Biology Talk

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 14:32

Hm, ich arbeite selber noch an der Umsetzung einer gerechten/neutralen Sprache und versuche weniger nachlässig zu sein. In der Regel spreche ich auch von "scientists", statt von Wissenschaftler_innen, da mein Arbeitsumfeld englischsprachig ist, das macht es einfacher. Man kann natürlich auch von den "Forschenden" sprechen oder von den "Wissenschaft betreibenden", oder so, so wie bei Vorstandsvorsitzenden, was dann wieder eine Neutralisierung wäre...
Darüber hinaus liese sich der Gap zum Beispiel als eine Pause beim Sprechen darstellen.
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Re: biology talk

Beitragvon fopa » Sa 19. Jan 2013, 15:26

Julia hat geschrieben:Auch neutrale Begriffe haben oft einen Bias: das Kind, die Person oder der Mensch sind auch eher männlich. Formale Neutralität garantiert nicht, dass es keine stereotypen Assoziationen gibt, übrigens auch in die andere Richtung, das würde für Sichtbarmachung statt Neutralisierung sprechen.
Könnte es nicht sein, dass gerade diejenigen Menschen in neutralen Begriffen eine vermeintliche, versteckte Männlichkeit zu erkennen glauben, die bereits Befürworter einer geschlechtergetrennten Bezeichnungsweise sind? Ich denke, niemand mit ungestörtem Sprachverständnis wird aus "Kind" einen Jungen bzw. aus "Person" oder "Mensch" einen Mann heraushören. Ein Mangel an Selbstwertgefühl könnte natürlich auch eine Ursache sein. (Dies bitte nicht als persönliche Beleidigung auffassen, denn es ist eine sachlich gemeinte Vermutung!)
Mit Sprachdiktur erreicht man jedenfalls keine Geschlechtergerechtigkeit, sondern höchstens Unverständnis oder eine Polarisierung und infolgedessen auch bei vielen Menschen eine ablehnende Haltung. Ein Umdenken (falls das überhaupt (noch) nötig sein sollte) muss aus eigener Überzeugung erfolgen - bewogen durch sinnvolle und stichhaltige Argumente oder beispielhaftes bzw. vorbildliches Verhalten seitens der Mitmenschen.

Bezogen auf deine Befürchtungen, Julia, möchte ich mal fragen: Meinst du, dass irgendwer, der heutzutage von "Wissenschaftlern" spricht, damit ausschließlich männliche Wissenschaftler meint? Beispiel: "Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe XY fanden heraus, dass...". Ich behaupte, dass weder der Verfasser noch irgendein Leser die Assoziation hätte, es würde sich um eine rein männlich besetzte Arbeitsgruppe handeln.
Die Assoziation könnte allerhöchstens daher rühren, dass den Menschen die geschlechtergetrennte Bezeichnungsweise schon derart aufoktroyiert wurde, dass sie einem solchen normalen Satz nicht mehr richtig interpretieren können. Damit wäre also genau das Gegenteil von dem erreicht, was das eigentliche Ziel war, nämlich Abbau von Diskriminierung und Ungerechtigkeit.
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Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 15:49

fopa hat geschrieben:Könnte es nicht sein, dass gerade diejenigen Menschen in neutralen Begriffen eine vermeintliche, versteckte Männlichkeit zu erkennen glauben, die bereits Befürworter einer geschlechtergetrennten Bezeichnungsweise sind?

Halte ich für unwahrscheinlich, die Studien sind ja teilweise schon recht alt und sowohl Männer als auch Frauen neigen zu diesen stereotypen Assoziationen. Es gibt durchaus methodisch ausgefeilte Studien, wie zum Beispiel die in dem oben verlinkten Blog erwähnte:
Das generische Maskulinum. Beginnen wir mit der Behauptung, es gäbe ein „generisches“ Maskulinum, bei dem Frauen mitverstanden würden. Ausgeschlossen ist das ja nicht, obwohl es stutzig machen sollte, dass es von seiner Form her ununterscheidbar von einem tatsächlich nur auf Männer bezogenen Maskulinum wäre.

Und tatsächlich zeigt eine Reihe von Arbeiten, dass „generische“ Maskulina mehrheitlich eben nicht generisch interpretiert werden. Eine der aktuellsten und methodisch am saubersten gearbeitete Studie ist Gygax et al (2008). Die Autor/innen dieser Studie überprüften die Interpretation von Maskulina, indem sie Versuchspersonen zunächst einen Satz mit einem (angeblich) „generischen“ Maskulinum, wie den in (1) auf einem Monitor präsentierten:

(1) Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.

Nachdem die Versuchspersonen einen solchen Satz gelesen hatten, erschien entweder ein Satz wie der in (2) oder einer wie der in (3)

(2) Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.

(3) Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Männer keine Jacke.

Die Versuchspersonen mussten dann durch drücken einer Taste signalisieren, ob sie den zweiten Satz für eine „mögliche Fortsetzung“ des ersten Satzes hielten oder nicht. Dabei wurde auch die Zeit gemessen, die sie für ihre Antwort benötigten.

