Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Julia » Mo 21. Sep 2009, 13:01

Ich bin noch nicht ganz durch, aber trotzdem schon recht begeistert von dem Buch, das ich hier schonmal beworben habe: "Ist Erziehung sinnlos?" von Judith Rich Harris.
Sie geht darin der Frage nach was unseren Charakter prägt, die Gene und/oder die Umwelt (beides) und vor allem was hier unter Umwelt zu verstehen ist. Sie kommt zu dem Schluss, dass es nicht die Erziehung durch die Eltern ist, sondern die Sozialisation in der Gruppe der Gleichaltrigen, der Peergroup.
Hier gibt es auch einen Artikel, der das knapp zusammenfasst.
Besonders interessant finde ich die Gruppenkontrasteffekte, also die Tatsache, dass Unterschiede zwischen Gruppen größer erscheinen als sie tatsächlich sind oder sogar künstlich erschaffen werden um sich von anderen Gruppen abzugrenzen, aus dem Artikel:
Social groups are categories and, like all categories, are based on the perception of within-group similarities and between-group differences (Krueger, 1992). Thus, when group identity is salient, group members perceive themselves to be more similar to each other, and more different from the members of other groups, than they really are. The result is the emergence of contrasting group stereotypes (Wilder, 1986; Williams & Best, 1986).


Gender is "the most fundamental of human categories" (Banaji & Prentice, 1994, p. 315). The fact that gender differences in behavior are observable in every human culture that has been studied, and that male and female stereotypes are similar across cultures (Williams & Best, 1986), strongly suggests that there is a biological component to these differences (Maccoby & Jacklin, 1974). However, like the sex differences in height and strength, the biologically based differences in behavior are differences between group means; the ranges of the two groups overlap considerably. During middle childhood, according to GS theory, the effects of self-categorization into two dichotomous groups causes these differences to widen and the overlap to decrease. Boys and girls develop contrasting group stereotypes and contrasting peer cultures. Maccoby (1990) has pointed out that behavioral differences between girls and boys are minimal when children are observed individually; the sex differences emerge most clearly when they are playing in sex-segregated groups.
[...]
However, in societies where children are able to divide up into sex-segregated groups, sex-typed behavior may appear even though the adults in that culture believe that boys and girls are basically alike.
[...]
Girls and young women who go to all-female high schools and colleges are more likely to retain an interest in, and to excel in, "masculine" subjects such as math and science (Alper, 1993; Sadker & Sadker, 1994).

(Und dann gibt es natürlich noch solche wie mich, die unter Jungen sozialisiert wurden und die noch nie sonderlich viel mit den meisten Geschlechtsgenossinnen anfangen konnten...)
Irgendwie stellt sich da doch tatsächlich die Frage ob es nicht besser ist Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten, auch wenn ich erstmal empört reagiert habe als ein Lehrer mir mal erzählt hat, dass er seine Tochter auf eine Mädchenschule schicken will, aber vielleicht ist das gar nicht so dumm:
Der Unterricht von Mädchen in gleichgeschlechtlichen Klassen bringt einen um 40 Prozent erhöhten Leistungsstandard.

http://www.welt.de/wissenschaft/article ... esser.html

(Wusste nicht in welches Forum das gehört, kann ja verschoben werden, falls es jemand besser weiß ;)
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 21. Sep 2009, 13:34

Oder aber Eltern hören auf, ihren Söhnen mit zwei Jahren einen Werkzeugkasten, ihren Töchtern hingegen ein Püppchen zu schenken; oder es wird darauf verzichtet Kinder sexuell abzurichten; oder...

Ich kann dadurch, dass ich dein von dir so gemochtes Buch noch nicht las, nicht wissen, auf welchen Ebenen sie ihre Analysen erhoben hat, welche Methoden sie angewandt hat und was, im allgemeinen, die Parameter für die Beobachtung waren; oder was die Parameter der Studien waren, auf die sie sich bezieht.

Dann natürlich würde, in Norwegen z.B., ein getrenntgeschlechtlicher Unterricht sehr argwöhnisch betrachtet werden. Die OECD Studie ergab zwar im letzen Jahr ein eher enttäuschendes Urteil über den Zustanddes norwegischen Bildungssystems - aber auffälligerweise wurde es 2 Jahre zuvor gepriesen: dann da wurde es von einem Pädagogen eingeschätzt; letztes Jahr allerdings von einem Ökonomen.

Wenn man von "Leistung" spricht und sich an der Ökonomie, dem späteren beruflichen Output, der Economical Productivity orientiert und danach die Güte eines Bildungssystems bemisst, kann man sehr wohl zu dem Urteil gelangen, dass ein 40% bessere akademische Leistung eine gewisse Unterrichtsmethode auszeichnet.
Aber es sollte daran bemessen werden, was die Eltern von ihren Kindern wollen - Helmut Kohl hat seine Kinder nicht auf eine Waldorfschule geschickt, damit sie später einmal eine erfolgreiche Karriere absolvieren, um einmal ein Beispiel zu nennen.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Julia » Mo 21. Sep 2009, 14:44

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Oder aber Eltern hören auf, ihren Söhnen mit zwei Jahren einen Werkzeugkasten, ihren Töchtern hingegen ein Püppchen zu schenken; oder es wird darauf verzichtet Kinder sexuell abzurichten; oder...

Der getrennte Unterricht scheint jedenfalls nachweislich zu funktionieren, die Erziehung von Jungen als Mädchen und umgekehrt nicht soweit ich weiß, wo wir wieder bei einer anderen interessanten Frau und ihrem Buch wären:
http://de.wikipedia.org/wiki/Susan_Pinker

Abgesehen von ökonomischen Überlegungen fände ich einen höheren Frauenanteil in den Naturwissenschaften erstrebenswert, an meiner Fakultät sind es gerade mal 13-14 %.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon ujmp » Mo 21. Sep 2009, 19:09

Es ist wohl so, dass der Mensch sich, wenn er frei dazu ist, sein Milieu selbst auswählt. Aus der Zwillings- und Adoptivkinderforschung weiß man, dass kleine Kinder sich sehr stark ihrem Milieu, also erstmal ihren Bezugspersonen anpassen. Diese Angepassheit nimmt aber ab, je älter sie werden und kann völlig verschwunden sein, wenn sie erwachsen sind. Der Grund: sie werden immer freier, ihren angebohrenen Neigungen zu folgen, das heißt, sie bestimmen ihr Milieu dann selbst (so beschreibt es jedenfalls Eysenck). Man muss also fragen: Sind Menschen ähnlich, weil sie aus dem selben Milieu stammen oder entsteht ein Milieu dadurch, dass sich dort ähnliche Menschen versammeln?

