Brights-Tube (Die Brights und ihr/der Naturalismus)

Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Di 1. Sep 2009, 09:25

@Nanna: Schon ok! Ich kann alles nachträglich abändern. Auch müsste das wohl gehen, den Videovorspann einzubauen: Der sieht ja wirklich gut aus (sieht jedenfalls besser aus, als ein abgefilmter Bildschirmschoner...)

@Myron, ich übersetze mal weiter:
„Naturalismus“ wird für eine ontologische Lehre verwendet.
„Naturalismus“ hat oft einen erkenntnisbezogenen Einschlag.
Die Welt ist die Gesamtheit aller Existenz.
Es existiert nur das Raumzeitsystem.

Die Aussage, dass nur das (unser?) Raumzeitsystem existiert, scheint mir eine Leerformel zu sein: Die Frage ist doch, was dazu gehört…!?

Wenn jemand sagt, dass es in einer parallelen Realität einen Gott gibt, wäre der dann nicht doch Bestandteil unseres Raumzeitsystems? Ein anderes Beispiel: Wenn sich herausstellt, dass es Wurmlöcher gibt, wären dann parallele Realitäten Teil unseres Raumzeitsystems, wenn sich etwas durch ein Wurmloch zeitlich rückwärts bewegt?



Ich will damit sagen, dass ich nicht abschätzen kann, ob die von Myron geroffene Tatsachenaussage wirklich für alle Zeiten jeder Überlegung standhält - und es deuetet ja jetzt schon einiges darauf hin, dass unsere Vorstellung von der Raumzeit grob fehlerhaft ist. Was ist dann, greift man als ontologischer Naturalist dann ganz offiziell auf kritisch rationale Methoden zurück, was man jetzt nur insgeheim tut?

@Nanna: Wir werden uns nicht auf die eine Definition von Naturalismus einigen können, es gibt verschiedene Verständnisse davon und es ist nicht Gegenstand der Brights, andere Naturalisten vom Gegenteil zu überzeugen. Das Video sollte nur eine Möglichkeit darstellen, wie man die Definition verstehen kann - vielleicht sollte eben das noch genauer hervorgehoben werden - auch über die sonstigen Auslegungen kann man sich sicherlich ergiebig streiten. Ansonsten kann Video 2 weiter helfen.

Ich würde z. B. einfügen wollen:
Das hier dargestellte Verständnis der Definition der Brights ist eine denkbare Auslegung und die Definition kann auch anders verstanden werden. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, dass es keine dogmatisch verbindliche Auslegung der Definition gibt.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Di 1. Sep 2009, 18:34

HFRudolph hat geschrieben:Die Aussage, dass nur das (unser?) Raumzeitsystem existiert, scheint mir eine Leerformel zu sein: Die Frage ist doch, was dazu gehört…!?
Wenn jemand sagt, dass es in einer parallelen Realität einen Gott gibt, wäre der dann nicht doch Bestandteil unseres Raumzeitsystems? Ein anderes Beispiel: Wenn sich herausstellt, dass es Wurmlöcher gibt, wären dann parallele Realitäten Teil unseres Raumzeitsystems, wenn sich etwas durch ein Wurmloch zeitlich rückwärts bewegt?


Man kann problemlos auch Folgendes schreiben, wenn man die Möglichkeit vieler Welten einbeziehen will:

"Das Raumzeitsystem oder, falls es mehrere, voneinander getrennte gibt, die Raumzeitsysteme bilden die gesamte Realität."

Allein damit verbannt der ontologische Naturalismus außerraumzeitliche, d.i. transzendente, Konkreta (Götter, cartesische Seelen) und Abstrakta (platonische Universalien, mathematische Objekte) aus der Wirklichkeit.
Allerdings gibt es Philosophen und Theologen, die behaupten, dass menschliche Seelen oder andere Geister innerhalb von Raum und Zeit existierten und somit Teil des oder eines Raumzeitsystems wären. Deswegen ist die obige Festlegung noch nicht ausreichend. Der ontologische Naturalismus muss zusätzlich den Substanzdualismus explizit verneinen, um nicht nur transzendente, sondern auch immanente Spiritualia aus der Wirklichkeit auszuschließen:

"Alle konkreten individuellen Objekte (Akteure, Personen) sind materieller Natur."

Ich habe das übrigens alles schon mindestens einmal geschrieben:

"Summa summarum bin ich der Meinung, dass der (ontologische/metaphysische) Naturalismus minimalerweise die beiden folgenden Positionen einzuschließen hat:

1. SPATIOTEMPORALISM / "SPATIOTEMPORALISMUS":

The spatiotemporal world is the whole world. / Die raumzeitliche Welt ist die ganze Welt.

2. SUBSTANCE MATERIALISM / SUBSTANZ-MATERIALISMUS:

All concrete things (with or without mental properties) are material/physical things. / Alle konkreten Dinge (mit oder ohne psychische Eigenschaften) sind materielle/physische Dinge."


