Haben Tiere ein Bewusstsein?

Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon Myron » Sa 29. Sep 2007, 21:15

ernst.eiswuerfel hat geschrieben:Er spricht davon, dass Bewustsein eine emergente Eigenschaft von Hirnprozessen ist. Emergenz ist ein Begriff aus dem Bereich der komplexen Systeme. Er beschreibt, dass ein System von Einheiten neue Eigenschaften hinzugewinnt, welche die einzelnen Einheiten selber nicht besitzen. Das hiesse Bewustsein im Sinne von "Sich selbst bewust sein" ist eine Folge der komplexität des Gehirns. Es muß also eine Schwelle an Komplexität geben ab der das Bewustsein entfacht wird.


John Searle ist ein Vertreter des Emergentismus.
("Biological Naturalism": http://socrates.berkeley.edu/~jsearle/BiologicalNaturalismOct04.doc)
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon ernst.eiswuerfel » Sa 29. Sep 2007, 21:29

Danke für die Link-Tipps.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » So 30. Sep 2007, 13:51

ernst.eiswürfel schreibt:
Wenn Menschen nach neuesten Erkenntnissen keinen echten freien Willen haben sondern dieser beeinflusst ist von "tieferen" Hirnprozessen die für unser Bewustsein unbeeinflussbar sind und Tiere nach landläufiger Auffassung nur instiktiv handeln. Könnte man dann nicht auch vermuten dass Tiere sich auch einbilden nach freiem Willen zu handeln obwohl sie nur Instinkten folgen?


Das ist durchaus möglich. In der Schimpansenforschung hat man schon etliche Experimente entwickelt, die Rückschlüsse auf Intelligenzleistungen dieser Tiere zulassen, auf eine Art Selbstbewusstsein (Spiegelexperimente); da ist sicherlich noch einiges zu erwarten.

Dass Menschen keinen echten freien Willen haben, möchte ich aber nicht akzeptieren. Zweifellos lässt sich nachweisen, dass vieles, was wir glauben willentlich zu tun, im Grunde nur ein von unbeinflussbaren Hirnprozessen ausgelöster Reflex ist; aber gar kein freier Wille? Da würde die Beweisführung ebenso in der Sackgasse landen wie beim (positiven oder negativen) Gottesbeweis.

Die Annahme, dass es einen freien Willen überhaupt nicht gibt, hätte jedoch verheerende soziale Konsequenzen.
Die Strafverfolgung z.B. müsste man dann logischerweise abschaffen, ob man will oder nicht. Auch eine Liebeserklärung auf dieser Grundlage würde voraussichtlich auf wenig Gegenliebe stoßen, und das kann doch nicht der Arterhaltung dienen.
:baby-huepf:
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon taotne » So 30. Sep 2007, 14:24

pinkwoolf hat geschrieben:aber gar kein freier Wille?
Wenn du
Zweifellos lässt sich nachweisen, dass vieles, was wir glauben willentlich zu tun, im Grunde nur ein von unbeinflussbaren Hirnprozessen ausgelöster Reflex ist;
annimmst und dadurch annimmst, dass psychische Phänomene auf Materie basieren, kommst du nicht darum herum festzustellen, dass psychische Phänomene den Naturgesetzen unterliegen. Somit kannst du nicht sagen: das meiste ist Hirnprozess, aber irgendetwas gibts schon noch, das "frei" ist. Hier sollte man nicht vergessen, dass die Freiheit des Willens verneint wird und nicht die existenz eines Willens.

pinkwoolf hat geschrieben:Die Annahme, dass es einen freien Willen überhaupt nicht gibt, hätte jedoch verheerende soziale Konsequenzen.
Die Strafverfolgung z.B. müsste man dann logischerweise abschaffen, ob man will oder nicht.
Das stimmt so in dieser Formulierung nicht. Man müsste vielleicht einige Gesetzestexte anders formulieren, allerdings ändert sich an der Tatsache, dass es Strafverfolgung gibt nicht notwendigerweise etwas.

pinkwoolf hat geschrieben:Auch eine Liebeserklärung auf dieser Grundlage würde voraussichtlich auf wenig Gegenliebe stoßen, und das kann doch nicht der Arterhaltung dienen.
Ist ein Musikstück weniger schön, wenn ich weiß, wie es zustandegekommen ist bzw. was für Naturgesetzlichkeiten der Akustik zwingenderweise zu diesem Klang geführt haben ?
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » So 30. Sep 2007, 17:06

taotne schreibt:
Ist ein Musikstück weniger schön, wenn ich weiß, wie es zustandegekommen ist bzw. was für Naturgesetzlichkeiten der Akustik zwingenderweise zu diesem Klang geführt haben ?