Die Idee hinter diesem Experiment ist klar:

Wenn Maskulina automatisch generisch interpretiert werden, müssten die Sätze (2) und (3) gleichermaßen als mögliche Fortsetzungen erkannt werden;
Wenn Maskulina nur mit einem gewissen gedanklichen Aufwand generisch interpretiert werden, müssten Sätze wie der in (3) schneller als mögliche Fortsetzung erkannt werden als der in (2);
Wenn Maskulina nicht generisch interpretiert werden, dürften Sätze wie der in (2) gar nicht als mögliche Fortsetzung erkannt werden, Sätze wie (3) hingegen schon.

Allerdings gibt es noch eine zusätzliche Komplikation: Manche Berufsbezeichnungen können unabhängig von ihrem grammatischen Geschlecht eher als „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ verstanden werden: Aus anderen Studien ist bereit bekannt, dass Versuchspersonen z.B. bei Polizisten, Statistikern oder Physikstudenten eher an Männer denken, bei Kassierern, Kosmetikern oder Psychologiestudenten eher an Frauen (Gabriel et al. 2008). Es ist also möglich, dass die Antwort auf die Frage, ob es sich bei Sätzen wie denen in (2) um eine „mögliche Fortsetzung“ handelt, von der Art der Berufsbezeichnung abhängt. Gygax und Kolleg/innen wählten deshalb zu je einem Drittel „typisch männliche“, „neutrale“ und „typisch weibliche“ Berufsbezeichnungen. Wenn stereotype Berufsbilder einen Einfluss auf die Entscheidung der Versuchspersonen haben, kann man diesen so vom Einfluss des grammatischen Geschlechts unterscheiden, in dem die Berufsbezeichnung präsentiert wird.

Das Experiment wurde dann mit englischen, französischen und deutschen Muttersprachlern in ihrer jeweiligen Sprache durchgeführt. Da es im Englischen kein grammatisches Geschlecht gibt, war die Vorhersage, dass sich dort höchstens Stereotypizitätseffekte finden würden, im Französischen und Deutschen dagegen könnte es zusätzlich oder stattdessen einen Effekt des grammatischen Geschlechts geben.

Bei den englischen Muttersprachlern gab es tatsächlich den erwarteten Stereotypizitätseffekt: Wenn im ersten Satz ein „typisch männlicher“ Beruf erwähnt wurde, wurde der nachfolgende Satz schneller als „mögliche Fortsetzung“ bewertet, wenn dort von Männern die Rede war und langsamer, wenn von Frauen die Rede war. Bei „typisch weiblichen“ Berufen war es umgekehrt. Das Ergebnis zeigt zunächst nur, dass stereotype Vorstellung von Beruf und Geschlecht sich in diesem Versuchsdesign systematisch auf die Reaktionszeit auswirken können.

Die interessante Frage ist nun natürlich, was in der französischen und deutschen Version des Experiments passierte. Zunächst verschwand der Stereotypizitätseffekt vollständig -- obwohl auch deutsche und französische Muttersprachler/innen stereotype Assoziationen von bestimmten Berufen mit einem bestimmten Geschlecht haben, beeinflussten diese die Reaktionszeiten nicht signifikant.

Stattdessen gab es in beiden Sprachen einen signifikanten Effekt des grammatischen Geschlechts: Wenn im zweiten Satz von Männern die Rede war, wurde der Satz signifikant häufiger als „mögliche Fortsetzung“ kategorisiert, als wenn von Frauen die Rede war. Wenn Maskulina generisch interpretiert würden, wäre dieses Ergebnis nicht erklärbar. Zweitens, und fast noch wichtiger: Im deutschen Experiment waren die Reaktionszeiten signifikant schneller, wenn im zweiten Satz von Männern die Rede war. Selbst dort, wo die Versuchspersonen bereit waren, das Maskulinum generisch zu interpretieren und einen zweiten Satz über Frauen als „mögliche Fortsetzung“ zu interpretieren, brauchten sie für diese Entscheidung länger; das zeigt, dass die generische Interpretation nicht spontan erfolgte, sondern erst nach einer Art strategischem Umdenken.

Das „beweist“ zwar nicht, dass Maskulina nicht generisch interpretiert werden, denn Wissenschaft ist ein fortlaufender Prozess der Hypothesenbildung und -überprüfung. Aber da diese Studie nur das bestätigt, was eine lange Reihe von vorangehenden (teilweise methodisch weniger soliden) Studien schon vorher gezeigt hatte, ist es Stand der Forschung, dass ein „generisches Maskulinum“ im Deutschen (und Französischen) aus psycholinguistischer Sicht nicht existiert. Wer das Gegenteil behaupten will, muss sehr gute Belege dafür vorbringen.

http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprac ... men/page/2
Also wo sind deine sehr guten Belege?

fopa hat geschrieben:Mit Sprachdiktur erreicht man jedenfalls keine Geschlechtergerechtigkeit, sondern höchstens Unverständnis oder eine Polarisierung und infolgedessen auch bei vielen Menschen eine ablehnende Haltung. Ein Umdenken (falls das überhaupt (noch) nötig sein sollte) muss aus eigener Überzeugung erfolgen - bewogen durch sinnvolle und stichhaltige Argumente oder beispielhaftes bzw. vorbildliches Verhalten seitens der Mitmenschen.

