleküle oder Steine Psyche oder Bewusstsein haben. Auf irgendeine Weise besitzen sie aber vielleicht schon die Anlage dazu.


Die bloße Anlage ist ja noch nicht die Verwirklichung. Der Panpsychismus behauptet aber nicht nur, dass alle materiellen Dinge mögliche Bewusstseinsträger sind, sondern auch, dass sie wirkliche Bewusstseinsträger sind.
Und die Emergentisten bejahen freilich, dass das Vermögen zur Bewusstseinsbildung bereits in der Urmaterie vorhanden ist. Aus emergentistischer Sicht besitzen bewusstseinslose Atome durchaus das Vermögen, sich selbst durch systematischen Zusammenschluss und systematisches Zusammenwirken in kollektive Bewusstseinszustände zu versetzen.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon spacetime » So 25. Apr 2010, 10:42

Dissidenkt hat geschrieben:
Das wäre wohl die rein physikalische Sichtweise auf die Welt. So eine Welt würde aber auch völlig ohne Bewusstsein auskommen. Meine Erfahrung, dass ich ein Bewusstsein habe, lässt sich damit nicht erklären.

Diese rein physikalische Sichtweise lässt eine Erklärung für die Entstehung von Bewusstsein nicht zu, aber das hat einen einfachen Grund. Wir können genau diesen Teil der Wirklichkeit nicht interpretieren, weil wir, wenn wir darüber nachdenken, genau diesen Teil darstellen (also die Interpretation). Sich das vorzustellen ist zwar schwierig, lässt aber alle hypothetischen Geister-Teilchen als unnötige Verrenkungen erscheinen. Obwohl dieses Problem kein Problem ist, sucht der Mensch gerne nach einer Antwort auf eine Frage, die sich selbst beantwortet.

Warum muss man die Qualia unbedingt von der physikalischen Sichtweise ausschließen? Die Qualia ist doch Physik in ihrer wirklichsten Form, nur eben nicht reduzierbar.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » So 25. Apr 2010, 11:12

Myron hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ich denke, dir gefällt besonders das Wort "Gottesteilchen"


Was für ein unsinniger und irreführender Ausdruck!


Wenn man "Gott" nicht als religiösen Begriff, sondern vielmehr als Projektionsfläche des menschlichen Geistes versteht, ist der Begriff gar nicht so unpassend. Ich sehe Gott als Platzhalter im menschlichen Geist für die unbeantworteten Fragen unserers "Woher" und "Warum". Die Crux(!) daran ist allerdings, dass selbst beim Auffinden eines Higgs- oder gar eines Geist-Bosons, der Glaube an einen Gott nicht obsolet würde. (Glaube ist ja per definition nicht widerlegbar)

Myron hat geschrieben:Es klingt schon ziemlich komisch, wenn man sagt, es gebe Dinge, die zwar nicht leben, d.h. weder Tiere noch Pflanzen sind, aber nichtsdestotrotz etwas erleben, d.h. etwas empfinden oder fühlen. (Das englische Wort für "Erleben", "experience", enthält allerdings keine direkte Anspielung auf das Lebende.)


In der wikipedia findet sich der schöne Begriff Proto-Bewusstsein. Ich denke auch nicht, dass Pflanzen etwas empfinden oder erleben, dafür fehlen ihnen Sinne und ein System zur Verarbeitung von Sinnesinformationen.

Myron hat geschrieben:Es geht um die Frage, ob psychische Zustände in der Natur schon immer (seit dem Urknall) neben den physischen Zuständen vorhanden gewesen sind. Der Panpsychist antwortet mit Ja, der Emergentist, d.i. der Antipanpsychist, mit Nein. Als emergente Eigenschaften sind psychische Eigenschaften ganzheitliche Eigenschaften komplexer materieller Systeme, die nicht von deren einzelnen Elementen besessen werden, aber von diesen und ihrem Zusammenwirken hervorgebracht werden.
Dagegen besitzen dem Panpsychismus zufolge bereits die einfachsten anorganischen Systemelemente gewisse psychische Eigenschaften, d.h. ein gewisses Innenleben.


Psyche halte ich auch für ein emergentes Phänomen. Ich frage mich nur, ab wann man von Psyche sprechen kann (haben Affen, Ameisen, Schleimpilze, Bakterien,...Psyche oder Proto-Psyche?) und ob wir es mit einem plötzlichen Erscheinen (unter definierten gegebenen Bedingungen) dieses Phänomens zu tun haben oder ob es von jeher in der Materie schlummert, wie der David im Fels. Ich denke es ist nicht unplausibel letzteres anzunehmen.

Myron hat geschrieben:Die bloße Anlage ist ja noch nicht die Verwirklichung. Der Panpsychismus behauptet aber nicht nur, dass alle materiellen Dinge mögliche Bewusstseinsträger sind, sondern auch, dass sie wirkliche Bewusstseinsträger sind.


Da bin ich mir nicht so sicher. Alfred North Whitehead spricht wie gesagt von Proto-Bewusstsein. Schopenhauer stellt sich einen "Willen" hinter allem vor, der aber keinesfalls bereits Bewusstsein ist, sondern vielmehr nach Bewusstsein strebt.

Myron hat geschrieben:Und die Emergentisten bejahen freilich, dass das Vermögen zur Bewusstseinsbildung bereits in der Urmaterie vorhanden ist. Aus emergentistischer Sicht besitzen bewusstseinslose Atome durchaus das Vermögen, sich selbst durch systematischen Zusammenschluss und systematisches Zusammenwirken in kollektive Bewusstseinszustände zu versetzen.