Irgendwo habe ich auch mal was gelesen, dass man heute in Bezug auf Sekten oder politische Strömungen wie dem Faschismus nicht mehr so sehr von einer Verführbarkeit des Menschen ausgeht, ihn nicht mehr so sehr als Opfer betrachtet. Meistens erfüllen solche sozialen Gemeinschaften schlichtweg die Bedürfnisse, die ihre Anhänger schon mitgebracht haben. Die Art und Weise, wie diese Bedürfnisse artikuliert werden, kann m.E. sicher auch prägend auf das Individuum zurückwirken.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 21. Sep 2009, 22:29

Das wäre ja lustig, wenn man die Nazis als Opfer betrachten würde; das heißt, es wäre vollkommen dumm, so wie ein Witz eben lustig ist. Denn dann könnte man "Holocaust" ja tatsächlich wörtlich nehmen.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Di 22. Sep 2009, 06:51

ujmp hat geschrieben:Diese Angepassheit nimmt aber ab, je älter sie werden und kann völlig verschwunden sein, wenn sie erwachsen sind.
...um dann später wieder so zu werden, wie ihre Eltern und Großeltern waren.
Ich stelle immer wieder fest, dass man nichts dagegen tun kann, so zu werden, wie der eigene Vater oder die Mutter waren oder noch sind. Sich bewusst dagegen wehren hilft nur bedingt. Das betrifft das Äußere, wie die innere Einstellung auf die Dinge zuzugehen.

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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Di 22. Sep 2009, 06:58

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Oder aber Eltern hören auf, ihren Söhnen mit zwei Jahren einen Werkzeugkasten, ihren Töchtern hingegen ein Püppchen zu schenken; oder es wird darauf verzichtet Kinder sexuell abzurichten; oder...
Wer Kinder beiderlei Geschlechts aufzieht oder betreut, wird ganz schnell feststellen, dass sich Kinder unter dem vorhandenen Spielsachen ganz bewusst ihres auswählen. Mädchen zwar nicht immer die Puppenküche und Buben nicht immer den Werkzeugkasten, aber die meisten wählen eben doch nach den bekannten Prinzipien. Das mag nach Vorbildern im Elternhaus unbewusst geschehen oder doch so vorprogrammiert sein. Nach meiner Erfahrung spielen Jungs und Mädchen mit dem selben neutralen Ausgangsmaterial völlig unterschiedlich. Mein liebstes Beispiel ist Lego. Während Jungs sich einen Kran bauen, bauen sich Mädchen ein Haus oder eine Wohnung. Gemeinsam ist beiden nur das Auf-und Zusammenbauen an sich.

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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Mark » Di 22. Sep 2009, 14:15

Zwangshormontherapie für Mädchen und Jungen, bis alle den gleichen Hormonspiegel haben und sich endlich alle ÜBERALL rasieren müssen ?
Das erledigt doch schon über kurz oder lang unser Trinkwasser mit seinen Hormonbelastungen :lachtot:
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Spriggan » Mi 23. Sep 2009, 12:27

Die Tochter meiner Freundin spielte vornehmlich gerne mit Bauklötzen mit ihren 3 Jahren - sie hatte gleichaltrige Freunde (beider Geschlechter) und kam dann in den Kindergarten - seitdem muss meine Freundin für ihre Tochter Puppen kaufen, da die beste Freundin ihrer Tochter nur mit Barbie spielt. Allerdings verflog das Interesse daran sehr schnell wieder.

Ich habe 2 Schwestern - keinen Bruder - und meine Eltern haben uns Puppen gegeben und Autos - Bauklötze waren für uns Kinder immer das Größte, später Lego und Laubsäge - ein wenig Malen nach Zahlen, und Puppen - nur dann wenn die Freundinnen da waren. Meine Schwester hat Theoretische Chemie studiert - hat ihre erste Professoren(vertretungs-)stelle bereits mit 29 gehabt und ist damit beschäftigt Energielevelveränderungen bei Molekülen unter Lasereinwirkung auszurechnen.
Wir waren alle auf normalen Schulen - gemischte Klassen - hatten Freunde bei männlichen und weiblichen Kindern. Ich habe für mich nur eins gelernt daraus - wichtig ist, dass die Eltern alles anbieten und dass man Kinder als Kinder sieht und nicht geschlechtsspezifisch in den ersten Lebensjahren einordnet.

Ich höre Eltern von Kindergartenkindern darüber philosophieren, warum ihr Sohn noch gar kein Mädchen geküsst hat - gut vielleicht war ich ein Spätentwickler, aber andere Menschen zu küssen empfand ich nie als erstrebenswert im Vorschulalter.

Geschlechtsspezifisch kann man heute kaum noch Menschen einteilen. Noch vor kurzem gab es doch die Südafrikanische Läuferin, die genetisch leider ein Mann war. Transsexualität liegt in den Genen. Noch vor Kurzem las ich darüber, dass die Geschlechtschromosomen regeln wie viel Hormone zu welchem Lebensabschnitt ausgeschüttet werden. Das heißt also, es kann sein, dass es Männer gibt die "begabt" sind auch zu bügeln oder Frauen die "begabt" sind auch ein Bild aufzuhängen. Diese Geschlechterrollen führen nie zu etwas Gutem - wer etwas gut kann und machen mag - soll es ruhig tun.

