Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon HF******* » Mo 4. Jun 2007, 10:02

Ich schließe mich den Ausführungen von Sisyphos an.
Ein Naturrecht gibt es in der Ethik nicht. Ethik und Moral bleiben immer abhängig von der menschlichen Wertung, von dem zu erreichenden Ziel und von der Bereitschaft, hierfür Einschränkungen hinzunehmen.

Man müsste vielleicht erst mal schreiben, was man unter „Nächstenliebe“ oder „allgemeingültig“ vertsteht, damit wir nicht aneinander vorbei reden.

Wenn Tolle etwas von einem „Energiekörper“ schreibt dann hört sich das für mich an wie die Phantasievorstellungen von Rudolf Steiner. Entweder denken diese Leute so diffus oder sie versuchen über die Macht der selbstdefinierten Begriffe andere auszuspielen: Wenn jemand merkwürdige Wörter verwendet und sich bei jedem Wort die Selbstdefinition vorbehält, etwa weil ein Wort ansich missverständlich ist, dann kann man nicht mehr vernünftig miteinander reden.

Unter „Spiritiualität“ kann man zwischen zwischen abergläubigem Wahnsinn und Besinnung auf die eigenen Emotionen so ziemlich alles verstehen.

Schreibt doch einfach mal konkreter, das verhindert Missverständnisse.
Zuletzt geändert von HF******* am Mo 4. Jun 2007, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Sisyphos » Mo 4. Jun 2007, 10:10

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Sisyphos hat geschrieben:Ein aufgeklärter Geist macht keinen Unterschied zwischen fundamental verstandenen Religionen und politischen Ideologien. Beide streben sie etwas Absolutes an (Himmelreiche, tausendjährige Reiche, Ende der Geschichte) und opfern Menschenleben und Lebensglück in der Gegenwart (Kreuzzüge und Weltkriege, Ketzerverbrennung und Konzentrationslager, Höllenangst und Stasi-Kontrolle etc.).

100%ige Übereinstimmung. :up:


Prima! :mg:

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Dort wurden ideologisierte, intolerante, kreuzzüglerische Atheisten illustriert.


Ich denke nicht, dass einer der angesprochenen Wissenschaftler oder Philosophen gegenüber igendeiner Person intolerant auftritt. Wenn jemand den Glauben ablehnt und gegen seine unwissenschaftlichen und z.T. unmenschlichen Ausprägungen argumentiert, lässt sich daraus keine Intoleranz ableiten.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Mit anderen Worten: Es taugt nicht viel, wenn man Hitlers propagandistischen Äußerungen von 1920 auf den Leim geht und ihm darauf aufbauend Religiosität unterstellt.


Zumindest kann man ihm keine Nicht-Religiosität unterstellen.

Was ist mit den weiteren von mir oben angeführten Argumenten in diesem Zusammenhang?
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 11:24

Sisyphos hat geschrieben:Ich denke nicht, dass einer der angesprochenen Wissenschaftler oder Philosophen gegenüber igendeiner Person intolerant auftritt. Wenn jemand den Glauben ablehnt und gegen seine unwissenschaftlichen und z.T. unmenschlichen Ausprägungen argumentiert, lässt sich daraus keine Intoleranz ableiten.

In einem anderen Thread wurde erwähnt, dass Hitchens einen Krieg zur Ausrottung aller vernagelten Gottesgläubigen führen will und darum auch für den Irak-Krieg ist. Bei so einer Haltung wird auf die Person keine Rücksicht mehr genommen.

Sisyphos hat geschrieben:Zumindest kann man ihm keine Nicht-Religiosität unterstellen.

Nein, aber aus dem zitierten Statement läß sich keinerlei Religiosität Hitlers ableiten, da es sich um eine taktische Vereinnahmung handelt. De facto haben die Nazis die Kirchen für ihre Zwecke mißbraucht, viele ihrer Mitglieder hinters Licht geführt, sie nach 1934 zerschlagen (DC, Bekennende Kirche, "intakte" und "zerstörte" Landeskirchen, usf) und ab 1937 offen abgelehnt und diskriminiert.

Was immer Hitlers Religiosität gewesen sein soll (offiziell ist er glaubich nie aus der katholischen Kirche ausgetreten), christlich scheint sie jedenfalls nicht gewesen zu sein. AFAIK war er persönlich von Nietzsche (und natürlich seinen WK1-Erfahrungen) geprägt.

Sisyphos hat geschrieben:Was ist mit den weiteren von mir oben angeführten Argumenten in diesem Zusammenhang?

Auf die wollte ich eigentlich nicht eingehen, weil sie zu einer ausufernden Debatte führen könnten, aber gut:

Dazu zitiere ich aus den 10 Angeboten des evolutionären Humanismus (Schmidt-Salomon: 2006): "Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten - es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen! Wer in der Nazidiktatur nicht log, sondern der Gestapo treuherzig den Aufenthaltsort jüdischer Familien verriet, verhielt sich im höchsten Maße unethisch - im Gegensatz zu jenen, die Hitler durch Attentate beseitigen wollten, um Millionen von Menschenleben zu retten. Ethisches Handeln bedeutet keineswegs, blind irgendwelchen moralischen Geboten oder Verboten zu folgen, sondern in der jeweiligen Situation abzuwägen, mit welchen positiven und negativen Konsequenzen eine Entscheidung verbunden wäre."