Damit kann ich mich auf jeden Fall identifizieren.
Stellen wir uns dieses "Geist"-Boson doch als elementaren Informationsträger vor, der in Wechselwirkung mit anderen Elementarteilchen, eine einfache Information (z.B. seinen eigenen Zustand, eine Neigung, einen Ort oder eine Ladung,...) ändern, speichern und zur Verfügung stellen kann. In der Regel hat Materie im Universum einfach nur die Eigenschaft zu "sein". Die Eigenschaft des "Geist-Bosons", Informationen zu speichern und weiterzugeben, kann sich möglicherweise nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, wie wir sie hier auf der Erde haben, verwirklichen. Sind diese Voraussetzungen (Temperatur, Druck, Gravitation,etc...) gegeben, setzt ein Prozess ein, in dem die Informationsfähigkeit des Geist-Bosons eine dominierende Rolle einnimmt. "Informationen" finden zueinander, bündeln und vervielfältigen sich und werden immer komplexer. Es beginnt also das, was wir als Evolution kennen. Zunächst auf biologischer Ebene, dann in Form der Memetik auf geistiger Ebene. Die Evolution führt dazu, dass Materie sich selbt betrachtet und im Bewusstsein, das ja ein hochkomplexes Informationsverarbeitungssystem ist, mehr oder weniger schlüssige Konzepte von sich selbst entwickelt. Diese Konzepte stehen genauso in Konkurrenz, wie alles Lebende, wie alle Materie. Am Ende wird sich das Konzept mehrheitlich durchsetzen, das der Wahrheit am nächsten kommt. Diese Evolution des Geistes ist im Geist-Boson angelegt und hat als Ziel schlicht Selbsterkenntnis.

Diese Betrachtung wäre weder rein emergetisch noch rein panpsychisch. Ich sehe es eher als gleitenden Prozess mit emergenten Aspekten.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Nanna » So 25. Apr 2010, 13:20

Mir ist nicht klar, woraus du die Notwendigkeit eines solchen Geist-Bosons ableitest. In der Physik postliert man nicht leichtfertig neue Teilchen, sondern erst dann, wenn die bisherigen Modelle versagt haben und das Teilchen eine einfache und naheliegende Lösung darstellt. Das Geist-Boson klingt aber sehr nach Verkomplizierung der bisherigen Modelle, zudem gibt es keine empirischen Hinweise, die direkt oder indirekt auf ein solches Teil hindeuten. Alternative Modelle wie das emergentistische kommen außerdem völlig ohne dieses Teilchen aus.

Darüberhinaus klingt das Ganze nach einem sehr speziellen Zuschnitt auf sehr ungewöhnliche Spezialfälle (z.B. dass es nur unter den Erdbedingungen funktioniert; was machen dann übrigens Astronauten?). Für spezielle Probleme gleich eine Horde Teilchen zu rekrutieren halte ich aber für eine etwas einfache Lösung.

Und, würde das Teilchen überhaupt etwas erklären, würde es uns etwas darüber sagen, wie das Bewusstsein funktioniert, oder würde es nicht einfach das Problem verlagern?
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » So 25. Apr 2010, 13:35

spacetime hat geschrieben:Warum muss man die Qualia unbedingt von der physikalischen Sichtweise ausschließen? Die Qualia ist doch Physik in ihrer wirklichsten Form, nur eben nicht reduzierbar.


Die Frage ist, ob es zur evolutionären Hervorbringung geistig-seelischer Erscheinungen irgendwelcher nichtphysischer Ingredienzien bedurfte. Das scheint nicht der Fall zu sein; denn wenn man die natürliche Entwicklung eines bewussten Lebewesens von der Zeugung bis zur Geburt verfolgt, dann spricht alles dafür, dass es sich dabei um einen rein physischen bzw. physiologischen Vorgang handelt, woran keinerlei nichtphysische Faktoren beteiligt sind. Da wird in keiner Phase ein geheimnisvoller "Schuss Psyche" hinzugegeben.
Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, in welchem Sinne man Qualia als physische/physikalische Eigenschaften bezeichnen kann.
Zu sagen, sei seien Eigenschaften physischer Dinge oder Vorgänge, genügt noch nicht; denn wer sagt denn, dass Dinge oder Vorgänge mit physischen/physikalischen Eigenschaften nicht auch nichtphysische/nichtphysikalische Eigenschaften haben können. (Chemische und biologische Eigenschaften zählen im weiteren Sinn zu den physikalischen Eigenschaften.)
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » So 25. Apr 2010, 16:02

Dissidenkt hat geschrieben:Wenn man "Gott" nicht als religiösen Begriff, sondern vielmehr als Projektionsfläche des menschlichen Geistes versteht, ist der Begriff gar nicht so unpassend.


Ich denke, "Gottesteilchen" ist einfach ein viel medienwirksamerer Ausdruck als "Higgs-Teilchen" (Who the fuck is Higgs?).
Sobald irgendwo das Wörtchen "Gott" auftaucht, werden die Leute sofort aufmerksam.

Dissidenkt hat geschrieben:In der wikipedia findet sich der schöne Begriff Proto-Bewusstsein.


Ich sehe keine begriffliche Lücke zwischen Nichtbewusstsein und Bewusstsein, in die ein "Vorbewusstsein" als dritte Kategorie hineinpassen würde. Jede noch so schwache und flüchtige Empfindung stellt bereits einen Bewusstseinszustand dar.
Streng genommen kann man genauso wenig "halbbewusst" sein, wie man "halbschwanger" sein kann. Was es gibt, sind unterschiedliche Grade der Bewusstseinsspannung, die von Schläfrigkeit bis zur höchsten Wachsamkeit reichen.

Dissidenkt hat geschrieben:Psyche halte ich auch für ein emergentes Phänomen. Ich frage mich nur, ab wann man von Psyche sprechen kann (haben Affen, Ameisen, Schleimpilze, Bakterien,...Psyche oder Proto-Psyche?) und ob wir es mit einem plötzlichen Erscheinen (unter definierten gegebenen Bedingungen) dieses Phänomens zu tun haben oder ob es von jeher in der Materie schlummert, wie der David im Fels. Ich denke es ist nicht unplausibel letzteres anzunehmen.


Zunächst sind zwei Fragen auseinanderzuhalten:

1. Was bedeutet es zu sagen, etwas habe oder sei bei Bewusstsein?
2. Wie kann man praktisch feststellen, ob ein gegebenes Etwas Bewusstsein hat oder bei Bewusstsein ist?