Ich habe auch niemandem diktiert, ich habe versucht meine Beiträge im Forum vobildhaft zu gestalten, was mir nicht immer gelingt, siehe zum Beispiel die "Teilnehmerliste" in diesem Thread, ich meinte natürlich "Teilnehmer_innenliste". Sinnvolle und stichhaltige Argumente habe ich denke ich auch gebracht. Du bisher nur krude Vermutungen.

fopa hat geschrieben:Meinst du, dass irgendwer, der heutzutage von "Wissenschaftlern" spricht, damit ausschließlich männliche Wissenschaftler meint? Beispiel: "Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe XY fanden heraus, dass...". Ich behaupte, dass weder der Verfasser noch irgendein Leser die Assoziation hätte, es würde sich um eine rein männlich besetzte Arbeitsgruppe handeln.

Deine Behauptung widerspricht dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 19. Jan 2013, 18:05

Zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache – die grammatische Kategorie Genus

Die in der vorliegenden Arbeit zugrundeliegende Argumentation ist folgende: Die durch Sprache hergestellte Ökonomie ist nicht diskriminierend, sie folgt nur einer anderen Systematik. In dieser Systematik spielt das Kriterium „Geschlecht“ zunächst keine Rolle.
Es sei noch einmal wiederholt: Das grammatische Geschlecht hat mit dem natürlichen nichts zutun. Das Genus masculinum meint nicht „Männlichkeit“, sondern schlicht „Singulativität“, es ist also eine Kategorie für zählbare Einheiten. Deswegen ist es ein Irrglaube, anzunehmen, mit Formen wie liebe Studenten seien nur männliche Entitäten bezeichnet. Durch die Trennung von Genus und Sexus dürfte deutlich geworden sein, dass dies nicht der Fall ist. Im Beispiel liebe Studenten sind daher nicht nur männliche, sondern auch weibliche Studenten mitbezeichnet.
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Re: biology talk

Beitragvon Nanna » Sa 19. Jan 2013, 18:10

Die Frage ist nur, ob man nach zehntausend Jahren Patriarchat und vierzig Jahren feministischem Durchlauferhitzer noch etwas an der Wahrnehmung ändern kann, dass Genus und Sexus bei der Anrede identisch sind. Die Feministinnen und Feministen (meine Güte...) wären mit einem männlichen Genus bei einem Wort mit neutralem Sexus sicherlich einverstanden, wenn sie keine subjektive oder objektive Diskriminierung erkennen könnten. Da aber wohl beides der Fall ist und das Thema sehr emotional besetzt ist, sehe ich wenig Chancen, dass wir das nochmal "sprachlich schön" zurechtbiegen.
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 19. Jan 2013, 18:21

Der ganze Text ist übrigens sehr interessant, wenn man sich ein bisschen für Linguistik interessiert.

Und übrigens ist er eine "Handreichung für die Frauenbeauftragte der LMU München (2007)". Vielleicht kann man doch etwas an der Wahrnehmung ändern, dass Genus und Sexus identisch seien.
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Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 18:26

@AgentProvocateur: Da wären wir wieder bei der Unterscheidung zwischen "grammatiktheoretischen Untersuchungen" (aus dem Abstract deines Links) und soziolinguistischer Wirklichkeit. Wir können Sprache nicht ohne Menschen, ohne Sprechende und Hörende/Interpretierende diskutieren, jedenfalls nicht, wenn es um die gesellschaftliche Auswirkung von Sprache geht. Und da frage ich mich, ob unser Gehirn vielleicht einfach ein Problem damit hat sich dieser Grammatikregelung zu unterwerfen. Im Zweifel bin ich dafür die Grammatik dem Gehirn anzupassen und nicht andersrum.
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Re: biology talk

Beitragvon Lumen » Sa 19. Jan 2013, 18:56

AgentProvocateur hat geschrieben:Der ganze Text ist übrigens sehr interessant, wenn man sich ein bisschen für Linguistik interessiert.

Und übrigens ist er eine "Handreichung für die Frauenbeauftragte der LMU München (2007)". Vielleicht kann man doch etwas an der Wahrnehmung ändern, dass Genus und Sexus identisch seien.


Danke für den Link, war sehr interessant zu lesen.
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 19. Jan 2013, 18:57

@Julia

Ich sehe das eben anders, ich meine nicht, dass unser Gehirn ein Problem dabei habe, Genus und Sexus zu unterscheiden. Und ich bin nicht dafür, die Grammatik anzupassen, aus folgenden Gründen:

1. die Verwendung von Generika halte ich ebenso wie der Artikel nicht für diskriminierend und ist von mir auch nicht diskriminierend gemeint
2. Sprache sollte mE ökonomisch sein, Binnen-I oder Gender-Gap (_) oder die ausdrückliche Erwähnung beider Geschlechter sind unökonomisch und in der gesprochenen Sprache nicht konsequent durchführbar und in der geschriebenen Sprache stört es mE sehr den Lesefluss
3. mir will nicht recht einleuchten, wieso die Sprache derart "sexualisiert" werden soll, ich meine, es gibt viele Sprachsituationen, in denen das biologische/soziale Geschlecht einfach egal ist, keine Rolle spielen sollte

Das bedeutet aber nun selbstverständlich nicht, dass ich nun hier ein Sprachdiktat einführen möchte. Sprache ist immer etwas, das sich verändert und wenn Du Deinen Gebrauch als besser ansiehst als die Verwendung von Generika, dann habe ich damit kein Problem.