(viewtopic.php?p=47183#p47183)

Die Frage, mit der ich mich immer noch herumschlage, ist, ob der Naturalismus auch den Platonismus absolut verneinen muss bzw. sollte, oder ob es nicht irgendwelche immanenten Abstrakta gibt oder geben kann, die Teil des Raumzeitsystems und damit Naturalismus-kompatibel sind. (*
Wenn man den Spatiotemporalismus des Naturalismus jedoch mit einem starken Physikalismus zusammenschließt, dann sieht es auch für immanente Abstrakta ganz schlecht aus.

(* Beispiel: "Finally, Penelope Maddy (1990) has also developed a sort of immanent realist view of mathematics. Concentrating mainly on set theory, Maddy maintains that sets of physical objects are located in space and time, right where their members are located. But Maddian sets cannot be identified with the physical matter that constitutes their members. On Maddy's view, corresponding to every physical object, there is a huge infinity of sets (e.g., the set containing the given object, the set containing that set, and so on) that are all distinct from one another but which all share the same matter and the same spatiotemporal location. Thus, on this view, there is more to a set than the physical stuff that makes up its members."http://plato.stanford.edu/entries/platonism/#2)
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Di 1. Sep 2009, 18:54

Ich verstehe gerade wirklich nicht, wozu Du Dir diese Fragen stellst, für eine Examensarbeit an der Uni oder sonstwas? Und: Was geht das die anderen Brights an?

Myron hat geschrieben:Allein damit verbannt der ontologische Naturalismus außerraumzeitliche, d.i. transzendente, Konkreta (Götter, cartesische Seelen) und Abstrakta (platonische Universalien, mathematische Objekte) aus der Wirklichkeit.

Warum muss der Götter verbannen, wie traurig! Also ich verbanne keinen Gott. Bloß weil man sonst das Weltbild nicht naturalistisch nennen darf. Könnte man sie nicht aber doch dalassen? Also ich wäre dann doch sehr dafür, zumindest so einen Gott, den wir uns so zurechtschustern, dass er für unsere Belange passt.

Du nimmst Dich doch gerade komplett selbst auseinander…
Zuletzt geändert von HF******* am Di 1. Sep 2009, 18:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Di 1. Sep 2009, 18:55

HFRudolph hat geschrieben:Ich will damit sagen, dass ich nicht abschätzen kann, ob die von Myron geroffene Tatsachenaussage wirklich für alle Zeiten jeder Überlegung standhält - und es deuetet ja jetzt schon einiges darauf hin, dass unsere Vorstellung von der Raumzeit grob fehlerhaft ist. Was ist dann, greift man als ontologischer Naturalist dann ganz offiziell auf kritisch rationale Methoden zurück, was man jetzt nur insgeheim tut?


Armstrong stellt die Sache klar:

"Notice that the thesis of Naturalism, as it is understood here, is not committed to the view that space and time, or even spacetime points, are ontologically fundamental. The nature of space and time is to be discovered a posteriori. It is a matter for science. And who is to say, given the present situation in quantum physics and cosmology, that space and time will not turn out to be analysable in terms of entities more fundamental?"
———
"Man beachte, dass die These des Naturalismus, wie sie hier verstanden wird, nicht auf die Ansicht festgelegt ist, dass Raum und Zeit, oder gar Raumzeitpunkte, ontologisch fundamental sind. Das Wesen von Raum und Zeit gilt es aposteriorisch zu entdecken. Das ist eine Angelegenheit der Naturwissenschaft. Und wer will angesichts der gegenwärtigen Situation in der Quantenphysik und der Kosmologie behaupten, dass sich Raum und Zeit nicht als unter Bezug auf fundamentalere Dinge analysierbar erweisen werden." [© meine Übers.]

(Armstrong, D. M. A World of States of Affairs. Cambridge: Cambridge University Press, 1997. p. 6)
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Di 1. Sep 2009, 19:01

Myron hat geschrieben:"Alle konkreten individuellen Objekte (Akteure, Personen) sind materieller Natur."
Das heißt „aus Materie“ bestehend? Wir wissen aber nicht wirklich, was Materie überhaupt ist. Sehen wir genau hin, bleiben nur Ladungsobjekte übrig. Und die materiellen Teilchen sind zwangsläufig verbunden mit scheinbar unendlichen elektromagnetischen Feldern und relativen Gravitationsfeldern, ohne die es sie nicht gibt. Ist das Feld eine Eigenschaft der Materie oder umgekehrt? Bezüglich der Felder kann man aber nicht von Materie sprechen.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Di 1. Sep 2009, 19:06

HFRudolph hat geschrieben:Ich verstehe gerade wirklich nicht, wozu Du Dir diese Fragen stellst, für eine Examensarbeit an der Uni oder sonstwas? Und: Was geht das die anderen Brights an?


Brights, die das naturalistische Weltbild überhaupt nicht durchschauen und verstehen wollen, und die nur dann zufrieden sind, wenn alles im Vagen und Nebulösen verbleibt, sind jedenfalls nicht meine Adressaten.
(In dieser Hinsicht bin ich in der Tat ein Kritiker von Futrell & Geisert.)

HFRudolph hat geschrieben:Du nimmst Dich doch gerade komplett selbst auseinander…


Wie meinen ...?! :ka:
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Di 1. Sep 2009, 19:25

HFRudolph hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:"Alle konkreten individuellen Objekte (Akteure, Personen) sind materieller Natur."
Das heißt „aus Materie“ bestehend? Wir wissen aber nicht wirklich, was Materie überhaupt ist.