Was die erste Frage anbelangt, so arbeite ich mit der folgenden Charakterisierung:

Ein Lebewesen ist bei oder hat Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es sich für es irgendwie anfühlt zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt irgendwie innerlich erscheint.

Das mag bloß eine vage Quasidefinition sein, aber etwas Besseres habe ich in der Literatur nicht finden können.
Hier ist Thomas Nagels berühmte Formulierung, die zur Standardformulierung geworden ist. Leider lässt sie sich nicht so gut ins Deutsche übersetzen:

"[N]o matter how the form may vary, the fact that an organism has conscious experience at all means, basically, that there is something it is like to be that organism. … [F]undamentally an organism has conscious mental states if and only if there is something that it is to be that organism—something it is like for the organism."
———
"Welche Form sie auch immer annehmen mögen, die Tatsache, dass ein Organismus überhaupt Bewusstseinserlebnisse hat, bedeutet im Wesentlichen, dass es für ihn irgendwie ist, dieser Organismus zu sein. … Im grundlegenden Sinne hat ein Organismus genau dann bewusste geistige Zustände, wenn es irgendwie ist, dieser Organismus zu sein—irgendwie für den Organismus."

[© meine Übers.]

(Nagel, Thomas. "What is it like to be a bat?" Philosophical Review 83.4 (October 1974): 435-450.)

Was die zweite Frage anbelangt, so werden wir wohl auch in Zukunft in vielen Fällen nur unsichere Vermutungen anstellen können, was aber nicht bedeutet, dass es objektiv unbestimmt ist, ob ein gegebenes Tier bei Bewusstsein ist oder nicht. Das Feststehen einer Tatsache und deren Feststellbarkeit durch uns sind zwei verschiedene Sachen.

Und was das "Schlummern des Geistes in der leblosen Materie" betrifft, so ist zwischen bloßer Potenzialität und Aktualität zu unterscheiden. Dem Panpsychismus nach sind einfache Geistes- oder Bewusstseinszustände in den Stoffteilchen bereits wirklich vorhanden. Dass diesen das reine Potenzial zur kollektiven Bewusstseinserzeugung innerhalb materieller Systeme innewohnt, wird auch von den antipanpsychistischen Materialisten (zu denen ich gehöre) nicht bestritten.
(Apropos "schlummern", Träume sind noch Bewusstseinsvorgänge, wohingegen ein traumlos Schlafender nicht bei Bewusstsein ist.)

Dissidenkt hat geschrieben:Da bin ich mir nicht so sicher. Alfred North Whitehead spricht wie gesagt von Proto-Bewusstsein. Schopenhauer stellt sich einen "Willen" hinter allem vor, der aber keinesfalls bereits Bewusstsein ist, sondern vielmehr nach Bewusstsein strebt.


Wie du sicher weißt, reagieren die meisten Physiker auf teleologische Erklärungen allergisch.
Nichtsdestoweniger ist es nach wie vor eine offene Frage, ob es in der unbelebten Natur nicht doch so etwas wie "Strebungen" und "Neigungen" gibt. Die Schopenhauer'sche Rede von einem Willen der Natur ist freilich metaphorischer Art. Franz Brentano sah in der Intentionalität das Wesensmerkmal des Geistigen; doch es gibt Philosophen wie George Molnar, die glauben, dass es (bezogen auf die "powers", d.i. die "Mächte" materieller Dinge) auch eine rein physische Intentionalität gibt, sodass sich der Begriff der Intentionalität (der "Gerichtetheit") nicht zur Abgrenzung des Psychischen vom Physischen eignet.

Dissidenkt hat geschrieben:Stellen wir uns dieses "Geist"-Boson doch als elementaren Informationsträger vor, der in Wechselwirkung mit anderen Elementarteilchen, eine einfache Information (z.B. seinen eigenen Zustand, eine Neigung, einen Ort oder eine Ladung,...) ändern, speichern und zur Verfügung stellen kann.
In der Regel hat Materie im Universum einfach nur die Eigenschaft zu "sein".


Die Materie ist nicht nur seiend ("natura naturata"), sondern auch werdend ("natura naturans"); das heißt, sie ist in sich dynamisch. Ein Gott, der von außen den Motor anwirft, ist nicht vonnöten.

Dissidenkt hat geschrieben:Die Eigenschaft des "Geist-Bosons", Informationen zu speichern und weiterzugeben, kann sich möglicherweise nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, wie wir sie hier auf der Erde haben, verwirklichen. Sind diese Voraussetzungen (Temperatur, Druck, Gravitation,etc...) gegeben, setzt ein Prozess ein, in dem die Informationsfähigkeit des Geist-Bosons eine dominierende Rolle einnimmt. "Informationen" finden zueinander, bündeln und vervielfältigen sich und werden immer komplexer. Es beginnt also das, was wir als Evolution kennen. Zunächst auf biologischer Ebene, dann in Form der Memetik auf geistiger Ebene. Die Evolution führt dazu, dass Materie sich selbt betrachtet und im Bewusstsein, das ja ein hochkomplexes Informationsverarbeitungssystem ist, mehr oder weniger schlüssige Konzepte von sich selbst entwickelt. Diese Konzepte stehen genauso in Konkurrenz, wie alles Lebende, wie alle Materie. Am Ende wird sich das Konzept mehrheitlich durchsetzen, das der Wahrheit am nächsten kommt. Diese Evolution des Geistes ist im Geist-Boson angelegt und hat als Ziel schlicht Selbsterkenntnis.


Informationsprozesse sind nicht per se psychische Prozesse, d.i. Prozesse, die mit subjektivem Erleben einhergehen. Die entscheidende Frage ist, wie aus Informationen Sensationen (Empfindungen) werden können. Damit wären wir wieder bei dem, was David Chalmers das "harte Problem" nennt.
Ach, mir fällt gerade ein Ansatz des Physikers David Bohm ein, der dich interessieren dürfte:
[Ich hoffe, du kannst englische Texte lesen; denn eine Übersetzung dieses längeren Abschnitts ins Deutsche ist mir—sorry!—momentan zu mühselig.]