Du machst hier folgendes: Du erhebst zunächst einen ethischen Maßstab (10 Gebote des evolutionären Humanismus) und urteilst damit diejenigen, die sich während des 3. Reiches "politisch korrekt" verhalten haben, ab.
Das ist eine Vorgehensweise, die christliche Dogmatiker sonst von Atheisten immer vorgeworfen bekommen. Aber im Atheismus läßt sich keine Ethik, und sei sie noch so humanistisch, als allgemeiner Maßstab (und schon gar nicht in solch einer gesellschaftlichen Extremsituation wie dem Nazi-Totalitarismus) begründen.
Das einzige, mir bekannte, wenigstens einigermaßen plausible Argument für verbindliche atheistische Richtwerte besteht darin, sich auf gewisse fatale geschichtlichen Erfahrungen zu berufen. Die aber wurden während des 3.Reiches erst gemacht!
Dh, das Verhalten der Mitläufer oder Angstgeplagten in den Dreißiger Jahren zu verurteilen ist nicht nur fragwürdig, sondern auch zirkulär.

Wenn sich heute noch Christen für den Religionsunterricht aussprechen, um durch Werteindoktrination einen neuen Nationalsozialismus zu verhindern, ist das ein Treppenwitz der Geschichte.

Wenn es das wirklich geben sollte, dann gäbe ich Dir recht.
Aber ich glaube weder, dass der Religionsunterricht einen neuen Nationalsozialismus verhindern könnte, noch, dass dort Werte indoktriniert weden sollen. Das ist schlicht nicht die Aufgabe des Religionsunterrichts - und ein Lehrer, der so agieren würde, riskiert genausogut einen "call" zum Direx aufgrund aufgebrachter Eltern wie ein Ethiklehrer, der in seinem Fach versucht, religiöse Auffassungen zu diskreditieren.
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Beitragvon HF******* » Mo 4. Jun 2007, 11:27

Fishermans schrieb:
… Umgekehrt haben die sich atheistischen Regimes, welche eine bestimmte Ethik favorisierten, nicht gerade als besonders flexibel bei deren Weiterentwicklung erwiesen. …


Ein wichtiger Gedanke. Natürlich hat jemand, der Atheist ist, nicht automatisch tolerante Moralvorstellungen: Die Frage, ob jemand Atheist ist oder Theist, sagt so abstrakt über die Moralvorstellungen nichts aus.

Bei einer naturalistischen Ethik sollte sich zumindest eine rationale Vorgehensweise in der Ethik niederschlagen.
Ich ziehe insofern die Unterscheidung in harte und weiche Werte vor, wobei ich als hart die Werte bezeichnen würde, die für ein friedliches Zusammenleben zwingend erforderlich sind (weitgehend im Strafrecht niedergeschrieben) und den Werten, die quasi beliebig sind und von denen relativ unproblematisch abgewichen werden kann: Bezüglich dieser Werte würde ich eine gewisse Toleranz voraussetzen. Ein weicher Wert wäre z. B. Vorstellung über die selbstbestimmte Sexualmoral zwischen Erwachsenen.

Den meisten Religionen ist bezüglich der weichen Werte eine gewisse Intoleranz eigen.
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 13:29

HFRudolph hat geschrieben:Den meisten Religionen ist bezüglich der weichen Werte eine gewisse Intoleranz eigen.

Tendenziell kann ich mich dieser Meinung anschließen (wobei ich, wenn ich an indische Weisheitsreligionen und den Buddhismus denkend, bei dem Wort "meisten" einige Zweifel hege).
Aber generell ist es sicher so, dass gerade die weichen Werte insbesondere von jungen, aufstrebenden Religionen gerne verbindlich festgesetzt werden.
Das war übrigens auch bei der Bekehrung der Germanen in Deutschland so, dass die Missionare (keine weltgewandten römischen Christen, weil die als Waschlappen verachtet wurden, sondern knallharte keltische Burschen) bei den harten Werten der Missionierten kaum einen Stich machen konnten - in Sachen Kriegslust, Märzfeld, feindliche-Schädel-zu-Trinkbecher-umarbeiten, Blutrache blieb erst mal alles beim Alten -, aber dafür bei den weichen (Ehemoral, Kultstätten, Bräuche)... was fatale Konsequenzen hatte, bis heute. :
igitt:
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Beitragvon Sisyphos » Mo 4. Jun 2007, 14:08

Fisherman's Fellow hat geschrieben:In einem anderen Thread wurde erwähnt, dass Hitchens einen Krieg zur Ausrottung aller vernagelten Gottesgläubigen führen will (...)


In diesem Thread habe ich offenbar nicht mitdiskutiert oder ihn nur oberflächlich gelesen. Wenn Hitchens das tatsächlich so gesagt hat, ist das zu kritisieren. Eine solche Haltung kann ich nicht dulden.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nein, aber aus dem zitierten Statement läß sich keinerlei Religiosität Hitlers ableiten, da es sich um eine taktische Vereinnahmung handelt.


Eine taktische Vereinnahmung ist sehr plausibel. Sicher muss man da differenzieren. Aber aus welchem Grund half die katholische Kirche noch nach dem Krieg verschiedenen Nazifunktionären bei ihrer Flucht nach Lateinamerika?

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Was immer Hitlers Religiosität gewesen sein soll (offiziell ist er glaubich nie aus der katholischen Kirche ausgetreten), christlich scheint sie jedenfalls nicht gewesen zu sein. AFAIK war er persönlich von Nietzsche (und natürlich seinen WK1-Erfahrungen) geprägt.


Ein ideologisches Amalgam: Rassenideologie, germaische Mythologie, christliche Versatzstücke, ein fehlinterpretierter Nietzsche ... Jedenfalls hatte das Ergebnis die Wirkung einer fundamental verstandenen Religion. Und da sind wir bei unserer schon oben festgestellten Übereinstimmung.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Aber im Atheismus läßt sich keine Ethik, und sei sie noch so humanistisch, als allgemeiner Maßstab (und schon gar nicht in solch einer gesellschaftlichen Extremsituation wie dem Nazi-Totalitarismus) begründen.