Was den Sinn von Geschlechtergetrenntem Lernen ist verstehe ich durchaus - Lehrer bewerten Mädchen und Jungen anders.
Allerdings auch Eltern geben viele Zwänge und Rollen ihren Kindern mit auf den Weg - und jeder versucht das zu imitieren. Ich kenne Jungs die haben sich nie geprügelt - und ich kenne Mädchen die Jungs noch besser verprügeln konnten als irgendwer anderes. Die Hormone wie gesagt bestimmen das zusätzlich. Aber das trennende Lernen wird meiner Meinung nach nur eins verschlimmern die Kluft zwischen Männern und Frauen die durch Vorurteile bereits hoch genug sind. Miteinander sollte man lernen und aufwachsen, spätestens in einer heterosexuellen Ehe müssen dann Frauen und Männer doch miteinander auskommen. Lehrer müssen einsehen, dass jedes Kind verschieden ist - und die Geschlechterrolle gar nicht erst vermittelt werden darf bis zu einem bestimmten Alter. Das ist meine Theorie und danach handele ich auch.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Mi 23. Sep 2009, 14:23

Spriggan hat geschrieben:Ich höre Eltern von Kindergartenkindern darüber philosophieren, warum ihr Sohn noch gar kein Mädchen geküsst hat - gut vielleicht war ich ein Spätentwickler, aber andere Menschen zu küssen empfand ich nie als erstrebenswert im Vorschulalter.
Schrecklich. Ich höre hin und wieder von Eltern, die ihre 13 oder 14jährige Tochter schon bei einem Freund übernachten lassen und sagen, "das wäre heute so" und "da könne man gar nichts degegen machen".

Spriggan hat geschrieben:Lehrer müssen einsehen, dass jedes Kind verschieden ist - und die Geschlechterrolle gar nicht erst vermittelt werden darf bis zu einem bestimmten Alter.
Was meinst du mit "einem bestimmten Alter"?

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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Julia » Mi 23. Sep 2009, 14:26

Spriggan hat geschrieben:Miteinander sollte man lernen und aufwachsen, spätestens in einer heterosexuellen Ehe müssen dann Frauen und Männer doch miteinander auskommen.

Diese Kontasteffekte treten ja dann vornehmlich auf, wenn genügend Leute zusammentreffen um zwei Gruppen zu bilden, in einer Ehe dürfte das kaum der Fall sein, das ist schon eine ganz andere Art des Umgangs würde ich sagen, inwiefern bereitet einen die Schule darauf vor?

Jungen und Mädchen würden ja auch nicht in getrennten Welten leben, sondern eben nur getrennt unterrichtet werden, wie es beim Sportunterricht ja auch schon teilweise der Fall ist. Die Erfahrungen scheinen jedenfalls durchwegs positiv zu sein, oder kennt jemand andere Studien?

Spriggan hat geschrieben:Ich habe 2 Schwestern

Einzelne Anekdoten bringen uns da sicher nicht weiter, ich habe zum Beispiel die ganze 4. Klasse verpasst, weil man mich an einen Jungengruppentisch gesetzt hat und ich die ganze Zeit damit beschäftigt war die Bleistiftattacken meines Banknachbarn abzuwehren, umsetzen durfte ich mich ja nicht und dann stand in meinem Zeugnis ich würde mich und andere allzugerne ablenken, ich glaube diese Lehrerin hat mich wirklich gehasst... :sauer:

Spriggan hat geschrieben:Lehrer müssen einsehen, dass jedes Kind verschieden ist - und die Geschlechterrolle gar nicht erst vermittelt werden darf bis zu einem bestimmten Alter. Das ist meine Theorie und danach handele ich auch.

Die Idee, die ich hier versucht habe zu vermitteln ist, dass die Kinder das zum Teil selbst tun, dass es in der Kindergruppe Vorstellungen davon gibt wie ein Mädchen oder ein Junge zu sein hat, die oft viel sexistischer sind als die Vorstellungen der Erwachsenen (wobei die Normen der Kindergruppe durchaus auch von den Normen der Erwachsenengruppe beeinflusst sein können). Biologisch vorhandene Unterschiede werden stärker wahrgenommen und verstärken sich durch Gruppenkontrasteffekte, das heißt die Jungen werden jungenhafter und die Mädchen mädchenhafter.
The view that the sex-segregated peer groups of middle childhood play an important part in gender role development, and that parental influence plays no more than a minor part, has been suggested elsewhere... Indeed, parents in Western societies may be less concerned about gender distinctions than are the children themselves. A meta-analysis turned up no major differences between the ways parents treat their sons and daughters (Lytton & Romney, 1991). Recent efforts to rear children in an androgynous fashion have not reduced their sex-typed behavior or attitudes (Serbin et al., 1993). Children who grow up in homes headed by single mothers (M. R. Stevenson & Black, 1988) or by lesbian or gay couples (Patterson, 1992) are not less sex-typed than children who have two parents of opposite sexes.

http://www.apa.org/journals/features/rev1023458.pdf
Ich muss da gerade an einen Schulkameraden denken, der eines Tages mit einem Ohrring in die Schule kam, ich glaube die meisten Erwachsenen hätte das wenig gestört, aber alle Jungen in der Klasse haben beschlossen, dass das unmännlich ist und ihn so lange gehänselt und ausgeschlossen bis er sich den Ring wieder rausgenommen hat.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Arathas » Mi 23. Sep 2009, 14:41

stine hat geschrieben:Ich höre hin und wieder von Eltern, die ihre 13 oder 14jährige Tochter schon bei einem Freund übernachten lassen und sagen, "das wäre heute so" und "da könne man gar nichts degegen machen"


Wenn das Mädel Sex ausprobieren will, dann kann man das als Elternteil garantiert nicht dadurch verhindern, indem man ihr verbietet, bei einem Freund zu übernachten. Wenn man ihr das verbietet, dann tut sie's halt woanders mit ihm - und wenn sich die zwei ne Decke auf den Waldboden legen. Was ich eh viel cooler finde als ein Bett. ;-) So oder so - mit einem Verbot erreichst du lediglich eine rebellische "Und ich tu's trotzdem"-Einstellung. Ein offenes Gespräch führt da meiner Meinung nach zu mehr.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Do 24. Sep 2009, 06:55

Arathas hat geschrieben: Wenn man ihr das verbietet, dann tut sie's halt woanders mit ihm - und wenn sich die zwei ne Decke auf den Waldboden legen.
Genau - das ist aber dann auch etwas ganz anderes! Wer sich darauf freiwillig einlässt, trotz der befohlenen Zurückhaltung, hat sicher eine andere Motivation, als jemand, der solala mit aufs Zimmer gehen darf und damit schon fast "verpflichtet" wird. Ich denke nicht, dass man den Mädchen oder Jungs etwas Gutes tut, wenn man sie viel zu früh alles ausprobieren lässt. Manche fühlen sich dann auch zu viel schnell festgebunden.
Kinder können doch die Folgen gar nicht abschätzen. Die Erziehungspflicht gilt auch in dieser Hinsicht.

