Glauben heißt: Nichts wissen!

Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon ostfriese » Mo 1. Okt 2007, 18:39

Das Wissen ist jedenfalls nicht das Ende des Sinns und erst recht nicht das Ende der Erklärungen. Warum also sollte man sich vor ihm fürchten? Es bringt uns Wahrheiten immer näher (was aufregend und begeisternd ist!), während Glaube davon ausgehen muss, wir hätten sie schon gefunden.

Zwar ist Wissen missbrauchbar, aber längst nicht so wie Unwissenheit; die Atombombe wird vor allem dann gefährlich, wenn Menschen sich ihren Verstand derart vernebeln lassen, dass sie ihren Führern abkaufen, gewisse andere Menschen seien nichts als Feinde.

Also spricht viel für eine unermüdliche Wissenssuche und wenig dagegen. Oder?

Nur mal zwei kleine Beispiele, warum ich das irdische Entdecken und die Schöpferkraft von Menschen so viel mehr liebe als einen imaginären Himmel im Oberstübchen:

http://www.ted.com/index.php/talks/view/id/169

http://www.youtube.com/watch?v=KAvPRbh0jmE

... von der Tatsache, dass ich hier angeregt kommunizieren kann mit denkfreudigen, lieben Menschen, von deren Existenz mir kein Gott je berichtet hätte, ganz zu schweigen...
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 19:33

@ Ostfriese

... von der Tatsache, dass ich hier angeregt kommunizieren kann mit denkfreudigen, lieben Menschen, von deren Existenz mir kein Gott je berichtet hätte, ganz zu schweigen...

:whiskey:

Warum finde ich solche Menschen eigentlich so selten in meinem näheren Umfeld?
Meine Vermutung ist: entgegen Dawkins' Ratschlag oute ich mich dort selten, in der Befürchtung, dass die so Angesprochenen mit mir hinterher nicht mal mehr über das Wetter reden würden.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon stefan2 » Mo 1. Okt 2007, 19:53

@pinkwoolf

Ich wür's nicht so hoch aufhängen: wir kommen ja hierher und suchen solche Gespräche und Themen. Dafür gibt's im Alltag ja nicht immer Gelegenheit.
Auch ich bin froh und finde es bereichernd hier unter "den vielen lieben denkfreudigen Menschen" - Danke Euch allen :up:
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Peter Janotta » Mo 1. Okt 2007, 20:54

Aber wahrscheinlich sollte ich gar nicht weitersuchen, denn, wie schon gesagt, wäre das Wissen nicht das Ende des Glaubens?


Erstens sind wir vom Wissen allens noch meilenweit entfernt, also keine Bange. Zweitens das Ende des Glaubens ist nicht gleich das Ende eines Lebenssinns. Von daher hätte ich damit kein Problem.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Andreas Müller » Mo 1. Okt 2007, 21:22

Das Ende des Glaubens. Ich kann mir ja kaum noch was Schöneres vorstellen.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Sofia » Mo 1. Okt 2007, 21:55

Passt nicht zum Thema, aber: danke dass es euch gibt! :2thumbs:
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 21:56

Zweitens das Ende des Glaubens ist nicht gleich das Ende eines Lebenssinns.


Ja, vermutlich kann man mit und ohne Glauben im Leben einen Sinn finden.

Ich selbst finde letzten Endes keinen, außer dass das Leben bestrebt ist, sich selbst zu perpetuieren. Damit meine ich das Überleben der Species, nicht des Individuums, und natürlich kann das Leben als Abstraktum auch nicht in dem Sinne nach irgendetwas bestrebt sein.

Früher hat mich das irgendwie gestört und ich habe gesucht und gesucht, aber jetzt vermisse ich solch einen letzten Sinn überhaupt nicht mehr. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Wäre einfach nur schade, wenn es das Leben nicht gäbe. Man würde deutlich weniger erleben, sozusagen.
:jg:

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Glaube an einen Gott hier für mich irgendeinen Sinn stiften könnte, aber da rede ich natürlich wie die Kuh von der Lochstickerei.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon ostfriese » Mo 1. Okt 2007, 22:17

pinkwoolf hat geschrieben:Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Glaube an einen Gott hier für mich irgendeinen Sinn stiften könnte, aber da rede ich natürlich wie die Kuh von der Lochstickerei.

Der unbegottesbilderte Pantheismus, wie er stine vorschwebt, stiftet in der Tat weder Erklärung noch Sinn.