Nichtsdestotrotz können wir alle mit dem Begriff "materieller Gegenstand" oder "Körper" etwas anfangen.
Wir begegnen solchen Dingen tagtäglich seit der Geburt.

HFRudolph hat geschrieben:Bezüglich der Felder kann man aber nicht von Materie sprechen.


Felder sind Energieträger, und wenn Energie und Masse äquivalent sind, dann sind Felder folglich auch Masseträger; und damit kann man sie eigentlich zu den materiellen Objekten zählen. Physische Objekte sind sie allemal.

Manche unterscheiden zwischen "materiell" und "physisch" und manche nicht. Wenn man dies tut, dann ist der Begriff "nichtmaterielles physisches Objekt" nicht selbstwidersprüchlich, wobei ich mich frage, wo genau die Grenze zwischen dem Materiellen und dem nichtmateriell Physischen verlaufen soll.

Egal, wenn es dir lieber ist, kannst du "materiell" gerne durch "physisch" ersetzen:

"Alle konkreten individuellen Objekte (Akteure, Personen) sind physischer Natur/physische Objekte."
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Di 1. Sep 2009, 19:28

Das ist überhaupt nicht nebulös. Und wenn Du Dein persönliches Weltbild konkret benennen willst über eine bloße Definition hinaus und sagen willst, welche Details Dein Weltbild ausmacht, dann müsstest Du vom Umfang her schon eher in Richtung solcher Dimensionen gehen: http://freenet-homepage.de/Naturalismus/

Wie gesagt, man kann Naturalismus eben auch anders verstehen, als nur als Methode, das sollte kein Streitpunkt innerhalb der Brights sein.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Di 1. Sep 2009, 20:40

Verschiedene Personen sagen, was sie unter einem naturalistischen Weltbild verstehen:
(das 2. Video dort)
http://www.the-brights.net/movement/vid ... rella.html

Wie das die einzlenen Person sehen, überzeugt mich übrigens auch nicht durchweg:
Geisert und Futrell etwa meinen, dass ein naturalistisches Weltbild bereits dadurch definiert wird, dass es frei ist von übernatürlichen und mystischen Elementen - insofern hätte man sich dann aber auch den Begriff naturalistisch sparen können, denn mit der Freiheit von mystischen und übernatürlichen Elementen wäre ja alles gesagt… Tatsächlich ist es natürlich so, dass das die Gemeinsamkeit der naturalistischen Weltbilder der Brights ist: So ganz freigeben würde ich den Begriff dann aber doch nicht wollen, dass also „naturalistisch“ gar keinen darüber hinausgehenden Inhalt mehr hat. Das macht BC auch nicht, es wird zwar bei niemandem überprüft, der sich Bright nennt, ob alles genau zutrifft, sie nehmen aber an, dass das durchaus Menschen gibt, die sich selbst als Naturalisten sehen und BC das eigentlich anders sehen würde...

Bezüglich des Videos von http://www.the-brights.net können wir allerdings annehmen, dass sie untereinander genau wussten, was der andere sagt, so dass die Einzelaussagen im Gesamtkontext stehen. Um sich nicht zu wiederholen, kann also schlecht jeder dasselbe sagen - und von den Interviewten bezeichnet die erste Person so ziemlich das selbe Verständnis von „naturalistisch“, wie ich auch.

@Myron: Vielleicht möchtest Du ja auch ein Video erstellen, indem Du ausführst, was Du genau darunter verstehst?

Um ehrlich zu sein, beruht der Film in der jetzigen Form doch sehr auf der wissenschaftlichen Methode. Es müsste daher doch dringend aufgenommen werden, dass nicht alle Brights das so sehen müssen, Nanna. Was halten die anderen Brights hier von dem 2. Video? Für die Brights-Bewegung unhaltbar oder kann man das als Ansicht so laufen lassen?
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Mi 2. Sep 2009, 00:15

HFRudolph hat geschrieben:Wie gesagt, man kann Naturalismus eben auch anders verstehen, als nur als Methode, das sollte kein Streitpunkt innerhalb der Brights sein.


Das ist schon ein substanzieller Streitpunkt, den man nicht einfach so ad acta legen kann.
Ein extremes Beispiel für eine rein methodologische Auslegung des Naturalismus ist die Auffassung Michael Rea's, die man eigentlich sogar als "metamethodologisch" bezeichnen könnte:

"Naturalism as a research programm: The claim that naturalism is most properly understood as a research program has recently been advanced by Michael Rea. Rea defines a research program, rather idiosyncratically, as a set of methodological dispositions. Research programs can be rejected on the basis of evidence, but cannot be adopted on the basis of evidence, for what counts as evidence is determined by the program.
On historical grounds, Rea argues that the defining methodological disposition of naturalism is a commitment to follow the methods and results of science wherever they lead. Naturalism cannot be formulated as a set of theses, because both the methods and the results of science can change. Indeed, there is no way to rule a priori the possibility that science will come to accept theism."


