Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon peppermind » Sa 2. Jun 2007, 20:01

Ich habe mich hier angemeldet, um eine Frage zu diskutieren, die für mich eine große Bedeutung innerhalb einer atheistischen Weltanschauung hat. Das ist die Frage nach SPIRITUALITÄT. Ich bin persönlich zu dem Schluß gelangt, daß Spiritualität eines externen Gottes nicht bedarf und lehne jedes Bild und jede Vorstellung von einem externen Gott ab. Trotzdem denke ich, daß es bestimmte Werte gibt, die für alles Lebende zutreffen. Diese Werte - wie zum Beispiel das Recht auf Leben oder die Liebe zu allem Lebendigen - stellen für mich eine höhere Wirklichkeit dar. Ich habe den Eindruck, daß auch Brights bestimmte Werte als Konsenz auffassen? Ich denke, diese Werte sind nicht von einem "Gott" gegeben, sondern eine Art systeminherenter Konsenz alles Lebenden. (Man kann sie übrigens spieltheoretisch ableiten.)

Ich kenne keinen Philosophen, oder vielleicht sollte ich sagen "spirituellen Lehrer", der eine klareres und vernünftigeres Weltbild hat, als Eckhart Tolle. Er stellt in seinem Buch "JETZT - die Kraft der Gegenwart" eine Art des Denkens vor, die frei ist von Haß und dem Drang zur Vernichtung des Lebens. Er schafft das, ohne dazu irgendeine Religion oder irgendeinen "Gott" zu benötigen. Das Buch hat mein Leben radikal umgekrempelt. Ich hatte zwar vorher und nachher eine atheistische Weltanschauung, war aber vorher ständig unglücklich - jetzt aber nicht mehr. Tolle stellt übrigens auch viele Aussagen aus dem Neuen Testament, die dem Ursprung nach weise gemeint waren, aber von der Kirche sinn-entleert und auf den Kopf gestellt wurden, wieder auf die Füße. Man muß es lesen, um es zu verstehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Eckhart_Tolle

Mich würde interessieren, in wie weit aus Sicht der Brights die Lehren von Eckhart Tolle in das System der Brihgts passen?

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Beitragvon Münchhausen » Sa 2. Jun 2007, 20:18

Durch das bewusste Fühlen der im jeweiligen Moment präsenten Gefühle könne man auch den so genannten „Schmerzkörper“ auflösen, eine Akkumulation von altem emotionalem Schmerz, einem in den Zellen des Körpers lebendem Energiefeld von alter, aber noch sehr lebendiger Emotion. Dabei bleibt Schmerz zurück durch jede starke negative Emotion, die nicht vollkommen angeschaut (der nicht vollkommen begegnet („faced“)), akzeptiert [1]und dann losgelassen wird. Dieses Energiefeld lebt, eine semiautonome Energieform, in den meisten Menschen. Der Schmerzkörper erscheint dabei nicht nur in individueller Gestalt, sondern hat Teil an dem Schmerz, der bei zahllosen Menschen durch die menschliche Geschichte erlitten wurde.[2]
(Wikipedia)



Erinnert an Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklich sein

Mir fehlt da Information, es steht nicht gerade sehr viel über Herrn Eckhart Tolle auf Wikipedia, vielleicht könntest du ja die Grundaussagen zusammenfassen.
Zuletzt geändert von Münchhausen am So 3. Jun 2007, 09:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kival » So 3. Jun 2007, 02:39

peppermind hat geschrieben:Trotzdem denke ich, daß es bestimmte Werte gibt, die für alles Lebende zutreffen.


Ich nicht. Es gibt Werte m. E. nicht im Sinne einer eigenständigen Existenz, falls das gemeint sein sollte.

Diese Werte - wie zum Beispiel das Recht auf Leben oder die Liebe zu allem Lebendigen - stellen für mich eine höhere Wirklichkeit dar.


Für mich nicht, alles lebendige zu lieben fällt mir schon gar nicht ein.

Ich habe den Eindruck, daß auch Brights bestimmte Werte als Konsenz auffassen?