Das einzige, was der Atheismus zur Begründung einer Ethik vorgibt, ist die fehlende Möglichkeit, sich auf einen Gott zu berufen, der Werte vorgibt und darauf achtet, dass sie eingehalten werden. Daraus folgt der Zwang, Ethiken selbst auszuhandeln.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das einzige, mir bekannte, wenigstens einigermaßen plausible Argument für verbindliche atheistische Richtwerte besteht darin, sich auf gewisse fatale geschichtlichen Erfahrungen zu berufen. Die aber wurden während des 3.Reiches erst gemacht!


Fatale geschichtliche Erfahrungen wurden auch vor dem 3. Reich schon gemacht. Unter dem Banner der Religion wurde viel Unheil angerichtet. Gotteskrieger waren aktiv, Glaubenskritiker wurden gefoltert und hingerichtet. Die Indianer wurden entweder missioniert (Südamerika) oder ausgerottet (Nordamerika). Die Geschichtsbücher sind voll davon. Neu waren nur die Mittel und damit das Ausmaß.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Wenn sich heute noch Christen für den Religionsunterricht aussprechen, um durch Werteindoktrination einen neuen Nationalsozialismus zu verhindern, ist das ein Treppenwitz der Geschichte.

Wenn es das wirklich geben sollte, dann gäbe ich Dir recht.


Ich zitiere aus einem Briefwechsel zwischen uns und dem Erzbischof von Bamberg. Ludwig Brütting (Lts. Schulamtsdirektor i.K., Ordinatsrat) stellt zur Rechtfertigung des Religionsunterrichts folgenden Zusammenhang her:

Die Väter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland haben nach dem Zusammenbruch des atheistischen Naziregimes mit den Grundrechten ein “Nie wieder” in der Verfassung verankert. Die Grundrechte bestimmen u.a. auch den Religionsunterricht nach Art. 7, Abs.3 des Grundgesetzes als ordentliches Lehrfach.


Fisherman's Fellow hat geschrieben:Aber ich glaube weder, dass der Religionsunterricht einen neuen Nationalsozialismus verhindern könnte, noch, dass dort Werte indoktriniert weden sollen. Das ist schlicht nicht die Aufgabe des Religionsunterrichts - und ein Lehrer, der so agieren würde, riskiert genausogut einen "call" zum Direx aufgrund aufgebrachter Eltern wie ein Ethiklehrer, der in seinem Fach versucht, religiöse Auffassungen zu diskreditieren.


Der Begriff der Indoktrination hat einen negativen Beigeschmack. Deshalb schauen wir zunächst in eine nüchterne Definition (Wikipedia):

Indoktrination (von lateinisch: doctrina - "Belehrung") bedeutet die gezielte Manipulation von Menschen durch gesteuerte Auswahl von Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen oder Kritik auszuschalten. Dabei geht es insbesondere um Propaganda. Die Form der Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt, die Gesamtheit der verfügbaren Informationen wird zensiert, die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten, deren Äußerung mit diskreten Benachteiligungen oder konkreten Strafen bedroht. Die Möglichkeiten, ein entsprechendes Informationsmonopol über eine große Menschenmenge zu erreichen, sind vor allem in Diktaturen gegeben. Aber auch eine unkontrollierte Monopolisierung der Massenmedien und autoritäre oder religiös motivierte Erziehungsformen können Indoktrination fördern.


Was trifft auf den Religionsunterricht zu?

gezielte Manipulation / ideologische Absichten --> Religionsunterricht ist Teil der religiösen Sozialisation, in der Kindern der Glauben ihrer Eltern vermittelt wird. Ohne gefragt zu werden, erfolgt die Taufe und Schritt und für Schritt die Vermittlung und Festigung von Glaubensinhalten. Kinder werden ohne Glauben geboren, sollen diesen aber entwickeln. Religionsunterricht verfolgt die Absicht, eine Weltanschauung und ihre Werte zu vermitteln.

gesteuerte Auswahl von Informationen / Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt / die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten --> Im Religionsunterricht überwiegen Materialien und Texte, die dazu geeignet sind, den Glauben zu bestätigen und zu festigen. Viele in Gesellschaft und Wissenschaft kontroverse Themen werden nicht kontrovers dargestellt bzw. es wird die christliche Position hervorgehoben. Religionskritische Materialien kommen nicht gleichwertig (Quantität, Qualität) zum Einsatz.

deren Äußerung mit diskreten Benachteiligungen (...) bedroht --> Das passiert auf zwischenmenschlicher Ebene. An meiner alten Schule berichteten mir Religionsschüler von mehreren Vorkommnissen.

Informationsmonopol über eine große Menschenmenge zu erreichen --> Die Kirchen halten auch deshalb so vehement am Religionsunterricht fest, um langfristig die Deutungshoheit in ethischen Fragen zu behalten und zu sichern.

religiös motivierte Erziehungsformen --> Bildung und Erziehung im Religionsunterricht ist religiös motiviert.

Ich halte den Begriff der Indoktrination durchaus für gerechtfertigt. Ginge es den Kirchen nur darum, Toleranz, Kritikfähigkeit und Humanität fördern zu wollen (wie sie es oft behaupten), dann müssten sie konsequent ein für alle Schüler verbindliches Unterrichtsfach Ethik unterstützen, in dem die Schüler nicht nach Konfessionen und Weltanschauungen getrennt werden, sondern die reale Pluralität auch im Unterricht leben, Kontroversen führen (so wie wir hier) und dadurch die Positionen des jeweils anderen verstehen lernen.
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Beitragvon taotne » Mo 4. Jun 2007, 14:55

Sisyphos hat geschrieben:gesteuerte Auswahl von Informationen / Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt / die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten --> Im Religionsunterricht überwiegen Materialien und Texte, die dazu geeignet sind, den Glauben zu bestätigen und zu festigen. Viele in Gesellschaft und Wissenschaft kontroverse Themen werden nicht kontrovers dargestellt bzw. es wird die christliche Position hervorgehoben. Religionskritische Materialien kommen nicht gleichwertig (Quantität, Qualität) zum Einsatz.
Gerechterweise muss man hier schon erwähnen, dass das nicht auf alle Religionslehrer zutrifft. Es mag tendenziell so sein, aber gerad bei unserem denk ich mir manchmal, wenn der die Sachen eh weiß und sie uns sagt, wie kann er noch Christ bzw. Katholik sein kann. Einige Sachen werden durchaus kontrovers behandelt. Explizite Religionskritik ist mir aber noch nicht untergekommen.
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 17:09

Sisyphos hat geschrieben:Eine taktische Vereinnahmung ist sehr plausibel. Sicher muss man da differenzieren. Aber aus welchem Grund half die katholische Kirche noch nach dem Krieg verschiedenen Nazifunktionären bei ihrer Flucht nach Lateinamerika?