Mir geht es hier eher darum, zu begründen, warum ich dem nicht folgen will. (Was aber nicht daran liegt, dass ich Feminismus/Gleichberechtigung der Geschlechter abweisend gegenüber stehen würde.)
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Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 19:21

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe das eben anders, ich meine nicht, dass unser Gehirn ein Problem dabei habe, Genus und Sexus zu unterscheiden.

Wie erklärst du dir die oben zitierten Studien?

AgentProvocateur hat geschrieben:1. die Verwendung von Generika halte ich ebenso wie der Artikel nicht für diskriminierend und ist von mir auch nicht diskriminierend gemeint

Es ist vollkommen egal wie du das meinst, wenn die Wirkung nachgewiesenermaßen eine diskriminierende ist. Wenn dir was an der Vermeidung von Diskriminierung liegt, sollte dir die Wirkung nicht egal sein.

AgentProvocateur hat geschrieben:2. Sprache sollte mE ökonomisch sein, Binnen-I oder Gender-Gap (_) oder die ausdrückliche Erwähnung beider Geschlechter sind unökonomisch und in der gesprochenen Sprache nicht konsequent durchführbar und in der geschriebenen Sprache stört es mE sehr den Lesefluss

Tut es nachgewiesenermaßen nicht, aber warum sich mit Fakten aufhalten.

AgentProvocateur hat geschrieben:3. mir will nicht recht einleuchten, wieso die Sprache derart "sexualisiert" werden soll, ich meine, es gibt viele Sprachsituationen, in denen das biologische/soziale Geschlecht einfach egal ist, keine Rolle spielen sollte

Da gäbe es die Möglichkeit der Neutralisierung.
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Re: biology talk

Beitragvon fopa » Sa 19. Jan 2013, 19:56

Julia hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Mit Sprachdiktur erreicht man jedenfalls keine Geschlechtergerechtigkeit[...]

Ich habe auch niemandem diktiert, ich habe versucht meine Beiträge im Forum vobildhaft zu gestalten, was mir nicht immer gelingt, siehe zum Beispiel die "Teilnehmerliste" in diesem Thread, ich meinte natürlich "Teilnehmer_innenliste". Sinnvolle und stichhaltige Argumente habe ich denke ich auch gebracht. Du bisher nur krude Vermutungen.
Ich muss mich für einen Tippfehler entschuldigen. Ich wollte natürlich Sprachdiktatur schreiben.

Du hast Recht: Argumente hast du zu den Thesen gebracht, zu denen ich Vermutungen geäußert habe. Bloß bezog ich meine Forderung nach stichhaltigen Argumenten und vorbildlichem Verhalten nicht auf geschlechtertrennende Bezeichnungen, sondern auf Geschlechtergerechtigkeit. Ich erkenne an, dass es Belege für bestimmte Assoziationen in bestimmten Kontexten gibt. Aber was sagen uns die Erkenntnisse in Bezug auf Diskriminierung oder Ungerechtigkeiten? Meiner Ansicht nach gar nichts. Sie sind also mMn keine Argumente für geschlechtertrennende Bezeichnungen (gibt es dafür nicht einen Fachbegriff?), wenn diese Diskriminierungen entgegenwirken sollen.

Mein Problem bei der ganzen Sache sind nicht etwa Emanzipations- oder Gleichberechtigungsbestrebungen, sondern die aus dieser (guten) Absicht herrührende missbrauchende Manipulation der Sprache. Denn ich halte sie nicht für zielführend, sondern eher im Gegenteil.
Und doch, mit diesen Änderungen an der Sprache diktierst du sehr wohl. Überspitzt könnte man es sogar als Terror bezeichnen. Denn wer in einer Rede, Satzung oder einem Bericht nicht auch ausdrücklich die weiblichen Formen benutzt, wird im besten Fall schief angeguckt oder eben als Antifeminist abgestempelt, selbst wenn er es überhaupt nicht so gemeint hat und ihm ein solches Denken völlig fremd ist. Dabei ist es in den allermeisten Fällen selbstverständlich, dass bei der Verwendung des generischen Maskulinums auch weibliche Personen eingeschlossen sind. Warum sollte ein Politiker seine Parteitagsrede nicht beginnen dürfen mit: "Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde und Parteigenossen"?
Ich empfinde das in keiner Weise als diskriminierend, und mir tut jeder und ausdrücklich jede leid, der bzw. die es so empfindet.
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Re: biology talk

Beitragvon fopa » Sa 19. Jan 2013, 20:03

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:1. die Verwendung von Generika halte ich ebenso wie der Artikel nicht für diskriminierend und ist von mir auch nicht diskriminierend gemeint

Es ist vollkommen egal wie du das meinst, wenn die Wirkung nachgewiesenermaßen eine diskriminierende ist. Wenn dir was an der Vermeidung von Diskriminierung liegt, sollte dir die Wirkung nicht egal sein.
Vielleicht habe ich es übersehen, aber wo war noch gleich ein Beleg dafür, dass die Verwendung eine diskriminierende Wirkung hat?