"[W]e have (.) introduced a concept that is new in the context of physics—a concept that we shall call active information. The basic idea of active information is that a form having very little energy enters into and directs a much greater energy. The activity of the latter is in this way given a form similar to that of the smaller energy.
It is important to distinguish our concept of active information from the more technical definition of information commonly adopted in physics in terms of, for example, Shannon's ideas implying that there is a quantitative measure of information that represents the way in which the state of a system is uncertain to us (e.g. that we can only specify probabilities of various states). It is sure that such concepts have been used to calculate objective properties of systems in thermodynamics and even black holes etc., but we wish to propose here a quite different notion of information that is not essentially related to our own knowledge or lack of it. Rather in the case that we are discussing, for example, it will be information that is relevant to determining the movement of the electron itself. We emphasise again that it is our thesis that this sort of usage of the word 'information' is actually encountered in a wide range of areas of experience. What is crucial here is that we are calling attention to the literal meaning of the word, i.e. to in-form, which is actively to put form into something or to imbue something with form.
As a simple example of what we mean, consider a radio wave whose form carries a signal. The sound energy we hear in the radio does not come directly from the radio wave itself which is too weak to be detected by our senses. It comes from the power plug or batteries which provide an essentially unformed energy that can be given form (i.e. in-formed) by the pattern carried by the radio wave. This process is evidently entirely objective and has nothing to do with our knowing the details of how this happens. The information in the radio wave is potentially active everywhere, but it is actually active, only where and when it can give form to the electrical energy which, in this case, is in the radio.
A more developed example of such a situation is given by considering the computer. The information content in a silicon chip can determine a whole range of potential activities which may be actualised by giving form to the electrical energy coming from a power source. Which of these possibilities will be actualised in a given case depends on a wider context and the responses of the computer operator.
Although the above examples do indicate what we mean by the objective significance of active information, nevertheless they still depend on structures (like the radio set and the computer) which were originally designed and put together by human beings and so may be felt to retain a trace of subjectivity. An example that does not involve structures set up by human beings is the function of the DNA molecule. The DNA is said to constitute a code, that is to say, a language. The form of the DNA molecule is considered as information content for this code, while the 'meaning' is expressed in terms of various processes; e.g. those involving RNA molecules, which 'read' the DNA code, and carry out the protein-making activities that are implied by particular sections of the DNA molecule. The comparison to our notion of objective and active information is very close. Thus, in the process of cell growth it is only the form of the DNA molecule that counts, while the energy is supplied by the rest of the cell (and indeed ultimately by the environment as a whole). Moreover, at any moment, only a part of the DNA molecule is being 'read' and giving rise to activity. The rest is potentially active and may become actually active according to the total situation in which the cell finds itself."


(Bohm, David, and Basil J. Hiley. The Undivided Universe: An Ontological Interpretation of Quantum Theory. London: Routledge, 1993. pp. 35-6)

(Ich kann nicht behaupten, dass ich Bohms Begriff der "aktiven Information" so ganz genau verstehe, was aber damit zusammenhängt, dass mir allgemein die genaue Bedeutung bzw. genauen Bedeutungen des hochkomplexen und -komplizierten Informationsbegriffs trotz intensiver Bemühungen immer noch nicht in einem mich selbst zufriedenstellenden Maße klargeworden ist/sind. Aber ich arbeite weiter daran…)
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » So 25. Apr 2010, 17:50

Nanna hat geschrieben:Mir ist nicht klar, woraus du die Notwendigkeit eines solchen Geist-Bosons ableitest. In der Physik postliert man nicht leichtfertig neue Teilchen, sondern erst dann, wenn die bisherigen Modelle versagt haben und das Teilchen eine einfache und naheliegende Lösung darstellt. Das Geist-Boson klingt aber sehr nach Verkomplizierung der bisherigen Modelle, zudem gibt es keine empirischen Hinweise, die direkt oder indirekt auf ein solches Teil hindeuten. Alternative Modelle wie das emergentistische kommen außerdem völlig ohne dieses Teilchen aus.


Sei nicht so geizig! Es gibt Physiker, die ernsthaft die Existenz einer unendlichen Zahl von Universen postulieren, nur um quantenmechanische Phänomene zu erklären. Und du willst mit mir um ein lächerliches masseloses Bosönchen schachern? :mg:
Wenn man damit eine Grand Unified Theory schaffen und obendrein das Phänomen unseres Bewusstseins erklären könnte, wäre der Preis doch nicht zu hoch :^^:


Nanna hat geschrieben:Darüberhinaus klingt das Ganze nach einem sehr speziellen Zuschnitt auf sehr ungewöhnliche Spezialfälle (z.B. dass es nur unter den Erdbedingungen funktioniert; was machen dann übrigens Astronauten?). Für spezielle Probleme gleich eine Horde Teilchen zu rekrutieren halte ich aber für eine etwas einfache Lösung.


Wieso nur auf der Erde? Das Boson wäre universal und dort, wo die Systembedingungen geeignet sind, könnte Bewusstsein - wie wir es erleben - entstehen. Durchaus denkbar, das auf anderen Planeten höhere oder niedere Formen von Bewusstsein in völlig andersartigen Lebewesen entstehen.


Nanna hat geschrieben:Und, würde das Teilchen überhaupt etwas erklären, würde es uns etwas darüber sagen, wie das Bewusstsein funktioniert, oder würde es nicht einfach das Problem verlagern?


Wäre es ein "digitales Bit-Boson", also eine Art Informationsträger, würde es so etwas wie Bewusstsein schon recht gut erkären können. Es gibt schliesslich Wissenschaftler, die glauben, man könne umgekehrt auch Bewusstsein im Computer wecken, wenn man nur genug Schaltkreise und Speicher systematisch vernetzt.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon ganimed » Mo 26. Apr 2010, 19:36

Ich bin alt und geistig unbeweglich und verstehe dieses Thema noch nicht so ganz.