Mir sind die Geschehnisse bekannt, aber ich kann nicht für die katholische Kirche sprechen. Ich persönlich halte Pius XII für eine äußerst zwielichtige Gestalt.

Sisyphos hat geschrieben:Ein ideologisches Amalgam: Rassenideologie, germaische Mythologie, christliche Versatzstücke, ein fehlinterpretierter Nietzsche ... Jedenfalls hatte das Ergebnis die Wirkung einer fundamental verstandenen Religion. Und da sind wir bei unserer schon oben festgestellten Übereinstimmung.

Ah, verstehe. Darauf wolltest Du hinaus.

Sisyphos hat geschrieben:Ich zitiere aus einem Briefwechsel zwischen uns und dem Erzbischof von Bamberg. Ludwig Brütting (Lts. Schulamtsdirektor i.K., Ordinatsrat) stellt zur Rechtfertigung des Religionsunterrichts folgenden Zusammenhang her:
Die Väter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland haben nach dem Zusammenbruch des atheistischen Naziregimes mit den Grundrechten ein “Nie wieder” in der Verfassung verankert. Die Grundrechte bestimmen u.a. auch den Religionsunterricht nach Art. 7, Abs.3 des Grundgesetzes als ordentliches Lehrfach.

Aus dem von Dir angegebenen Zitat ist nicht ersichtlich, wie Brüttning das "Nie wieder" und den "Religonsunterricht als grundgesetzlich geschütztes Lehrfach" miteinander in Beziehung setzt. Könntest Du mal etwas ausführlicher zitieren?

Indoktrination (von lateinisch: doctrina - "Belehrung") bedeutet die gezielte Manipulation von Menschen durch gesteuerte Auswahl von Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen oder Kritik auszuschalten. Dabei geht es insbesondere um Propaganda. Die Form der Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt, die Gesamtheit der verfügbaren Informationen wird zensiert, die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten, deren Äußerung mit diskreten Benachteiligungen oder konkreten Strafen bedroht. Die Möglichkeiten, ein entsprechendes Informationsmonopol über eine große Menschenmenge zu erreichen, sind vor allem in Diktaturen gegeben. Aber auch eine unkontrollierte Monopolisierung der Massenmedien und autoritäre oder religiös motivierte Erziehungsformen können Indoktrination fördern.

Was trifft auf den Religionsunterricht zu?

gezielte Manipulation / ideologische Absichten --> Religionsunterricht ist Teil der religiösen Sozialisation, in der Kindern der Glauben ihrer Eltern vermittelt wird. Ohne gefragt zu werden, erfolgt die Taufe und Schritt und für Schritt die Vermittlung und Festigung von Glaubensinhalten. Kinder werden ohne Glauben geboren, sollen diesen aber entwickeln. Religionsunterricht verfolgt die Absicht, eine Weltanschauung und ihre Werte zu vermitteln.

Dass im Unterricht - ob Reli, Sozialkunde, Englisch, Physik (!) oder Deutsch - Weltanschauungen und Werte vermittelt werden, ist sebstverständlich und betreffen das Wesen von "Information".
Eine gezielte Manipulation ist damit noch nicht erreicht.
Ob eine Ideologisierung vorliegt, lässt sich übrigens leicht überprüfen, indem man Abiturienten befragt, welche Werte sie bezüglich Religion, Glaube, Wunder, und was sonst noch alles an religiösem Gut manipulativ im RU verbreitet wird, übernommen haben.
Wenn sich herausstellt, dass zB 85% der Schüler angeben, dass Jesus Christus leiblich auferstanden sei, dass gleichgeschlechtlicher Sex genauso wie Sodomie ein Zeichen für die Gefallenheit des Menschen unter die Sünde Adams und dass Abtreibungen ein Greuel sind, dann besteht höchstwahrscheinlich eine manipulative Beeinflussung.

gesteuerte Auswahl von Informationen / Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt / die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten --> Im Religionsunterricht überwiegen Materialien und Texte, die dazu geeignet sind, den Glauben zu bestätigen und zu festigen.

Gewiss, schließlich richtet sich der Religionsunterricht vorzugsweise an die Anhänger des betreffenden Glaubens. Es käme auch keiner auf die Idee, im Mathematikunterricht von Bienchen und Blümchen zu sprechen.

Viele in Gesellschaft und Wissenschaft kontroverse Themen werden nicht kontrovers dargestellt bzw. es wird die christliche Position hervorgehoben. Religionskritische Materialien kommen nicht gleichwertig (Quantität, Qualität) zum Einsatz.

Es ist Aufgabe des RU, kontroverse Themen auch kontrovers zu diskutieren - das ergibt sich schon aus seiner Eigenschaft als öffentlichem Lehrfach. Wo es anders praktiziert wird, ist der Unterricht schlicht schlecht gemacht und gehört hinterfragt. - Darin, dass mögliche christliche Positionen ("die" christliche Position gibt es meistens ja gar nicht, da jeder Glaubende seine eigene Einstellung erst in freier Selbstverantwortung finden muss) zu eruieren versucht werden, sehe ich nichts Verwerfliches, immerhin heißt das Fach "Religion".

deren Äußerung mit diskreten Benachteiligungen (...) bedroht --> Das passiert auf zwischenmenschlicher Ebene. An meiner alten Schule berichteten mir Religionsschüler von mehreren Vorkommnissen.

