Wieviel Tier steckt im Menschen?

Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Mi 5. Mär 2014, 07:39

Lumen hat geschrieben:kurz: ich finde es gut, wenn jemand klar und verständlich kommuniziert, und halte Strunk & White (classic style) für weit überlegen zum üblichen kontinentaleuropäischen Stil, wo es darum geht, sich möglichst umständlich und hochwichtig auszudrücken und bei den genannten ist es eben so, dass sie ihre Expertise verständlich kommunzieren können. Man sollte nicht vergessen, dass die genannten, auch Lorenz, nicht wie Ranga Yogeshwar, Harald Lesh, Bill Nye oder Carl Sagan hauptsächlich als Moderatoren oder Buchautoren bekannt sind, sondern sich einschlägig einen Namen machen konnten (wobei ich die Arbeit von den genannten auch gut finde).

Das sprichst du mir aus dem Herzen. Ich würde das aber nicht an "kontinentaleuropäisch" festmachen. Es gibt einfach "investigative Charaktere" und Charaktere die gut darstellen können. Beides in einer Person ist halt nicht sehr häufig. Lorenz war m.E. einer von dieser Sorte...
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Mär 2014, 08:14

Eine zum Thema passende Würdigung des großen Konrad Lorenz, zu seinem 100. Geburtstag, von Norbert Bischof, mit dem Thema: "Der Schluß vom Tier auf den Menschen. Konrad Lorenz und die Psychologie" (Geht aber weit darüber hinaus und könnte daher auch die interessieren, die es weder mit Lorenz, noch der Psychologie haben.)
http://videoonline.edu.lmu.de/de/node/545
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Mi 5. Mär 2014, 08:27

Vollbreit hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Mannomann, ihr seid aber fleißig. Ich hatte gerade zu tun, all die angebotenen Texte zu lesen. Zum Glück sind gerade Faschingsferien :mg: .
Interessant (obwohl ich Freud sonst nicht so mag) fand ich dies hier:
(Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur - Kapitel 3,Freud Studienausgabe IX, Verlag S.Fischer 1974, Erstausgabe 1930) Man fand, daß der Mensch neurotisch wird, weil er das Maß von Versagung nicht ertragen kann, das ihm die Gesellschaft im Dienste ihrer kulturellen Ideale auferlegt, und man schloß daraus, daß es eine Rückkehr zu Glücksmöglichkeiten bedeutete, wenn diese Anforderungen aufgehoben oder sehr herabgesetzt würden.
[...]
Was nützt uns die Einschränkung der Kindersterblichkeit, wenn gerade sie uns die äußerste Zurückhaltung in der Kinderzeugung aufnötigt, so daß wir im ganzen doch nicht mehr Kinder aufziehen als in den Zeiten vor der Herrschaft der Hygiene, dabei aber unser Sexualleben in der Ehe unter schwierige Bedingungen gebracht und wahrscheinlich der wohltätigen, natürlichen Auslese entgegengearbeitet haben? Und was soll uns endlich ein langes Leben, wenn es beschwerlich, arm an Freuden und so leidvoll ist, daß wir den Tod nur als Erlöser bewillkommnen können?“

Ich denke, dass ich diese Aussage voll mittragen kann. Unsere kulturellen Anforderugen sind inzwischen so gestiegen, dass das Tier in uns ganz und gar zugeschüttet werden muss, damit wir als vollwertiges Mitglied einer bestimmten Gesellschaft zur Kenntnis genommen zu werden. Wir müssen viel zu viel, ich nenne es mal "Menschliches", unterdrücken und viel zu viel leisten, um akzeptiert und respektiert zu werden. Akzeptanz und Respekt sind aber nun mal Vorraussetzung, um Glück zu empfinden, das nicht nur aus der Befriedigung unserer niederen Triebe entsteht.

Kurz, knackig, richtig.
Der Preis für Schutz und Akzeptanz ist der Triebverzicht. Freud stellt das und mehr in beispielhafter Leidenschaftslosigkeit dar.
Den Würgegriff des Über-Ich etwas zu war Freund Intention. Dass er dennoch die Kultur nicht verurteilt, sondern nur das Unbehagen diagnostiziert und erklärt, ist selten zu finden.

Was Freud richtig im Urin hatte, ist die Tatsache, dass wir uns nicht beliebig verhalten können, sondern an unseren Organismus gebunden sind - was man in der Tat nicht ignorieren sollte. Freud hatte eine Menge interessante Ideen, aber vieles ist halt auch Quatsch gewesen. Die menschliche Kultur ist ja gerade wegen der spezifischen Eigenschaften des Menschen entstanden - sie ist so menschlich wie es nur geht. Die Lösungen für vorhandene menschliche Probleme kann man sich daher nicht einfach so im Tierreich abkucken. Sowas hat schon zu ganz üblen Ideologien geführt. Anders gesagt Das "Überich" und das "Es" - selbst, wenn man diese Konzepte akzeptiert - haben keine höhere Autorität als das menschliche "Ich".
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Mär 2014, 08:33

Zappa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Das Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist seine Sprache, Kommunikation und gesprochene Sprache sind nicht dasselbe.