(Fales, Evan. "Naturalism and Physicalism." In The Cambridge Companion to Atheism, edited by Michael Martin, 118-134. Cambridge: Cambridge University Press, 2007. p. 122)

"[T]he defining methodological disposition of naturalism is a commitment to follow the methods and results of science wherever they lead. Naturalism cannot be formulated as a set of theses, because both the methods and the results of science can change."
———
"Die definierende methodologische Einstellung des Naturalismus besteht in der Festlegung, den Verfahren und Ergebnissen der (Natur-)Wissenschaft zu folgen, wohin auch immer sie führen. Der Naturalismus kann nicht als eine Menge von Thesen formuliert werden, weil sich sowohl die Verfahren als auch die Ergebnisse der (Natur-)Wissenschaft ändern können." [© meine Übers.]

Damit reduziert Rea den Naturalismus sowohl in methodologischer als auch indirekt in ontologischer Hinsicht auf einen puren Szientismus, der ausschließlich dasjenige für gültig, rational vertretbar, wahr, wahrscheinlich oder seiend erachtet, das die (Natur-)Wissenschaft je nach aktuellem Kenntnisstand für gültig, rational vertretbar, wahr, wahrscheinlich oder seiend erachtet.
Würden die Brights Rea's Sichtweise offiziell teilen, dann wären sie nichts weiter als ein Haufen treu ergebener Wissenschaftsjünger—Ich teile sie jedenfalls nicht!


P.S.: Hurra! Ich habe einen 3000er erklommen! Na denn Prost, Leute! :silvester_mrgreen: :silvester_smilie: :silvester_slash:
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Re: Brights-Tube

Beitragvon smalonius » Mi 2. Sep 2009, 01:22

Jesus! Was is'n hier los?

Soviel intellektueller Anspruch braucht ein Gegengewicht. :pfeif:

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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Mi 2. Sep 2009, 03:45

HFRudolph hat geschrieben:Verschiedene Personen sagen, was sie unter einem naturalistischen Weltbild verstehen:
(das 2. Video dort)
http://www.the-brights.net/movement/vid ... rella.html


Dieses Video hatte ich schon ganz vergessen ... :blush2:

HFRudolph hat geschrieben:Wie das die einzlenen Person sehen, überzeugt mich übrigens auch nicht durchweg: ...


Der erste Typ sagt, eine naturalistische Weltsicht mache aus, dass sie "informed by science" ist.
Die Phrase "informed by" bedeutet hier nicht einfach, dass ein Naturalist über den wissenschaftlichen Kenntnisstand informiert ist, sondern dass seine Weltsicht von der Wissenschaft, insbesondere der Naturwissenschaft, geprägt ist.
Der Aussage, dass der Naturalismus traditionellerweise (natur-)wissenschaftsorientiert sei, pflichte ich bei.
Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Naturalisten enge Freunde der Wissenschaft sind.

HFRudolph hat geschrieben:Geisert und Futrell etwa meinen, dass ein naturalistisches Weltbild bereits dadurch definiert wird, dass es frei ist von übernatürlichen und mystischen Elementen - insofern hätte man sich dann aber auch den Begriff naturalistisch sparen können, denn mit der Freiheit von mystischen und übernatürlichen Elementen wäre ja alles gesagt… Tatsächlich ist es natürlich so, dass das die Gemeinsamkeit der naturalistischen Weltbilder der Brights ist.


Damit ist (leider) noch längst nicht alles gesagt. Denn solange den Begriffen der Übernatürlichkeit und der Mystizität keine genaue, klare Bedeutung gegeben wird und sie sehr uneinheitlich gebraucht werden, ist selbst diese schmale gemeinsame Grundlage infrage gestellt. Nehmen wir Paul Geisert's Äußerungen (in dem besagten Video) zu den mystischen Elementen als Beispiel:

"The mystical is very, very broad; it's anything where you think there isn't an explanation or can't be an explanation, or a type of thing that cannot be investigated."

Für ihn bedeutet "mystisch" also einfach so viel wie "unerklärt" bzw. "unerklärlich" oder "unerforschlich", wobei er dies wohl auf die Möglichkeiten erfahrungswissenschaftlicher Forschung bezieht.
Nun ist es aber so, dass "mystisch" eigentlich eine andere, viel speziellere Bedeutung hat:

"In the wide sense, let us say that a ‘mystical experience,’ is:
A (purportedly) super sense-perceptual or sub sense-perceptual experience granting acquaintance of realities or states of affairs that are of a kind not accessible by way of sense perception, somatosensory modalities, or standard introspection."

———
""Lasst uns sagen, dass eine 'mystische Erfahrung' im weiten Sinne Folgendes ist:
Eine (vorgeblich) über- oder untersinnliche Wahrnehmungserfahrung, wodurch eine direkte Kontaktaufnahme mit Wirklichkeiten oder Sachverhalten zustande kommt, die derartig sind, dass ein Zugang zu ihnen über die Sinneswahrnehmung, die somatosensorischen Modalitäten oder die normale Introspektion nicht möglich ist."
[© meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/mysticism)