Ich versteh nicht so ganz, was du damit sagen willst.
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Beitragvon Sisyphos » So 3. Jun 2007, 09:54

Wir hatten vor kurzem erst eine Diskussion über Werte. Ein Fazit, das ich für mich daraus mitgenommen habe, hatte ich vorgestern als Kommentar zu einem ZEIT-Artikel gepostet:

Entwicklung von Werten

Werte finden wir in der Natur nicht vor, genausowenig, wie sie gottgegeben sind. Auf Grundlage unserer subjektiven Präferenzen (Dinge und Prozesse, die wir als wertvoll erachten), die wir oft auch intersubjektiv teilen, handeln wir unsere Wertesysteme aus. Die so entstehenden Ethiken sind nicht objektiv, wohl aber intersubjektiv gültig. Verschiedene Gruppen experimentieren mit unterschiedlichen Wertesystemen und tauschen sich auch untereinander aus. Ethiken entwickeln sich also evolutionär fort. Manchmal kommt es vor, dass Gruppen ihre Werte in einen religiösen Kontext stellen und so durch Verweis auf ein imaginäres Wesen (Gott) die Einhaltung dieser Werte erzwingen. Eine Ethik, die in einem bestimmten sozialen und historischen Umfeld entstanden ist, aber durch Religion festgelegt wurde, kann sich nicht weiterentwickeln. Dogmatisch wird an ihr festgehalten, obwohl die Gesellschaft sich verändert hat. Wer heute noch seine ethische Orientierung aus Jahrtausende alten Mythen bezieht, sich im Alltag aber bei der Bedienung von Handys und Computern rational verhält, ist im 21. Jahrhundert noch nicht richtig angekommen.


Und auf Nachfrage eines Christen in der Diskussion bei ZEIT-Online habe ich folgendes geantwortet:

Ethik ohne Gott

Antwort an theologischCom:

"Zur Ethik: worauf basiert dann Ihre Ehtik, wenn nicht auf dem christlichen Menschenbild ? Hier werden Sie sich ein wenig schwer tun...."

Stimmt. Ich mache es mir weniger leicht als jemand, der sich einfach auf seit Jahrtausenden festgeschriebene Gebote beruft. Ich bin Naturalist. Mein Weltbild ist frei von Mythen und Göttern. Ich denke selbst. Eine alternative Ethik ohne Berufung auf einen imaginären Gott finden Sie zum Beispiel in den "Zehn Angeboten des evolutionären Humanismus" (Schmidt-Salomon: 2006). Jedem steht es frei, sie kritisch zu prüfen, zu verändern oder zu verwerfen. Machen Sie sich ein Bild:

http://www.epikurs-garten.de/10angebote.html

Das umreißt in etwa, auf welche Ethik sich Atheisten, Naturalisten und Humanisten einigen können. Zur generellen Generierung von Werten in menschlichen Gemeinschaften verweise ich auf meinen weiter unten stehenden Beitrag zu diesem Thema.
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Beitragvon Andreas Müller » So 3. Jun 2007, 11:32

Hier eine Liste von menschlichen Universalien, das, was die meisten Menschen miteinander teilen, das was in ihrer Natur steckt:

von http://condor.depaul.edu/~mfiddler/hyphen/humunivers.htm

Human Universals... compiled by Donald E. Brown

..as published in The Blank Slate by Steven Pinker, 2002, New York: Viking Press

Brown, D.E. 1991. Human universals. New York: McGraw-Hill

also see Brown, D.E., 2000. Human universals and their implications. In N. Roughley (Ed.) Being humans: Anthropological universality and particularity in transdisplinary perspectives. New York: Walter de Gruyter.
abstraction in speech & thought

actions under self-control distinguished from those not under control

aesthetics

affection expressed and felt

age grades

age statuses

age terms

ambivalence

anthropomorphization

anticipation

antonyms

attachment

baby talk

belief in supernatural/religion

beliefs, false

beliefs about death

beliefs about disease

beliefs about fortune and misfortune

binary cognitive distinctions

biological mother and social mother normally the same person

black (color term)