Haben wir wirklich ein "Alleinstellungsmerkmal" nötig?

Was heißt nötig? Es ist m.E. einfach da udn wird inzwischen auch so breit anerkannt, dass ich mich wundere, warum auf diesem Punkt überhaupt herumgeritten wird. Primatenfoscher, Ärchäologen, Philosophen, keiner geht davon aus, Mensch und Tier seien da gleichgestellt aber alle finden reichlich Belege für das Gegenteil.

Zappa hat geschrieben:Sprache hat sich aus der Gestik entwickelt und Gestik ist, z.B. bei Primaten, eine ziemlich hoch entwickelte Kommunikationsform.
Das Problem bei diesem Argument ist, dass auch eine hinweisende Geste verstanden werden muss. Sicher sind auch Tiere da in einem gewissen Umfang formbar, aber der Mensch hat als einziger kumulatives Wissen weitergegeben, was eben nicht nur Hier und Jetzt gilt. Er kann in und mit Gruppen kommunizieren, die sich nicht mehr gegenseitig sehen, er kann logische Klassen bilden und mit Konditionalen agieren, wie das einfach kein Tier kann.

Zappa hat geschrieben:In der Evolution hat sich alles graduell entwickelt, der Mensch ist in Bezug auf Kommunikation nur einen Schritt weiter ...
Das Internet ist auch nur irgendwie graduell anders, als das was der Honiganzieger tut, mit dieser stets gültigen und damit nichtssagen Floskel kannst Du alles versenken.
Die Liane zu benutzen ist irgendwie auch nur, wie zum Mond zu fliegen, graduell verschiedene Arten der Fortbewegung auf ein erwünschtes Ziel zu.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Mi 5. Mär 2014, 21:28

Lumen hat geschrieben:Gerade noch durch den anderen Thread erinnert: Prof. Robert Sapolsky: Are Humans Just Another Primate?

Habs mir eingezogen,war gut!

"...But at the end of the day, this realm of being able to take abstractions and turn metaphors into things as powerful as the most visceral of sensory effects and to do all of this in a context of moral imperatives, we are on an entirely different planet from other species." (Sapolsky im Schlusswort)
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Do 6. Mär 2014, 08:26

stine hat geschrieben:Haben wir mit manchen kulturellen Vorgaben Probleme, weil sie nicht zu dem Tier in uns passen?
Vielleicht könnte man mit Rudelführertum, Machtansprüchen und Revierverhalten beginnen?


Mal kurz gefasst: Die Evolution des Menschen hat verschieden Stadien durchlaufen, wobei jedes neue Entwicklungsstadium, die Elemente seines Vorgängers enthält. Komplexere Verhaltensweisen, wie du sie hier aufzählst, liegen als "offene Programme" vor. Das bedeutet, das ihr Ablauf prinzipiell genetisch programmiert ist, sie sind aber offen für Anpassungen, z.B. an die Situation, in der sie ablaufen. Diese Programme werden durch Schlüsselreize enthemmt. Diese Enthemmung folgt aber bei höheren Organismen nicht durch eine einfaches Reiz-Reaktionsmuster, wie man sich das vielleicht laienhaft vorstellt. Der Mensch zeichnet sich z.B. dadurch aus, dass er diese Programme bewusst aufrufen oder hemmen kann. Man könnte also sagen, dass wir mit den Tieren ein bestimmtes Repertoire an Verhaltensweisen (Programme) gemeinsam haben, wir haben aber zusätzliche Möglichkeiten, diese Programme zu kontrollieren.

Es scheint so, dass diese Programme alle aufgerufen werden "wollen". Lorenz (er beruft sich auf eine Reihe von anderen Wissenschaftlern) schreibt, dass diese Programme um so leichter ausgelöst werden (Hemmschwelle sinkt), je länger sie nicht abgerufen wurden. Daraus folgt aber nicht die Empfehlung, sich wie ein Tier zu verhalten, um diesen Programmen sozusagen zu ihrem Recht zu verhelfen. Denn der Mensch hat eine neue Qualität, er kann moralisch handeln. Seine zumindest relativ einzigartige Fähigkeit zur moralischen Kontrolle ist ebenso ein Fakt, wie seine Abstammung vom Tier. Das Tier in uns soll den Menschen in uns nicht kontrollieren, - sondern umgedreht.

(Das sollte jetzt nicht zu der falschen Vorstellung führen, dass Tier keine Hemmungen haben, ich hoffe das ist klar)
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 6. Mär 2014, 17:45

ujmp hat geschrieben:Du nennst hier selbst einige Beispiele für Emergenz. Das typische für die reduktionistische Sichtweise die Art, die du zu vertreten scheinst, ist (nimm's bitte nicht persönlich!) ist die Ignoranz gegenüber dem Plus, gegenüber dem Neuen, das dabei entsteht. Ich sagte ja auch ausdrücklich, das Leben Chemie plus Eigenschaften des Lebens ist. Wer mein, er hätte einen Menschen angemessen als "hauptsächlich Wasser und Kohlenstoff" beschrieben, ist offensichtlich Blind dafür, dass seine Beschreibung ebenso auf einen Haufen Kompost zutrifft. Das soll nicht bedeuten, dass das Neue ohne Übergang entsteht. Und Lorenz beschreibt auch einen stufenweisen Prozess, bei dem - wie gesagt - jede Stufe auf ihre Vorstufe aufbaut, sie enthält.