Julia hat geschrieben:Die Idee, die ich hier versucht habe zu vermitteln ist, dass die Kinder das zum Teil selbst tun, dass es in der Kindergruppe Vorstellungen davon gibt wie ein Mädchen oder ein Junge zu sein hat, die oft viel sexistischer sind als die Vorstellungen der Erwachsenen (wobei die Normen der Kindergruppe durchaus auch von den Normen der Erwachsenengruppe beeinflusst sein können). Biologisch vorhandene Unterschiede werden stärker wahrgenommen und verstärken sich durch Gruppenkontrasteffekte, das heißt die Jungen werden jungenhafter und die Mädchen mädchenhafter.
Ich denke auch, dass der Druck ein echter Junge oder ein echtes Mädchen zu sein, sich in Gruppen verstärkt, die von andersgeschlechtlichen Gruppen beobachtet werden.

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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Spriggan » Do 24. Sep 2009, 10:00

Hallo Julia! Gerne gehe ich nochmal auf meine Argumentation ein.
Julia hat geschrieben:Diese Kontasteffekte treten ja dann vornehmlich auf, wenn genügend Leute zusammentreffen um zwei Gruppen zu bilden, in einer Ehe dürfte das kaum der Fall sein, das ist schon eine ganz andere Art des Umgangs würde ich sagen, inwiefern bereitet einen die Schule darauf vor?

Vollkommen korrekt. Nehmen wir an also ich würde auf eine Mädchenschule gehen, habe hauptsächlich weibliche Freundinnen und würde vielleicht auch mutiger im Unterricht argumentieren. Dann allerdings bin ich im Berufsleben oder im Studium - plötzlich sind da "Männer" die anders sich verhalten als ich es kenne (laut Studie verhalten sich ja alle klischeehaft!). Nun bin ich verwirrt und muss mich schnell auf einer andere Ebene begeben. Was dieses neu eingliedern in eine gemischte Gruppe nun für Auswirkungen hat wurde nicht erwähnt. Möglich, dass in der Schulzeit wirklich positives Lernen erfolgt - für beide Geschlechter - aber niemand hat erforscht wie das Verhalten der "Erwachsenen" dann untereinander war.

Stelle ich durch getrennte Schulklassen von vornherein klar, dass Männer und Frauen anders sind - dann gibt es meiner Ansicht nach demnächst nicht nur den Kampf der Kulturen sondern auch eine Fortsetzung des Kampfs der Geschlechter. Ich weiß nicht ob das der Sinn ist. Was mit Transsexuellen passiert oder eben Mädchen die lieber Sport machen als Musik hören scheint völlig außen vor gelassen zu werden. Ich fand es im Übrigen schrecklich mit Mädchen Basketball zu spielen, die sich mehr Sorgen machten um ihre Fingernägel als den Ball richtig aufzufangen. Tanzunterricht während die Jungs Fußball spielen durften fand ich niederträchtig - und beschwerte mich mit 3 anderen Mädchen bei meinem Lehrer. Zusätzlich sei hier noch erwähnt, dass ich aus persönlichen Anekdoten versuche Beispiele zu formulieren - wenn ich erwähne, dass ich zwei Schwestern habe, so wollte ich darauf hinweisen, dass Frauen auch aus gemischten Klassen Mathe mögen oder eben die Eltern viel dazu mitbeitragen. Ich werde weiterhin mit persönlichen Beispielen argumentieren, da man meiner Ansicht nach pauschal niemals verschiedene Menschen egalisieren kann - was oft in Studien gemacht wird. Aber auch dein Beispiel zeigt, dass die Lehrer einen enormen Teil dazu beitragen, dass Leistung gefördert wird - individuell auf jedes Kind angepasst.


Julia hat geschrieben:Die Idee, die ich hier versucht habe zu vermitteln ist, dass die Kinder das zum Teil selbst tun, dass es in der Kindergruppe Vorstellungen davon gibt wie ein Mädchen oder ein Junge zu sein hat, die oft viel sexistischer sind als die Vorstellungen der Erwachsenen

Hierzu erwähnte ich die Anekdote meiner Freundin mit ihrer Tochter, um eben deine Theorie zu bestätigen. Vieles ist von den Eltern erzogen und laut Genetik können in den ersten Lebensjahren keine signifikante Hormonunterschiede aufzufinden sein. Studien mit Kindern aus Haushalten die man zuvor nicht auf solche Rollen untersucht hat, sind stark "interpretationsfähig". Vertraue nie einer Statistik die du nicht selbst gefälscht hast - und Kinder sind die besten Kopierer von erwachsenen Handlungsweisen. Sieht man alleine schon an den verschiedenen Wortschätzen von Kindern (Schimpfwörter, normale Sprache, oder bereits Fremdwörter - alles schon erlebt). Deshalb ganz eindeutig meine Meinung dazu - ohne die Elternhäuser zuvor überprüft zu haben - ist das Ergebnis dieser Studie für mich nicht sehr beweiskräftig.

Julia hat geschrieben:Ich muss da gerade an einen Schulkameraden denken, der eines Tages mit einem Ohrring in die Schule kam, ich glaube die meisten Erwachsenen hätte das wenig gestört, aber alle Jungen in der Klasse haben beschlossen, dass das unmännlich ist und ihn so lange gehänselt und ausgeschlossen bis er sich den Ring wieder rausgenommen hat.