Das ist nicht ein Problem des Schulfaches, sondern des Lehrers und darf natürlich nicht passieren. Solche Beschwerden sind mir noch nicht zu Ohren gekommen. Ich weiß aber von mehreren Fällen, in denen ein liberaler Religionslehrer evangelikale Schüler, die ihm auf die Nerven gingen, benachteiligte.
Wie auch immer: Als Lehrer bekommt man Geld dafür, dass man genug Kompetenz aufbringt, um solche Situationen zu entschärfen.

Informationsmonopol über eine große Menschenmenge zu erreichen --> Die Kirchen halten auch deshalb so vehement am Religionsunterricht fest, um langfristig die Deutungshoheit in ethischen Fragen zu behalten und zu sichern.

Sorry - von Informationsmonopol kann wohl keine Rede sein. Religion ist gerade mal ein Fach, und alle anderen werden von Staatsbediensteten vermittelt. Sind die etwa "weltanschaulich neutral"?
Der Unterschied zwischen einem staatlichen "Lebenskunde"-Unterricht und Religion ist viel mehr der, dass im ersteren Fall der Staat es ist, welcher die totale Deutungshoheit an den Schulen an sich reißt - darum ging es höchstwahrscheinlich bei dem "nie wieder!" nach dem dritten Reich, dass dieser Mißstand verhütet werden sollte - während im zweiten Fall de facto Pluralität herrscht, da die Schüler, wenn ihnen zB Ev.Reli nicht paßt, nach Kath. Reli oder Ethik wechseln können und somit gerade in den oberen Klassenstufen echte Wahlfreiheit existiert.
Wer diese Pluralität nicht will, zeigt m.E. entweder einen fatalen Hang zum Etatismus - Schäuble lässt grüßen - oder aber ein Ressentiment gegen Religionen als minderwertige Lebenseinstellung.

religiös motivierte Erziehungsformen --> Bildung und Erziehung im Religionsunterricht ist religiös motiviert.

Richtig, und das halte ich für ein Glück. Denn eine Religion ist eben mehr als eine Weltanschauung, und Religionsunterricht betrifft deshalb auch Kommunikationsformen und Bereiche, die am schulischen Alltag sonst nicht vorkommen und oft auch im Privatleben nicht. Ich persönlich habe den Religionsunterricht in den oberen Klassen bei einem sehr mutigen Lehrer erfahren. Seine Methoden waren gewagt und erinnerten ein wenig an den "Club der toten Dichter". Tabus fielen, und es kamen Sachen zur Sprache, die sich ein Staatsdiener niemals erlauben würde. Ich habe damals begriffen, was die Freiheit des Evangeliums bedeutet, und deshalb kommt mir das ganze Gerede von wegen manipulativer und indoktrinierender RU so unglaublich vorgestrig vor.
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Beitragvon Sisyphos » Mo 4. Jun 2007, 18:27

Warum ist bekenntnisorientierter Religionsunterricht an der staatlichen Schule überhaupt notwendig, ....

wenn angeblich nur über Religion informiert werden soll (was Ethik auch tut),
wenn Kontroversen abgebildet werden (was Ethik auch tut),
wenn christliche Glaubensinhalte bei einer Abiturientenbefragung möglicherweise gar nicht vorhanden wären,
wenn gläubige Schüler ein viel besseres Angebot religiöser Erziehung in ihrer Gemeinde erfahren und
wenn Religionslehrer sich angeblich fast alle weltanschaulich neutral verhalten (was in Ethik auch der Fall ist)?

Was bleibt dann noch übrig als Rechtfertigung für den Religionsunterricht?
Wozu das ganze Theater?

Und dass der Staat die Deutungshoheit an staatlichen Schulen besitzt (Fächerkanon, Stundentafel, Lehrpläne), das ist ja wohl das Mindeste, das ich von einem säkularen, weltanschaulich neutralen Staat erwarten kann.

Zudem:

schließlich richtet sich der Religionsunterricht vorzugsweise an die Anhänger des betreffenden Glaubens.


Es ist doch wohl eher so, dass sich der Religionsunterricht an jene richtet, die von ihren Eltern zu Anhängern deren Glaubens herangezogen werden sollen.

Du bist mir ausgewichen:

Mit welchem Recht werden Kinder in einem Alter, in dem sie noch gar nicht selbstständig darüber befinden können, zu einem Glauben erzogen? Wäre es nicht viel fairer und vernünftiger den Kindern gegenüber, sie erst in einem Alter vor die Wahl bezüglich verschiedener Weltanschuungen zu stellen, in dem sie frei darüber entscheiden können?

Ich betrachte den Religionsunterricht nur als Fortsetzung der Glaubensindoktrination im frühen Kindesalter bzw. als flankierende Maßnahme ohnehin stattfindender religiöser Erziehung.

Betrachte ich das Problem politisch, sehe ich im Religionsunterricht an staatlichen Schulen eine Verletzung des Prinzips der Trennung von Staat und Religion.
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Beitragvon Kurt » Mo 4. Jun 2007, 19:07

Sisyphos hat geschrieben:Mit welchem Recht werden Kinder in einem Alter, in dem sie noch gar nicht selbstständig darüber befinden können, zu einem Glauben erzogen? Wäre es nicht viel fairer und vernünftiger den Kindern gegenüber, sie erst in einem Alter vor die Wahl bezüglich verschiedener Weltanschuungen zu stellen, in dem sie frei darüber entscheiden können?