Das sind eben Beispiele, wo nur Edukte zusammen etwas völlig neues ergeben können - aber das ist keine Emergenz. Ja, einerseits ist das Produkt/die Produkte mit völlig anderen Eigenschaften ausgestattet - es bedeutet jedoch nicht (der 2. Teil der Definition von Emergenz) dass diese sich nicht auf Eigenschaften der Edukte zurückführen lassen. Aber genau das ist bei meinen Beispielen (und dem Menschen als Tier) der Fall. Es LÄSST sich auf bestimmtes reduzieren/zurückführen usw.
Hierbei besteht unser Konflikt nicht bei der Bewertung dessen, was neu ist (also ob es wirklich neu ist und einzigartig und ein Alleinstellungsmerkmal), sondern bei der Bewertung der Edukte und ihrer Rolle für diese "neuen" Eigenschaften. Bei näherer Betrachtung erkennt man doch ziemlich schnell ob etwas wirklich neu ist oder nicht. Ich sehe keinen Nachteil darin zu erkennen, ob etwas in ähnlicher Form bereits existiert oder ob es mit anderem vergleichbar ist. Dein einziges Problem scheint die vermeindlich geringe Begeisterungsfähigkeit zu sein - aber du verwechselst nur analytische Distanziertheit mit Ignoranz. Euphorie ist bei einer sachlichen Beurteilung fehl am Platz und immer von Emergenz bei menschlichen Ausprägungsformen bestimmter Fähigkeiten zu sprechen ist nur der Versuch, diesem eine Sonderrolle als Krone der Schöpfung zuzuschreiben.
ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Tiere können auch akkustisch kommunizieren, und Lauten bestimmte Bedeutungen zuordnen. Ein Hund wird das Heulen immer anders verstehen als ein Bellen. An Sprache ist nichts emergent.

Ich sagte ja, dass Tiere durchaus mitteilungsfähig sind. Beschreibung ist aber mehr als Mitteilung, und zwar im eben dargestellten Sinn - Mitteilung plus die Eigenschaften von Beschreibung. Ein Hund kann seinen Jungen keinen Menschen beschreiben, wenn kein Mensch anwesend ist; das Objekt muss - so Lorenz - präsent sein, um darauf "zeigen" zu können.

Und worauf deutet der Hund, wenn er heult? Teilt er nicht eine Form der Trauer mit - also eine Form von Mangel (vielleicht an Nahrung oder Rudelmitgliedern)? Tiere können auch Mängel ausdrücken - aber wie drücken sie den Mangel von etwas aus, das nicht da ist und gerade deswegen mitgeteilt wird? Wie passt das in Lorenz Konzept?
ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Es ist Schwachsinn von einem "Plus" auszugehen, ein Erstsemester in anorganischer Chemie würde dir zeigen, wieviel Einzelkomponenten in eine Reaktion schon mitreinbringen und wie vollkommen anders das Produkt sein kann - und nie gibt es da ein "Plus".

Das sieht fast schon nach quasireligiöser Gehirnwäsche aus - armer Kerl! Vielleicht bist du ja einmal der Erste, der Leben im Reagenzglas schafft - dazu müssen wir dich aber erst mal dazu bekommen, dass du dich für das Nichttriviale interessiert

Und was soll das "Nichttriviale" sein? Meiner Aufmerksamkeit entgeht nichts, was deine erfasst - wir bewerten lediglich unterschiedlich. Während du bestimmte Eigenarten gleich als völlige und unabhängige Neuschöpfung ohne Ursprung betrachtest, sehe ich welche Parallelen existieren und kenne auch die Ursprünge.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 6. Mär 2014, 17:49

ujmp hat geschrieben:Bei einem Baum geht der Ast aus dem Stamm hervor, der Zweig aus dem Ast und der Apfel aus dem Zweig. Niemand leugnet, dass es keinen Apfel ohne Stamm gibt. Es ist aber auch ziemlich absurd, wenn man das Spezifische am Apfel übersieht. Du bestellst dir "Apfelmus" zum Nachtisch und nicht "Pflanzenmus". Das ist das Absurde an der reduktionistischen Denkweise, die zuweilen Formen einer Ideologie oder Religion annimmt.

Das Absurde wäre hier den Apfel nicht mehr als pflanzlich zu betrachten - keiner hat hier gesagt, dass der Mensch nur ein Hund ist, aber er bleibt allgemein ein Tier.
Und das von Sapolsky zitierte Schlusswort ist genau das Problem: Aus einer Andersartigkeit wird ein Recht auf moralische Überlegenheit abgeleitet, auf Moral selbst - eine Illusion reiht sich an die andere, armselig.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Do 6. Mär 2014, 21:14

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Bei einem Baum geht der Ast aus dem Stamm hervor, der Zweig aus dem Ast und der Apfel aus dem Zweig. Niemand leugnet, dass es keinen Apfel ohne Stamm gibt. Es ist aber auch ziemlich absurd, wenn man das Spezifische am Apfel übersieht. Du bestellst dir "Apfelmus" zum Nachtisch und nicht "Pflanzenmus". Das ist das Absurde an der reduktionistischen Denkweise, die zuweilen Formen einer Ideologie oder Religion annimmt.