Edit: Wobei anzumerken wäre, dass die Empfindung einer Diskriminierung auch insofern unberechtigt sein kann, als eine Diskriminierung gar nicht beabsichtigt ist. Wie bewertet man das? Schließlich könnte sich jeder wegen irgendwas diskriminiert fühlen, obwohl weder eine objektive Benachteiligung noch eine diskriminierende Intention Anderer vorherrscht.
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 19. Jan 2013, 20:47

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe das eben anders, ich meine nicht, dass unser Gehirn ein Problem dabei habe, Genus und Sexus zu unterscheiden.

Wie erklärst du dir die oben zitierten Studien?

Die erkläre ich mir mit der Feministischen Linguistik, die seit langem großen Einfluss hat, die aber mE auf dem grundsätzlichen Fehler der Gleichsetzung von Genus und Sexus beruht, siehe dazu noch mal den Artikel oben. Und wie oben schon gesagt, besagt meine persönliche Erfahrung, dass es hierbei wesentliche Unterschiede zwischen westdeutsch und ostdeutsch sozialisierten Frauen gibt, (in der DDR war eine solche Sprachregelung wohl nicht üblich). ich meine sehr wohl, dass dieser Fehler aufgeklärt und verstanden werden kann, ich sehe da keine prinzipielle Gehirnbeschränkung.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:1. die Verwendung von Generika halte ich ebenso wie der Artikel nicht für diskriminierend und ist von mir auch nicht diskriminierend gemeint

Es ist vollkommen egal wie du das meinst, wenn die Wirkung nachgewiesenermaßen eine diskriminierende ist. Wenn dir was an der Vermeidung von Diskriminierung liegt, sollte dir die Wirkung nicht egal sein.

Bei einer Kommunikation gibt es immer Sender und Empfänger. Wenn der Empfänger etwas anders versteht, als ich das meine, dann kann dieses Missverständnis aufgelöst werden. Ich sehe aber nicht recht ein, wieso ich meinen Sprachgebrauch ändern soll, wenn der Empfänger mich absichtlich missverstehen will. Es ist ja nun auch so, dass ich meinen Sprachgebrauch besser finde. Wäre dem nicht so, dann würde ich meinen Spachgebrauch evtl. ändern, es liegt mir nichts daran, absichtlich Missverständnisse produzieren zu wollen.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:2. Sprache sollte mE ökonomisch sein, Binnen-I oder Gender-Gap (_) oder die ausdrückliche Erwähnung beider Geschlechter sind unökonomisch und in der gesprochenen Sprache nicht konsequent durchführbar und in der geschriebenen Sprache stört es mE sehr den Lesefluss

Tut es nachgewiesenermaßen nicht, aber warum sich mit Fakten aufhalten.

Also ich möchte nicht gerne Zeitungen oder Bücher lesen, in denen eine solche Sprachverwendung konsequent Verwendung findet. In einem kurzen Artikel/Beitrag mag es okay sein, aber so ein Buch würde ich mir nicht kaufen. Meinen Lesefluss und mein Sprachgefühl stört das nämlich sehr wohl.

Und gesprochene Sprache: welche Fakten, bitteschön? Fakt scheint mir da eher zu sein, dass es da schlicht keine einheitliche Sprachregelung gibt. Wenn man erst mal die Identität von Genus und Sexus als gegeben ansieht, dann kommt man in Teufels Küche. Mal ein Beispiel: Genus, Sexus und das Pronomen wer

Ich bin recht froh, dass solcher Art Probleme meiner Ansicht bereits nach im Vorneherein vermieden werden können, da die ja meiner Ansicht nach erst gar nicht auftreten.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:3. mir will nicht recht einleuchten, wieso die Sprache derart "sexualisiert" werden soll, ich meine, es gibt viele Sprachsituationen, in denen das biologische/soziale Geschlecht einfach egal ist, keine Rolle spielen sollte

Da gäbe es die Möglichkeit der Neutralisierung.

Aber meiner Ansicht nach ist ja das (grammatikalisch männliche) Generika ("der/ein Student") bereits geschlechtsneutral.

Was ist überhaupt mit dem Plural? Im Deutschen wird da der weibliche Artikel "die" ("die Studenten") verwendet. Wieso soll das kein Problem sein, wenn Genus als mit Sexus identisch angesehen wird? Wieso sollte es in dem Falle einfach reichen, "die Studentinnen und Studenten" zu sagen? Das "die" bleibt da ja immer noch. Finde ich unlogisch. "Der" soll ein Problem sein, weil grammatikalisch männlich, aber "die" im Plural nicht, obwohl grammatikalisch weiblich? Wieso?
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Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 20:52

fopa hat geschrieben:Aber was sagen uns die Erkenntnisse in Bezug auf Diskriminierung oder Ungerechtigkeiten? Meiner Ansicht nach gar nichts.

