Obwohl wir schon wieder sehr weit vom Ausgangsthema dieses Diskussionsstranges abgedriftet sind, möchte ich noch etwas Weiteres ausführen:
Über den Text
"The Epistemology of Modality" bin ich auf einen weiteren, von dem Logik-Professor T. Williamson verfassten Text gekommen, dem ich die beiden folgenden Zitate entnommen habe, worin der Begriff der metaphysischen Notwendigkeit bzw. Möglichkeit auf eine sehr raffinierte Weise definiert wird. Was als "metaphysische Notwendigkeit/Möglichkeit" bezeichnet wird, dürfte dem entsprechen, was Alvin Plantinga "broadly logical necessity/possibility", "logische N./M. im weiteren Sinn" nennt, und was ich "logico-semantische N./M." genannt habe.
Technische Erklärung:
Eine Formel der Art
"A c—> B"
ist zu lesen als:
"Wenn A der Fall wäre, dann wäre B der Fall" (Irrealis der Gegenwart)
bzw.
"Wenn A der Fall gewesen wäre, dann wäre B der Fall gewesen" (Irrealis der Vergangenheit)
Im Englischen spricht man hier von "counterfactual conditionals", von "kontrafaktischen Bedingungssätzen. Das c (wie "counterfactual") vor dem Rechtspfeil soll anzeigen, dass es sich nicht um einen indikativischen Bedingungssatz handelt:
"A —> B" , "Wenn A der Fall ist, dann ist B der Fall" (Realis)
Und "_|_" ist das übliche logische Symbol für eine Widersprüchlichkeit oder eine Absurdität, d.h. für eine notwendige Falschheit.
"(17)
[]A :<—> (~A c—> _|_)The necessary is that whose negation counterfactually implies a contradiction. Since possibility is the dual of necessity (being possible is equivalent to having an unnecessary negation), (17) yields a corresponding necessary and sufficient condition for possibility, once a double negation in the antecedent of the counterfactual has been eliminated.(18)
<>A :<—> ~(A c—> _|_)The impossible is that which counterfactually implies a contradiction; the possible is that which does not. In (17) and (18), the difference between necessity and possibility lies simply in the scope of the negation." (p. 105-6)
"(21)
[]A :<—> Ap(p c—> A)(22)
<>A :<—> Ep~(p c—> ~A)According to (21), something is necessary if and only if whatever were the case, it would still be the case. That is a natural way of explaining informally what metaphysical necessity is. According to (22), something is possible if and only if it is not such that it would fail in every eventuality." (p. 107)
"(17)
[]A :<—> (~A c—> _|_)['A ist metaphysisch notwendig genau dann, wenn gilt: wenn A nicht der Fall (gewesen) wäre, dann wäre ein Widerspruch wahr (gewesen).']
Das Notwendige ist dasjenige, dessen Verneinung einen Widerspruch kontrafaktisch impliziert. Da Möglichkeit die Gegenseite von Notwendigkeit ist (wobei Möglichsein äquivalent ist zum Haben einer unnotwendigen Verneinung), erbringt (17) eine entsprechende notwendige und hinreichende Bedingung für Möglichkeit, sobald eine doppelte Verneinung im Antecedens des kontrafaktischen Bedingungssatzes beseitigt ist.(18)
<>A :<—> ~(A c—> _|_)['A ist metaphysisch möglich genau dann, wenn gilt: es ist nicht der Fall, dass wenn A der Fall (gewesen) wäre, ein Widerspruch wahr (gewesen) wäre.']
Das Unmögliche ist dasjenige, das kontrafaktisch einen Widerspruch impliziert; das Mögliche ist dasjenige, bei dem dies nicht der Fall ist. In (17) und (18) liegt der Unterschied zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit einfach in der Reichweite der Verneinung." (p. 105-6)
"(21)
[]A :<—> Ap(p c—> A)['A ist metaphysisch notwendig genau dann, wenn gilt: für jede Aussage p gilt, dass wenn p wahr (gewesen) wäre, A wahr (gewesen) wäre.'](22)
<>A :<—> Ep~(p c—> ~A)['A ist metaphysisch möglich genau dann, wenn gilt: für mindestens eine Aussage p gilt, dass es nicht der Fall ist, dass wenn p wahr (gewesen) wäre, A nicht wahr (gewesen) wäre.'](21) gemäß ist etwas dann und nur dann notwendig, wenn was auch immer sonst der Fall (gewesen) wäre, es nach wie vor der Fall (gewesen) wäre. So lässt sich auf natürliche Weise informell erklären, was metaphysische Notwendigkeit ist. (22) gemäß ist etwas dann und nur dann möglich, wenn es nicht derartig ist, dass es unter allen Umständen nicht der Fall ist." (p. 107)
[© meine Übers.]
(
Williamson, Timothy. "
Philosophical Knowledge and Knowledge of Counterfactuals". In
Philosophical Knowledge: Its Possibility and Scope, edited by Christian Beyer and Axel Burri, 89-124. Amsterdam: Rodopi, 2007.)
Beispiel:
Wenn es nicht der Fall ist, dass wenn Gott existierte, dies mit einem Widerspruch einherginge, dann ist die Existenz Gottes metaphysisch möglich.
(Strenggenommen ist "Gott" zu ersetzen durch "das 'Gott' genannte Wesen mit der Eigenschaftsmenge {E_1, ..., E_n}".)
Mit anderen Worten, wenn der Satz "Wenn Gott existierte, dann existierte ein Widerspruch" wahr ist, dann ist Gottes Existenz metaphysisch (onto-logisch) unmöglich.
Puuhhh...!