Wenn der philosophisch talentierte Mensch ein wenig Probleme hat, sich das mit dem Bewusstsein vorzustellen, dann soll ein Geist-Boson dabei helfen? Ich habe Probleme, die beiden Dinge auch nur im entferntesten in einen Zusammenhang zu bringen. Bosonen sind für mich ganz winzige Dinge in der Vorstellung von Physikern. Und Bewusstsein ist für mich irgendein Phänomen im Gehirn. Was um alles in der Welt hat das eine mit dem anderen zu tun?

Wenn ich nächste Woche nicht verstehe, wie der MP3-Player meines Sohns funktioniert, könnte ich dann mit dem gleichen Recht in diesem Forum ein MP3-Boson als mögliche Lösung des "Problems" voraussagen? Es könnte doch sein, dass es seit 13,7 Milliarden Jahren MP3-Bosonen gibt, die aber masselos und völlig ineffektiv waren all die Zeit. Nur wenn man einen kleinen Kasten aktiviert, auf dem ein Apfel-Symbol prangt, wird die entscheidende MP3-Eigenschaft der MP3-Bosonen spürbar und verhilft meinem Sohn zur ersehnten Gehörschädigung.

Und übernächste Woche kommen wir dann auf das Hummelflug-Boson zu sprechen. Weitere Vorschläge sind immer willkommen.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » Di 27. Apr 2010, 18:39

Myron hat geschrieben:Die Frage ist, ob es zur evolutionären Hervorbringung geistig-seelischer Erscheinungen irgendwelcher nichtphysischer Ingredienzien bedurfte. Das scheint nicht der Fall zu sein; denn wenn man die natürliche Entwicklung eines bewussten Lebewesens von der Zeugung bis zur Geburt verfolgt, dann spricht alles dafür, dass es sich dabei um einen rein physischen bzw. physiologischen Vorgang handelt, woran keinerlei nichtphysische Faktoren beteiligt sind. Da wird in keiner Phase ein geheimnisvoller "Schuss Psyche" hinzugegeben.


Für einen Baum lasse ich das gelten, aber für mich nehme ich schon in Anspruch über Psyche zu verfügen
Die Frage ist, wie kommt die Psyche (meine) in das physikalisches Weltbild (meins), das sie hervorbringt?

Myron hat geschrieben:Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, in welchem Sinne man Qualia als physische/physikalische Eigenschaften bezeichnen kann.
Zu sagen, sei seien Eigenschaften physischer Dinge oder Vorgänge, genügt noch nicht; denn wer sagt denn, dass Dinge oder Vorgänge mit physischen/physikalischen Eigenschaften nicht auch nichtphysische/nichtphysikalische Eigenschaften haben können. (Chemische und biologische Eigenschaften zählen im weiteren Sinn zu den physikalischen Eigenschaften.)


Betrachten wir es mal von aussen und schauen auf einen Menschen, der gerade sein Abendbrot verspeist.

Die Vorgänge des Zerteilens, Kauens, Verschluckens und sogar des Verdauens können wir sehr exakt messen und physikalisch und chemisch beschreiben
Wir können heute sogar die Gehirnfunktionen dabei beobachten und zb in mrt-Bildern fixieren. Aus dem Vergleich unterschiedlicher mrt-Bilder wird man eines Tages sogar feststellen können, ob es der Person geschmeckt hat.

Das tatsachliche individuelle ERLEBEN der beobachteten Person wahrend des Mahls, werden wir aber niemals messen, beschreiben, nachempfinden oder gar speichern und reproduzieren können.

Myron hat geschrieben:Ich sehe keine begriffliche Lücke zwischen Nichtbewusstsein und Bewusstsein, in die ein "Vorbewusstsein" als dritte Kategorie hineinpassen würde. Jede noch so schwache und flüchtige Empfindung stellt bereits einen Bewusstseinszustand dar.
Streng genommen kann man genauso wenig "halbbewusst" sein, wie man "halbschwanger" sein kann. Was es gibt, sind unterschiedliche Grade der Bewusstseinsspannung, die von Schläfrigkeit bis zur höchsten Wachsamkeit reichen.


Also gibt es doch graduelle schwangerschaft?
Der Vergleich hinkt meiner Meinung nach und führt uns nicht weiter.

Die Bewusstseinszustände des Menschen sind sehr vielfaltig. Wir sind überzeugt, dass ein Säugling Bewusstsein hat, können uns aber nicht mehr im geringsten vorstellen, was in einem Säugling vorgeht, obwohl wir selber einer waren . Noch weniger können wir uns in Tiere hineindenken (Beispiel Fledermaus). Selbst der komplette mrt-Film eines Fledermauslebens wird uns keinen Schimmer davon vermitteln, was es heisst eine Fledermaus zu sein. Gleiches gilt für andere Lebewesen, mit oder ohne Hirn.

Ich halte es für plausibel, dass Bewusstsein tatsächlich ein graduelles Phänomen und rückverfolgbar bis zum Anbeginn der Evolution ist.
Natura non facit saltus.

Als Proto-Bewusstsein könnte ein reines Erleben zb mit nur einem einzigen Sinn bezeichnet werden - ohne Sprache, ohne Reflektion. Beispielsweise wie Pflanzen, die die Sonne "spüren" und sich nach ihr ausrichten oder Geisseltierchen, die sich in Richtung ihrer Nahrung bewegen.



Myron hat geschrieben:1. Was bedeutet es zu sagen, etwas habe oder sei bei Bewusstsein?
2. Wie kann man praktisch feststellen, ob ein gegebenes Etwas Bewusstsein hat oder bei Bewusstsein ist?

Was die erste Frage anbelangt, so arbeite ich mit der folgenden Charakterisierung:

Ein Lebewesen ist bei oder hat Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es sich für es irgendwie anfühlt zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt irgendwie innerlich erscheint.