Die Frage ist dabei wieder, wer hat den Jungen gesagt, dass Ohrringe unmännlich sind? Bei unzähligen Kulturen haben Ohrringe bei Männern keine unmännliche Bedeutung - dies zeigt, dass dies anerzogen ist - keine genetische Vorgabe. Wir werden sehr geprägt durch unsere Umwelt - insbesondere in den ersten Lebensjahren. Die Selektion hat sich eben dadurch bewährt bei Menschen, dass bei Kinder die auf das hören was Erwachsene sagen bzw. das Kopieren von Handlungen, das Überleben größer ist (nicht über die Klippe springen, kein Feuer anfassen...), so sind meiner Ansicht nach insbesondere Kinder sehr stark zu prägen in den ersten Lebensjahren.

Daher auch meine Meinung - geschlechterneutrale Erziehung in den ersten Lebensjahren - danach nach Talenten und Begabungen fördern - wie das zu finden ist - das weiß ich nicht, aber Rollen vorzugeben, Unterschiede der Geschlechter früh herauszustellen, ist für mich die denkbar schlechteste Alternative.

EDIT:@ stine: Das bestimmte Alter kann ich nicht festlegen - bei jedem Menschen beginnt die Pubertät zu anderen Zeiten.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Nanna » Do 24. Sep 2009, 11:15

Julia hat geschrieben:Irgendwie stellt sich da doch tatsächlich die Frage ob es nicht besser ist Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten, auch wenn ich erstmal empört reagiert habe als ein Lehrer mir mal erzählt hat, dass er seine Tochter auf eine Mädchenschule schicken will, aber vielleicht ist das gar nicht so dumm:
Der Unterricht von Mädchen in gleichgeschlechtlichen Klassen bringt einen um 40 Prozent erhöhten Leistungsstandard.

http://www.welt.de/wissenschaft/article ... esser.html


Was mich an dieser Argumentation stört, ist, dass sie so einseitig ist. Es wird nämlich lediglich Leistung als Kriterium herangezogen. In meinen Augen ist eine Schule aber für wesentlich mehr da, als nur Fähigkeiten beizubringen, die (für bestimmte Berufe) als besonders produktiv und damit leistungsrelevant gelten. Beispielsweise fällt da ein, was Spriggan schon erwähnt hat: Was, wenn Kinder nach der Ausbildung plötzlich mit andersgeschlechtlichen Arbeitskollegen und Kunden konfrontiert werden? In einer Dienstleistungsgesellschaft, in der soft skills immer wichtiger werden, halte ich eine Geschlechtssegregation für reichlich unsinnig. Leistungsfähigkeit heißt nicht nur eine bestimmte Aufgabe schnell erledigen können, sondern auch gut kommunizieren, präsentieren, andere Leute für Ideen begeistern und natürlich auch Konflikte austragen können, auch und gerade in der leistungsgeilen Wirtschaft. In einer Welt voller Einzelkinder würde sich die Unfähigkeit mit dem anderen Geschlecht umzugehen vielleicht sogar, denn viele Kinder würden dann fast gar nicht mehr mit andersgeschlechtlichen Kindern spielen, schließlich tendieren Kinder ohnehin schon von allein eher dazu, gleichgeschlechtliche Gruppen zu bilden. Wenn der integrierende Einfluss der Schule wegfiele, dürfte sich das vermutlich verschärfen. Ich glaube nicht, dass unter dem Strich wirklich etwas gewonnen wäre, wenn man die Kinder trennt. Wir bekommen dann nur einen verschärften Schlagabtausch zwischen den Geschlechtern und der trägt meines Erachtens derzeit schon zum Teil ziemlich lächerliche Züge.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Do 24. Sep 2009, 12:29

Spriggan hat geschrieben:Dann allerdings bin ich im Berufsleben oder im Studium - plötzlich sind da "Männer" die anders sich verhalten als ich es kenne
Dann ist man in der Regel aber nicht mehr pubertär und geht anders damit um.
Das Männerbild/Frauenbild entsteht ja auch noch außerhalb der Schule, nämlich in der Familie, der weiteren Verwandschaft, dem Umfeld usw.

Spriggan hat geschrieben:Deshalb ganz eindeutig meine Meinung dazu - ohne die Elternhäuser zuvor überprüft zu haben - ist das Ergebnis dieser Studie für mich nicht sehr beweiskräftig.
Weil du aus Einzelbeispielen zehrst?
Gerade mir, der hier häufig zum Vorwurf gemacht wird, dass ich von mir und meinem Umfeld auf den Rest der Welt schließe, fällt hier auf, dass es offensichtlich andere ebenso machen.

Spriggan hat geschrieben:aber Rollen vorzugeben, Unterschiede der Geschlechter früh herauszustellen, ist für mich die denkbar schlechteste Alternative.
So wie ich Julia verstanden habe, entsteht die Rollenvergabe eben erst durch den Gruppenzwang der sich ergibt, wenn sich die Gruppen voneinander unterscheiden sollen. Dort wo Gruppen diesem Zwang nicht unterliegen, nämlich in nach Geschlecht getrennten Schulen, entfällt das automatisch.

Nanna hat geschrieben:Leistungsfähigkeit heißt nicht nur eine bestimmte Aufgabe schnell erledigen können, sondern auch gut kommunizieren, präsentieren, andere Leute für Ideen begeistern und natürlich auch Konflikte austragen können, auch und gerade in der leistungsgeilen Wirtschaft.
Und du denkst, getrennt geschulte Geschlechter wären dann nicht mehr fähig sich miteinander zurecht zu finden?
Ich glaube, das Gegenteil wäre der Fall: Ohne Vorurteile auf Neues zuzugehen macht beherzter und interessierter, wogegen ein Mann der nur Zicken aus der Schule kennt oder eine Frau, die nur Raufbolde und Unterrichtstörer kennt, da etwas voreingenommener sein könnten.