Dann hast du die Sache nicht zu Ende gedacht. Wenn Sprache andere Geschlechter als das Männliche unsichtbar macht, siehst du darin keine Diskriminierung? Wenn im Zusammenhang mit Beförderungen zum Beispiel aufgrund der Formulierung eher Männer genannt werden als Frauen, siehst du darin keine Diskriminierung?

fopa hat geschrieben:Mein Problem bei der ganzen Sache sind nicht etwa Emanzipations- oder Gleichberechtigungsbestrebungen, sondern die aus dieser (guten) Absicht herrührende missbrauchende Manipulation der Sprache. Denn ich halte sie nicht für zielführend, sondern eher im Gegenteil.
Und doch, mit diesen Änderungen an der Sprache diktierst du sehr wohl. Überspitzt könnte man es sogar als Terror bezeichnen. Denn wer in einer Rede, Satzung oder einem Bericht nicht auch ausdrücklich die weiblichen Formen benutzt, wird im besten Fall schief angeguckt oder eben als Antifeminist abgestempelt, selbst wenn er es überhaupt nicht so gemeint hat und ihm ein solches Denken völlig fremd ist.

Versuchst du hier einen Rekord für die höchste Bullshitdichte aufzustellen? Es ist also Terror und Diktatur, wenn eine Person einen anderen Sprachgebrauch hat als du, weil dieser dich in ein negatives Licht rücken könnte, wenn eine Mehrheit dann zu dem Schluss kommt, dass dieser Sprachgebrauch besser ist und du aber deinen beibehälst?
Du willst mich doch verarschen, oder?
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Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 21:08

AgentProvocateur hat geschrieben:Bei einer Kommunikation gibt es immer Sender und Empfänger. Wenn der Empfänger etwas anders versteht, als ich das meine, dann kann dieses Missverständnis aufgelöst werden. Ich sehe aber nicht recht ein, wieso ich meinen Sprachgebrauch ändern soll, wenn der Empfänger mich absichtlich missverstehen will. Es ist ja nun auch so, dass ich meinen Sprachgebrauch besser finde. Wäre dem nicht so, dann würde ich meinen Spachgebrauch evtl. ändern, es liegt mir nichts daran, absichtlich Missverständnisse produzieren zu wollen.

Du unterstellst hier eine Absicht, wo man bei bestem Willen keine sehen kann. Meinst du die Menschen in dem oben genannten Studien haben extra ihre Reaktionszeiten verlangsamt, weil sie alle feministische Sprachterroristen sind? Ich bin ja noch nicht so alt, aber ich habe weder in der Schule noch im Alltag je viel vom großen Einfluss der feministischen Linguistik mitgekriegt, auch Stine meint sie kenne nur eine Person, die das konsequent durchzieht und das ist der Münchner Oberbürgermeister. Das sieht man schon daran, dass es mich Mühe kostet meine Sprache gerecht zu gestalten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber meiner Ansicht nach ist ja das (grammatikalisch männliche) Generika ("der/ein Student") bereits geschlechtsneutral.

Wenn du jetzt noch die restliche Menschheit dazu bringst das auch so wahrzunehmen hast du vielleicht ein Argument.

Ich geh mich jetzt wieder mit Kreationist_innen und Klimawandelleugner_innen streiten, die sind weniger begriffsstutzig.
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 19. Jan 2013, 21:35

Julia hat geschrieben:Du unterstellst hier eine Absicht, wo man bei bestem Willen keine sehen kann. Meinst du die Menschen in dem oben genannten Studien haben extra ihre Reaktionszeiten verlangsamt, weil sie alle feministische Sprachterroristen sind? Ich bin ja noch nicht so alt, aber ich habe weder in der Schule noch im Alltag je viel vom großen Einfluss der feministischen Linguistik mitgekriegt, sogar Stine meint sie kenne nur eine Person, die das konsequent durchzieht und das ist der Münchner Oberbürgermeister. Daher ist meine Sprache auch noch lange nicht gerecht.

"Feministische Sprachterroristen"? Habe ich weder gesagt, noch gemeint. Und ich habe auch nicht gesagt, dass die Menschen in den von Dir o.g. Studien absichtlich ihre Reaktionszeiten verlangsamt hätten, (das haben sie sicher nicht).

Feministische Linguistik hat sich meiner Erfahrung nach bei vielen (wenn nicht den meisten) offiziellen Publikationen/Texten durchgesetzt.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Aber meiner Ansicht nach ist ja das (grammatikalisch männliche) Generika ("der/ein Student") bereits geschlechtsneutral.

Wenn du jetzt noch die restliche Menschheit dazu bringst das auch so wahrzunehmen hast du vielleicht ein Argument.

Meine Argumente für meine Ansicht habe ich oben genannt.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und wie oben schon gesagt, besagt meine persönliche Erfahrung, dass es hierbei wesentliche Unterschiede zwischen westdeutsch und ostdeutsch sozialisierten Frauen gibt, (in der DDR war eine solche Sprachregelung wohl nicht üblich).

Meine persönliche Erfahrung besagt, dass Homöopathie äußerst wirksam ist, ich kenne nur Leute bei denen es wirkt.