Das mag bloß eine vage Quasidefinition sein, aber etwas Besseres habe ich in der Literatur nicht finden können.

......

Informationsprozesse sind nicht per se psychische Prozesse, d.i. Prozesse, die mit subjektivem Erleben einhergehen. Die entscheidende Frage ist, wie aus Informationen Sensationen (Empfindungen) werden können. Damit wären wir wieder bei dem, was David Chalmers das "harte Problem" nennt.
Ach, mir fällt gerade ein Ansatz des Physikers David Bohm ein, der dich interessieren dürfte:
[Ich hoffe, du kannst englische Texte lesen; denn eine Übersetzung dieses längeren Abschnitts ins Deutsche ist mir—sorry!—momentan zu mühselig.]




Danke für die interessanten Aspekte!
Je länger ich nachdenke, desto klarer wird:

Bewusstsein ist reine Informationsverarbeitung.


Deshalb sollten sich die Überlegungen dahingehend entwickeln, was Informationen im Kern eigentlich sind und wie sie übertragen, gespeichert und kombiniert werden können. Ich denke, es ist kein Zufall, dass wir das Zeitalter der Informationsverarbeitung ausgerufen haben. Das Mensch - als Produkt der Evolution - ist ein Meister der Informationsverarbeitung und hat es als solcher geschafft, Werkzeuge zu kreieren, die sich anschicken, den Kern seines Wesens (Bewusstsein) zu reproduzieren.

Bewusstsein wie wir es erleben, entwickelt sich offenbar dort, wo Informationen zur Aufrechterhaltung eines Systems aufgenommen, gespeichert und in neue Zusammenhänge gestellt werden müssen. Sinne erzeugen Informationen mit denen das System agieren und sich selbst erhalten und weiterentwickeln kann.

Was aber ist Information?
Information ist die symbolische Darstellung/Repräsentation von Zuständen.
(Das ist meine definition, vielleicht gibt es prägnantere)

Gehen wir 4 Milliarden Jahre zurück ins Hadaikum.
Es gibt weder Biologie noch irgendeine Form von Leben.
Gibt es also Information? Ohne Sender, ohne Empfänger?
Ich denke nicht, zumindest nicht Information wie wir sie kennen, weil niemand da ist, der sie realisieren oder gar speichern könnte.
Die einzigen Arten von Information existieren hier auf Ebene der Elementarteilchen und sie lauten:
Ich spüre Gravitation, ich spüre Strahlung, ich spüre Druck, ich spüre Hitze.
Diese Informationen sind in der Erdfrühphase so gewaltig, dass sie alles andere überlagern.
Erst wenn der Planet sich abgekühlt, die Strahlung nachgelassen und an einigen Orten "geeignetes" Klima entstanden ist, kommt eine neue wichtige Information zum tragen:

Ich mag dich, oder ich mag dich nicht.
Mit dir bin ich stabiler oder mit dir bin ich unstabiler.


Diese Informationen werden auf Ebene der Elementarteilchen in Wechselwirkungen ausgetauscht und ermöglichen die Bildung von Molekülen hoher Komplexität, die sich alsbald wiederum mit dem Ziel dauerhafter Stabilität teilen und irgendwann als dna reproduzieren.
Das dürfte der Beginn des Informationsaustauschs gewesen sein, der sich bis heute in der Evolution fortsetzt.
Die gesamte lebendige Welt ist auf den Austausch von Informationen aufgebaut. Von den Vögeln die morgens nach Artgenossen rufen, bis zum Gesang der Wale. Alles ist Kommunikation mit dem Ziel einer höheren stabilen Lebensform.
Die höchste Entwicklungsstufe dieser Lebensform entwickelt nun Werkzeuge um den Informationsaustausch innerhalb der Spezies noch einmal zu revolutionieren und das Phänomen des Bewusstseins künstlich zu reproduzieren.
Ich denke die Bedeutung von Information und die Klärung, was Information objektiv ist, kann man nicht hoch genug einschätzen.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 27. Apr 2010, 19:31

Auffällig in dieser Behandlung ist die etwaige Gleichsetzung von Bewußtsein und Erleben; und dies wäre ganz und gar zulässig, wenn dann "Bewußtsein" einzig das Erleben beschreiben würde (wodurch es überflüssig würde, da "Erleben" unzweideutiger ist, auch in seiner Historie und seinem Gebrauch: Vergl. "Hast du das Wochenende was erlebt?" vs. "Ist dir das Wochenende was bewußt geworden?"); aber es ist nicht der Fall, dass in den vorgestellten Ausführungen Bewußtsein mit Erleben gleichgesetzt wurde, vielmehr war direkt dir Rede vom "Geist-Boson" und nicht vom "Bewußtseins-Boson". Hier aber liegt die Vermischung zweier Phänomene vor.

Myron sprach den Traum als einen Bewußtseinszustand an. Mir scheint es, als würdest du die Begriffe "psychischer Zustand" und "Bewußtseinszustand" gleichsetzen; ich dagegen finde, dass sie zu trennen seien. Ein Vergleich von Vorstellung und Traum kann dies erläutern, wenngleich - in diesem Rahmen - nicht notwendig oder gar hinreichend begründen.
Stellt sich Dissidenkt nun vor, dass er oder sie mit einem Laptop unter einer Platane bei Sonnenschein sitzt, so wird er oder sie wissen, dass jene Vorstellung ein model ist, welches der in jenem Moment erlebten Wirklichkeit nicht entspricht. Anders der Traum: der Traum wird als wirklich erlebt, ist mithin keine Vorstellung - nächtliches Träumen ist eine Pathik; bewusstes Vorstellen ("tag-träumen") ist ein Akt.
Der Unterschied zwischen dem Bewußtsein und dem Erleben erhellt sich auch aus einem einfachen Versuch: man schließe die Augen und stelle sich nun eben an jenem Ort vor, an dem man gerade ist: davon abgesehen, dass es sehr viel blasser und lebloser sein wird als die Wirklichkeit, dass andere Bilder sich dazwischendrängen, dass alles viel ärmer, beschränkter und mithin leerer ist; von diesem Unterschied schon abgesehen tritt hervor, dass man immer noch die Wirklichkeit hörend erlebt während man die Augen geschlossen hält - und dass man trotzdem auch das Dunkel vor den Augen weitererlebt, während man sich die Vorstellungen bewußt macht. Ein Hinweis auch darauf, dass jene Vermögen, welche ich hier als "Erleben" und "Bewußtsein" gegenüberstellte, durch verschiedene neuronale Substrate repräsentiert.