Das Absurde wäre hier den Apfel nicht mehr als pflanzlich zu betrachten - keiner hat hier gesagt, dass der Mensch nur ein Hund ist, aber er bleibt allgemein ein Tier.
Und das von Sapolsky zitierte Schlusswort ist genau das Problem: Aus einer Andersartigkeit wird ein Recht auf moralische Überlegenheit abgeleitet, auf Moral selbst - eine Illusion reiht sich an die andere, armselig.

Ach, was soll diese Klugscheißerei! Ein Apfel hat Eigenschaften die ihn vor Zweigen und Ästen auszeichnen! Das versteht normalerweise sogar ein extrem retardierter Intellekt. Und mehr habe ich auch nicht ausgesagt.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Lumen » Do 6. Mär 2014, 23:19

Dann gibt es diese vielbesagten Reduktionisten anscheinend doch. Das wird leider oft als Schimpfwort gegen alles Mögliche verwendet, wo es garnicht passt (z.B. auch gegen Dennett). Dieser, wie auch die bisherigen angeblichen Reduktionisten sind aber sowohl mit Emergenz oder Supervenienz bestens vertraut und streiten das nicht ab, wie unser etwas übereifrige Freund Nefarious hier.

Nefarious hat geschrieben:Und das von Sapolsky zitierte Schlusswort ist genau das Problem: Aus einer Andersartigkeit wird ein Recht auf moralische Überlegenheit abgeleitet, auf Moral selbst - eine Illusion reiht sich an die andere, armselig


Eine Fliege unterscheidet sich von einer Giraffe und eine Giraffe unterscheidet sich deutlich von den meisten anderen Tieren. Sapolsky meint auch nicht, der Mensch sei kein Tier, sondern die Frage ging darum ob er „bloß“ ein weiterer Primat ist, den anderen Primaten ähnlich. Oder ob, und inwiefern, der Mensch sich von anderen Primaten unterscheidet. Wenn du den Vortrag gesehen hättest, würde dir auffallen, das Saposlky es eben nicht so einfach macht. Er geht immer wieder, man könnte sagen dialektisch, zwischen zwei Blickwinkeln hin und her, einmal wo ein Verhalten sehr affenartig ist, oder sogar hamsterartig, und dann wiederum was beim Menschen anders ist. Und das ist, wie ujmp genau richtig beschreibt ein „Plus“ von unserer Warte aus (wie soll es auch anders sein). Chimpansen verüben quasi Völkermord an der Nachbargruppe, aber nur der Mensch kann Gruppen aufgrund von inneren Einstellungen erkennen und dann danach handeln (und bekanntlich auch morden). Affen habe eine Theory of Mind, die 1. Grad Intentionalität (was denkt ein anderer Affe) versteht, Menschen kommen noch so auf den 4. Grad (ich weiß, dass stine glaubt [1], dass du denkst [2], das ich finde [2], dass ujmp deine Behauptungen als haltlos ansieht [4]), vielleicht auf den 5.

ujmp hat geschrieben:Mal kurz gefasst: Die Evolution des Menschen hat verschieden Stadien durchlaufen, wobei jedes neue Entwicklungsstadium, die Elemente seines Vorgängers enthält. Komplexere Verhaltensweisen, wie du sie hier aufzählst, liegen als "offene Programme" vor. Das bedeutet, das ihr Ablauf prinzipiell genetisch programmiert ist, sie sind aber offen für Anpassungen, z.B. an die Situation, in der sie ablaufen. Diese Programme werden durch Schlüsselreize enthemmt. Diese Enthemmung folgt aber bei höheren Organismen nicht durch eine einfaches Reiz-Reaktionsmuster, wie man sich das vielleicht laienhaft vorstellt. Der Mensch zeichnet sich z.B. dadurch aus, dass er diese Programme bewusst aufrufen oder hemmen kann. Man könnte also sagen, dass wir mit den Tieren ein bestimmtes Repertoire an Verhaltensweisen (Programme) gemeinsam haben, wir haben aber zusätzliche Möglichkeiten, diese Programme zu kontrollieren.


Genau, es ist sogar so, dass der Mensch eher noch mehr Instinkte und „Programme“ hat, als weniger, die miteinander vermittelt werden. Dadurch ist unsere Vernunftbegabung nicht etwa vom Himmel gefallen ist, sondern basiert auf allen möglichen „Berechnungen“, die in der evolutionären Entwicklungsgeschichte dazu kamen. Steven Pinker nennt vier Faktoren für die Entstehung der menschlichen Intelligenz: Eine gute Vorstellung des 3D Raumes, aufrechter Gang, soziale Gruppe und die Jagd.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Fr 7. Mär 2014, 07:55

Lumen hat geschrieben:Er geht immer wieder, man könnte sagen dialektisch, zwischen zwei Blickwinkeln hin und her, einmal wo ein Verhalten sehr affenartig ist, oder sogar hamsterartig, und dann wiederum was beim Menschen anders ist. Und das ist, wie ujmp genau richtig beschreibt ein „Plus“ von unserer Warte aus (wie soll es auch anders sein).