Natürlich stimme ich dir im Wesentlichen zu dem Thema zu. Aber den meisten Eltern fehlt es einfach an der notwendigen Erkenntnis, ihre Weltanschauung als falsch zu erkennen. Und vernünftigerweise wollen sie, dass ihre Kinder auch das lernen, was sie (die Eltern) für richtig halten. Selbst wenn sie wissen, dass das eigene Wissen mangelhaft ist, was bringt es? Welche Teile des mangelhaften Wissens sollen auf die Kinder übertragen werden und welche nicht? Wir im Forum sind uns als Brights darüber einig, dass Religion nicht vermittelt werden sollte. Mit anderen Leuten bin ich mir einig, dass linkes Gedankengut nicht verbreitet werden sollte. Welche Autorität sollte hier noch das Recht haben, über das zu vermittelnde Wissen zu bestimmen? Wir müssen das (wohl oder übel) den Eltern selbst überlassen. Auch in dem Bewusstsein, dass die Kinder viel Unsinn eingetrichtert kriegen. Das wichtigste ist IMO, dass den Kids die selbstständige Denkfähigkeit nicht genommen wird. Aber die Erziehung der Kinder kann nicht mit selbstständigem Denken beginnen. Die Grund"fakten" des Lebens müssen sie einfach unhinterfragt eingeimpft bekommen. Hinterfragen müssen sie dann später.
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Beitragvon Klaus » Mo 4. Jun 2007, 19:11

Das geht jetzt aber alles sehr off topic, also entweder back oder neuen Thread aufmachen :^^:
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Beitragvon Sisyphos » Mo 4. Jun 2007, 19:24

Das ist eine Grundfrage, die ich gern von christlicher Seite beantwortet haben möchte. Es geht dabei weniger um die individuellen Gründe der Eltern, sondern um eine Rechtfertigung der Kirchen. Ich halte den Ritus der Taufe inkl. allem folgenden, für absurd.

Natürlich kann der Staat in dieser Frage nicht in die Elternhäuser hineinregieren. Aber er sollte das nicht auch noch in seinen Schulen unterstützen.


Edit: Uuups. Sorry. War mein letzter Beitrag dazu.
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Beitragvon Klaus » Mo 4. Jun 2007, 19:42

Muss ja nicht dein letzter Beitrag dazu sein, mach nen Thread auf und ich verschiebe das ganze. :^^:
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 20:42

Sisyphos hat geschrieben:Warum ist bekenntnisorientierter Religionsunterricht an der staatlichen Schule überhaupt notwendig, ....

wenn angeblich nur über Religion informiert werden soll (was Ethik auch tut),

Unterschied zwischen Innen- und Außenperspektive: Wenn ich eine Feuerwehrspritze erklärt bekomme, macht es auch einen großen Unterschied, ob ich Mitglied in der Feuerwehr bin oder nicht.

Sisyphos hat geschrieben:wenn christliche Glaubensinhalte bei einer Abiturientenbefragung möglicherweise gar nicht vorhanden wären,

Ich hatte Reli im Abi als mündliches Prüfungsfach. Es war geil.

Sisyphos hat geschrieben:wenn gläubige Schüler ein viel besseres Angebot religiöser Erziehung in ihrer Gemeinde erfahren und

Hier liegt der Hase im Pfeffer, und ich halte das auch für ein starkes Argument, warum auch Atheisten an einem öffentlich-rechtlichen Religionsunterricht interessiert sein sollten:
Tatsache ist, dass das Gemeindeangebot für Jugendliche in 90% von allen Fällen schlechter ist als der Religionsunterricht. Denn viele Pfarrer sagen: Was solls - wir haben doch den Religionsunterricht!
Wenn dieser nun gekippt würde, wären die Kirchen gezwungen, ein eigenes, nicht mehr öffentlich-rechtliches Angebot für Jugendliche aufzubauen. Das würden sie mit Sicherheit auch leisten: Sonntagsschulen, Freizeiten, kirchlicher Nachmittagsunterricht. Wenn man die historischen und organisatorischen Beispiele betrachtet, ist folgender Trend vorherzusehen: Ein Teil der Jugendlichen wird aus Desinteresse nicht hingehen und aus der kirchlichen Sphäre ausscheiden. Die übrigen aber werden genau das erfahren, was Du dem Reliunterricht unterstellst, weil keine öffentlich-rechtliche Kontrolle mehr besteht: eine religiös-christliche Kaderschmiede, und zwar echt attraktiv gemacht, mit regelmäßigen Jugendgottesdiensten, in denen wenigstens jedes Mal ein Drittel der Teilnehmer bei speziell geschulten Leuten ein persönliches Bekenntnis mit Beichte und feste glaubensbekennendem Hurra ablegen werden. Viele amerikanische Kirchen warten schon darauf, dass die deutschen Christen die von ihnen angebotene Hilfe in Sachen Bimsung endlich annehmen.

Sisyphos hat geschrieben:wenn Religionslehrer sich angeblich fast alle weltanschaulich neutral verhalten (was in Ethik auch der Fall ist)?

Niemand verhält sich weltanschaulich neutral und am allerwenigsten der, welcher das von sich behauptet.

Sisyphos hat geschrieben:Was bleibt dann noch übrig als Rechtfertigung für den Religionsunterricht?

Siehe oben. Abgesehen davon ist der RU ein gutes Mittel der gegenseitigen Kontrolle von Staat und Kirche. Nicht, dass die Kirchen den Staat am totalitär-Werden hindern könnte oder dass der Staat eine Kirche hindern könnte, sich in ein dogmatisches Bollwerk zu verwandeln, aber am Indikator "Religionsunterricht" ist doch sehr fein zu spüren, wohin die Reise geht.

Sisyphos hat geschrieben:Und dass der Staat die Deutungshoheit an staatlichen Schulen besitzt (Fächerkanon, Stundentafel, Lehrpläne), das ist ja wohl das Mindeste, das ich von einem säkularen, weltanschaulich neutralen Staat erwarten kann.