body adornment

childbirth customs

childcare

childhood fears

childhood fear of loud noises

childhood fear of strangers

choice making (choosing alternatives)

classification

classification of age

classification of behavioral propensities

classification of body parts

classification of colors

classification of fauna

classification of flora

classification of inner states

classification of kin

classification of sex

classification of space

classification of tools

classification of weather conditions

coalitions

collective identities

conflict

conflict, consultation to deal with

conflict, means of dealing with

conflict, mediation of

conjectural reasoning

containers

continua (ordering as cognitive pattern)

contrasting marked and nonmarked sememes (meaningful elements in language)

cooking

cooperation

cooperative labor

copulation normally conducted in privacy

corporate (perpetual) statuses

coyness display

critical learning periods

crying

cultural variability

culture

culture/nature distinction

customary greetings

daily routines

dance

death rituals

decision making

decision making, collective

differential valuations

directions, giving of

discrepancies between speech, thought, and action

dispersed groups

distinguishing right and wrong

diurnality

divination

division of labor

division of labor by age

division of labor by sex

dominance/submission

dreams

dream interpretation

economic inequalities

economic inequalities, consciousness of

emotions

empathy

entification (treating patterns and relations as things)

environment, adjustments to

envy

envy, symbolic means of coping with

ethnocentrism

etiquette

explanation

face (word for)

facial communication

facial expression of anger

facial expression of contempt

facial expression of disgust

facial expression of fear

facial expression of happiness

facial expression of surprise

facial expressions, masking/modifying of

fairness (equity), concept of

family (or household)

father and mother, separate kin terms for

fears

fear of death

fears, ability to overcome some

feasting

females do more direct childcare

figurative speech

fire

folklore

food preferences

food sharing

future, attempts to predict

generosity admired

gestures

gift giving

good and bad distinguished

gossip

government

grammar

group living

groups that are not based on family

habituation

hairstyles

hand (word for)

healing the sick (or attempting to)

hope

hospitality

husband older than wife on average

hygienic care

identity, collective

imagery

incest between mother and son unthinkable or tabooed

incest, prevention or avoidance

in-group distinguished from out-group(s)

in-group biases in favor of

inheritance rules

institutions (organized co-activities)

insulting

intention

interest in bioforms (living things or things that resemble them)

interpolation

interpreting behavior

intertwining (e.g., weaving)

jokes

judging others

kin, close distinguished from distant

kin groups

kin terms translatable by basic relations of procreation

kinship statuses

language

language employed to manipulate others

language employed to misinform or mislead

language is translatable

language not a simple reflection of reality

language, prestige from proficient use of

law (rights and obligations)

law (rules of membership)

leaders

lever

likes and dislikes

linguistic redundancy

logical notions

logical notion of "and"

logical notion of "equivalent"

logical notion of "general/particular"

logical notion of "not"

logical notion of "opposite"

logical notion of "part/whole"

logical notion of "same"
magic

magic to increase life

magic to sustain life

magic to win love

making comparisons

male and female and adult and child seen as having different natures

males dominate public/political realm

males engage in more coalitional violence

males more aggressive

males more prone to lethal violence

males more prone to theft

males, on average, travel greater distances over lifetime

manipulate social relations

marking at phonemic, syntactic, and lexical levels

marriage

materialism

meal times

mearning, most units of are non-universal

measuring

medicine

melody

memory

mental maps

mentalese

metaphor

metonym

mood- or consciousness-altering techniques and/or substances

moral sentiments

moral sentiments, limited effective range of

morphemes

mother normally has consort during child-rearing years

mourning

murder proscribed

music

music, children's

music related in part to dance

music related in part to religious activity

music seen as art (a creation)

music, vocal

music, vocal, includes speech forms

musical redundancy

musical reptition

musical variation

myths

narrative

nomenclature (perhaps the same as classification)

nonbodily decorative art

normal distinguished from abnormal states

nouns

numerals (counting)