Das ist nicht nur ein relatives Plus -"von unserer Warte aus" - es ist ein absolutes Plus. Selbst wenn man z.B. Sprache so definieren würde, dass man sie graduell einer Amöbe zuschreiben könnte, wäre es eben ein erheblicher gradueller Unterschied, ein absolutes Plus. Man würde den Menschen inadäquat beschreiben, wenn man diesen Unterschied nicht zum Ausdruck bringen würde. Man kann das menschliche Verhalten nicht verstehen, wenn man diesen Unterschied ignoriert.

Lumen hat geschrieben:Genau, es ist sogar so, dass der Mensch eher noch mehr Instinkte und „Programme“ hat, als weniger, die miteinander vermittelt werden.

Eine neue Qualität entsteht nicht durch mehr oder weniger Einzelteile, daraus könnte nur eine neue Quantität entstehen. Der springende Punkt ist eine neue Kombination dieser Einzelteile; die Kombination ist das eigentlich Neue und dass durch genau diese Kombination eine neue Qualität entsteht. Z.B. ist in einer Dreiecksverbindung die Position der Eckpunkte zueinander fixiert, was man von keinem anderen Vieleck sagen kann. Die Stabilität von Fachwerken beruht auf diesen Dreiecksverbindungen. Das ist m.E. eine emergente Eigenschaft, die sich nicht aus den allgemeinen Eigenschaften von Vielecken erklären lässt.

Bild


Lumen hat geschrieben:Steven Pinker nennt vier Faktoren für die Entstehung der menschlichen Intelligenz: Eine gute Vorstellung des 3D Raumes, aufrechter Gang, soziale Gruppe und die Jagd.

Das reicht natürlich nicht, denn all dies trifft auch auf viele Tiere zu, z.B. auf Wölfe oder Paviane. Irgendwann kommen die Amis zwangläufig dort an, wo Popper vor 50 Jahren war, können wir hier nicht lieber gleich an diesem Punkt weiterdenken. :mg:
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon stine » Fr 7. Mär 2014, 08:04

Lumen hat geschrieben:Affen habe eine Theory of Mind, die 1. Grad Intentionalität (was denkt ein anderer Affe) versteht, Menschen kommen noch so auf den 4. Grad (ich weiß, dass stine glaubt [1], dass du denkst [2], das ich finde [2], dass ujmp deine Behauptungen als haltlos ansieht [4]), vielleicht auf den 5.

Das ist der Grund, warum Menschen zum Journalismus fähig sind.

:mg: stine
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Fr 7. Mär 2014, 21:56

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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Sa 8. Mär 2014, 10:16

Darth Nefarius hat geschrieben:Und worauf deutet der Hund, wenn er heult? Teilt er nicht eine Form der Trauer mit - also eine Form von Mangel (vielleicht an Nahrung oder Rudelmitgliedern)? Tiere können auch Mängel ausdrücken - aber wie drücken sie den Mangel von etwas aus, das nicht da ist und gerade deswegen mitgeteilt wird? Wie passt das in Lorenz Konzept?

Erstmal: Lorenz verklickert a) in dem Buch nicht einfach nur seine persönlichen Konzepte und ich bin b) auch nicht sein Prophet. Ich gehöre zu dem Menschenschlag, der wenig Wert darauf legt, mit jemandem einer Meinung zu sein, obwohl es ein angenehmes Gefühl ist, verstanden zu werden. c) Behauptet niemand, dass Lorenz oder ähnlich denkende Menschen den Stein der Weisen gefunden haben - sie machen nur deutlich, dass der naive Reduktionismus ihn ganz gewiss auch nicht hat!

Tiere können ihren Artgenossen auch etwas mitteilen, keine Frage. Mitteilen allein definiert aber noch nicht das, was wir normalerweise unter Sprache verstehen. Der Tenor in Lorenz' Buch ist ja immer, dass etwas Bestehendes z.B. durch Rekombination neue Eigenschaften hervorbringt. Im Fall der Sprachfähigkeit gibt es zwischen Mensch und Tier einen objektiven Unterschied, den er im Abschnitt "Die Wurzeln des Begrifflichen Denkens" (8. Tradition) bespricht, hab's nochmal rausgesucht.

Tiere können nur objektgebundene Mitteilungen machen, d.h. das Demonstrationsobjekt muss vom Mitteilungspartner unmittelbar wahrgenommen werden. Ein Dohle kann eine andere Dohle nur vor einer Katze warnen, wenn diese die Katze sieht. Sie kann im Gegensatz zu Menschen, eine Katze nicht beschreiben. Tiere können daher kein überindividuelles Wissen ansammeln, z.B. Darstellungen und Erzählungen von Katzen tradieren.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 17. Mär 2014, 17:29

Interessant deine Rhetorik zu betrachten - Phase 1: Zurückrudern/Rechtfertigung:
ujmp hat geschrieben:Erstmal: Lorenz verklickert a) in dem Buch nicht einfach nur seine persönlichen Konzepte und ich bin b) auch nicht sein Prophet. Ich gehöre zu dem Menschenschlag, der wenig Wert darauf legt, mit jemandem einer Meinung zu sein, obwohl es ein angenehmes Gefühl ist, verstanden zu werden. c) Behauptet niemand, dass Lorenz oder ähnlich denkende Menschen den Stein der Weisen gefunden haben - sie machen nur deutlich, dass der naive Reduktionismus ihn ganz gewiss auch nicht hat!