Ich weiß nicht, wer Dir die Mär vom weltanschaulich neutralen Staat erzählt hat, aber die ist in etwa so wahr wie die Behauptung, dass der Weihnachtsmann durch einen Kamin klettern kann.
Unser Staat vermittelt als Weltanschauung die heile-Welt-Botschaft von Freiheit, Demokratie und Toleranz so gebetsmühlenhaft und penetrant, dass wir schon gar nicht mehr merken, wie viele Freiheiten uns schon genommen wurden und für wie dumm wir verkauft werden.

Sisyphos hat geschrieben:Mit welchem Recht werden Kinder in einem Alter, in dem sie noch gar nicht selbstständig darüber befinden können, zu einem Glauben erzogen?

Mit dem Recht, das "elterliche Verantwortung" heißt. Kinder brauchen Glauben. Sie werden mit einem tiefen Glauben geboren, auch wenn sie dafür keinen Begriff haben. Meistens wurde ihnen im Bauch auch die Gewißheit gegeben, dass sie sehr geliebt sind. Und Religionen haben die Aufgabe, den Menschen diese Gewissheit zu bewahren und zu erneuern und in ihnen diesen Glauben heranreifen und erwachsen werden lassen, durch alle Wechselfälle des Lebens hindurch.
Genau das tut "Weltanschauungskunde" nicht.

Sisyphos hat geschrieben:Wäre es nicht viel fairer und vernünftiger den Kindern gegenüber, sie erst in einem Alter vor die Wahl bezüglich verschiedener Weltanschuungen zu stellen, in dem sie frei darüber entscheiden können?

Kinder brauchen Maßstäbe und sie brauchen eine Heimat. Wenn sie die nicht kriegen, suchen sie sich woanders welche. Viele Erwachsene, die als Kinder in dieser Hinsicht von ihren Eltern im Stich gelassen wurden, hassen ihre Eltern dafür.
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Beitragvon Sisyphos » Di 5. Jun 2007, 07:46

Ich habe in einem neuen Thread geantwortet:

http://forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?t=879
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Re:

Beitragvon peppermind » Di 4. Sep 2007, 22:37

HFRudolph hat geschrieben:...

Unter „Spiritiualität“ kann man zwischen zwischen abergläubigem Wahnsinn und Besinnung auf die eigenen Emotionen so ziemlich alles verstehen.

Schreibt doch einfach mal konkreter, das verhindert Missverständnisse.


Gern. Zurück zum Thema. (Vor allem freue ich mich, daß die Ausflüge zu Hitler und dem deutschen Schulsystem verschoben wurden.)

Unter "Spiritualität" würde ich gern verstehen, daß man eine absolute Wahrheit im Innern findet und nicht im Äußeren sucht.
"Esoterik" soll dann all das sein, was irgenwie mit nicht physikalisch/chemisch erklärbaren (und jetzt kommt mir bitte nicht mit Spitzfindigkeiten, es gibt genug, was die Physik sowieso nicht erklären kann :irre: ) Phänomenen zu tun hat und zur Erklärung irgendwelcher Glaubensinhalte herhalten muß.
"Religion" in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht eine organisierte Form der Esoterik, die Menschen die Suche nach der Wahrheit abnimmt und diese durch eine vorgefertigte klebrig süße "Pseudo-Wahrheits"-Soße ersetzt, die die Wahrheit verkleistert und nicht entschleiert.

Nun habe ich mehrfach den Begriff Wahrheit ins Spiel gebracht. Wahrheit, bzw. "absolute Wahrheit" existiert für mich - als theoretischen Physiker - auf keinen Fall im Denken. Alles, was ein Mensch denken kann, ist - da an Worte gebunden (Gefühle würde ich da nicht als etwas besseres sehen) - per Definition nicht absolut wahr. Die Frage ist dann, ob es so etwas wie absolute Wahrheit überhaupt geben kann.

Eckhart Tolle beantwortet aus seiner persönlichen Erfahrung diese Frage mit "ja" und verwendet den (vielfach üblichen) Begriff der "Erleuchtung" dafür. Die absolute Wahrheit kann nicht gedacht, sondern nur erfahren werden. Wer mir als Atheist bis hierhin überhaupt gefolgt ist (Danke) kann sich mal mit folgender Frage beschäftigen:

Wenn man im leeren Raum, so auf halbem Wege zwischen unserer Sonne und Proxima Centauri, einen Kubikmeter absolutes Vakuum herauspickt, was enthält dieser Raum dann? Physiker tendieren zu der Antwort "Vakuum ist die Summe aller virtuellen Teilchen". Oder anders gesagt: bringe ich auch nur das allerkleinste Atömchen dort hinein, gelten sofort ALLE!!!!!!!!!!!!! Gesetze der Physik, Chemie, Biologie, etc. Öh... woher kommen die bitte? Genau. DAS ist die Frage auf die Antwort.

Tolle (und wohl auch alle anderen spirituellen Lehrer) sind nun der Meinung, daß die Abwesenheit von Denken (wieder eine Warnung: damit ist nicht der Zustand gemeint, indem sich die meisten Politker befinden ! :mg: ) den Menschen nun nicht ärmer, sondern reicher macht - da er dadurch der absoluten Wahrheit näher kommt.

Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, daß es durch Meditation möglich ist, bewußtes Denken für eine längere Zeit abzuschalten. Das Resultat war eine - jetzt bekomme ich bestimmt Prügel - unglaubliche Freude am puren Dasein. Ich konnte weiterhin alles (nur viel deutlicher) wahrnehmen, nur fehlte die Identifikation damit - und damit der "Schmerz", der daraus resultiert.

Es widerstrebt mir völlig, diese absolute Wahrheit (den Reichtum des Vakuums) etwa "GOTT" zu nennen. Gott ist für mich eine Witzfigur aus einem Comic, so wie Spiderman oder Goofy. Einige Leute tun das aber - und sorgen damit kräftig für Verwirrung. Ich bevorzuge den Begriff "Spiritualität", habe aber hier bereits bemerkt, daß auch dieser Begriff für Mißverständnisse sorgt. Das liegt aber (aus meiner Sicht) systeminherent im Denken, Sprechen, Schreiben begriffen. Jeder Begriff ist also (mehr oder weniger) ungeeignet.