"Mystical experience, an experience alleged to reveal some aspect of reality not normally accessible to sensory experience or cognition. The experience—typically characterized by its profound emotional impact on the one who experiences it, its transcendence of spatial and temporal distinctions, its transitoriness, and its ineffability—is often but not always associated with some religious tradition. In theistic religions, mystical experiences are claimed to be brought about by God or by some other superhuman agent. Theistic mystical experiences evoke feelings of worshipful awe. Their content can vary from something no more articulate than a feeling of closeness to God to something as specific as an item of revealed theology, such as, for a Christian mystic, a vision of the Trinity. Non-theistic mystical experiences are usually claimed to reveal the metaphysical unity of all things and to provide those who experience them with a sense of inner peace or bliss."
———
"Mystische Erfahrung, eine Erfahrung, in der angeblich ein bestimmter Aspekt der Realität zum Vorschein kommt, welcher nicht auf normalem Wege der Sinneserfahrung oder dem rationalen Erkenntnisvermögen zugänglich ist. Die Erfahrung—typischerweise gekennzeichnet durch den tiefen emotionalen Eindruck, den sie bei demjenigen hinterlässt, der sie erlebt, ihre Überwindung räumlicher und zeitlicher Unterschiede, ihre Kurzzeitigkeit und ihre Unaussprechlichkeit—steht oft, aber nicht immer in Verbindung mit einer bestimmten religiösen Tradition. In den theistischen Religionen wird behauptet, dass mystische Erfahrungen von Gott oder einem anderen übermenschlichen Akteur hervorgerufen werden. Theistische mystische Erfahrungen lösen ein Gefühl von verehrungsvoller Ehrfurcht aus. Ihr Inhalt kann zwischen etwas schwanken, das so unbestimmt ist wie ein Gefühl von Gottesnähe, und etwas, das so spezifisch ist wie ein Punkt der Offenbarungstheologie, wie beispielsweise für einen christlichen Mystiker eine Vision der Dreifaltigkeit. Von nichttheistischen mystischen Erfahrungen wird üblicherweise behauptet, dass sich in ihnen die metaphysische Einheit aller Dinge offenbare, und dass sie denjenigen, die sie erleben, ein Gefühl von innerem Frieden oder Seligkeit verschaffen." [© meine Übers.]

("Mystical Experience." In The Cambridge Dictionary of Philosophy, edited by Robert Audi, 2nd ed. Cambridge: Cambridge University Press, 1999.)

Es geht in der Mystik also um eine besondere, höchst außergewöhnliche Art von Erfahrung, die (angeblich) eine Erkenntnisquelle jenseits der Vernunft und der herkömmlichen Sinneswahrnehmung darstellt und einen "transrationalen" und "transsensorischen" Zugang zur Grundwirklichkeit, insbesondere einer göttlichen, eröffnet.
Aber in diesem eigentlichen, engeren Sinn verwendet Geisert den Begriff "mystisches Element" eben nicht.
Für ihn bedeutet das nicht mehr als "erfahrungswissenschaftlich unerklärlich-unerforschliches Element".
Aber was ist beispielsweise mit David Armstrong's Ansicht, dass es immanente Universalien gebe?
Der gute Mann nennt sich Naturalist und Physikalist (und das wohl mit Recht), aber seine Universalien lassen sich zweifellos nicht erfahrungswissenschaftlich erklären und erforschen, was bedeuten würde, dass er "mystische Elemente" in seinem Weltbild hätte und somit kein Bright werden könnte. Doch das wäre in meinen Augen absurd.

HFRudolph hat geschrieben:@Myron: Vielleicht möchtest Du ja auch ein Video erstellen, indem Du ausführst, was Du genau darunter verstehst?


Keine schlechte Idee, aber mir fehlen einerseits die technischen Mittel bzw. die Software-Mittel, um Videos zu produzieren, und andererseits komme ich derzeit aus persönlichen Gründen nicht dazu—c'est la vie.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Mi 2. Sep 2009, 04:04

Wenn Futrell & Geisert von "mystical elements"/"mystischen Elementen" sprechen, dann meinen sie damit offenkundig in einem lockeren Sinn "mysterious/occult elements"/"mysteriöse/okkulte Elemente".
Allerdings sind auch die Begriffe des Mysteriösen und des Okkulten schwammig.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Mi 2. Sep 2009, 09:11

Herzlichen Glückwunsch zum 3000. Post. :silvester_mrgreen: :silvester_smilie:

Also genaugenommen verstehe ich erst nach dieser Diskussion, was mit einem ontologischen Naturalismus gemeint ist.
Ich denke, das wesentliche Missverständnis liegt tatsächlich darin, dass ich immer nur über das Weltbild spreche und Du dann Aussagen über den Naturalismus zitierst: Naturalismus ist kein Weltbild, sondern ein Weltbild kann naturalistisch sein. Die Frage ist dann, was das bedeutet.

Wenn ich sage, dass ich mich zur Ermittlung der Realität wissenschaftlicher Methodik bediene, bedeutet das nicht, dass mein Weltbild eine Methode ist. Ich treffe ganz klare Aussagen darüber, ob es Elfen, Geister etc. gibt. Wenn ich jetzt aber mein Weltbild beschreiben solle, dann geht das sicherlich nicht in einem Absatz oder auf einer Din-A4-Seite, sondern bestenfalls in einem Buch. Dieses Buch würde sich dann in jedem Fall massiv unterscheiden von den anderen Büchern der Brights. Was mir aber als wesentliche Gemeinsamkeit erscheint, ist die Herangehensweise, die diesem Buch zugrunde liegt, und das lässt sich recht gut zusammenfassen mit der wissenschaftlichen Methode oder von mir aus auch Rationalismus. Noch mal: Naturalismus kann methodologisch sein, ein Weltbild aber ist nicht methodologisch!

