AgentProvocateur hat geschrieben:Wiewohl ich weder dem Binnen-I noch dem Gender-Gap (_) etwas angewinnen kann, den das halte ich weder für irgendwie hilfreich, noch für verständnisfördernd und für ein falsches Verständnis darüber, wie mE Sprache funktioniert, (der Unterschied zwischen Genus und Sexus wird dabei nicht berücksichtigt), würde ich bei Stellenausschreibungen eine Ausnahme machen wollen. (Z.B: Professor [m/w]).
"Nicht berücksichtigt" ist falsch, würde ich sagen, es wird gezeigt, dass trotz aller Behauptungen, derart wie du sie in deinem Post gemacht hast, die Wahrnehmung der Menschen eben eine andere ist.
Es geht weniger darum, wie Sprache funktioniert, sondern wie
Menschen funktionieren.
Ein paar Beispiele aus dem Post von Jörg:
Schneider und Hacker ließen 1973 für “Sex-role imagery and use of the generic man.” 306 Soziologie-Studenten Photographien aus Magazinen einschicken, die für ein Buch als Illustrationen für Kapitel wie “Culture”, “Population”, “Race and Minority Groups” oder “Social Theory” dienen sollten. Eine andere Gruppe erhielt Titel wie “Social Man”, “Industrial Man” oder “Urban Man”. 64% der letzten Gruppe schickten Photos mit Männern ein, während nur 50% der ersten Gruppe dies taten. Das ist jetzt auf deutsch etwas schlecht zu übersetzen, da “Man” in der zweiten Gruppe hier eben (angeblich) statt “Mensch” stehen sollte.
Eine ähnliche Studie führte Linda Harrison durch, die Schüler Bilder malen ließ zu Begriffen, die wie im obigen Sinn “man” enthielten, oder stattdessen “human” oder “person”; oder aber explizit “men and women” oder “they”. Im Fall eins malten männliche wie weibliche Schüler deutlich mehr Männerfiguren.
Pincus und Pincus ließen 104 SchülerInnen und LehrerInnen Statements vorlesen die männliche Konstruktionen beinhalteten (“Our forefathers believed in religious freedom.”). In der Diskussion ergab sich, dass diese unabhängig vom Alter als sich auf Männer beziehend empfunden wurden.
Moulton, Robinson und Elias ließen ihre KandidatInnen kurze Erzählungen zu Personen schreiben, über die in vorgelegten Sätzen etwas ausgesagt wurde. Entweder war in diesem Satz ein (his) oder ein neutrales Pronomen. Im Falle des (his) hätte dieses aber auch als neutrales Pronomen verstanden werden sollen, also wie in “A starting student will feel lonely in (his) starting courses.”. Trotzdem schrieben die meisten hier über männliche Studenten.
Ich habe dazu auch mal deutsche Studien ausgegraben:
In der feministischen Linguistik wird angenommen, daß maskuline Bezeichnungen, die generisch benutzt werden (Bezeichnungen von Personen beiderlei Geschlechts durch die maskuline Form, wie z.B. die Wissenschaftler, die Studenten), weibliche Personen weniger vorstellbar oder sichtbar machen als männliche Personen. Verschiedene experimentelle Untersuchungen konnten diese Annahme für den englischen Sprachraum bestätigen. Für die deutsche Sprache existieren dagegen bislang sehr wenige Studien zu dieser Frage. Es werden vier Experimente vorgestellt, die untersuchen, ob unterschiedliche Sprachversionen - ,Beidnennung‘ (Studentinnen und Studenten), ,Neutral‘ (Studierende), ,Generisches Maskulinum‘ (Studenten) und “Großes I“ (StudentInnen) - den gedanklichen Einbezug von Frauen beeinflussen. Über alle Experimente hinweg zeigte sich, daß bei Personenreferenzen im generischen Maskulinum ein geringerer gedanklicher Einbezug von Frauen zu beobachten war als bei alternativen Sprachformen wie der Beidnennung oder dem “Großen I“ (z.B. seltenere Nennungen von beliebten weiblichen Persönlichkeiten oder von politischen Kandidatinnen für das Amt des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin der BRD).
Quelle: Psychologische Rundschau, 2001, Jg. 52, Nr. 3, S.131-140