Aber wie ist es denn zustandegekommen? Warum hat der Komponist gerade dieses geschrieben und nicht ein ganz anderes? Warum er und nicht ich?
:( Ok, das letzte Argument macht überhaupt keinen Sinn.

Trotzdem: Geraten wir so nicht zu einem naturgesetzlichen Determinismus, der für das Selbstbewusstsein ebenso ungemütlich wird wie die Dawkinssche "big surveillance camera in the sky"?
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon Andreas Müller » So 30. Sep 2007, 17:19

Alles ist determiniert. Andernfalls gäbe es etwas, das keine Ursache hat.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon ernst.eiswuerfel » So 30. Sep 2007, 17:47

Alles ist determiniert. Andernfalls gäbe es etwas, das keine Ursache hat.

Auch unser Wille. Daher ist er nicht frei. Er ist nur eine Illusion - der "freie" Wille.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » So 30. Sep 2007, 17:59

Andreas Müller hat geschrieben:Alles ist determiniert. Andernfalls gäbe es etwas, das keine Ursache hat.


Stimmt. Hier bewegen wir uns aber auf einer theoretischen Ebene, die auf das konkrete Handeln nicht mehr sinnvoll anwendbar ist.

Wenn ich mich vor einer fliegenden Tomate wegducke und sie mich nicht trifft, so ist das alles durch die Gesetze der Ballistik, der Wahrnehmung und des Reflexes determiniert.
Wenn ich mich aber entscheide - ich erlaube mir dieses Wort zu benutzen - mich nicht zu ducken, um den Werfer gegenüber den Umstehenden ins Unrecht zu setzen? Eitle Hoffnung, die amüsieren sich wahrscheinlich nur. Ducken oder nicht? Ist das nicht eine Entscheidung?

:ducken: oder :tomate: ?
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon Myron » So 30. Sep 2007, 19:26

Andreas Müller hat geschrieben:Alles ist determiniert. Andernfalls gäbe es etwas, das keine Ursache hat.


In der Quantenwelt scheinen unverursachte Ereignisse vorzukommen.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon taotne » So 30. Sep 2007, 19:35

pinkwoolf hat geschrieben:Wenn ich mich aber entscheide - ich erlaube mir dieses Wort zu benutzen - mich nicht zu ducken, um den Werfer gegenüber den Umstehenden ins Unrecht zu setzen? Eitle Hoffnung, die amüsieren sich wahrscheinlich nur. Ducken oder nicht? Ist das nicht eine Entscheidung?
Sicher ist das eine Entscheidung. Dies hat aber mit Willensfreiheit nichts zu tun. Wir können uns natürlich entscheiden, allerdings wissen wir auuch, dass wir in dieser Situation(mit diesen bestimmten "Anfangsbedingungen") nicht haben anders entscheiden können. Nichtsdestotrotz muss man sagen, ja, das Gefühl des "freien Willens" existiert. Für uns ist es subjektiv real. Nur ist dieses Konzept objektiv gesehen nicht haltbar.

Myron hat geschrieben:In der Quantenwelt scheinen unverursachte Ereignisse vorzukommen.
Betonung auf "scheinen". =)
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 13:06

@ taotne
Wir können uns natürlich entscheiden, allerdings wissen wir auuch, dass wir in dieser Situation (mit diesen bestimmten "Anfangsbedingungen") nicht haben anders entscheiden können.


Da habe ich Probleme mit der Definition des Wortes "entscheiden".
Aber ehe ich hier weiter räsoniere, muss ich mich wohl erst mal im Peter-Singer-Thread umsehen.
:buch:
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon Myron » Mo 1. Okt 2007, 13:30

taotne hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:In der Quantenwelt scheinen unverursachte Ereignisse vorzukommen.
Betonung auf "scheinen". =)


Der Schein ist ziemlich hell.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon taotne » Mo 1. Okt 2007, 15:46

pinkwoolf hat geschrieben:@ taotne
Wir können uns natürlich entscheiden, allerdings wissen wir auuch, dass wir in dieser Situation (mit diesen bestimmten "Anfangsbedingungen") nicht haben anders entscheiden können.