Oedipus complex

oligarchy (de facto)

one (numeral)

onomatopoeia

overestimating objectivity of thought

pain

past/present/future

person, concept of

personal names

phonemes

phonemes defined by set of minimally constrasting features

phonemes, merging of

phonemes, range from 10 to 70 in number

phonemic change, inevitability of

phonemic change, rules of

phonemic system

planning

planning for future

play

play to perfect skills

poetry/rhetoric

poetic line, uniform length range

poetic lines characterized by repetition and variation

poetic lines demarcated by pauses

polysemy (one word has several meanings)

possessive, intimate

possessive, loose

practice to improve skills

precedence, concept of (that's how the leopard got its spots)

preference for own children and close kin (nepotism)

prestige inequalities

pretend play

pride

private inner life

promise

pronouns

pronouns, minimum two numbers

pronouns, minimum three persons

proper names

property

proverbs, sayings

proverbs, sayings - in mutually contradictory forms

psychological defense mechanisms

rape

rape proscribed

reciprocal exchanges (0f labor, goods, or services)

reciprocity, negative (revenge, retaliation)

regocnition of individuals by face

redress of wrongs

resistance to abuse of poser, to dominance

rhythm

right-handedness as population norm

risk-taking

rites of passage

rituals

role and personality seen in dynamic interrlationship (i.e., departures from role can be explained in terms of individual personality)

sanctions

sanctions fro crimes against the collectivity

sanctions include removal from the social unit

self-control

self distinguished from other

self as neither wholly passive nor wholly autonomous

self as subject and object

self-image, awareness of (concern for what others think)

self-image, manipulation of

self-image, wanted to be positive

self is responsible

semantics

semantic category of affecting things and people

semantic category of dimension

semantic category of giving

semantic category of location

semantic category of motion

semantic category of other physical properties

semantic components

semantic components, generation

semantic components, sex

sememes, commonly used ones are short, infrequently used ones are longer

senses unified

sex differences in spatial cognition and behavior

sex (gender) terminology is fundamentally binary

sex statuses

sexual attraction

sexual attractiveness

sexual jealousy

sexual modesty

sexual regulation

sexual regulation includes incest prevention

sexuality as focus of interest

shame

shelter

sickness and death seen as related

snakes, wariness around

social structure

socialization

socialization expected from senior kin

socialization includes toilet training

spear

special speech for special occasions

statuses and roles

statuses, ascribed and achieved

statuses distinguished from individuals

statuses on other than sex, age, or kinship bases

stinginess, disapproval of

stop/nonstop contrasts (in speech sounds)

succession

sucking wounds

sweets preferred

symbolism

symbolic speech

synesthetic metaphors

synonyms

taboos

tabooed foods

tabooed utterances

taxonomy

territoriality

thumb sucking

tickling

time

time, cyclicity of

tools

tool dependency

tool making

tools for cutting

tools to make tools

tools patterned culturally

tools, permament

tools for pounding

toys, playthings

trade

triangular awareness (assessinjg relationships among the self and two other people)

true and false distinguished)

turn-taking

two (numeral)

tying material (i.e., something like string)

units of time

verbs

violence, some forms of proscribed

visiting

vocalic/nonvocalic contrasts in phonemes

vowel contrasts

weaning

weapons

weather control (attempts to)

while (color term)

world view
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kurt » So 3. Jun 2007, 12:56

peppermind hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, daß auch Brights bestimmte Werte als Konsenz auffassen? Ich denke, diese Werte sind nicht von einem "Gott" gegeben, sondern eine Art systeminherenter Konsenz alles Lebenden. (Man kann sie übrigens spieltheoretisch ableiten.)


Die Brights und alle vernünftigen Menschen erkennen gewissen Werte wie Nächstenliebe als allgemeingültig an. Ich versuche auch, meine Werte spieltheoretisch und naturalistisch zu begründen. Wie Eckhart Tolle das macht, weiß ich nicht, dazu steht nichts im WP-Artikel. Gibts denn Auszüge oder Onlinequellen zu den Büchern? Würde mich schon interessieren.