Die Frage wäre für mich, ob wir das Buch zuklappen und sagen, das ist es jetzt oder ob wir es offen lassen, um Seiten abzuändern oder hinten auf die weißen Seiten etwas dazu zu schreiben. Das offen lassen ist für mich wichtig. Insoweit ist das für mich dann doch ein Bestandteil des Weltbildes, kein Dogamtismus sondern ein gewisses Maß an Flexibilität zu haben.

Es geht in dem Video darum, darzustellen, was ein naturalistisches Weltbild ist - und das geht meines Erachtens am besten durch die Darstellung der zugrundeliegenden Methode und anhand von Beispielen. Wenn Du jetzt Dein Weltbild anhand des Ergebnisses beschreiben willst, dann beschreibst Du genau Dein Weltbild, aber nicht unbedingt dasjenige, anderer Brights. Und das geht natürlich nicht in einer Kurzdefinition. Wenn Du aber keine Kriterien auswirfst, die Du anwendest und nur das Ergebnis präsentierst, wird das meiner Meinung nach unschlüssig bleiben, denn dann erklär mal, warum Du etwa Gottheiten ausschließt. Du musst hierbei auf eine Methode zurück greifen und wenn die Methode sein soll, dass auf die Offenbarung Myrons gehört wird, dann hängt es aus meiner Sicht bestenfalls vom Zufall ab, wie Du morgen zu irgendwelchen neuen Erkenntnissen stehen wirst, dann ist gewissermaßen Dein Weltbild nicht prinzipiell naturalistisch, sondern bestenfalls zufällig. Das ist eben der Punkt, warum sich durch die Methode recht gut beschreiben lässt, welche Weltbilder naturalistisch sind.

Im Grunde kommt jede Form von Rationalionalität bei der Ermittlung der Beschaffenheit der Welt beim Scientismus heraus bzw. bei der wissenschaftlichen Methode: Bei welcher Methode denn sonst? Noch mal: Eine Methode ist kein Weltbild. Das Weltbild eines Brights ist nicht Naturalismus sondern das Weltbild hat die Eigenschaft, naturalistisch zu sein.

Du müsstest im Übrigen schon schreiben, von was für Universalien die Rede ist, sonst versteht niemand, was Du meinst. Das wäre in einer anderen Diskussion angebrachter, weil es hier möglicherweise den Rahmen sprengt.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Mi 2. Sep 2009, 09:33

Rea hat geschrieben:"Die definierende methodologische Einstellung des Naturalismus besteht in der Festlegung, den Verfahren und Ergebnissen der (Natur-)Wissenschaft zu folgen, wohin auch immer sie führen. Der Naturalismus kann nicht als eine Menge von Thesen formuliert werden, weil sich sowohl die Verfahren als auch die Ergebnisse der (Natur-)Wissenschaft ändern können." [Myrons Übers.]

Das ist doch im Grunde genau das, was ich schreibe, das Buch ist offen. Das schließt ein, dass jeder auch eine wissenschaftliche Feststellung angreifen kann und in Detailfragen anderer Ansicht sein kann, als Wissenschaftler A oder B, wenn er sich hierbei der wissenschaftlichen Methode bedient, d. h. wenn das wissenschaftlich vertretbar ist.

Der Scientismus bezieht sich - was mich angeht - auf die Beschaffenheit der Welt, so wie die Menschheit sie vorfindet (also nicht der Bereich, den die Menschheit gestaltet), nicht auf sonstige Bestandteile des Weltbildes, etwa Wertungen und emotionale Komponenten. Jetzt wirfst Du vor, dass wir der Wissenschaft hinterherlaufen. Ja, wem denn sonst? Gibt es jemanden, der es methodisch besser ermitteln kann, wie die von uns Menschen vorgefundene Welt beschaffen ist? Wenn das Scientismus ist, dann ist dagegen nichts einzuwenden.

Bzw. wüsste ich gerne, was dagegen einzuwenden ist. Komischerweise habe ich noch nichts dazu gelesen.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Mi 2. Sep 2009, 18:03

HFRudolph hat geschrieben:Ich denke, das wesentliche Missverständnis liegt tatsächlich darin, dass ich immer nur über das Weltbild spreche und Du dann Aussagen über den Naturalismus zitierst: Naturalismus ist kein Weltbild, sondern ein Weltbild kann naturalistisch sein. Die Frage ist dann, was das bedeutet.


Brights Central verwendet das Wort "worldview" inflationär, denn nicht jeder "view" ist ein umfassender "worldview".
Aber wenn ein Ismus ein solches Weltbild darstellt, dann der Naturalismus.
Eine Ansicht oder eine Menge von Ansichten ist genau dann naturalistisch, wenn sie im Einklang mit der Weltsicht des Naturalismus steht.