Ein bewohnbares Jenseits dagegen könnte uns immerhin die Frage beantworten, was wir hoffen dürfen: das ewige Leben zu haben. Freilich ist damit die Sinnfragenleiter nur um eine Sprosse verlängert, denn spätestens nach 500 Jahren Paradies holt uns eine Sinnkrise ein, gegen die jede noch so schwere Depression ein Halleluja wäre. Es sei denn, man kann im Himmel genau das machen, wofür wir eben keinen Himmel brauchen: dem Leben von uns aus Sinn geben, durchs Genießen, Erfreuen und Erzeugen!
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon jan » Mo 1. Okt 2007, 22:47

pinkwoolf hat geschrieben:Ich selbst finde letzten Endes keinen, außer dass das Leben bestrebt ist, sich selbst zu perpetuieren. Damit meine ich das Überleben der Species, nicht des Individuums, und natürlich kann das Leben als Abstraktum auch nicht in dem Sinne nach irgendetwas bestrebt sein.


Zum Zeitpunkt jetzt+x wird alles Leben, was bis dahin nicht überlebt hat, ausgestorben sein. Aber ob Leben zum Zeitpunkt jetzt+x irgendeinen Sinn stiftet bezweifele ich.

Ich glaube nicht an einen höheren oder letzten Sinn. Solange ich lebe macht mein Leben an sich für mich schon genug Sinn. Sobald ich Tod bin existiert das Ich nicht mehr, dann ist der SInn eh egal.

Wenn ich eh nicht an ein Leben nach den Tod glaube (und wieso sollte ich das tun?) kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein Gott irgendeinen Sinn geben könnte.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon ernst.eiswuerfel » Mo 1. Okt 2007, 23:05

Ich glaube nicht an einen höheren oder letzten Sinn.

Ich auch nicht. Ist mir zu abstrakt. Ich gehe eher vom Nutzen aus. Was bringt mir oder der Gesellschaft etwas - am besten etwas positives.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 23:13

@ ostfriese

Freilich ist damit die Sinnfragenleiter nur um eine Sprosse verlängert, denn spätestens nach 500 Jahren Paradies holt uns eine Sinnkrise ein, gegen die jede noch so schwere Depression ein Halleluja wäre.


Das hatte ich auch im Hinterkopf, aber so eine schöne Formulierung wäre mir nicht eingefallen.

Du wirfst aber ein neues Problem auf:
Es sei denn, man kann im Himmel genau das machen, wofür wir eben keinen Himmel brauchen: dem Leben von uns aus Sinn geben, durchs Genießen, Erfreuen und Erzeugen!


Wenn man das alles im Paradies auf immer und ewig machen könnte, wäre das nicht ein quantitativer Vorteil? Mir ist zwar keine Religion bekannt, die das Paradies so darstellt - Hitchens beschreibt sehr plastisch, wie es sein müsste, dort fortwährend den Herrn zu preisen (im Nordkorea-Stil) - aber wir können ja mal ein solches Paradies erfinden.
Da erhebt sich zunächst die Frage, wie man hinkommt. Hoffentlich nicht alle; Bin Laden und Kent Hovind könnten einem den Spaß ganz schön vermiesen.
Arno Schmidt hat eine herrliche Erzählung geschrieben, Tina, oder Über die Unsterblichkeit, wo Dichter so lange ein utopisches Leben genießen, wie sie in irgendwelchen Schriften erwähnt werden. Alle hegen einen abgrundtiefen Hass gegen die Verfasser dieser Schriften.
Zuletzt geändert von pinkwoolf am Di 2. Okt 2007, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon ostfriese » Di 2. Okt 2007, 03:32

pinkwoolf hat geschrieben:Du wirfst aber ein neues Problem auf:
Es sei denn, man kann im Himmel genau das machen, wofür wir eben keinen Himmel brauchen: dem Leben von uns aus Sinn geben, durchs Genießen, Erfreuen und Erzeugen!


Wenn man das alles im Paradies auf immer und ewig machen könnte, wäre das nicht ein quantitativer Vorteil?