Zum Thema Spiritualität: Der Begriff gefällt mir nicht recht, er ist mir zu esoterisch angehaucht. Deine Art von Spiritualität ist doch etwas, das an Nerven und Materie gebunden ist, oder? Wieso sagen wir da nicht einfach Bewusstsein?
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Beitragvon Klaus » So 3. Jun 2007, 13:18

Tolle verwendet den Begriff Spiritualität im Sinne des Dao und Zen-Buddhismus, jedenfalls sehe ich da Bezüge. Solche Spiritualität wäre für mich nicht hinnehmbar. Ich gebe Kurt recht, wenn er den etwas negativen Touch des Begriffs bemängelt und sehe Tolle eigentlich in diesem Zusammenhang auch eher als einen Vertreter des New Age an, auch was seine eigene "Erleuchtung" anbelangt.
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kival » So 3. Jun 2007, 17:09

Kurt hat geschrieben:Die Brights und alle vernünftigen Menschen erkennen gewissen Werte wie Nächstenliebe als allgemeingültig an.


Dann bin ich offensichtlich weder ein Bright noch vernünftig.
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kurt » So 3. Jun 2007, 17:54

Kival hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Die Brights und alle vernünftigen Menschen erkennen gewissen Werte wie Nächstenliebe als allgemeingültig an.


Dann bin ich offensichtlich weder ein Bright noch vernünftig.


Hältst du denn nichts von Nächstenliebe? Oder meinst du nur, dass Nächstenliebe kein Zweck an sich ist, sondern auch erst begründet werden muss?
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Beitragvon Fisherman's Fellow » So 3. Jun 2007, 18:09

Sisyphos hat geschrieben:Eine Ethik, die in einem bestimmten sozialen und historischen Umfeld entstanden ist, aber durch Religion festgelegt wurde, kann sich nicht weiterentwickeln. Dogmatisch wird an ihr festgehalten, obwohl die Gesellschaft sich verändert hat.

Ich bezweifle, dass sich diese Behauptung lückenlos beweisen ließe. Höchstens mit der Einschränkung "Ausnahmen bestätigen die Regel". Es gibt Religionen, die die Freiheit als Ethik auf ihre Fahne geschrieben haben, und dort entwickelt sich sehr wohl eine ganze Menge fort. Zufällig kann ich da als lebendes Beispiel herhalten.
Umgekehrt haben die sich atheistischen Regimes, welche eine bestimmte Ethik favorisierten, nicht gerade als besonders flexibel bei deren Weiterentwicklung erwiesen. Meistens führten gravierende Änderungen mittelbar zum Ende des Regimes. (Beispiel: Gorbatschow)
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kival » So 3. Jun 2007, 18:15

Kurt hat geschrieben:Hältst du denn nichts von Nächstenliebe?


Wenn mit der Nächsten- hier - wie meist - eigentlich die Fernstenliebe gemeint ist, halte ich nichts davon, weil es völlig undurchsetzbar ist. Ich sehe auch keineswegs ein, warum ich jeden Menschen lieben sollte, es reicht vollauf, wenn ich jedem Menschen die selben Grundrechte zugestehen will, toll finden muss ich dann aber bei weitem nicht, was er macht oder ist.

Oder meinst du nur, dass Nächstenliebe kein Zweck an sich ist, sondern auch erst begründet werden muss?


Auch das.
Zuletzt geändert von Kival am So 3. Jun 2007, 18:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Kurt » So 3. Jun 2007, 18:18

Kival hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Hältst du denn nichts von Nächstenliebe?


Wenn mit der Nächsten- hier - wie meist - eigentlich die Fernstenliebe gemeint ist, halte ich nichts davon, weil es völlig undurchsetzbar ist. Ich sehe auch keineswegs ein, warum ich jeden Menschen lieben sollte, es reicht vollauf, wenn ich jedem Menschen die selben Grundrechte zugestehen will, toll finden muss ich dann aber bei weitem nicht, was er macht oder ist.

Oder meinst du nur, dass Nächstenliebe kein Zweck an sich ist, sondern auch erst begründet werden muss?


Auch das.