HFRudolph hat geschrieben:Noch mal: Naturalismus kann methodologisch sein, ein Weltbild aber ist nicht methodologisch!


Ja, denn selbst wenn man nur dasjenige für existent bzw. nichtexistent hält, dessen Existenz bzw. Nichtexistenz anhand erfahrungswissenschaftlicher Methoden nachgewiesen ist, läuft das auch auf einen ontologischen Standpunkt hinaus.

HFRudolph hat geschrieben:Im Grunde kommt jede Form von Rationalionalität bei der Ermittlung der Beschaffenheit der Welt beim Scientismus heraus bzw. bei der wissenschaftlichen Methode: Bei welcher Methode denn sonst? Noch mal: Eine Methode ist kein Weltbild.


Bringen wir die Sache auf den Punkt:
Mit "die wissenschaftlichen Methode" meinst du ja die erfahrungswissenschaftliche(n) Methode(n).
Und die uralte philosophische Debatte, die dem Ganzen zugrunde liegt, bezieht sich auf die Frage, welche unsere maßgebliche Erkenntnisquelle ist:

"The dispute between rationalism and empiricism concerns the extent to which we are dependent upon sense experience in our effort to gain knowledge. Rationalists claim that there are significant ways in which our concepts and knowledge are gained independently of sense experience. Empiricists claim that sense experience is the ultimate source of all our concepts and knowledge."
(http://plato.stanford.edu/entries/ratio ... empiricism)

Die Naturalisten haben sich auf die Seite der Empiristen (oder gar der Positivisten) geschlagen.
Statt nebulös von "der wissenschaftlichen Methode" zu reden, wäre es erheblich klarer, wenn du einfach z.B. Folgendes schreiben würdest:

"Naturalisten sind der Auffassung, dass die Erfahrung, d.h. Sinneswahrnehmungen und Beobachtungen, unsere maßgebliche Erkenntnisquelle bei der Ermittlung der Tatsachen der Wirklichkeit ist."

HFRudolph hat geschrieben:Das Weltbild eines Brights ist nicht Naturalismus sondern das Weltbild hat die Eigenschaft, naturalistisch zu sein.


Wie gesagt, eine Ansicht oder Weltsicht ist nur dann naturalistisch, wenn sie im Einklang mit dem Naturalismus steht.
Das heißt, dieser ist das Oberweltbild aller Leute mit einem naturalistischen Weltbild.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon HF******* » Mi 2. Sep 2009, 18:32

Myron hat geschrieben:… läuft das auch auf einen ontologischen Standpunkt hinaus. …

Ja, natürlich. Es ist ja die Frage, wie man dieses Ergebnis beschreibt, und das kann man durch Aufzählung aller Details vornehmen oder auch durch die Darstellung der Methode, mit der man dorthin gelangt ist. Letzteres ist gewissermaßen unpräziese, aber für eine Kurzbeschreibung eher geeignet, wenn man den Kern dessen darstellen will, was ein naturalistisches Weltbild kennzeichnet: Insofern irritierst Du mich, da Du anscheinend die wissenschaftliche Methode an irgendeinem Punkt ablehnst (an welchem nur?).

Wie man auch aus anderen Aussagen von mir klar ersehen kann, meine ich mit „wissenschaftlich“ keineswegs ausschließlich die Erfahrungswissenschaft, sondern Naturwissenschaft ansich, und dazu gehört ganz eindeutig auch der Bereich logischer Schlussfolgerungen. Man kann das auch anders sagen: Erfahrungswissenschaft kann es ohne Rationalität nicht geben.

Wenn man es aber als Konflickt formulieren will, würde ich sagen: Eine rein logische Schlussfolgerung, die zu einer Aussage über die Welt führt, hat sich dennoch den Ergebnissen der Erfahrungswissenschaft anzupassen, d. h. eine rein auf der Logik beruhende Theorie (auch das wird es nur in Randbereichen geben) ist keine logische Erklärung der Welt mehr, wenn sie zum Erfahrungswissen in Widerspruch gerät. Wenn man zur Erkenntnis der Welt rational vorgeht, dann ist es wiederum nur eine Schlussfolgerung, sich der Erfahrungswissenschaft zu bedienen: Wenn man das nicht tut, geht man irrational vor.

Der Oberbegriff der wissenschaftlichen Methode bleibt daher immer die Rationalität, nicht die Erfahrungswissenschaft. Die Anwendung der Erfahrungswissenschaft ist selbst nur eine rationale Schlussfolgerung.

Myron hat geschrieben:"Naturalisten sind der Auffassung, dass die Erfahrung, d.h. Sinneswahrnehmungen und Beobachtungen, unsere maßgebliche Erkenntnisquelle bei der Ermittlung der Tatsachen der Wirklichkeit ist."