Nanna hat geschrieben:Wenn der integrierende Einfluss der Schule wegfiele...
Ich weiß ja nicht, ob du gerade ein oder mehrere Kinder an einer weiterführenden Schule hast, weil dann könntest du mir den "integrierenden Einfluss" nochmal genau schildern. Ich merk davon nichts.
Meine Beobachtung (wie immer nur im Umfeld) ist, dass Buben weniger Probleme im gemischten Unterricht haben, als Mädchen und Mädchen von männlichen Lehrern dagegen oft milder beurteilt werden.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Julia » Do 24. Sep 2009, 13:30

Spriggan hat geschrieben:Nehmen wir an also ich würde auf eine Mädchenschule gehen, habe hauptsächlich weibliche Freundinnen und würde vielleicht auch mutiger im Unterricht argumentieren.

Also die ersten Freunde findet man ja in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis der Eltern, dort klappt es in der Regel auch viel besser als in der Schule zwischen den Geschlechtern, vielleicht weil nur in der Schule genügend zusammenkommen, so dass die Fronten sich verhärten können. Ich glaube Mädchen und Jungen werden sich sowieso früher oder später zueinander hin gezogen fühlen, ich glaube nicht, dass sie erst im Berufsleben aufeinandertreffen.

Spriggan hat geschrieben:Möglich, dass in der Schulzeit wirklich positives Lernen erfolgt - für beide Geschlechter - aber niemand hat erforscht wie das Verhalten der "Erwachsenen" dann untereinander war.

Frauen von Mädchenschulen haben auch häufiger besser bezahlte Berufe als die von gemischten Schulen. Sie scheinen sich also auch im Berufsleben in Männerberufen (die ja besser bezahlt sind) durchsetzen zu können. Diese Frauen lassen sich weniger von Geschlechterklischees leiten und wählen häufiger Fächer, in denen sie gut sind.
Auf die Wahrscheinlichkeit zu Heiraten und Kinder zu kriegen, auf die Qualität von Partnerschaften und auf die Aufgabenverteilung zu Hause in einer Ehe hat es keinen Einfluss.

Spriggan hat geschrieben:Stelle ich durch getrennte Schulklassen von vornherein klar, dass Männer und Frauen anders sind - dann gibt es meiner Ansicht nach demnächst nicht nur den Kampf der Kulturen sondern auch eine Fortsetzung des Kampfs der Geschlechter.

Dass Männer und Frauen anders sind merken die Kinder von selbst und wenn man sie dann in Gruppen aufeinander loslässt erscheinen ihnen diese Unterschiede umso größer und sie werden es dann im Endeffekt auch, das geht also nach hinten los.

Spriggan hat geschrieben:Vieles ist von den Eltern erzogen und laut Genetik können in den ersten Lebensjahren keine signifikante Hormonunterschiede aufzufinden sein.

Und im Mutterleib?

Spriggan hat geschrieben:Die Frage ist dabei wieder, wer hat den Jungen gesagt, dass Ohrringe unmännlich sind?

Wüsste ich auch gerne, ich denke da immer an Piraten und die sind doch in der Regel nicht unmännlich! ;)
Aber mal ernsthaft, niemand leugnet den Einfluss der Erwachsenenkultur auf die Kinderkultur, aber diese sind nicht identisch, die Kinder übernehmen was ihnen gefällt und erfinden auch neues, auch zwischen Kindern und Erwachsenen gibt es Gruppenkontrasteffekte...
Kinder können sich ihre eigene Kultur mit eigenen Werten schaffen.

Spriggan hat geschrieben:Wir werden sehr geprägt durch unsere Umwelt - insbesondere in den ersten Lebensjahren.

Umwelt != Erziehung.

Spriggan hat geschrieben:Die Selektion hat sich eben dadurch bewährt bei Menschen, dass bei Kinder die auf das hören was Erwachsene sagen bzw. das Kopieren von Handlungen, das Überleben größer ist (nicht über die Klippe springen, kein Feuer anfassen...)

Es wäre allerdings schön blöd, wenn man einmal gelerntes auf alle möglichen Situationen überträgt. Harris vertritt die Meinung, dass die Kinder das was sie im Elternhaus gelernt haben nicht unbedingt auf Beziehungen außerhalb übertragen, also komplexere Sachen als nicht von der Klippe springen, was auch sinnvoll sein kann, wenn man nicht sonderlich vorbildhafte Eltern hat. Die Kinder müssen sich ja nach den ersten paar Jahren unter Gleichaltrigen bewähren. Ein weiteres Argument ist, dass Kinder nicht einfach Eltern kopieren können, denn sie müssen sich ja wie Kinder verhalten nicht wie Erwachsene, das würde denen gar nicht passen. Und wie man sich wie ein Kind verhält, das lernt man von anderen Kindern.

Spriggan hat geschrieben:Daher auch meine Meinung - geschlechterneutrale Erziehung in den ersten Lebensjahren - danach nach Talenten und Begabungen fördern - wie das zu finden ist - das weiß ich nicht, aber Rollen vorzugeben, Unterschiede der Geschlechter früh herauszustellen, ist für mich die denkbar schlechteste Alternative.

Das will ja niemand, aber es passiert von selbst (Gruppenkontrasteffekte).
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Spriggan » Do 24. Sep 2009, 15:53

Noch einmal kurz zurück aufs (mehr sozialpädagogische)Thema:

Julia hat geschrieben:Ich glaube Mädchen und Jungen werden sich sowieso früher oder später zueinander hin gezogen fühlen, ich glaube nicht, dass sie erst im Berufsleben aufeinandertreffen.

Ich stimme in deinem Glauben nicht mit dir überein.

Julia hat geschrieben:Frauen von Mädchenschulen haben auch häufiger besser bezahlte Berufe als die von gemischten Schulen.

Kann ich so nicht stehen lassen - werden nur Frauen mit Abitur verglichen oder auch Frauen von Mädchenschulen mit anderen Abschlüssen? Ich kenne nicht ganz die Studie aus der du diese Vermutung hast. Ich hab auch gesucht danach... Ich verdiene auf jeden Fall recht gut - und die Frauen aus meiner Klasse auch. Tendenziell gebe ich dir sicher recht, aber diese Geschlechtertrennung erinnert mich zu sehr an den Islam - Frauen dürfen das tun - Männer das - und niemand darf den anderen dabei beobachten. Für mich die völlig falsche Entwicklung - aber ich habe nichts dagegen, wenn andere es anders sehen.