Dann sind wir ja eh einer Meinung, mehr wollte ich gar nicht behaupten. :-) Und wenn du meine evolutionäre Begründung von Nächstenliebe ("Altruismus ist intelligenter Egoismus") anschaust, glaubst du auch, dass ich Fernstenliebe nicht mehr dazurechne.
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Beitragvon Kurt » So 3. Jun 2007, 18:21

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Es gibt Religionen, die die Freiheit als Ethik auf ihre Fahne geschrieben haben, und dort entwickelt sich sehr wohl eine ganze Menge fort. Zufällig kann ich da als lebendes Beispiel herhalten.


Kannst du das ein bisschen näher erläutern? Bist du Mitglied in einer Religion, die ihre Regeln der Zeit anpasst?
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Beitragvon Andreas Müller » So 3. Jun 2007, 18:24

atheistischen Regimes


Das ist pure Provokation und ich lasse dir das nicht durchgehen!

Es gab niemals ein "atheistisches Regime", das auf Nichtglauben an Gott begründet war. Es gab kommunistische Regimes, deren Basis die fundamentalistische Lesart "heiliger" Bücher war, ob Kapital, Manifest oder Maos rotes Büchlein. Sie hatten Parteipriester - Räte - mit alleinigem Zugang zur Wahrheit, sie hatten Halbgötter mit "übernatürlichen" Fähigkeiten (Mao, Stalin) und ihr Glauben begründete sich auf unbelegte Thesen über die Natur des Menschen.
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Re: Eckhart Tolle - eine Spiritualität, auch für Brights?

Beitragvon Sisyphos » So 3. Jun 2007, 18:32

Kurt hat geschrieben:
Kival hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Die Brights und alle vernünftigen Menschen erkennen gewissen Werte wie Nächstenliebe als allgemeingültig an.


Dann bin ich offensichtlich weder ein Bright noch vernünftig.


Hältst du denn nichts von Nächstenliebe? Oder meinst du nur, dass Nächstenliebe kein Zweck an sich ist, sondern auch erst begründet werden muss?



Nächstenliebe ist eine andere Bezeichnung für Kooperation. Wir helfen uns gegenseitig, um überleben zu können. Jeder Altruismus lässt sich auf die eine oder andere Art von Egoismus zurückführen: Anerkennung erlangen, Gene weitergeben, eine spätere Gegenleistung erwarten etc.
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Beitragvon Sisyphos » So 3. Jun 2007, 18:40

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Umgekehrt haben die sich atheistischen Regimes, welche eine bestimmte Ethik favorisierten, nicht gerade als besonders flexibel bei deren Weiterentwicklung erwiesen. Meistens führten gravierende Änderungen mittelbar zum Ende des Regimes. (Beispiel: Gorbatschow)



Ein aufgeklärter Geist macht keinen Unterschied zwischen fundamental verstandenen Religionen und politischen Ideologien. Beide streben sie etwas Absolutes an (Himmelreiche, tausendjährige Reiche, Ende der Geschichte) und opfern Menschenleben und Lebensglück in der Gegenwart (Kreuzzüge und Weltkriege, Ketzerverbrennung und Konzentrationslager, Höllenangst und Stasi-Kontrolle etc.).

Gravierende Änderungen religiöser oder sonstwie ideologischer Glaubenssätze führen in beiden Fällen zum Verlust von Anhängern. Wir beobachten das auch bei den "weichgefilterten" christlichen Großkirchen.

Im Übrigen ist das Ende der kommunistischen Regime auf mehrere (politische, ökonomische, soziale) Faktoren zurückzuführen.