Phase 2: Wiederholung:
ujmp hat geschrieben:Tiere können ihren Artgenossen auch etwas mitteilen, keine Frage. Mitteilen allein definiert aber noch nicht das, was wir normalerweise unter Sprache verstehen. Der Tenor in Lorenz' Buch ist ja immer, dass etwas Bestehendes z.B. durch Rekombination neue Eigenschaften hervorbringt. Im Fall der Sprachfähigkeit gibt es zwischen Mensch und Tier einen objektiven Unterschied, den er im Abschnitt "Die Wurzeln des Begrifflichen Denkens" (8. Tradition) bespricht, hab's nochmal rausgesucht. [...]

Meine Antwort:
Es ist eins zu sagen, dass der Reduktionismus nicht den Stein der Weisen hat, und es ist etwas anderes nahezulegen, dass der Reduktionismus absolut falsch, unbrauchbar und abschaffenswert als Betrachtungsweise ist - aber um es doch noch mal auf die Spitze zu treiben, wüsste ich von dir gern (jetzt nicht als Vertreter von Lorenz persönlich aber doch als derjenige, der a) eher seine Position zum Großteil teilt und b) den Reduktionismus ablehnt) was der Reduktionismus aus deiner Perspektive denn anderes sagt als dass aus Rekombination etwas "neues" entsteht??? Als Reduktionist bleibt man aber eben gelassen bei der Neuheit und kategorisiert nicht wild die ganze Literatur um, sondern legt unter Schublade 1274vfg ab, oder so. Es ist eine Frage der Perspektive und der Deutungshoheit, ob man die Neuheiten aus Rekombination, die einen selbst betreffen als ausreichend groß und relevant oder tiefgreifend betrachtet, um völlig neue Kategorien aufzustellen oder nicht! Ich halte es beispielsweise für sinnvoll erst ab einer größeren Andersartigkeit (unabhängig von dessen Konsequenzen) über neue Kategorien nachzudenken und nicht nach der subjektiven Bewertung der Wirkungen dieser Veränderung darüber zu reden. Fakt ist nunmal, dass der genetische Unterschied zwischen uns und dem Schimpansen minimal(st) ist - keine Frage, dass diese praktisch aber den Braten fett zu machen scheinen - aber muss man da wirklich schon in "Mensch" und "Rest" unterscheiden? Ein Auto ohne Spritt ist immer noch ein Auto - wir kategorisieren nicht neu wegen weniger Unterschiede (auch wenn sie praktisch sehr relevant sind - in diesem Fall machen sie den Unterschied zwischen funktionsfähig und nicht funktionsfähig). Ich sehe keinen Grund den Menschen nicht auch als Tier zu betrachten und keine konsequente Argumentation, um die "Alleinstellungsmerkmale" als völlig neu zu bewerten - das sind sie nunmal nicht, wenn man danach geht, wie stark die Andersartigkeit ist.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Mo 17. Mär 2014, 21:20

Reduktionismus ist zumindest ein cleveres Konzept. In der Physik gibt es viele gelungene Reduktionen, z.B. die Reduktion von Temperatur auf kinetische Energie. Die ganze Chemie stellt eine erfolgreiche Reduktion dar, nämlich die der stofflichen Welt auf chem. Elemente. Es gibt aber auch misslungene Reduktionen, z.B. lassen sich die Irrationalen Zahlen nicht auf Brüche von Ganzen Zahlen reduzieren, wie das die Pythagoreer tun zu können glaubten. Dieser Glaube der Pythagoreer, der durch mathematischen Beweis widerlegt wurde, ist ziemlich verwandt mit dem quasireligiösen Glauben unserer Zeit: Nur weil sich einige Dinge reduzieren haben lassen, glaubt man, dass sich alles reduzieren lässt. Die Pythagoreer waren vermutlich so angepisst, wie du grad! Wie ich bereits sagte, wenn du mal als Erster Leben im Labor aus purer Chemie geschaffen hast, dann reden wir weiter. Im Augenblick ist es aber doch so, dass das, was du über die Chemie des Lebens weißt, bestenfalls das ist, was man über die selbe Chemie des Leblosen weiß. Sprich: du kennst bestenfalls das, was die Chemie des Lebens mit der Chemie des Leblosen gemeinsam hat. Die Stoffe in deinem Reagenzglas mögen die Stoffe des Lebens sein, aber sie leben eben nicht. Die Chemie erklärt das Leben nicht!
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Di 18. Mär 2014, 08:27