Wenn ich recht verstehe, sind Deine Behauptungen Folgende:

1. die meisten Frauen fühlen sich bei der Verwendung des männlichen Generikums ignoriert/zurückgesetzt/diskriminiert
2. die meisten Menschen setzen Genus und Sexus gleich
3. das hat aber nichts mit der Feministischen Linguistik (die seit einem langen Zeitraum - zumindest in Westdeutschland - ihre Spuren hinterlassen hat), zu tun, sondern das hat etwas mit etwas anderem zu tun, z.B. der Leistung des Gehirnes, die aber nicht zu ändern ist
4. der Unterschied zwischen Genus und Sexus existiert entweder nicht oder aber er ist anderen nicht zu vermitteln, es ist nicht zu vermitteln, dass der Gebrauch des grammatikalisch maskulinen Generikums keine Diskriminierung nach Geschlecht bedeuten muss
5. es ist schlecht, wenn sich jemand (bzw. eine Bevölkerungsgruppe) diskriminiert fühlt
----
Daraus folgt insgesamt, dass der persönliche Sprachgebrauch zu ändern sei.

Soweit korrekt?
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Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » So 20. Jan 2013, 03:49

Kann nicht mehr editieren, aber einen Punkt habe ich nun noch vergessen, der nachzutragen ist:

6. es gibt auch gar kein Problem bei einer geschlechtergerechteren Sprache, (sei das nun das Binnen-I, der linguistische Gender-Gap oder die jeweils explizite Nennung der beiden Geschlechter, inkl. jeweils der zugehörigen Pronomina etc.); sowohl auf die Sprachökonomie als auch auf den Lesefluss hat das auch bei längeren Texten keinen negativen Einfluss
----
Noch was anderes: nehmen wir mal an, ich hätte eine Tochter. Die habe Physik studiert, sei also Physikerin. Nun fragte mich jemand, was meine Tochter von Beruf sei. Meiner Ansicht nach wären dann folgende zwei Aussagen grammatikalisch richtig:

1. Sie ist Physiker
3. Sie ist Physikerin

Okay, soweit ist das wohl noch nicht besonders aufregend, wiewohl nach Ansicht einiger wohl die erste Aussage falsch wäre bzw. sie das zumindest so nie sagen würden. Nehmen wir aber mal weiter an, meine Tochter sei eine sehr erfolgreiche und angesehene Physikerin und ich würde, (aus meinem hier mal angenommenen Vaterstolz heraus), folgendes antworten:

"Meine Tochter ist ein sehr erfolgreicher und angesehener Physiker."

Was ich damit sagen will, ist (hoffentlich) klar: meine Tochter wäre in dem Falle - zumindest meiner Ansicht nach - in der Menge aller Physiker, (völlig egal, ob männlich oder weiblich, das Geschlecht spielt dabei keine Rolle), erfolgreich und angesehen.

Oder nehmen wir alternativ an, ich fragte eine Freundin von mir, (die Steuerberaterin ist, otsdeutsche Sozialisation), was sie von Beruf sei und sie sagte: "ich bin Steuerberater und zwar ein ziemlich guter Steuerberater". Auch hier ist klar, was sie dann ausdrücken will: sie meint, dass sie sich in der Menge aller Steuerberater, egal, welches Geschlecht die jeweils haben, vor niemandem verstecken muss.

Wie wäre nun nach Ansicht von Dir die jeweils geschlechtsneutrale bzw. geschlechtergerechte Ausdrucksweise, um das auszudrücken, was ausgedrückt werden soll?

Alternativ zu sagen: "meine Tochter ist eine erfogreiche und angesehen Physikerin" bzw. "ich bin eine Steuerberaterin und zwar eine ziemlich gute" würde es ja nicht treffen, das wäre missverständlich, weil sich diese Aussagen jeweils nur auf eine Teilmenge aller Physiker (die weiblichen Physiker) bzw. auf eine Teilmenge aller Steuerberater (die weiblichen Steuerberater) beziehen würde.
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Re: biology talk

Beitragvon mat-in » So 20. Jan 2013, 08:35

Julia hat geschrieben:Im Zweifel bin ich dafür die Grammatik dem Gehirn anzupassen und nicht andersrum.
Ich denke bei bereits bestehenden Gehirnen wirst du genauso auf Schwierigkeiten stoßen, die Grammatik der Gehirne zu ändern, wie du auf Probleme stoßen wirst, die Wahrnehmung von Genus und Sexus zu ändern. Die Lösung liegt hier in der Erziehung der nachwachsenden Gehirne, die sind vollkommen Formbar, sowohl was Grammatik als auch was die Wahrnehmung angeht. Daher plädiere ich - nicht zu letzt der Srpachökonomie und Lesbarkeit wegen - für das Anpassen der Gehirne. Einige Gehirne scheinen ja schon erfolgreich angepaßt zu sein, ich sehe da keinen Grund, das Begriffstutzig zu nennen, nur weil die Anpassung nicht an der Stellschraube erfolgt, an der du drehen möchtest :-P
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Re: biology talk