Da habe ich Probleme mit der Definition des Wortes "entscheiden".
Aber ehe ich hier weiter räsoniere, muss ich mich wohl erst mal im Peter-Singer-Thread umsehen.
:buch:
Natürlich ist das Wort "entscheiden" hier nicht ganz angebracht, allerdings ist diese Qual der Wahl wirklich real. Subjektiv gesehen muss man sich entscheiden, muss man Entscheidungen be- und überdenken, objektiv war es eine Notwendigkeit. =)
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 19:02

Der Thread, den ich meinte, bezieht sich übrigens auf Wolf Singer, nicht Peter, und trägt den Titel: "Der freie Wille nur eine Illusion? Interessante Argumente". In der Tat interessant. Wird mich einige Stunden kosten.

Wenn ich wüsste, wie das geht, würde ich einen Link dorthin legen.

Bisher kann ich sagen: ich verstehe diesen sehr weit gefassten Begriff der Determination etwas besser, bin aber noch längst nicht überzeugt.
:skeptisch:
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon musikdusche » Mo 1. Okt 2007, 20:02

@pinkwoolf:
Sorry, falls es ein Doppelposting ist, aber für mich war folgender Text von MSS bezüglich Willensfreiheit sehr lehrreich. Er entwickelt ein sehr positives Bild von der nicht vorhandenen Willensfreiheit ("von der illusorischen zur realen Freiheit"):
http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Fr ... 2007-1.pdf
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » Mo 1. Okt 2007, 20:39

@ Musikdusche

Danke für den Link; hab mir ein Lesezeichen gemacht.

Fürs erste bin ich aber noch mit dem Singer-Interview + Diskussion beschäftigt; das liegt weiter unten im Forum Geist und Bewusstsein.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon stine » Sa 6. Okt 2007, 19:51

Sehr interessant dieser Thread. Ich habe entschieden ihn ganz zu lesen - oder stand es schon fest, dass ich ihn lesen werde und ich hatte gar keine Wahl?
Ich verstehe unter Bewußtsein, dass es mir bewußt ist, dass ich bin. Ich bin - du bist - wir sind.
Ich bin mir bewußt, dass ich gekommen bin und dass ich gehen muß. Meine Lebensweile ist mir bewußt.
Und Tieren auch?
Ich denke, sie sind, ohne zu wissen, dass sie sind und wie lange sie sein werden, auch wenn sie lernfähig sind.
Also kein Bewußtsein.
Aber wer kann das schon genau sagen, solange sie nicht mit unseren Worten sprechen.

LG stine
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon ernst.eiswuerfel » Sa 6. Okt 2007, 20:15

Und Tieren auch?
Ich denke, sie sind, ohne zu wissen, dass sie sind und wie lange sie sein werden, auch wenn sie lernfähig sind.
Also kein Bewußtsein.

Kann ich nicht ganz nachvollziehen diesen Gedankengang. Was ist mit Graupapageien, Delfinen und Schimpansen - um nur ein paar Tiere zu nennen die sich ebenfalls selbst bewust sind. Sie sehen im Spiegel, dass sie sie selbst sind.
Nach Deiner Logik würde das heissen, dass Tiere eindeutig ein Bewustsein haben.

Ich bin dagegen davon überzeugt, dass das Bewustsein von Tieren und auch das von Menschen eine Eigenschaft der Gehirnprozesse ist, nicht mehr aber auch nicht weniger. Ob desshalb der Wille frei oder unfrei ist meiner Ansicht nach eine Definitionsfrage, die auch damit zu tun hat ob wir unseren Geist von unserem materiellen Körper "abgekoppelt" sehen.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon pinkwoolf » Sa 6. Okt 2007, 20:55

Ich verstehe unter Bewußtsein, dass es mir bewußt ist, dass ich bin. Ich bin - du bist - wir sind.

Dieses "wir" kann aber in anderen Sprachen ganz etwas anderes bedeuten:

a) du und ich
b) du und ich und noch jemand
c) du und ich und noch mehrere Menschen
d) ich und noch jemand, aber nicht du
e) ich und noch viele andere, aber nicht du

In einigen australischen Aborigine-Sprachen gibt es dafür tatsächlich verschiedene grammatische Formen.
Zuletzt geändert von pinkwoolf am Sa 6. Okt 2007, 21:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Haben Tiere ein Bewusstsein?

Beitragvon Myron » Sa 6. Okt 2007, 20:56

stine hat geschrieben:Ich denke, sie sind, ohne zu wissen, dass sie sind und wie lange sie sein werden, auch wenn sie lernfähig sind.
Also kein Bewußtsein.


Du verwechselst Bewusstsein mit Selbstbewusstsein, d.i. der Zustand, in dem sich ein Lebewesen seines Bewusstseins bewusst ist.
Ohne Selbstbewusstsein sein heißt nicht ohne Bewusstsein sein.
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