Folgender Kommentar aus einer Diskussion bei ZEIT-Online passt auch hier ganz gut her:

Wie religiös war Hitler? Hitlers Faschismus und das Naziregime waren nicht atheistisch! Diese oft von Christen vorgebrachte Behauptung ist bei korrekter Betrachtung der Geschichte nicht zutreffend. Hitler rechtfertigte seine Taten auch religiös. Zum Beispiel war 1920 im Parteiprogramm der NSDAP unter Punkt 24 folgendes zu lesen: "Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden." Zwar verbot die Katholische Kirche am Anfang der Regierung Hitlers ihren Priestern einen Eintritt in die NSDAP, jedoch wich der Widerstand schnell. In beiden Kirchen gab es bald eine Vielzahl von Befürwortern. Auch wurde die Kirche durch das Reichkonkordat gefügig gemacht. Am Ende des Krieges half die katholische Kirche zudem hochrangigen Nazifunktionären zur Flucht nach Südamerika. Hitlers Soldaten zogen mit dem Segen Gottes auf dem Koppelschloss in den Krieg. Der Nationalsozialismus war ein inhumaner Mischmasch aus Rassenideologie, germanischer Mythologie und auch christlichen Versatzstücken. In "Mein Kampf" schreibt Hitler, seine Vorhaben im Namen des Schöpfers umsetzen zu wollen. Und zusätzlich: Hitlers Nationalsozialismus ließ sich auch nicht dadurch vermeiden, dass fast 100% der deutschen Bevölkerung damals noch Christen waren und sich als solche auf ach so gute christliche Werte beriefen.

Dazu zitiere ich aus den 10 Angeboten des evolutionären Humanismus (Schmidt-Salomon: 2006): "Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten - es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen! Wer in der Nazidiktatur nicht log, sondern der Gestapo treuherzig den Aufenthaltsort jüdischer Familien verriet, verhielt sich im höchsten Maße unethisch - im Gegensatz zu jenen, die Hitler durch Attentate beseitigen wollten, um Millionen von Menschenleben zu retten. Ethisches Handeln bedeutet keineswegs, blind irgendwelchen moralischen Geboten oder Verboten zu folgen, sondern in der jeweiligen Situation abzuwägen, mit welchen positiven und negativen Konsequenzen eine Entscheidung verbunden wäre."

Wenn sich heute noch Christen für den Religionsunterricht aussprechen, um durch Werteindoktrination einen neuen Nationalsozialismus zu verhindern, ist das ein Treppenwitz der Geschichte.
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 07:57

Andreas Müller hat geschrieben:
atheistischen Regimes

Das ist pure Provokation

Nein, das ist meine ehrliche, durch plausible Argumente gestüzte Überzeugung.

Andreas Müller hat geschrieben:Es gab niemals ein "atheistisches Regime", das auf Nichtglauben an Gott begründet war.

Es gab niemals ein solches Regime, dass NUR auf Nichtglauben an Gott begründet war, d'accord. Es gab umgekehrt auch nie ein Regime, das NUR auf den Glauben an Gott begründet war.

Aber sowohl für die Vernunftreligion der Jakobiner als auch für den marxistischen Sozialismus, den späteren Hitler-Faschismus (ab 1937), das bekennend atheistische Regime Albaniens nach 1948 (Verbot aller Religionen) war der Atheismus so bedeutend, dass daraus sehr unangenehme Konsequenzen für Theisten resuliteren. Wir haben es also hier nicht mit unbedeutenden Begleiterscheinungen zu tun.

Andreas Müller hat geschrieben:Es gab kommunistische Regimes, deren Basis die fundamentalistische Lesart "heiliger" Bücher war, ob Kapital, Manifest oder Maos rotes Büchlein. Sie hatten Parteipriester - Räte - mit alleinigem Zugang zur Wahrheit, sie hatten Halbgötter mit "übernatürlichen" Fähigkeiten (Mao, Stalin) und ihr Glauben begründete sich auf unbelegte Thesen über die Natur des Menschen.

Humanismus und Ideologiefreiheit sind keine notwendigen Begleitmerkmale des Atheismus. Es ist schön, wenn heutige humanistische Atheisten aus den Schrecken der Vergangenheit gelernt haben und sich von ihren Tätern distanzieren, aber genauso wie bei den den Christen vorgeworfenen Kreuzzügen und den Ketzerverfolgungen ist weder zu leugnen, dass die angesprochenen Gräuel Bestandteil der Geschichte des Christentums bzw Atheismus sind, noch, dass (zumindest für Außenstehende) kein (weltanschauliches) Potential mehr erkennbar sei, dass sich diese "Fehler" eines Tages wiederholen.
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Beitragvon [C]Arrowman » Mo 4. Jun 2007, 08:00