Eine wichtige Frage ist z.B. ob durch Rekombination von etwas Altem etwas Neues entstehen kann und ob dieses Neue auch neuen Gesetzmäßigkeiten gehorcht, d.h. ob auch Gesetzmäßigkeiten emergieren können. Wenn das der Fall ist, kann man Leben nicht in Begriffen der Chemie erklären, Leben ist Chemie-Plus. Eine weitere Frage ist, ob man durch Auflistung der Einzelteile eines Ganzen das Ganze adäquat beschreiben kann. Eine Liste der Einzelteile eines Autos beschreibt noch kein Auto und zwar um so weniger, je detailierter die Liste ist.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 18. Mär 2014, 13:13

ujmp hat geschrieben:Es gibt aber auch misslungene Reduktionen, z.B. lassen sich die Irrationalen Zahlen nicht auf Brüche von Ganzen Zahlen reduzieren, wie das die Pythagoreer tun zu können glaubten. Dieser Glaube der Pythagoreer, der durch mathematischen Beweis widerlegt wurde, ist ziemlich verwandt mit dem quasireligiösen Glauben unserer Zeit: Nur weil sich einige Dinge reduzieren haben lassen, glaubt man, dass sich alles reduzieren lässt.

Du meinst also, dass der gesamte Reduktionismus schon dann scheitert, wenn eine(!) mögliche Herleitung scheitert? Lächerlich. Der Reduktionismus ist - wie du selbst feststellst - ein Konzept. Das bedeutet, dass man sich nach einer gescheiterten Herleitung eine neue denkt, sucht und überprüft - ein geniales Konzept und nicht abhängig vom Erfolg einer einzelnen reduktionistischen Theorie.
ujmp hat geschrieben:Die Pythagoreer waren vermutlich so angepisst, wie du grad!

Weswegen sollte ich denn angepisst sein? Wo hast du bitte bewiesen, dass der Mensch kein Tier ist? Die gesamte Biologie steht gegen dich, dessen Taxonomie den Menschen sprachlich als Tier identifiziert - der Begriff Homo sapiens sapiens entspricht der Nomenklatur für jedes andere Tier: Escherichia coli, Tyrannosaurus rex....
Es geht hier nicht darum, dass du die Evolutionstheorie widerlegt hast, sondern deine Betrachtungsweise nicht schlüssig ist - es geht hier nur um einen Disput, der auf die Wortwahl zurückzuführen ist.
ujmp hat geschrieben:Wie ich bereits sagte, wenn du mal als Erster Leben im Labor aus purer Chemie geschaffen hast, dann reden wir weiter.

Wieso als Erster? Es gibt viele Ursuppenexperimente, die zeigen wie organische Verbindungen entstanden sein könnten. Die sind auch knapp 100 Jahre alt.
ujmp hat geschrieben: Im Augenblick ist es aber doch so, dass das, was du über die Chemie des Lebens weißt, bestenfalls das ist, was man über die selbe Chemie des Leblosen weiß. Sprich: du kennst bestenfalls das, was die Chemie des Lebens mit der Chemie des Leblosen gemeinsam hat. Die Stoffe in deinem Reagenzglas mögen die Stoffe des Lebens sein, aber sie leben eben nicht. Die Chemie erklärt das Leben nicht!

Klar tut sie das! Ein paar Chemikalien machen natürlich kein Leben aus - das ist auch nicht die Absicht in einem Experiment. Bei solchen nimmt man sich einen Aspekt raus und überprüft seine Theorien - nur so kann man zuverlässige Ergebnisse erhalten. Und es besteht auch kein Zusammenhang zwischen Material, welches nicht lebendig ist und der Behauptung, dass es nicht das Leben erklären könne - ja, man forscht oft mit leblosen, organischen Verbindungen (das ist oft sauberer und auf zuverlässiger aus dem oben genannten Grund), aber ich sehe nicht, wieso diese einzelnen Aspekte nicht das Leben erklären können nur weil sie einzeln selbst kein Leben bedeuten. Was du dem Reduktionisten vorwirfst, tust du eigentlich selbst: Du meinst, dass die Summe dieser Einzelteile nur Eigenschaften der Einzelteile haben kann - das tut kein Reduktionist.
ujmp hat geschrieben:Eine wichtige Frage ist z.B. ob durch Rekombination von etwas Altem etwas Neues entstehen kann und ob dieses Neue auch neuen Gesetzmäßigkeiten gehorcht, d.h. ob auch Gesetzmäßigkeiten emergieren können. Wenn das der Fall ist, kann man Leben nicht in Begriffen der Chemie erklären, Leben ist Chemie-Plus.