Julia hat geschrieben:Dass Männer und Frauen anders sind merken die Kinder von selbst und wenn man sie dann in Gruppen aufeinander loslässt erscheinen ihnen diese Unterschiede umso größer und sie werden es dann im Endeffekt auch, das geht also nach hinten los.

Möglich - ich habe es noch nirgendwo beobachten können, dass ohne irgendwelche vorherige Erziehung diese Studie gemacht wurde. Das was du berichtest ist so, als würde man sagen, dass Kinder die immer Kopftuch tragen, plötzlich mit einer Gruppe Kinder ohne Kopftuch zusammen kommen und merken, dass da Unterschiede sind. Natürlich! Es ist zu großen Teilen anerzogen - meine Vermutung - aber beweisen werden wir es niemals können! Das ist ein Problem, deshalb muss auch jeder seine eigene Meinung finden. Wie gesagt - ich lasse dir deine, aber auf einige Merkwürdigkeiten will ich eben noch hinweisen.

Julia hat geschrieben:Und im Mutterleib?

Ich habe jetzt noch mal extra nachgesehen. Mittlerweile passt dieses Thema besser in Naturwissenschaften...
Bereits im Mutterleib wird festgelegt wie männlich oder wie weiblich sich ein Kind / Mensch sich später benimmt. Dieses wird bei der Ausprägung des Hypothalamus und der Hormonzufuhr während der Schwangerschaft bestimmt - entscheidend sind wohl hier auch vor allem die letzten Schwangerschaftsmonate. Auch Homosexualität ließe sich mit dem Hormonpegel der Mutter während der Schwangerschaft erklären.
Ebenso kann es bei genetisch weiblichen Menschen durch hohe Aktivitäten in der Nebennierenrinde vor der Geburt zu Vermännlichung kommen, wieder also die Hormone die dadurch einen enormen Einfluss auf unser Gebaren haben. Auch das präoptische Areal (POA)wird während der Schwangerschaft ausgebildet welches ebenso an "männlichem" Verhalten beteiligt ist wie der Aufbau des Hypothalamus, ebenso beeinflusst also von der Mutter selbst und ihrem Befinden.
Das SDN-POA weist laut heutiger Erkenntnis erst ab dem 4.Lebensjahr anatomische Unterscheide auf. Die Gehirnforschung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen - das meiste sind Thesen, die teilweise bewiesen wurden oder einen Zusammenhang darstellen. Immer wieder jedoch wurde in verschieden Studien die Verschiedenheit der Erziehung als zusätzlicher Differenzierender Faktor gefunden.

Julia hat geschrieben:Harris vertritt die Meinung, dass die Kinder das was sie im Elternhaus gelernt haben nicht unbedingt auf Beziehungen außerhalb übertragen,

Vollkommen d´accord. Ab welchem Alter das differnzierter wird, sollte man jedoch auch betrachten. Ebenso, dass es Kinder gibt die durchaus mit kaum Kontakt mit anderen Kindern sehr wohl sich sehr erwachsen benehmen.


stine hat geschrieben:Dann ist man in der Regel aber nicht mehr pubertär und geht anders damit um.

Erzähl das mal Mobbingopfern... Es gibt meiner Ansicht nach keine Erwachsenen nur große Kinder!! Ernsthaft, aber du sagst es - das Umfeld sagt uns wie wir uns verhalten sollen. Ich hatte als Kind kaum weibliche Freundinnen - Mädchen fanden es abstoßend, dass ich so viel mit Jungs spielte. So ein Mädchen auf einer Mädchenschule wird ganz sicher nicht glücklich mit anderen Geschlechtsgenossinen.

Wenn man jedoch auf Freiwilligkeit hofft zum getrennten Unterricht, was ein Gedanke bei mir war: da klärte mich noch gestern eine Freundin auf, dass bei ihnen Werkunterricht und Hauswirtschaft zur Wahl angeboten wurden. Wie die Verteilung zu 100% aussah kann jeder sich vorstellen. An sich ist die Idee Mädchen für Technik zu begeistern gut - aber wer garantiert mir, dass nicht irgendwann "anders" unterrichtet wird?

stine hat geschrieben:Weil du aus Einzelbeispielen zehrst?

Nein, stine. Weil ich wirklich keine Frau kenne die das bevorzugt, ich habe eben ein solches soziales Umfeld - und die Elternhäuser tatsächlich nicht überprüft wurden, oder? Die Frage die ich mit diesem Satz eigentlich formulieren wollte war: Dass sich jeder selbst fragen sollte: Wie war mein Elternhaus? Hatte ich meinen ersten Schminkkoffer oder ein Mikroskop mit 13? Hatte ich nur Puppen oder auch Matchbox Autos? Und was wäre mir lieber gewesen, was wäre bei meinen Freundinnen angesehener gewesen (die selbst beeinflusst wurden durch die Erziehung)? Diese Fragen stelle ich mir - ich gehe mehr den Weg ohne auf den gedachten Unterschied einzugehen, also ohne Hormone - nur durch äußere Einflüsse...

Mich inspiriert bei diesem Thema ein (Kinder-)Fantasybuch - "New World", wo genau dieser Geschlechterkampf thematisiert wird: Dort gibt es ganz deutliche Geschlechtertrennung. Was wäre wenn Frauen die Gedanken der Männer hören könnten, aber Männer nicht die der Frauen. Dieser philosophische Ansatz und die sehr interessante Geschichte wie einzelne Gruppen damit umgehen fand ich sehr spannend. Deshalb auch hier meine Skepsis gegenüber Trennung die nicht notwendig ist. Gesundes Selbstbewusstsein und richtige Förderung durch die Lehrer reichen mir eher. Und da sind die Eltern gefragt.