Und was ist mit dem Vatikan? Den Regierungen des Mittelalters und des Absolutismus?!
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 08:20

Sisyphos hat geschrieben:Ein aufgeklärter Geist macht keinen Unterschied zwischen fundamental verstandenen Religionen und politischen Ideologien. Beide streben sie etwas Absolutes an (Himmelreiche, tausendjährige Reiche, Ende der Geschichte) und opfern Menschenleben und Lebensglück in der Gegenwart (Kreuzzüge und Weltkriege, Ketzerverbrennung und Konzentrationslager, Höllenangst und Stasi-Kontrolle etc.).

100%ige Übereinstimmung. :up:

Gravierende Änderungen religiöser oder sonstwie ideologischer Glaubenssätze führen in beiden Fällen zum Verlust von Anhängern. Wir beobachten das auch bei den "weichgefilterten" christlichen Großkirchen.

Richtig, aber umgekehrt wären dann ideologische Verhärtungen bei an sich tolerant und weitgehend ideologiebefreit erscheinenden Strömungen (zB unter dem Eindruck einer zunehmenden Gewalttätigkeit anderer Gruppen) ein alarmierendes Zeichen. Genau darum ging es ja in dem Spiegel-Bericht, der mich hierher geführt hat: Dort wurden ideologisierte, intolerante, kreuzzüglerische Atheisten illustriert.

Im Übrigen ist das Ende der kommunistischen Regime auf mehrere (politische, ökonomische, soziale) Faktoren zurückzuführen.

Sicher, aber die waren schon zehn Jahre vorher vorhanden. Der Kipp-Punkt kam, als sich das Regime aus einem idealistischen Glauben an die eigene Gesellschaftsperspekticve heraus entschloß, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, der von fast allen politischen Gruppen als Zeichen der Schwäche verstanden wurde.

Wie religiös war Hitler? Hitlers Faschismus und das Naziregime waren nicht atheistisch! Diese oft von Christen vorgebrachte Behauptung ist bei korrekter Betrachtung der Geschichte nicht zutreffend. Hitler rechtfertigte seine Taten auch religiös. Zum Beispiel war 1920 im Parteiprogramm der NSDAP unter Punkt 24 folgendes zu lesen: "Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden."

Ich bin nicht sicher, ob Du weißt, was "positives Christentum" bedeutet. Das ist ein sich der Aufklärung (und damals ganz wichtig: dem nationalen Gedanken) verpflichtend fühlender Kulturprotestantismus der Dichter und Denker, der "christliche Sittenwerte" auch als Zeichen der Überlegenheit des deutschen Volkstums in die Kolonien oder sonstwohin zu exportieren gedachte.
Diese Art Kirchlichkeit versuchten die Nazis zu vereinnahmen und zu einer nationalen, antisemitischen Religion umzufunktionieren. Nachdem dies aber nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt hatte (vielmehr kam es zur Zersplitterung der Kirchen zwischen Anpassung und Widerstand), wurde ab 1937 die reine, rassistische Lehre ohne die lästig gewordenen (positiven, deutschen, bekennenden, katholischen, usw) Christen geoutet.

Mit anderen Worten: Es taugt nicht viel, wenn man Hitlers propagandistischen Äußerungen von 1920 auf den Leim geht und ihm darauf aufbauend Religiosität unterstellt.
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Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 4. Jun 2007, 08:29

[C]Arrowman hat geschrieben:Und was ist mit dem Vatikan? Den Regierungen des Mittelalters und des Absolutismus?!

Die gehören zu den auch theistischen Regimes. Das war ein Bestandteil. Aber zB der Papst intendierte die Wiederrichtung des (West-)Römischen Reiches unter seiner Führung, die Könige und Fürsten die Legitimation ihrer Lehnsstaaten, der Absolutismus die absolute Autorität der Krone, wobei der Theismus ab Thomas Hobbes im Grunde genommen überflüssig wurde und nur noch als Bauernschreck diente.
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