Es sei auch auf das Wort "Bewußtsein" als solches hingewiesen: sich des Rotes der Ampel bewusst sein = das Bewusst-Sein des Rotes der Ampel. Und das Beispiel ist nicht wahllos angebracht. Man stelle sich einen Mann in Eile vor, der sich bewußt mit den Folgen eines Zuspätkommens am ersten Arbeitstag beschäftigt - und nun in sein Auto steigt; als er dann rechtzeitig angekommen ist, wird er sich desseb bewusst, dass er das rote Licht einer Ampel einfach unbeachtet ließ, das heißt, er hat die rote Ampel erlebt, ohne dass sie ihm gleichzeitig bewusst gewesen wäre.

Nun ist meine Frage an dich, Dissidenkt, ob denn deine These beide Phänomene, oder doch nur eines davon zu erklären/ beschreiben sucht? Ob du das Leben, oder den Geist erklären willst?

(Diese Ausführungen folgen grob den Linien von "Bewußtsein als Lebensstörung", geschrieben von Klages.)
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Dissidenkt » Di 27. Apr 2010, 20:39

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Auffällig in dieser Behandlung ist die etwaige Gleichsetzung von Bewußtsein und Erleben;


"Erleben" würde ich als das innere, symbolische Hervorbringen einer Wirklichkeit, also als einen Akt des Bewusstseins definieren. Erleben hat dabei immer eine zeitliche Ausdehnung, während Bewusstsein auch einfach nur im Moment sein kann (ein Zustand also, wie ihn Meditierende anstreben).


Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Nun ist meine Frage an dich, Dissidenkt, ob denn deine These beide Phänomene, oder doch nur eines davon zu erklären/ beschreiben sucht? Ob du das Leben, oder den Geist erklären willst?


"Leben" lässt sich wohl zunächst einmal auch ohne Geist erklären. Es ist ja weitgehender wissenschaftlicher Konsens, dass primitive Lebensformen kein Bewusstsein haben. Ich möchte das aber durchaus in Frage stellen, indem ich den Begriff Bewusstsein besonders weit auffasse, nämlich als innere Wahrnehmung eines äusseren oder inneren Zustands.
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 27. Apr 2010, 21:31

"Erleben hat dabei immer eine zeitliche Ausdehnung, während Bewusstsein auch einfach nur im Moment sein kann."

Würdest du denn auf die folgende Definition eingehen?

Erleben ist kontinuierlich, während Bewusstsein diskret/punktuell ist.

Dazu möchte ich dich auch zur Prüfung deiner Aussage ermuntern: "Erleben" würde ich als das innere, symbolische Hervorbringen einer Wirklichkeit, also als einen Akt des Bewusstseins definieren." - "Ich fasse den Begriff Bewusstsein besonders weit auf, nämlich als innere Wahrnehmung eines äusseren oder inneren Zustands."

Du leitest das Erleben als eine Funktion des Bewusstseins ab. Davon abgesehen, dass du uns noch nicht gesagt hast, was Wahrnehmung sei (geht es aus dem Bewußtsein hervor, oder konstituiert es Bewußtsein?) - davon wirklich abgesehen, da es eine wichtige Frage ist, hast du nun aber trotzdem schon das "Innen" vom "Außen" getrennt. Du sagst aber auch, dass das Erleben ein Hervorbringen sei, also eine Veräußerung, die Konstition von "Außen". Das Bewußtsein setzt also schon ein Innen und Außen voraus, während Innen und Außen noch gar nicht konstituiert sind?

Meine These hierzu lautet: erst das Erleben entfremdet kontinuierlich, und konstituiert so das Innen und Außen. Geist verdinglicht das Erlebte gemäß dem Satz der Identität (vergl. Fälle von Agnosie). Das Bewußtsein, als vom Erleben verschiedenes Phänomen, kann sich punktuell zu den vom Geist aus dem Erleben abstrahierten Dingen von Innen und/oder Außen in Bezug setzen.

Ich will dich auf noch mehr aufmerksam machen. Du sprichst von einem Geist-Boson und weisst ja trotzdem, dass all jene Teilchen immer weiter trennbar sind. Es gibt schon Strings, und in zhen Jahren gibt es die Teile von Strings, und in wieder zehn Jahren die Teile jener Teile - die gewonnen Erkenntnisse werden zweckdienlich sein, nimmer aber Erklärung bieten; auch Schopenhauer sah das schon ein, dass von Teilchen zu sprechen stets nur dem technischen Fortschritt von Nutzen sein wird, und deswegen ein Wort für das Unteilbare zu nehmen, von größerem Vorteile ist, so zum Beispiel eben Substanz, Materie oder Energie.
Wenn du nun von Geist-Bosonen sprechen magst als jener zusammengesetzten Materie, welche das Potential zu Bewusstsein unter bestimmten Vorraussetzungen hervorbringt; so musst du ein weiteres solches Potential auf der noch einmal kleineren Teilung als jener der Bosonen annehmen, also Teilchen, mit dem Potential, unter bestimmten Bedinungen Geist-Bosonen hervorzurbringen, die unter bestimmten Bedinungen Geist hervorbringen. Und jene Teilchen wiederum bestünden ja wieder aus kleineren Teilchen, die das Vermögen besitzen, solche Teilchen auszubilden...

