Hallo,
den folgenden Eintrag, habe ich auch unter jesus.de - foren - ehtik gepostet. Nach aktuellem Galle-hochkochen. Siehe unten. Vielleicht tut sich etwas interessantes.
http://neun.scm-digital.net/foren/readf ... t=&prod=no gepostet.
Grüße Marie
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Hallo,
vorneweg: ich bin nicht gläubig. Ich habe wegen des unten genannten Artikels, der Verbreitung "atheistischer Geboten", des humanistischen Manifests und nicht zuletzt wegen Richard Dawkins und der ganzen Diskussionen darum herum, nach einem christlichen Forum gesucht, und bin hier gelandet.
Vor zwei Wochen titelte der Spiegel mit dem Thema: "Gott ist an allem Schuld - Der Kreuzzug der neuen Atheisten"
Ich fand den Titel reichlich paradox, aber ohne Bewertung des Inhalts - clever. Gut für die Auflagen. Ich habe ihn auch gekauft.
Auf jesus.de wurde hier darüber berichtet:
http://neun.scm-digital.net/show.sxp/29 ... ng&page=1&
Als PDF herunterladen kann man beim Spiegel leider nur die Leserbriefe zum Artikel. Aber auch die sind lesenswert:
http://service.spiegel.de/digas/servlet ... IST=t&SD=1
Der Artikel war inhaltlich reichlich wirr und hat bei mir die Vorstellung von Spuckeflecken provoziert, die der Autor auf dem Manusskript hinterlassen haben muss. Die gottlose Seite beherrscht das Geifern genauso gut. Alle Beteiligten haben, mindestens innerlich, die Waffen entsichert und ballern, bevor sie ernsthaft angegriffen werden. Wer zu christlich versus atheistischem, den Mund öffnet, muss sich im Kugelhagel ducken während er noch spricht. Jede Seite versichert sich, dass man sich vor dem Fundamentalismus der anderen hüten, hüten, hüten muss. Theorie.
Praxis im besseren Fall: Die Tochter kommt weinend aus dem Religionsunterricht nachhause. Warum kann ich (Mama) nicht an Gott glauben? Wenn ich nicht bete, bleibt ihre Seele so dreckig, wie die Speichen an ihrem Fahrrad. Ich versuche mit der Lehrerin zu reden, um herauszufinden, welche Details ich am Gedankengang des Kindes ordnen muss. Die Lehrerin hat im Wissen um meinen Atheismus und um den Inhalt des obengenannten Artikels, das Gesicht bereits bei der Begrüßung zur Faust geballt und konstatiert, dass sie "die Schüler vor den Auswüchsen seelenloser Wissenschaftler wie diesem ..., diesem ... Dawkins zu schützen weiß, der Kindern - the fittest survive - Trost und Schutz verwehrt. Die Art Auslese hat es schon einmal gegeben."
Ich möchte nicht, ausdrücklich, über das pädagogische Talent oder die Verbissenheit einer einzelnen Christin diskutieren. Ich bin aber überzeugt, das Gespräch mit der Lehrerin wäre ohne die Hetze des Artikels anders verlaufen. Auch ich hätte nicht schon auf dem Weg zur Schule Antworten auf fiktive Vorwürfe gewälzt. Etwa: "Nein, Dawkins hat ganz sicher nie gemeint, das Menschen willenlos von ihren Genen gesteuert werden ... usw." Christen = Kinderfresser! Atheisten = Kinderfresser!
Nun wirft das Kind schiefe Blicke auf sein Fahrrad. Die Lehrerin ist zornig, ich ebenfalls.
Ich stamme aus einer südbayerischen, entsprechend römisch-katholischen Familie. Meinen Großeltern war ihr Glaube Halt und Grundlage. Das Latein in Messen, die Monstranz, der Geruch von Weihrauch, die Weihnachtskrippe mit den geschnitzten Figuren, die wir jedes Jahr ganz vorsichtig ausgepackt haben, damit das Jesu-Kind nicht verletzt wird, das tröstliche Kreuz, das meine Großmutter nach dem Abendgebet auf meiner Stirn gezeichnet hat, das sind Erinnerungen die ganz eng zu meiner Kindheit und zu meinem Innersten gehören.
Meine Eltern sind Naturwissenschaftler. Meine Mutter Hydro-Geologin, mein Vater war Professor für pharmazeutische Biologe. Beide nicht gläubig. Oder zumindest nicht überzeugt. Die Haltung meiner Eltern zu Religion, Glaube und sogar zu Politik und Philosophie, ist lau, undefiniert und schwammig. Kam das Thema Religion auf, wurde die Stimmung prompt unbehaglich und die Gespräche einsilbig. Entsprechend wenig wurde darüber gesprochen. Schwach. Aber Anlass nach einer Richtung zu suchen. Ich durfte zum evangelischen Kindergottesdienst (wir waren in protestantisches Dorf gezogen). Als ich an der Erstkommunion teilnehmen wollte, durfte ich auch das. Mit weißem Kleid und Kerze.
Ab dem zwölften Lebensjahr besuchte ich ein evangelisches Internat, das einem Diakonissen-Mutterhaus angeschlossen war. Daran gibt es wenig schöne Erinnerungen. Die Diakonissen haben es verstanden, ihre christlichen Werte zu unterlaufen, als wollten sie einen Wettbewerb gewinnen. Aber es gab für eine Jugendliche viele Gelegenheiten, sich mit Glauben und Religion auseinanderzusetzen. Die wenigen, schönen Erinnerungen hängen eng damit zusammen. Diskussionen bei Veranstaltungen der evangelischen Jugend u.ä. Später wohnte ich noch einmal kurze Zeit, in dem Studentenwohnheim eines sehr entspannten, fröhlichen katholischen Ordens.
Das Ergebnis aus Erfahrung, Bücher wälzen und Endlos-Diskussionen: zum einen der Austritt aus der Kirche, zum anderen, tiefes anhaltendes Unverständnis. Mir ist unklar, warum Christen an Gott glauben, warum Menschen überhaupt - im Sinn von Religion - glauben.
Man könnte ja darüber reden und Verständigung versuchen. Wie wichtig! Wenn man könnte ...
Statt dessen überschütten sich Protestanten, Atheisten, Islamisten, Katholiken, Freikirchler, Brights, Pantheisten, Deterministen und wer immer in der Lage ist Gruppen und Überzeugungen zu bilden, gegenseitig mit Häme. Und es wird gedroht: mit der Hölle, mit Gehirnwäsche, mit dem Verlust der Ratio, endlosen schrecklichen Folgen. In diesem Forum beweihräuchern sich die Christen, im anderen die Atheisten.
Es nervt, es hält auf, es lenkt vom Thema ab.
Was tun?
Gruß Marie