Beitragvon fopa » So 20. Jan 2013, 08:42

Julia hat geschrieben:Versuchst du hier einen Rekord für die höchste Bullshitdichte aufzustellen? Es ist also Terror und Diktatur, wenn eine Person einen anderen Sprachgebrauch hat als du, weil dieser dich in ein negatives Licht rücken könnte, wenn eine Mehrheit dann zu dem Schluss kommt, dass dieser Sprachgebrauch besser ist und du aber deinen beibehälst?
Du willst mich doch verarschen, oder?
Nun, erst einmal habe ich geschrieben, dass die Bezeichnung 'Terror' eine überspitzte wäre. 'Diktatur' ist noch etwas gemäßigter und meiner Ansicht nach auch angemessen. Deine aufbrausende Reaktion kann ich allerdings nicht ganz nachvollziehen, denn ich glaube, du hast mein Problem im Grundsatz verstanden. Mein Problem ist nicht, dass andere Menschen einen anderen Sprachgebrauch haben als ich. Das Problem besteht darin, dass sich Menschen genötigt sehen, ihre Sprache im Sinne einer political correctness zurechtzubiegen, obwohl inhaltlich überhaupt keine Veranlassung besteht. Die Begründung dieser Sprachregelung ist die gefühlte Diskriminierung einer Minderheit (denn längst nicht alle Frauen fühlen sich durch das generische Maskulinum diskriminiert). Mein Standpunkt ist, dass eine Sprachregelung (in diesem Fall) kein geeignetes Mittel ist, um Diskriminierung abzubauen.
Worin der diktatorisch Charakter solcher Sprachregelungen besteht, hatte ich ja schon erläutert. Wäre tatsächlich eine große Mehrheit der Menschen überzeugt, dass ein bestimmter Sprachgebrauch von der Sache her notwendig wäre und nicht bloß die Überempfindlichkeit einer Minderheit berücksichtigte, könnte ich ihn als gesellschaftlichen Konsens ansehen und mich selbstverständlich anpassen. Wahrscheinlich wäre ich sogar ebenfalls überzeugt, da ja gute Argumente vorlägen.

In unserem Fall ist es aber mitnichten so, dass "eine Mehrheit zu dem Schluss kommt, dass dieser Sprachgebrauch besser ist", sondern dass die meisten Menschen die geschlechtertrennenden Bezeichnungen bloß deswegen verwenden, weil sie nicht als Antifeministen abgestempelt werden möchten. Aus dem selben Grund sagen die meisten lieber "gehandicapt" statt "behindert" - so setzt man sich gar nicht erst dem Verdacht aus, andere Menschen ausgrenzen zu wollen, obwohl der Begriff "behindert" an sich in keiner Weise diskriminierend ist (es sei denn, man kann sich nicht von nationalsozialistischen, rasseideologien Interpretationen lösen).

Julia hat geschrieben:Wenn im Zusammenhang mit Beförderungen zum Beispiel aufgrund der Formulierung eher Männer genannt werden als Frauen, siehst du darin keine Diskriminierung?
Wie gesagt, sehe ich nicht, dass Formulierungen die Ursache für ungerechte Behandlungen sind. Spontane Assoziationen sind etwas anderes als Beförderungsentscheidungen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Bevorzugungen bzw. Ungerechtigkeiten bei Einstellungen und Beförderungen gibt. Die Ursachen liegen aber woanders als in der Sprache.
Wenn beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund (Ausländer darf man ja nicht sagen) eine Bewerbung schreiben und ihre nicht-deutsche Herkunft am Foto und am Namen ersichtlich ist, kommt es möglicherweise zu einer Diskriminierung. Die Ursache dafür ist jedoch nicht, dass dem Arbeitgeber das Wort 'Ausländer' statt 'Mensch mit Migrationshintergrund' durch den Kopf spukt.
Die Einstellung der Menschen muss sich ändern - wie gesagt durch Argumente und Vorbilder. Künstliche und erzwungene Sprachregelungen können meiner Ansicht nach nicht zielführend sein.
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Re: biology talk

Beitragvon fopa » So 20. Jan 2013, 08:48

AgentProvocateur hat geschrieben:Alternativ zu sagen: "meine Tochter ist eine erfogreiche und angesehen Physikerin" bzw. "ich bin eine Steuerberaterin und zwar eine ziemlich gute" würde es ja nicht treffen, das wäre missverständlich, weil sich diese Aussagen jeweils nur auf eine Teilmenge aller Physiker (die weiblichen Physiker) bzw. auf eine Teilmenge aller Steuerberater (die weiblichen Steuerberater) beziehen würde.
Ich würde das Beispiel etwas abändern, denn im Singular würde man wohl tatsächlich eher 'Physikerin' sagen. Im Plural wäre der Satz folgender:
  1. Meine Tochter gehört zu den erfolgreichsten Physikern.
  2. Meine Tochter gehört zu den erfolgreichsten Physikerinnen.
  3. Meine Tochter gehört zu den erfolgreichsten Physikerinnen und Physikern.
Ich finde, hier zeigt sich eher, welche Formen die geschlechtertrennende Sprachweise annehmen kann, wenn man sie konsequent umsetzt.
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