Abschließend aber nochmal: Jeder darf tun was er will. Trennung ist für mich aber nie ein Weg gewesen eine Gemeinschaft zu schaffen. Vielleicht ist meine These falsch, aber ich werde erstmal dabei bleiben, bis die Forschung mir echte gegenteilige Beweise gibt.
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon Julia » Do 24. Sep 2009, 17:15

Spriggan hat geschrieben:Ich stimme in deinem Glauben nicht mit dir überein.

Du meinst nicht, dass sich Mädchen und Jungen irgendwann ineinander verlieben bevor sie mit der Schule fertig sind?
Also ich hatte als Kind hauptsächlich männliche Freunde, was zum einen daran lag, dass es kaum Mädchen in meinem Alter gab und zum anderen daran, dass wenn es welche gab, sie in der Regel ziemlich langweilig waren, sie unter Spaß nicht das gleiche verstanden haben wie ich. In der Schule war es viel schwieriger Freundschaften mit Jungen zu schließen als außerhalb, in der Gruppe fanden sie Mädchen nämlich doof und wollten auf keinen Fall mit ihnen gesehen werden. Auch mit den Jungen in der Nachbarschaft lief es besser, wenn ich Einzelbesuche abgestattet habe. ;)

Spriggan hat geschrieben:Ich kenne nicht ganz die Studie aus der du diese Vermutung hast. Ich hab auch gesucht danach...

http://www.cls.ioe.ac.uk/text.asp?secti ... 0500160009

Spriggan hat geschrieben:Tendenziell gebe ich dir sicher recht, aber diese Geschlechtertrennung erinnert mich zu sehr an den Islam - Frauen dürfen das tun - Männer das - und niemand darf den anderen dabei beobachten.

Bei genauerer Betrachtung passt diese Assoziation aber nicht mehr. Natürlich wäre es schön, wenn es anders auch klappen würde, aber wenn die Realität anders aussieht...

Spriggan hat geschrieben:Möglich - ich habe es noch nirgendwo beobachten können, dass ohne irgendwelche vorherige Erziehung diese Studie gemacht wurde.

Man beobachtet diese Gruppenkontrasteffekte nicht nur bei Jungen und Mädchen, in dem Buch wird zum Beispiel auch von Konflikten verschiedener Schülergruppen berichtet (schwarz - weiß, Afroamerikaner - Einwanderer aus Haiti, schwarze Einwanderer aus Jamaika - andere Schwarze), bei denen die einen bessere Leistungen in der Schule bringen und generell ganz andere Normen haben als die andere Gruppe und das sicher nicht, weil sie grundsätzlich schlauer sind. Und das Robbers Cave Experiment, hier wurden Jungen mit dem gleichen Hintergrund ausgewählt, in zwei Gruppen aufgeteilt und dann aufeinander losgelassen.
Wenn man dann bedenkt, dass es zwischen Frauen und Männern tatsächlich biologische Unterschiede gibt, finde ich es mehr als plausibel, dass auch hier solche Effekte auftreten.

Spriggan hat geschrieben:Es ist zu großen Teilen anerzogen - meine Vermutung - aber beweisen werden wir es niemals können

Wenn die Eltern daran schuld sind, dass Mädchen Krankenschwester und nicht Ingenieurin werden wollen, wieso wählen Frauen von Mädchenschulen dann eher Männerberufe?
Was meinst du sagt David Reimer dazu?

Spriggan hat geschrieben:Hatte ich meinen ersten Schminkkoffer oder ein Mikroskop mit 13?

Ich hatte ein Legopiratenschiff und einen Chemiebaukasten statt Barbies Traumhaus und schminken tu ich mich immer noch nicht. Und warum? Weil es das war was ich mir gewünscht habe. Hätte ich mir Barbies Traumhaus gewünscht hätte ich es vielleicht auch bekommen, mit Zähneknirschen. ;)
Jedenfalls kenne ich Frauen in Frauenberufen die auch nicht anders erzogen wurden...

Spriggan hat geschrieben:Vielleicht ist meine These falsch, aber ich werde erstmal dabei bleiben, bis die Forschung mir echte gegenteilige Beweise gibt.

Wie würde so ein "echter" Beweis aussehen?
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Re: Gruppensozialisation und Kontrasteffekte

Beitragvon stine » Do 24. Sep 2009, 18:10

Die Geschichte von David Reimer zeigt mir eindeutig, dass äußere Einflüsse NICHT das Geschlecht bestimmen. In diesem traurigen Fall konnten nicht einmal Hormonbehandlungen zielführend eingesetzt werden. Was mit dem Kind und Jugendlichen David experimentiert wurde, kann ich nur zutiefst verabscheuen.

Sicherlich gibt es Grenzfälle, wo das Geschlecht nicht eindeutig bestimmbar ist, weil beide äußere Geschlechtsmerkmale vorhanden sind. Auch gibt es Männer, die sich als Frauen fühlen und Frauen, die lieber Mann wären. Das hat aber doch nichts damit zu tun, dass die große Mehrheit sich "typisch weiblich" oder typisch männlich" fühlt und sich meist auch so benimmt.
Den verstärkenden Gruppendruck kann ich deswegen gut nachvollziehen.

Der Kontakt zum anderen Geschlecht im Kindes- oder Schulalter ist auch normal. Es ist auch normal, wenn Mädchen lieber einen Chemiekasten bedienen, statt mit Puppen zu spielen. Das dürfte vielleicht sogar gar nicht so selten sein. Ich kenne viele kleine Mädchen die nur dann ihre Barbie aus der Schublade holen, wenn die Freundin auf Besuch ist und die Kleider der Puppe vorgeführt werden müssen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Mädchen in einer reinen Mädchenschule weniger unter Druck fühlen, was die männliche Konkurrenz betrifft und deshalb vielleicht auch engagierter lernen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es im Unterricht leiser und konzentrierter abläuft, wenn nur Mädchen in der Klasse sitzen. Und aus eigener Erfahrung weiß ich auch, dass das "Gefallen wollen" und das Abgelenkt sein durch das Gefallen wollen, in gemischten Klassen oft den Unterricht stört.
Wie es allerdings in einer reinen Jungenklasse zugeht, weiß ich nicht.

LG stine
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