Da besteht kein logischer Zusammenhang - und die Fettsäuren aus dem Menschen verhalten sich nicht anders als die aus einer chemischen Reaktion. Und selbst wenn neue Eigenschaften entstehen, so sehe ich keinen zwingenden Grund für diese neuen Eigenschaften neue Erklärungsmodelle zu suchen, wenn die alten funktionieren. Ich habe es dir doch berets gesagt: 2 Substanzen, Edukte können miteinander zu einer Substanz reagieren, die ganz andere Eigenschaften besitzt - das ist Chemie und kein Mensch bei Verstand, der etwas von Chemie versteht, meint, man müsse aufgrund einer Andersartigkeit des Produktes auch eine andere Erklärung für das Novum suchen als sie durch die Zusammenführung der Edukte unter bestimmten Bedingungen gegeben ist. Wenn du 2 Farben mischst, dann bleibt das Produkt doch immer noch eine Farbe, oder nicht? Muss man etwa einen neuen Berufsstand für jede neue Farbkombination erfinden? Einen Künstler für rot, einen für grün usw.?
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon ujmp » Di 18. Mär 2014, 21:25

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Eine wichtige Frage ist z.B. ob durch Rekombination von etwas Altem etwas Neues entstehen kann und ob dieses Neue auch neuen Gesetzmäßigkeiten gehorcht, d.h. ob auch Gesetzmäßigkeiten emergieren können. Wenn das der Fall ist, kann man Leben nicht in Begriffen der Chemie erklären, Leben ist Chemie-Plus.

Da besteht kein logischer Zusammenhang - und die Fettsäuren aus dem Menschen verhalten sich nicht anders als die aus einer chemischen Reaktion.

Ja, aber die Fettsäuren alleine erklären einen Menschen nicht, sie machen ihn nicht aus. Du musst den Schritt nur groß genug wählen: Die Atomphysik erklärt nicht dein Verhalten, in einem Forum mit jemanden über philosophische Fragen zu diskutieren. Menschliches Verhalten lässt sich aber auf einer anderen Ebene verhältnismäßig leicht erklären, z.B. auf der Ebene der Psychologie oder der Kultur. Da gelten eben neue Gesetzmäßigkeiten, die in den Gesetzmäßigkeiten der Physik nicht enthalten sind, sondern aus ihnen "emergiert" sind.

Die Physik kann witzigerweise eine Dampfmaschine nicht erklären. Sie erklärt nämlich nur einige allgemeine Aspekte, die sie mit der gesamten Materie im Universum gemeinsam hat, Wärme, Arbeit usw. Aber die Konstruktion einer Dampfmaschine ist in den Gesetzen der Physik nicht enthalten, sprich, die Physik kann keine Dampfmaschine vorhersagen.
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Re: Wieviel Tier steckt im Menschen?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 18. Mär 2014, 22:11

ujmp hat geschrieben:Du musst den Schritt nur groß genug wählen: Die Atomphysik erklärt nicht dein Verhalten, in einem Forum mit jemanden über philosophische Fragen zu diskutieren. Menschliches Verhalten lässt sich aber auf einer anderen Ebene verhältnismäßig leicht erklären, z.B. auf der Ebene der Psychologie oder der Kultur. Da gelten eben neue Gesetzmäßigkeiten, die in den Gesetzmäßigkeiten der Physik nicht enthalten sind, sondern aus ihnen "emergiert" sind.

Und einiges der Psychologie lässt sich durch die (Verhaltens-)Biologie erklären (zumindest der seriöse Anteil), einiges der Biologie aus der Chemie und aus der Chemie durch die Physik..... Ich muss mich mit der Physik, der Chemie und der Biologie auskennen und kann dir sagen, dass diese Bereiche keine unterschiedlichen Gesetzesmäßigkeiten haben, sondern fließend ineinander übergehen. Der springende Punkt ist nicht das Novum, welches der Physiker nicht erklären kann und der Chemiker schon, sondern dass der Chemiker nur einen bestimmten Aspekt der Physik betrachtet; der Biologe seinerseits verwendet keine anderen Gesetzesmäßigkeiten als der Chemiker, sondern betrachtet einen bestimmten Aspekt der Chemie - diese fließenden Übergänge benötigen keine neuen Gesetzesmäßigkeiten.
ujmp hat geschrieben:Die Physik kann witzigerweise eine Dampfmaschine nicht erklären. Sie erklärt nämlich nur einige allgemeine Aspekte, die sie mit der gesamten Materie im Universum gemeinsam hat, Wärme, Arbeit usw. Aber die Konstruktion einer Dampfmaschine ist in den Gesetzen der Physik nicht enthalten, sprich, die Physik kann keine Dampfmaschine vorhersagen.

Technisch gesehen kann die Physik sehr wohl eine Dampfmaschine erklären und vorhersagen - Energien sind ineinander überführbar - hier wäre es die Ausdehnung einer Flüssigkeit beim Übergang in den Gaszustand. Der Unterschied zwischen Gas und Flüssigkeit ist die Teilchenbewegung (also die kinetische Energie) - diese im großen Maßstab lässt sich durch eine theoretische Maschine nutzen, indem man diese kinetische Energie in eine andere kinetische Energie (also beispielsweise in eine lineare Bewegung) umleitet.
Die Physik kann also (wenn man genug Ahnung von ihr hat) ebenso wie die Chemie, die Biologie genügend erklären und vorhersagen. Oder hast du noch mehr absurde Beispiele, wo die Physik etwas nicht kann (oder die Biologie oder Chemie)? Ich meine, dass du nicht weiterkommst, wenn du die Erklärungen einfach leugnest - es gibt sie und sie werden anerkannt. Wäre dem nicht so, hätten die Religiösen noch die Deutungshoheit für sich beansprucht.
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