Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Ist der Indeterminismus mit dem Naturalismus vereinbar?

Umfrage endete am Do 30. Okt 2008, 10:12

Ja
4
67%
Nein
2
33%
 
Abstimmungen insgesamt : 6

Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon HF******* » Mo 20. Okt 2008, 10:12

Die Fragestellung bezieht sich auf folgendes Verständnis:
Determinismus (lat.),
im weiteren Sinne die philosophische Lehre, nach der die gesamte Natur einschließlich des Menschen und seiner Handlungen dem ausnahmslos geltenden Kausalgesetz (siehe dort) unterworfen ist; …
(Determinismus, Meyers Lexikon, 3. Band, 1925)

und
Kausalgesetz,
der allen Realwissenschaften als Voraussetzung (Axiom) zugrundeliegende Satz, dass jede Veränderung eine Ursache habe, dass jedes Ereignis an eine Summe von Umständen geknüpft sei. bei deren Abwesenheit (oder unvollständiger Anwesenheit) es nicht eintreten kann und bei deren Vorhandensein es mit Notwendigkeit eintritt.
(Kausalgesetze, Meyers Lexikon, 6. Band, 1927)


Als Indeterminismus im Sinne der Frage ist diejenige Auffassung gemeint, die mindestens von einem indeterministischen Sachverhalt ausgeht, die also annimmt, dass das Kausalgesetz nicht ausnahmslos gilt.
Die Frage bezieht sich auf die Positionierung, die den Indeterminismus für wahr oder möglicherweise für wahr hält.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon LinuxBug » Mo 20. Okt 2008, 12:23

Also, wenn auf subatomarer Ebene, Ereignisse ohne erkennbarer Ursache passieren (z.B. Radioaktiver Zerfall), stimmt dann das Kausalgesetz noch?
Inwiefern ist die Aussage "nach 22 Minuten ist nur noch die Hälfte von dem Francium, das da liegt, da" deterministisch?

HFRudolph hat geschrieben:Als Indeterminismus im Sinne der Frage ist diejenige Auffassung gemeint, die mindestens von einem indeterministischen Sachverhalt ausgeht, die also annimmt, dass das Kausalgesetz nicht ausnahmslos gilt.

Wenn die Frage so lautet, halte ich Indeterminismus und Naturalismus für vereinbar.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon ganimed » Mo 20. Okt 2008, 22:26

Etwas, das ohne Ursache passiert, einfach so aus sich heraus, ohne Grund? Das nenne ich Magie, Zauberei oder Firlefanz.
Naturalismus ist per Definition damit genau nicht vereinbar.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon HF******* » Di 21. Okt 2008, 09:51

LinuxBug hat geschrieben:Also, wenn auf subatomarer Ebene, Ereignisse ohne erkennbarer Ursache passieren (z.B. Radioaktiver Zerfall), stimmt dann das Kausalgesetz noch?

Sauber formuliert. Wenn wir eine Ursache nicht erkennen können und sogar sagen können, dass dieser Erkenntnismangel auf einer praktischen mangelnden Messbarkeit beruht - oder Anschauungsmöglichkeit des Objekts beruht, dann lassen sich daraus keine Schlussfolgerungen auf das Kausalgesetzes ableiten.

Das Kausalgesetz ist die Grundannahme jedes naturwissenschaftlichen Gesetzes. Nehmen wir mal die heisenbergsche Unschärferelation selbst: Sie beschreibt offenkundig einen Sachverhalt nicht vollständig sondern beschreibt nur das, was wir messen können. Eine Schlussfolgerung auf das Kausalgesetz verbietet sich also in jedem Fall.

Was wäre aber mit echten Naturgesetzen (also nicht bloß solchen Beschreibungen, die Messergebnisse statistisch erfassen), wenn wir von der Geltung des Indeterminismus oder nur dessen Möglichkeit ausgehen würden? Welchen Grund gäbe es, von einem solchen Gesetz zu sprechen, wenn es doch keinen Grund bräuchte, damit dieses Gesetz partiell nicht gilt? Jedes (echte) Naturgesetz würde damit zu einer Statistik herabgestuft werden, denn die Schlussfolgerung, dass man immer so und so gemessen habe und dass demnach die Natur immer so verhalte, könnte man dann nicht mehr treffen. Naturgesetze könnten dann nicht mehr als generelle Beschreibung der Natur herhalten, sondern könnten dann allenfalls noch als mehr oder weniger sichere statistische Aussagen gelten. Ich meine aber, dass die den Naturgesetzen zugrunde geltegte Schlussfolgerung tatsächlich richtig ist, dass also tatsächlich die Realität beschrieben wird, soweit wir dies erkennen können - und widerlegt worden ist die Schlussfolgerung bislang nicht.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon HF******* » Di 21. Okt 2008, 10:55

Eine Schlussfolgerung auf das Kausalgesetz verbietet sich ebenso bei dem radioaktiven Zerfall. Mit jedem lediglich statistisch geltenden „Naturgesetz“ wird nicht konkret die Realität beschrieben, sondern nur unser Kenntnisstand. Wie unkonkret und ungenau diese Beschaffenheitsbeschreibung ist, zeigt sich, wenn man etwa 10 radioaktive Atome herstellt und deren Zerfallszeitpunkt misst und feststellt, dass alle 10 Atome exakt nach 5 min. zerfallen, dann spricht das noch nicht einmal gegen die Geltung der Halbwertszeit, weil es sich eben nur um eine statistische Messung handelt. Daran kann man aber auch erkennen, wie ungenau das einzelne Atom damit beschrieben wird und wie wenig wir Kenntnis davon haben, was ist. Abgesehen davon liefert die Beschreibung der Halbwertszeit noch keinerlei Erklärung für den Atomzergall im Sinne eines echten Naturgesetzes. Wir wissen nicht einmal, warum ein radioaktives Atom überhaupt zerfällt, geschweige denn, warum es zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfällt.