Es ist hier dasselbe Problem wie mit "Kritik der reinen Vernunft", zu der Nietzsche so treffend sagte, sie würde das Vermögen zur Erkenntnis erklären durch den Satz "mittelst eines Vermögens". Und tatsächlich, nichts anderes ist geschehen: Kant nahm postulierte weitere Vermögen, und diese ergeben dann das Erkenntnisvermögen. Und was bedingt jene grundlegenderen Vermögen? Weitere Vermögen!

Auch Kant vermischte Erleben mit Bewußtsein; so wie auch Descartes, Spinoza... deswegen rate ich dir, VORHER dir anzuschauen, was Bewußtsein ist, wodurch es sich von anderen Phänomenen unterscheidet; welche Supplemente nötig sind, was postuliert sein muss, was deine Axiome sind; und all diese gewissenhafte Arbeit: dann musst du nicht in den ausgelatschten Zirkeln deiner Vorgänger umherwandeln.

Ein Wort von Chomsky: "Obscure and intuition-bound notions can neither lead to absurd conclusions nor provide new and correct ones, and hence fail to be useful in two important respects."
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Re: Materie - Geist-Dualismus: Das wahre "Gottesteilchen"

Beitragvon Myron » Mi 28. Apr 2010, 04:42

Dissidenkt hat geschrieben:Das tatsachliche individuelle ERLEBEN der beobachteten Person wahrend des Mahls, werden wir aber niemals messen, beschreiben, nachempfinden oder gar speichern und reproduzieren können.


Restaurantkritiker sind imstande, ihre Geschmackserlebnisse differenziert zu beschreiben.
Mithilfe introspektiv gewonnener Erlebnisberichte können wir etwas über die subjektiven Erlebnisse anderer erfahren, wobei deren Mitteilbarkeit nicht deren Übertragbarkeit einschließt. Um zu wissen, wie es ist, du zu sein, müsste ich du sein. Mir stehen höchstens deine Erlebnisberichte, aber nicht deine Erlebnisse selbst zur Verfügung.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich halte es für plausibel, dass Bewusstsein tatsächlich ein graduelles Phänomen und rückverfolgbar bis zum Anbeginn der Evolution ist.


Natürlich gibt es unterschiedliche Komplexitätsgrade des Bewusstseins, die vom primitivsten Bewusstsein bis zum komplexesten Selbstbewusstsein reichen.

Dissidenkt hat geschrieben:Als Proto-Bewusstsein könnte ein reines Erleben zb mit nur einem einzigen Sinn bezeichnet werden - ohne Sprache, ohne Reflektion. Beispielsweise wie Pflanzen, die die Sonne "spüren" und sich nach ihr ausrichten oder Geisseltierchen, die sich in Richtung ihrer Nahrung bewegen.


Hier könnten wir bestenfalls von einem "Vorselbstbewusstsein" sprechen. Aber Bewusstsein ist nicht gleich Begriffe und Sprache voraussetzendes Selbstbewusstsein. (Gerald Edelman unterscheidet entsprechend zwischen primary consciousness and higher-order consciousness.)
Und, wie gesagt, jedes noch so schwache und flüchtige Gespür oder Gefühl ist bereits ein Bewusstseinszustand. Ob es auch so etwas wie ein Pflanzenbewusstsein, eine "Pflanzenseele" gibt, sei hier dahingestellt. (Gustav Fechner war davon überzeugt.)
Reiz-Reaktions-Verhalten geht jedenfalls nicht grundsätzlich mit Erleben einher, wie mit Sensoren ausgestatte technische Geräte belegen. Solche Dinge (z.B. Bewegungsmelder) haben zwar "Fühler", aber sie fühlen nichts und sind somit keine Erlebnissubjekte.

Dissidenkt hat geschrieben:Je länger ich nachdenke, desto klarer wird:
Bewusstsein ist reine Informationsverarbeitung.


Reine Informationsverarbeitung gibt es auch ohne subjektives Erleben und damit ohne Bewusstsein.
Außerdem:

"The brain is not a computer, and the world is not a piece of tape."
———
"Das Gehirn ist kein Computer, und die Welt ist kein Speicherband."

[© meine Übers.]

(Edelman, Gerald M. Wider than the Sky: The Phenomenal Gift of Consciousness. New Haven: Yale University Press, 2004. p. 39)

Dissidenkt hat geschrieben:Bewusstsein wie wir es erleben, entwickelt sich offenbar dort, wo Informationen zur Aufrechterhaltung eines Systems aufgenommen, gespeichert und in neue Zusammenhänge gestellt werden müssen. Sinne erzeugen Informationen mit denen das System agieren und sich selbst erhalten und weiterentwickeln kann.


Man kann wohl sagen, dass Qualia phänomenale Informationen (über den Organismus und seine Umwelt) darstellen. Hausbackener ausgedrückt, kann man sie auch als natürliche Zeichen einstufen.

Dissidenkt hat geschrieben:Was aber ist Information?
Information ist die symbolische Darstellung/Repräsentation von Zuständen.
(Das ist meine definition, vielleicht gibt es prägnantere)


Semantische Informationen sind meiner Auffassung nach Zeichen.

"The Diaphoric Definition of Data (DDD):
A datum is a putative fact regarding some difference or lack of uniformity within some context.

The General Definition of Information (GDI):
σ is an instance of information, understood as semantic content, if and only if:

(GDI.1) σ consists of one or more data;

(GDI.2) the data in σ are well-formed;

(GDI.3) the well-formed data in σ are meaningful.


(http://plato.stanford.edu/entries/information-semantic)

Dissidenkt hat geschrieben:Ich denke die Bedeutung von Information und die Klärung, was Information objektiv ist, kann man nicht hoch genug einschätzen.


Ich kann zu diesem schwierigen und vielschichtigen Thema das folgende (englischsprachige) Buch empfehlen (der Autor hat auch den oben verlinkten Text über semantische Information verfasst):

* Floridi, Luciano. Information: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2010.

Kostenlos runterladbar: Chapter 2: The Language of Information (pdf)

"Information is a conceptual labyrinth…"
———
"Information ist ein begriffliches Labyrinth…"
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