Naja, dass könnte man wohl stark missverstehen, wenn man an die Relativitätstheorie oder die Astrophysik denkt. Natürlich beruhen diese auch zu einem gewissen Grad auf Erfahrungswissen, aber sind doch im Wesentlichen Schlussfolgerungen. D. h. vor Einsteins Veröffentlichung der Relativitätstheorie hatte man auch schon das Wissen über die Messwerte, die uns aber für sich genommen keine Erkenntnis geliefert haben, d. h. die ohne die rationalen Schlussfolgerungen Einsteins nicht zum Verständnis der Welt beigetragen hatten. Und erst diese Schlussfolgerungen beinhalten, dass wir die unmittelbar von unseren Sinneswahrnehmungen gelieferten Erkenntnisse falsche Erkenntnisse sind und abgeglichen werden müssen, so dass alle Erkenntnisse logisch zusammen passen. Unsere Sinneswahrnehmungen lassen uns ohne Geräte Raum und Zeit als konstant wahrnehmen und genau diese Erkenntnis verwerfen wir, weil sie im logischen Widerspruch stehen zu konreten Messergebnissen, die gewissermaßen unsere anderen Sinneswahrnehmungen sind. Und auch das werden wir wieder abgleichen, wenn sich nach unserer Erfahrung etwas anderes herausstellt oder wenn sich andere logische und rationale Schlussfolgerungen ergeben, die den bisherigen gleichwertig oder überlegen sind. Man nennt das auch kurz „Naturwissenschaft“.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Nanna » Mi 2. Sep 2009, 18:59

Wenn ich mal die Quintessenz aus dem geäußerten ziehen darf: Wir müssen in den Videos präziser bei der Darlegung des Naturalismus werden.

Vollmer schreibt (Text auf Brightsblog) ja ganz recht davon, dass auch der Naturalismus Metaphysik beinhaltet, aber eben so wenig wie möglich. Auch auf sowas sollten wir hinweisen. Meiner Meinung nach ist es nicht die wissenschaftliche Methode allein, sondern in erster Linie das Argument der Denkökonomie (Ockhams Rasiermesser), das den Naturalismus auszeichnet. Meiner Meinung nach sollten wir darauf einen stärkeren Fokus legen. Zentral wäre dann ungefähr dieser Satz:

Der Naturalismus schließt den Glauben an Übernatürliches aus, da es keinerlei Hinweise auf die Existenz übernatürlicher Entitäten gibt und auch keinerlei Veranlassung, die Existenz solcher als wahrscheinlich anzusehen. Der Naturalist geht davon aus, dass alle existierenden Dinge und Phänomene ausschließlich auf energetisch-materieller Grundlage beruhen. Sofern es Dinge gibt, die nicht oder noch nicht erklärbar sind, nimmt der Naturalist eine agnostische Haltung ihnen gegenüber ein und erlaubt sich höchstens solche Spekulationen, die notwendigerweise aus empirischen Gegebenheiten abgeleitet werden können und in sich logisch stimmig sind.

Braucht vielleicht noch Feinschliff, aber so in etwa würde ich persönlich Naturalismus definieren.
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Myron » Mi 2. Sep 2009, 19:11

HFRudolph hat geschrieben:Das ist doch im Grunde genau das, was ich schreibe, das Buch ist offen.


Und was ist, wenn uns die Wissenschaft eines Tages zum Theismus, Deismus oder irgendeinem Supernaturalismus führt?
Dass es wissenschaftliche Gründe für die Existenz von etwas Übernatürlichem geben könnte, kann ja nicht von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen werden, oder?
Wenn die naturalistische Einstellung auch mit dem Supernaturalismus vereinbar sein könnte, dann würde die Bezeichnung "Naturalismus" bzw. "naturalistisches Weltbild" ad absurdum geführt und sollte generell durch "Szientismus" bzw. "szientistisches Weltbild" ersetzt werden.

HFRudolph hat geschrieben:Der Scientismus bezieht sich - was mich angeht - auf die Beschaffenheit der Welt, so wie die Menschheit sie vorfindet (also nicht der Bereich, den die Menschheit gestaltet), nicht auf sonstige Bestandteile des Weltbildes, etwa Wertungen und emotionale Komponenten. Jetzt wirfst Du vor, dass wir der Wissenschaft hinterherlaufen. Ja, wem denn sonst? Gibt es jemanden, der es methodisch besser ermitteln kann, wie die von uns Menschen vorgefundene Welt beschaffen ist? Wenn das Scientismus ist, dann ist dagegen nichts einzuwenden.
Bzw. wüsste ich gerne, was dagegen einzuwenden ist. Komischerweise habe ich noch nichts dazu gelesen.


Zum Szientismus könnten wir einen eigenen Thread eröffnen, da es natürlich auch in Bezug darauf ankommt, was genau darunter verstanden wird. Vielleicht ist eine allgemeine Unterscheidung zwischen einem schwachen und einem starken Szientismus hilfreich. Ein sehr starker Szientismus kommt z.B. in Folgendem zum Ausdruck:

"[S]cientism, the view that any meaningful question can be answered by the methods of science."

(http://plato.stanford.edu/entries/scien ... dge-social)
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Re: Brights-Tube

Beitragvon Nanna » Mi 2. Sep 2009, 19:14

Naja, seien wir pragmatisch und ehrlich, gäbe es stichhaltige Belege für die Existenz des Übernatürlichen, würden wir den Naturalismus verwerfen. Der Naturalismus schließt meiner Meinung nach die eigene Abschaffung durchaus mit ein, wenn es wissenschaftliche (=auf natürlichen Wegen entstandene) Hinweise auf supernaturalistische Phänomene gäbe.
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