Wenn das Paradies immer wieder neue, aufregende Freudenanlässe und Schaffensmöglichkeiten bereit hielte, dann ja. Doch die Inflation von Möglichkeiten ohne Zeitbegrenzung dürfte irgendwann i.w.S.d.W. zur Qual der Wahl werden, die innere Orientierung/Gerichtetheit, die ich als wichtigste Voraussetzung gegen die Leere sehe, ginge wahrscheinlich verloren, wenn man "ungestraft" beliebig viel Zeit mit Beliebigem vertrödeln könnte. Nichtsdestoweniger finde ich 100 Erdenjahre zu kurz und das Altern keine erquickliche Begleiterscheinung. Aber vielleicht hilft uns eine gewisse Lebensmüdigkeit im Alter, dem Tod gelassener entgegen zu sehen...
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Max » Di 2. Okt 2007, 05:37

Sofia hat geschrieben:Passt nicht zum Thema, aber: danke dass es euch gibt! :2thumbs:
Bitte, Bitte.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon stefan2 » Di 2. Okt 2007, 05:52

Leben macht nur vor dem Hintergrund der Endlichkeit überhaupt einen Sinn. Stände uns unendlich viel Zeit zur Verfügung, wäre alles gleich gültig: jede Situation käme mit jedem beliebigen Ausgang einmal wieder, wäre korrigierbar, veränderbar ... Sehr schön finden sich diese Ideen bei J.L.Borges mit z.B. seiner "Bibliothek von Babel". Preisen wir unsere Endlichkeit, denn nur sie gibt dem Augenblick Tiefe und Ein-Maligkeit!
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon stine » Di 2. Okt 2007, 07:00

ostfriese hat geschrieben:http://www.ted.com/index.php/talks/view/id/169

http://www.youtube.com/watch?v=KAvPRbh0jmE

... von der Tatsache, dass ich hier angeregt kommunizieren kann mit denkfreudigen, lieben Menschen, von deren Existenz mir kein Gott je berichtet hätte, ganz zu schweigen...


Zwei wunderschöne Links, lieber Ostfriese.

Und die Tatsache sich mit klugen Köpfen auch außerhalb der Familie austauschen zu können, vermisse ich schon ein Leben lang. Davon abgesehen war meine Eingebung heute morgen, es kann nur Zu-Fall Gottes sein, dass er mich hierhergeführt hat. Bild
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon stine » Di 2. Okt 2007, 07:57

Pantheist bin ich eigentlich nicht. In mir wohnen nur zwei Gehirnhälften. Die eine sucht die pragmatische Erklärung für Gott und die andere eine phantastische. Dieser Zwiespalt nährt hie und da meine Zweifel, die mich immer wieder mal einholen. Aber ohne sie hätte ich auch niemals richtig glauben können, so paradox das scheinen mag.
Gerade die Koexistenz der beiden Welten finde ich das Treibende.

Zu versuchen Gott mit menschlichem Verstand zu begreifen ist falsch, weil unser Wissen inzwischen zwar großartig ist, aber immer noch menschlich. Ihn zu be-GREIFEN hieße ja alles zu wissen.
Dass er uns die innere Kraft und die Hoffnung nur geben kann, wenn er als irreale Zuversicht wirkt, war schon klar, als das Gebot: "Du sollst dir kein Bild von mir machen" festgeschrieben wurde.

Eine tiefe innere Weisheit, die nur von Gott selbst kommen kann.

LG stine
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Peter Janotta » Di 2. Okt 2007, 09:35

Womit wir ein kritikresistentes Totschlagargument hätten.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon ostfriese » Di 2. Okt 2007, 11:47

Hallo stine, Du weißt ja, nachdem ich dies auch im logios-Forum wieder und wieder betone, was gegen nicht-kritisierbare Aussagen einzuwenden ist:

Man kann beliebigen Unsinn (Fliegende Spaghetti-Monster, celestial teapots, subtrowsers, Pferdseechen, Pflücksterne usw.) gegen Kritik immunisieren, und das ist wohl nicht das, was wir unter Weisheit verstehen sollten. Woran erkenne ich denn, dass eine Aussage weise und nicht unsinnig ist, wenn ich sie an keinem Kriterium messen kann??

Erkenne ich es nur mit der rechten Gehirnhälfte, mit Hilfe diffuser Gefühle? Wo doch alle Psychologen wissen, dass uns nichts so fundamental täuschen kann und nichts so verführbar ist wie unsere Emotionen?

Ausgerechnet in weltanschaulichen und ethischen Fragen unseren Verstand zu Gunsten der Gefühle in die Schranken zu weisen, ist ein verhängnisvoller Fehler. Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann das!
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon Kosmopolit » Di 2. Okt 2007, 11:56

xxx
Zuletzt geändert von Kosmopolit am Sa 3. Nov 2007, 18:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Glauben heißt: Nichts wissen!

Beitragvon stine » Di 2. Okt 2007, 12:08

Schönes Bild.

Gefällt mir. Also gibts ja doch eine Erklärung.

LG stine
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