Bei einem derart ungenauen Kenntnisstand kann man aber aus unserer Unkenntnis der Ursache nicht schlussfolgern, dass es keine Ursache gibt.

Noch mal, auch wenn diese Betonung eigentlich überflüssig ist: Der Determinismus sagt nicht aus, dass wir alle Ursachen kennen könnten.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon HF******* » Di 21. Okt 2008, 12:14

LinuxBug hat geschrieben:Inwiefern ist die Aussage "nach 22 Minuten ist nur noch die Hälfte von dem Francium, das da liegt, da" deterministisch?

Wie kann eine Aussage deterministisch sein? (Def. s. o.)
Die Aussage lässt keinerlei Schlussfolgerung auf Determinismus oder Indeterminismus zu.
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon Qubit » Di 21. Okt 2008, 12:58

HFRudolph hat geschrieben:Das Kausalgesetz ist die Grundannahme jedes naturwissenschaftlichen Gesetzes. Nehmen wir mal die heisenbergsche Unschärferelation selbst: Sie beschreibt offenkundig einen Sachverhalt nicht vollständig sondern beschreibt nur das, was wir messen können. Eine Schlussfolgerung auf das Kausalgesetz verbietet sich also in jedem Fall.

Die Unschärferelationen beschreiben nicht "nur das, was wir messen können". Sie beschreiben auch, wie wir (im Rahmen physikalischer Theorien) darüber sinnvoll sprechen können, "was wir messen können". Insbesondere beschreiben sie, wie wir unsere klassischen Vorstellungen prinzipiell auf QM-Systeme anwenden können. Und diese Beschreibungen sind sehr wohl vollständig und beinhalten einen (objektiven, intrinsischen) Indeterminismus. Anders gesagt: wir können über diese Sachverhalte prinzipiell keine anderen Aussagen als probabilistische Aussagen machen.
Um nun deine eigene Argumentation der "Beweislast" aufzugreiffen: Du hättest einen Determinismus hinter diesen indeterministischen Phänomenen nachzuweisen, wenngleich nach der QM selbst ein solcher Nachweis unmöglich wäre ;-)

PS: mit "Kausalität" hat diese Frage freilich nichts zu tun
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Re: Vereinbarkeit von Indeterminismus und Naturalismus

Beitragvon HF******* » Di 21. Okt 2008, 15:21

QBit hat geschrieben:Die Unschärferelationen beschreiben nicht „nur das, was wir messen können“. Sie beschreiben auch, wie wir (im Rahmen physikalischer Theorien) darüber sinnvoll sprechen können, "was wir messen können".

Ja.

QBit hat geschrieben: Insbesondere beschreiben sie, wie wir unsere klassischen Vorstellungen prinzipiell auf QM-Systeme anwenden können. Und diese Beschreibungen sind sehr wohl vollständig …

Bezüglich dessen, was wir messen können.

QBit hat geschrieben:… und beinhalten einen (objektiven, intrinsischen) Indeterminismus.

Was heißt objektiv, intrinisch? Was ist „ein“ Indeterminismus, ist damit etwas besonderes gemeint?
Es geht hier um den Determinismus gemäß o. g. Ausgangsdefinition, nicht um die Definition Heisenbergs.

QBit hat geschrieben: Anders gesagt: wir können über diese Sachverhalte prinzipiell keine anderen Aussagen als probabilistische Aussagen machen.

Mit „probabilistisch“ ist wohl statistisch gemeint? Wenn damit „zufällig“ gemeint ist, möchte ich ergänzen, dass nur der Zufall im Sinne trivialen Sprachgebrauchs gemeint sein kann. Ansonsten müsste ich dieser Behauptung bereits widersprechen.

QBit hat geschrieben:Um nun deine eigene Argumentation der "Beweislast" aufzugreiffen: Du hättest einen Determinismus hinter diesen indeterministischen Phänomenen nachzuweisen, wenngleich nach der QM selbst ein solcher Nachweis unmöglich wäre ;-)

Der Nachweis ist hier (nach gegenwärtigem Kenntnisstand) nicht möglich, richtig. Muss ich ihn aber eher nachwseisen, als hinsichtlich des Wetters oder hinsichtlich der Strömung des Meeres? Sicherlich nicht, beides ist ebenfalls nur statistisch zu bennennen und lässt sich mangels umfassender Messmöglichkeit nicht nachweisen, man würde sogar ebenfalls in den zu messenden Sachverhalt eingreifen und ihn im Sinne des Schmetterlingseffekts ebenfalls verfälschen. Man könnte also gegen den Determinismus ebensogut das Wetter anführen, wie die Quantenphysik.

Für den Determinismus (oder die allgemeine Geltung des Kausalitätsgesetzes, s. o.) sprechen allerdings zahlreiche Erfahrungswerte. Die Alternative, der Indeterminismus, ist demgegenüber in wesentlichen Bereichen Mangelhaft: http://privat.brights-hamburg.de/Kausal.html#Kritik_am_Indeterminismus

Fragt sich, welche Auswirkungen das auf die Beweislast hat…
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