Ich möchte noch anmerken, daß die Abwesenheit des Denkens vermutlich den weitaus meisten Lebewesen auf diesem Planeten zueigen ist, die, ohne Einflußnahme des Menschen, mutmaßlich deutlich weniger depressiv, selbstzerstörerisch und unglücklich sind, als eben dieser. Aus meiner Sicht muß ein naturalistisches Weltbild das in Betracht ziehen. Vielleicht ist das Denken ja auch nur eine eigenartige Erbkrankheit, die einige Affen vor ein paar millionen Jahren befallen hat - und sie damit von der Wahrheit entfernt und letztlich ins Internet geführt hat. Ich wäre demnach ein kranker Affe, der versucht gesund zu werden. :ops:
Zuletzt geändert von peppermind am Mi 5. Sep 2007, 23:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Re:

Beitragvon emporda » Mi 5. Sep 2007, 03:36

peppermind hat geschrieben:Nun habe ich mehrfach den Begriff Wahrheit ins Spiel gebracht. Wahrheit, bzw. "absolute Wahrheit" existiert für mich - als theoretischen Physiker - auf keinen Fall im Denken. Alles, was ein Menschen denken kann, ist - da an Worte gebunden (Gefühle würde ich da nicht als etwas besseres sehen) - per Definition nicht absolut wahr. Die Frage ist dann, ob es so etwas wie absolute Wahrheit überhaupt geben kann.

Ich folge Dir durchaus, mich beschäftig dabei ein anderer Aspekt.
Es ist für mich richtig, das man eine jeweils höhere Ebene des Wissens, der Wahrheit nur erreichen kann, wenn man in festen Begriffen oder Worten denkt. Ohne solche festen Begriffe in großer Zahl bleibt alles Denken schwammig und fliessend, man kommt nicht weiter.

Allerdings sind Worte und Begriffe bzw. die Sprache sehr abhänging von den Lebensumständen und den dabei gemachten Erfahrungen. Ein steinzeitlicher Buschmann in Nambia hatte ganz andere Worte als ein Inuit in Nord-Canada, der etwa 40 verschiedene Begriffe nur für das Eis hatte. Mit dem Alter und der Erfahrung ändert sich außerdem noch Alles.
Folglich schafft erst die Schrift die genaue Fixierung der Worte und Begriffe, damit wird auch der Stand einer Kultur und des Wissen fixiert. Mithin ist die Schrift der Schlüssel zum Denken, ohne Sie hätte es keine Entwicklung der Kultur, keine Religion (leider), keine Kommunikation untereinander und zwischen den Stämmen, keinen Handel und Warentausch usw. nicht gegeben.

Dabei kann man die frühen Höhlenmalereien durchaus als erste Versuche einer schriftlichen Fixierung ansehen, es ging um die spirituelle Vorbereitung der Jagd zur Sicherung der Versorgung. Ohne die heutige Technik Tag für Tag ein sehr mühsames Geschäft mit hohem Verschleiß. Abgesehen von den Höhlenmalereien gibt es erste Schriftzeichen seit etwa 8000 Jahren und Schriften seit etwa 5500 Jahren. Erst von dan an begann eine enorm schnelle Entwicklung unser Kultur, eine Ende ist nicht abzusehen.

Primaten und besonders unsere nahen Verwandten haben durchaus Kulturen. Es gibt Kentnisse der Werkzeugherstellung ohne deren Vorratshaltung z.B. zum Knacken von Nüssen, zum Angeln von Insekten, Honig usw. Es gibt Kenntnisse von Heilpflanzen und Methoden bestimmte Krankheitsbilder zu beheben. Aber welche Gruppe was kann und was nicht, das ist eher rein zufällig.
Ohne Schrift ist das alles nicht fixiert, die Weitergabe an die folgende Generation dauert lange, ist mühsam und gelingt nicht immer oder nur unvollständig. Nach meiner Einschätzung werden diese Primaten in 5.000 oder 10.000 immer noch auf dem fast gleichen Stand ihrer Kulur leben - sofern der Mensch ihnen das gestattet.
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Re: Re:

Beitragvon Myron » Mi 5. Sep 2007, 13:56

peppermind hat geschrieben:Nun habe ich mehrfach den Begriff Wahrheit ins Spiel gebracht. Wahrheit, bzw. "absolute Wahrheit" existiert für mich - als theoretischen Physiker - auf keinen Fall im Denken. Alles, was ein Menschen denken kann, ist - da an Worte gebunden (Gefühle würde ich da nicht als etwas besseres sehen) - per Definition nicht absolut wahr. Die Frage ist dann, ob es so etwas wie absolute Wahrheit überhaupt geben kann.


Was soll denn eine nichtabsolute, d.i. relative Wahrheit sein?
Und zu was sollen Wahrheiten denn relativ sein? Zum Subjekt (keine Wahrheit an sich, sondern nur für mich, für uns)?
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon ostfriese » Mi 5. Sep 2007, 14:56

Spiritualität? Ist alles, was sich im Kopf abspielt und irgendwie unbeschreiblich anfühlt. :joint:
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Re: Re:

Beitragvon pyrrhon » Mi 5. Sep 2007, 17:22

peppermind hat geschrieben:Unter "Spiritualität" würde ich gern verstehen, daß man eine absolute Wahrheit im Innern findet und nicht im Äußeren sucht.

Nun ja, das ist exakt eine der beiden wesentlichsten Definitionen der Esoterik, wenn ich einmal die Fast-Food-Esoterik außen vor lasse. Also ist Spiritualität ein bestimmtes Verständnis der Esoterik.
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